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[Allg] freiwillig gesetzlich krankenversichert – Widerspruch Beitragsfestsetzung
SwenTanortsch:
Das erste von Dir verlinkte Dokument gibt die maßgeblichen „einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung“ wieder, die auf Grundlage der sie bindenden Gesetzeslage von den Krankenkassen zur Anwendung zu bringen sind. Genau deshalb verwende ich sie ja – neben den ihnen zugrunde liegenden Gesetzen, die jeweils parallel genannt werden – durchgehend im Widerspruchsschreiben. Es ist insofern schön, dass Du mich noch einmal auf sie hinweist – hättest Du Dich allerdings inhaltlich mit dem Widerspruchsschreiben beschäftigt, hättest Du jenen Hinweis gar nicht geben brauchen, weil Dir dann ja klar gewesen wäre, dass die Grundsätze dort durchgehend zur Anwendung gebracht worden sind.
Der von Dir beigefügte zweite Link gibt dann im übertragenen Sinne (die einheitlichen Grundsätze sind juristisch gesehen weder eine Rechtsvorschrift noch ein amtliches Dokument) die entsprechenden Ausführungsbestimmungen analog zu verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften an, geht also nicht über jene Grundsätze hinaus, sondern soll es sowohl den Krankenkassenmitarbeitern als auch deren Mitgliedern erleichtern, das nötige Handeln im Sinne der komplexen Rechtslage durchzuführen bzw. durchdringen zu können (juristisch gesehen stellen sie genauso wie die „einheitlichen Grundsätze“ nur eine Rechtsnorm, aber keine Rechtsvorschrift dar; sie sind also beide in ihrem rechtsnormierenden Charakter nicht justiziabel, weshalb ich im Widerspruchsschreiben immer auch die jeweilige gesetzliche und also maßgebliche Rechtsvorschrift benenne).
Eine Interpretation lieferst Du nun jedoch ein weiteres Mal nicht, sondern nur eine knappe allgemeine Aussage zum § 3 der einheitlichen Grundsätze – und diese Aussage ist m.E. in ihrem völlig allgemeinen Charakter grundlegend spekulativ und dabei zugleich arg verkürzend, um nicht zu sagen: sachlich falsch, da sie sich gar nicht erst mit der komplexen und also konkret zu betrachtenden Rechtslage beschäftigt. Ergo: Schaue Dir am besten einfach mal die gültigen Rechtsvorschriften an: § 2 (2) i. V. m. §§ 8 bis 9a EStG sowie § 15 (1) SGB IV, die also meiner Meinung nach – wie im Widerspruchsschreiben dargelegt – zur Anwendung zu bringen sind; und in Abhängigkeit davon (eben als Rechtsnorm) dann auch § 3 (1) 1 i.V. m. § 3 (1a) und § 5 (2) sowie § 6 (3) 3 Nr. 1 der genannten Einheitlichen Grundsätze. Auf dieser konkretisierten Rechtslage gründe ich am Ende im Widerspruch die Konklusion (s. dort den drittletzten Absatz), die also dort zuvor anhand des Nachweises des zu beachteten Gleichheitssatzes vorbereitet wurde – und ich sehe nun nicht, was daran durch Deine allgemeine und zugleich nur auf den § 3 verkürzte Aussage geändert werden sollte: Denn dass der Abzug von Werbungskosten von den Krankenkassen nicht „gewünscht“ ist, wie Du schreibst, bleibt unbenommen; jedoch ist das Leben kein Wunschkonzert und muss folglich auch das Handeln von gesetzlichen Krankenkassen innerhalb der geltenden Rechtsvorschriften erfolgen.
Zugleich ist auch die von Dir betonte Schwierigkeit nicht gegeben („Andernfalls würde ja neben der Einkommensteuererklärung auch noch für jedes Jahr eine Erklärung jedes einzelnen Mitgliedes gegenüber seiner Krankenversicherung erfolgen müssen, bei der dann die tatsächlich angefallenen Werbungskosten zum Ansatz bzw. Abzug kommen müssten.“). Denn erstens ist doch jede gesetzliche Krankenversicherung – anders, als Du das offensichtlich annimmst – verpflichtet, von ihren freiwillig Versicherten jedes Jahr genau eine solche Erklärung zur Feststellung der Beitragspflicht anhand eines ihnen von der Krankenkasse zugesandten Fragebogens anzufordern – übrigens ein Mechanismus zum Schutz der Versicherten, da ihnen hier die Möglichkeit gegeben wird, der Krankenkasse ihre Sicht der Dinge mitzuteilen. Zugleich kann diese Erklärung im Einzelfall recht umfassend ausfallen, da – wie Du an anderer Stelle richtig schreibst – alle beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder zu bemessen sind. Am Ende gilt allerdings zweitens immer der Einkommenssteuerbescheid des betreffenden Jahres; und das in diesem Bescheid m. E. zugrunde zu legende gleichgestellte Arbeitseinkommen lässt sich am Ende auch für den Laien problemlos und also mit einem Blick ablesen (vgl. zum recht einfachen Vorgehen den vorletzten Absatz des Widerspruchsschreibens) – wobei das darüber hinaus noch nicht einmal seine abschließende Aufgabe wäre, sondern die der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse, denn die nimmt am Ende die endgültige Beitragsfestsetzung anhand des Einkommenssteuerbescheids vor.
Um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht ganz , wieso Du hier im Forum so allgemeine Aussagen tätigst, ohne also offensichtlich überhaupt vorher die konkrete Rechtslage betrachtet und zugleich (s. meinen ersten Absatz oben) ohne Dich überhaupt mit dem konkreten Widerspruch beschäftigt zu haben. Vielleicht ist meine Betrachtung der Rechtslage falsch; dann müsste sie entweder von meiner Krankenkasse oder – falls deren Interpretation nicht überzeugend ist oder sie gar nicht erst eine solche anstellt – den jeweiligen Gerichten korrigiert werden. Solange das aber nicht der Fall ist, solltest Du m. E. nicht andere Betroffene davon abhalten wollen, eventuell ebenfalls Widerspruch einzulegen, für den sie nur einen Monat nach Zustellung des endgültigen Bescheids Zeit haben. Genau deshalb – weil jeweils ein Datum zu erfüllen ist – habe ich dieses Thema hier eröffnet, ohne abschließend sagen zu können, ob meine Krankenkasse oder ggf. ein Gericht den Widerspruch akzeptiert bzw. bestätigt haben (s. den letzten Absatz meines das Thema einleitenden ersten Beitrags). Denn sollte sich meine Interpretation der Rechtslage zukünftig als nicht falsch erweisen, nützte das denen nichts mehr, die gleichfalls betroffen sind, denen der endgültige Bescheid dann aber vor mehr als einem Monat zugesandt worden ist.
Auch von daher formuliere ich in diesem Beitrag verhältnismäßig deutlich, was nicht unfreundlich gemeint sein soll – aber m. E. sollte man anderen Leuten keinen Widerspruch ausreden wollen, wenn man sich letztlich wohl kaum mit der Thematik beschäftigt hat. Denn im Einzelfall kann‘s hier um eine nicht geringe Summe an eventuell fälschlicherweise zu viel zu zahlenden oder gezahlten Beiträgen gehen. Und dafür hat jede*r Betroffene die eigenen Knochen hingehalten.
sr4711:
Ich kann dem TE leider nur bedingt folgen, da ich von dem von ihm vorgetragene rechtliche Sichtweise sonst noch nie gehört habe.
Das würde doch bedeuten, dass ich als "freiwillig" gesetzlich versicherter Beamter (Bund, aber das tut hier ja nur begrenzt zur Sache) meine KV+PV-Beiträge nur nach dem tatsächlich zu versteuerndem Einkommen entrichten muss.
Gleichzeitig richtet sich doch das tatsächlich zu versteuernde Einkommen nach den bereits vorher im Steuerjahr entrichteten KV+PV-Beiträgen -> Die Katze beißt sich selbst in den Schwanz.
Und überhaupt: wie ist die Rechtslage außerhalb der Welt des TE in dieser Sache? Meine GKV berechnet bislang ausschließlich nach Monatsbrutto.
Kann jemand etwas Licht ins Dunkle bringen?
was_guckst_du:
...lasst ihn doch einfach sein Widerspruchsverfahren durchführen...er ist doch sowieso nicht zu überzeugen 8)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: sr4711 am 15.01.2020 14:58 ---
Und überhaupt: wie ist die Rechtslage außerhalb der Welt des TE in dieser Sache? Meine GKV berechnet bislang ausschließlich nach Monatsbrutto.
Kann jemand etwas Licht ins Dunkle bringen?
--- End quote ---
Genauso ist meine KV ebenfalls vorgegangen, was aber m. E. rechtlich nicht korrekt ist. Denn – wie im Widerspruchsschreiben ausgeführt – ist nach der geltenden Rechtsvorschrift der Einkommenssteuerbescheid heranzuziehen. „Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt.“ (§ 240 (4a) 3 SGB V). In diesem Sinne führen die Einheitlichen Grundsätze (als abgeleitete Rechtsnorm) aus: „Die nach den Sätzen 1 bis 4vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalen-derjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt.“ (§ 6a (2) 5). So verstanden ist das Heranziehen der Verdienstbescheide zur endgültigen Beitragsfestsetzung m. E. zunächst erst einmal ein offensichtlicher Formfehler – wenn ich es richtig sehe, ist das nicht nur in meiner Welt so, sondern sehr viel anders lässt sich die geltende Rechtsvorschrift kaum interpretieren.
Weiter wird hier sowohl vom SGB V als auch von den einheitlichen Grundsätzen von den „Einnahmen“ gesprochen, weil die Beitragsbelastung eines freiwillig gesetzlich Versicherten seine „gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ zu berücksichtigen hat (§ 240 (1) 2). Es sind folglich sämtliche seiner Einnahmen zu betrachten (nicht nur der Verdienst). Jene Betrachtung wiederum muss meines Erachtens auf Grundlage des Einkommenssteuergesetzes erfolgen. Hierzu hat das Bundessozialgericht in dem m. E. grundlegenden Urteil vom 20.03.2006 mit Blick auf hauptberuflich Selbstständige ausgeführt: „Zur Beitragsbemessung ist das Arbeitseinkommen i. S: von § 15 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) und damit der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts, heranzuziehen.“ (Urteil vom 20.03.2006 – B 12 KR 14/05 R – Rn. 18).
Aus der zitierten Passage folgt m. E., dass bei hauptberuflich Selbstständigen grundsätzlich nicht undifferenziert sämtliche Einnahmen, sondern das Arbeitseinkommen, also die entsprechenden Einkünfte nach Vollzug eines horizontalen Verlustausgleichs heranzuziehen ist. In diesem Sinne hebt das EStG in § 2 (2) 1 hervor: „Einkünfte sind 1. bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a), 2. bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a).“ Ganz in diesem Sinne führt auch das SGB IV in § 15 (1) aus: „Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist.“
In den vom § 2 EStG genannten §§ 8 bis 9a werden dann die Bedingungen für einen horizontalen Verlustausgleich dargelegt; das EStG behandelt hier Selbstständige und Nicht-Selbstständige gleich. Hier geht es also um Arbeitswege, Arbeitsmittel, Arbeitszimmer etc. Jene Gleichbehandlung vollziehen m. E. auch die Einheitlichen Grundsätze als verhaltenslenkende Rechtsnorm nach; denn – wie ebenfalls schon ausgeführt – auch hier finden sich keine gesondert zwischen Selbstständigen und Beamten unterscheidenden Ausführungen mit Blick auf die endgültige Beitragsfestsetzung.
Der langen Rede kurzer Sinn: Meines Erachtens ist der freiwillig gesetzlich versicherte Beamte den anderen Gruppen freiwillig gesetzlich Versicherten sowohl von der heranzuziehenden Sozial- als auch von der Einkommenssteuergesetzgebung gleichgestellt. Er ist ebenfalls – anders als die nicht freiwillig gesetzlich Versicherten – in seiner „gesamte[n] wirtschaftliche[n] Leistungsfähigkeit“ zu betrachten. Da dem so ist, müssen für ihn m. E. die gleichen Bedingungen wie für die anderen Gruppen der freiwillig gesetzlich Versicherten gelten, d.h., es ist bei den sonstigen Einnahmen auch bei ihm das gleichgestellte Arbeitseinkommen heranzuziehen, also eine Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigen und am Ende dann ein horizontaler Verlustausgleich durchzuführen. Das unterscheidet auch ihn von den nicht freiwillig gesetzlich Versicherten, bei denen – da sie rechtlich einen anderen Status haben – eine entsprechende Regelung nicht anzutreffen ist. Es ist also mit Blick auf sämtliche Gruppen der freiwillig gesetzlich Versicherten der Gleichheitssatz anzuwenden, den das Bundesverfassungsgericht in schöner Regelmäßigkeit wie folgt interpretiert: „Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln“.
Wenn nun allerdings die KV – wie auch bei Dir – nur die Verdienstbescheide heranzieht, kann sie jenen horizontalen Verlustausgleich nicht vornehmen, sodass sie m. E. von unangemessen zu hohen Einkünften ausgeht, was dann zu korrigieren wäre.
Ob nun diese meine Argumentation haltbar ist oder nicht, weiß ich nicht. Die Interpretation der Rechtsvorschriften halte ich jedenfalls nicht für völlig unschlüssig, weshalb ich eben den entsprechenden Widerspruch eingelegt, also über meine innere Welt hinaus gehandelt habe. Zugleich habe ich das öffentlich gemacht, da es eben eventuell um bares Geld geht und ein entsprechender Widerspruch am Ende keinen Euro kostet. Meine Krankenkasse hat mir zwischenzeitlich den fristgerechten Eingang des Widerspruchs bestätigt und prüft ihn nun. Wenn sie mir – oder auch jeder andere – anhand der heranzuziehenden Rechtsvorschriften zeigt, dass meine Interpretation nicht haltbar ist, lasse ich mich gerne überzeugen. Allgemeine Aussagen, die nicht anhand der Rechtsvorschriften erfolgen, finde ich grundsätzlich, wenn es um Rechtsfragen geht, eher nicht so weiterführend, weil sie m. E. zumeist eher wenig zur Erhellung der Sachlage beitragen.
sr4711:
Danke für deine Ausführungen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn du über den Fortgang des Widerspruchsverfahrens bzw. der rechtlichen Auseinandersetzung hier berichten würdest.
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