Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Fahnder am 21.08.2020 16:56 ---Hallo SwenTanortsch,
vielen Dank für Ihre umfangreichen und aus meiner Sicht wirklich substantiellen Ausführungen. Ich verfolge die rechtliche Situation seit 2015, habe jedoch nicht im Ansatz mit diesem Ergebnis gerechnet. Es klingt für mich unglaublich, dass das BVerfG monetär deutlich über die Urteile des BVerwG und der weiteren Instanzen hinaus gegangen ist (Sie haben sich ja bereits bei Herrn Voßkuhle bedankt). Insbesondere der umfassende und damit höhere Ansatz der Wohnkosten wird in den Ministerien und Ausschüssen Kopfschmerzen bereiten.
Ich versuche im Moment, etwaige Auswirkung auf mein Bundesland nachzuvollziehen, da ich im letzten Jahr zum Glück noch rechtzeitig Widerspruch für 2019 einlegen konnte und für 2020 dies abhängig von der weiteren Entwicklung noch tuen werde. Die meisten Parameter sind ziemlich gut zu recherchieren (Regelsätze, Besoldung, Steuer, Kindergeld, Mindestbetrag, usw.) bzw. anhand des Sachverhaltes in Berlin zumindest ohne größere Unsicherheiten zuungunsten der Beamtenschaft zu schätzen (Pkv, Heizkosten, Teilhabeleistung, ...).
Die große Unbekannte sind m. E. die Unterkunftskosten. Wie Sie auf Seite 15 festgestellt haben, wurden die Unterkunftskosten laut BVerfG im Gegensatz zum BVerwG in Höhe von genau 50 % bzw. 58,8 % über den im WoGG festgelegten Werten ermittelt. Das BVerfG schreibt jedoch dazu, dass man die Daten seitens der Bundesagentur erhalten habe und diese 95 % aller Fälle einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft im Bundesland abdecken sollte. Heißt das nun, dass man die Wohnkosten generell dadurch ermitteln kann, dass man die höchste Mietstufe im Land laut WoGG um 50 % erhöht oder handelt es sich hierbei um einen großen Zufall?
Wenn es wirklich so einfach sein sollte wäre eine Alimentationsberechnung für jedes Bundesland in Minuten zu erledigen, ich kann mir dies jedoch kaum vorstellen. Wie sehen Sie das?
--- End quote ---
Hallo Fahnder,
mir ging es genauso, ich war im Vorfeld gespannt, ob das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Wohnkostenmodell als verfassungskonform betrachtet werden würde. Womit ich ebenfalls nicht gerechnet hätte, ist, dass das Bundesverfassungsgericht aus der bisherigen Rechtsprechung eine offensichtlich schlüssige und zugleich noch einmal zwangsläufig über das Bundesverwaltungsgericht hinausgreifende Bestimmungsmethodik für die Unterkunftskosten ableiten würde. Wie schon geschrieben, die ganze Entscheidung nötigt mir höchsten Respekt ab (unabhängig davon, dass sie mir nun inhaltlich passt). Wenn ich auch kein Jursit bin, so empfinde ich sie auch sprachlich sehr elegant (das war bei den beiden Entscheidungen des Jahres 2015 anders).
Während also das Bundesverwaltungsgericht die Mietenstufe als hinreichend betrachtet, sind sie nach dem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nur ein mögliches (aber kein zwingendes) Kriterium, und zwar - wenn man es genau betrachtet - nicht für die Unterkunftskosten als solche, sondern in der möglichen Abstufung "eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags" (Rn. 61).
Da es diese Abstufung für Berlin mit großer Wahrscheinlichkeit offensichtlich nicht geben kann, ansonsten hätten das die dem Gericht von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Werte widerspiegeln sollen (und zugleich sollte dann in ganz Berlin nicht eine einheitliche Mietenstufe gelten), konnte ich die beiden Varianten erstellen. Für alle anderen Länder - selbst für die, deren höchstes Mietenniveau ebenfalls + 5 bis unten + 15 %ig überdurchschnittlich ausfällt, sodass dort die Mietenstufe IV zugrunde zu legen wäre (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen) - wäre ich vorsichtiger, da das Gericht mit Ausnahme von Berlin nicht klärt, was es generell unter realitätsgerechten Unterkunftskosten versteht.
Zugleich gehe ich zwar wie Sie ebenfalls nicht davon aus, dass die für die Jahre 2009 und 2010 und dann für die Jahre 2011 bis 2015 jeweils identischen prozentualen Steigerungen Zufall sein können; aber daraus lässt sich eben leider nicht sachlogisch folgern, dass sie in anderen Regionen ebenfalls zur Bestimmung der Unterkunftskosten anhand der Mietenstufen (also mittels der Konstante 1,5 bzw. 1,58 multipliziert mit dem Betrag der jeweiligen Mietenstufe) herangezogen werden könnten.
Das Bundesverfasungsgericht ist folglich vorgegangen, wie es immer vorgeht, wenn es nicht in den weiten Entscheidungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber eingreifen darf: Es hat sie auf ein realitätsgerechtes Vorgehen festgelegt, also unsachgemäße Pauschalisierungen anhand des Existenzminimumberichts für die Kosten von Unterkunft, Heizung und der Bedarfe von Bildung und Teilhabe für verfassungswidrig erklärt, auch eine Methodik als mögliche Leitplanken konkretisiert, zugleich aber wie gehabt betont (anderes könnte es nicht, ohne unverhältnismäßig in den breiten Gestaltungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber einzugreifen), dass seine Methodik keine für die Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindliche Berechnungsgrundlage darstellt, sodass es ihnen freistünde, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen (Rn. 53).
Plausibel wäre eine solche Methode, wenn sie ohne sachfremde Erwägungen auskäme, realitätsgerecht, wenn sie in ihren notwendigerweise typisierenden und also vereinfachenden (aber nicht sachfremden) Erwägungen von dem Ziel bestimmt wäre, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Sicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (Rn. 52).
Ergo müssen wir abwarten, wie sich jetzt die Rechtspraxis entwickelt. Eines kann man aber auf jeden Fall tun, nämlich das Grundsicherungsniveau an folgenden Prämissen für den jeweiligen Höchstwert eines Landes (also dem Kriterium der höchsten Mietenstufe) ausrechnen:
a) Regelsatz für zwei in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene
b) Regelsatz für zwei Kinder
c) Unterkunftskosten anhand der höchsten Mietenstufe
d) Heizkosten anhand unverhältnismäßig hoher Heizkosten mittels des entsprechenden Heizspiegels
e) Bedarfe für Bildung und Teilhabe anhand der Werte des BVerfG erstellen
Damit erhält man ein Grundsicherungsniveau, das offensichtlich recht deutlich zu gering ausfallen dürfte (die Faktoren c und e liegen ja offensichtlich zu tief), das aber eine Ahnung hinterlässt, wohin die Reise gehen kann. Denn spaßeshalber kann man ja mal die 50- und 58%ige Steigerung für die Unterkunftskosten hinzurechnen...
Da ich mir gerade noch einmal die Begründungen der aktuellen Besoldungsgesetze anschaue: In welchem Land leben Sie?
SwenTanortsch:
Ich bin nicht sicher, ob ich alles, was Du schreibst, ganz richtig verstehe, Was_Denn_Nun:
Wenn ich alles richtig verstehe, ist noch immer eine Prämisse falsch, nämlich die Voraussetzung - das schließt an dem an, was ich gerade geschrieben habe -, dass sich die Besoldungsgesetzgeber an sachfremden Erwägungen orientieren könnten. Denn das dürfen sie nicht. Ich habe das in meinen beiden langen gestrigen Beiträgen anhand der Wirkung des sozialgesetzlich bestimmten Grundsicherungsniveau versucht darzulegen (vielleicht verstehe ich Dich aber auch falsch; ganz sicher bin ich mir nicht, ob Du das meinst).
Also vereinfacht (und nicht wieder unendlich lang ausgedrückt):
- Die Wirkung der Kosten von Bedarfen für Bildung und Teilhabe darf der Besoldungsgestzgeber allen Beamten zukommen lassen; er kann sie aber (und sollte sie nach meinem Verständnis auch) nur auf die betroffenen Beamten übertragen, die über Kinder verfügen. Sie sollten sich im Familienzuschlag wiederfinden (auf die Problematik, dass die ursprüngliche Bestimmung sozialgesetzlich ausschließlich anhand zweier Kinder erfolgt, Beamte, die Kinder haben, ein oder zwei Kinder haben können - und natürlich noch viel mehr; aber dort greift dann der Beschluss zu den kinderreichen Familien, der noch einmal besonders zu betrachten wäre -, die undifferenzierte Mindestalimentationshöhe aber nur einen Wert kennt, gehe ich hier nicht ein).
- Die Wirkung der Unterkunfts- und Heizkosten können bis zu einem gewissen Betrag (der nicht zu hoch sein kann, da die Kinder beides nicht bezahlen, aber sich Kosten aus ihnen erstrecken (sehr formal formuliert); das gilt genauso für die pauschalisierten Regelsätze für zwei Kinder anhand des Existenzminimumberichts) ebenfalls in den Familienzuschlag mit einfließen. Weit überwiegend müssen sie aber - um das Ergebnis realitätsgerecht zu gestalten und es also nicht auf sachfremden Prämissen zu fundieren - in das Grundgehalt einfließen, das - wie ich gestern erneut und in den Tagen zuvor vertieft - maßgeblich sein muss für die Besoldung, die insgesamt nur in geringem Maße anhand von Ortszuschlägen differenzierbar ist.
Wie gestern schon geschrieben, wenn selbst die Alimentation des ehemals gehobenen Dienstes nicht die Mindestalimentationshöhe erreicht, ist es praktisch ausgeschlossen, dass eine Alimentation - aufgebaut auf dem Ausgangspunkt eben dieser Mindestalimentation - so strukturiert werden kann, dass dann nicht auch das Grundgehalt deutlich steigt. Denn die Wirkung der sozialgesetzlich bestimmten Unterkunftskosten lassen, da am Ende die Eltern für sie aufkommen, nicht zu, dass sie unverhältnismäßig hoch in einem Familienzuschlag einfließen würden. Denn dann käme sehr schnell die sachfremde Erwägung ins Spiel, dass das mit dem ausschließlichen Ziel der Kosteneinsparung geschehen würde und nicht aus dem zu beachtenden Ziel, die Wirkungen aus der sozialgestzlichen Bestimmung realitätsgerecht zu übertragen.
Eine Möglichkeit, wie die anstehende deutliche Erhöhung des Grundgehalts tatsächlich verringert werden könnte, wäre hingegen, die Beihilfeleistungen wieder deutlich zu erhöhen, da sich dieses zumindest in der Theorie auf alle Beamten auswirken würde bzw. - das ist juristisch entscheidend - könnte. Zugleich muss aber auch hier eine abgewogene Entscheidung entwickelt werden; denn die Beihilfe ist ein wichtiger, aber kein dominanter Bestandteil der Alimentation - der dominante Teil der Alimentation ist das Grundgehalt. Und schließlich muss der Gleichheitssatz im Blick behalten werden. Salopp formuliert: Der Besoldungsgesetzgeber kann nicht seinen Beamten die Kosten für Krankheits- und Pflevorsorge spendieren und den überwiegenden Rest der Bevölkerung zur entsprechenden Vorsorge verpflichten. Auch da setzt ihm also das Grundgesetz ab einem bestimmten Punkt eine freundliche, aber unmissverständliche Grenze.
Der langen Rede kurzer Sinn: Doch, die derzeitige Höhe des Grundgehalts sollte - in Anbetracht der deutlichen Steigerung der Mindestalimentation - generell verfassungswidrig sein. Ein System, in dem die Mindestalimentation um streckenwesie mehr als dreißig und vierzig Prozent erhöht werden muss, kann nicht anhand der ausschließlichen Erhöhung von Beihilfeleistungen, Zulagen, Zuschlägen und Sonderzahlungen ausdifferenziert werden, ohne gänzlich aus dem Lot zu geraten.
Fahnder:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 21.08.2020 18:53 ---
--- Zitat von: Fahnder am 21.08.2020 16:56 ---Hallo SwenTanortsch,
vielen Dank für Ihre umfangreichen und aus meiner Sicht wirklich substantiellen Ausführungen. Ich verfolge die rechtliche Situation seit 2015, habe jedoch nicht im Ansatz mit diesem Ergebnis gerechnet. Es klingt für mich unglaublich, dass das BVerfG monetär deutlich über die Urteile des BVerwG und der weiteren Instanzen hinaus gegangen ist (Sie haben sich ja bereits bei Herrn Voßkuhle bedankt). Insbesondere der umfassende und damit höhere Ansatz der Wohnkosten wird in den Ministerien und Ausschüssen Kopfschmerzen bereiten.
Ich versuche im Moment, etwaige Auswirkung auf mein Bundesland nachzuvollziehen, da ich im letzten Jahr zum Glück noch rechtzeitig Widerspruch für 2019 einlegen konnte und für 2020 dies abhängig von der weiteren Entwicklung noch tuen werde. Die meisten Parameter sind ziemlich gut zu recherchieren (Regelsätze, Besoldung, Steuer, Kindergeld, Mindestbetrag, usw.) bzw. anhand des Sachverhaltes in Berlin zumindest ohne größere Unsicherheiten zuungunsten der Beamtenschaft zu schätzen (Pkv, Heizkosten, Teilhabeleistung, ...).
Die große Unbekannte sind m. E. die Unterkunftskosten. Wie Sie auf Seite 15 festgestellt haben, wurden die Unterkunftskosten laut BVerfG im Gegensatz zum BVerwG in Höhe von genau 50 % bzw. 58,8 % über den im WoGG festgelegten Werten ermittelt. Das BVerfG schreibt jedoch dazu, dass man die Daten seitens der Bundesagentur erhalten habe und diese 95 % aller Fälle einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft im Bundesland abdecken sollte. Heißt das nun, dass man die Wohnkosten generell dadurch ermitteln kann, dass man die höchste Mietstufe im Land laut WoGG um 50 % erhöht oder handelt es sich hierbei um einen großen Zufall?
Wenn es wirklich so einfach sein sollte wäre eine Alimentationsberechnung für jedes Bundesland in Minuten zu erledigen, ich kann mir dies jedoch kaum vorstellen. Wie sehen Sie das?
--- End quote ---
Hallo Fahnder,
mir ging es genauso, ich war im Vorfeld gespannt, ob das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Wohnkostenmodell als verfassungskonform betrachtet werden würde. Womit ich ebenfalls nicht gerechnet hätte, ist, dass das Bundesverfassungsgericht aus der bisherigen Rechtsprechung eine offensichtlich schlüssige und zugleich noch einmal zwangsläufig über das Bundesverwaltungsgericht hinausgreifende Bestimmungsmethodik für die Unterkunftskosten ableiten würde. Wie schon geschrieben, die ganze Entscheidung nötigt mir höchsten Respekt ab (unabhängig davon, dass sie mir nun inhaltlich passt). Wenn ich auch kein Jursit bin, so empfinde ich sie auch sprachlich sehr elegant (das war bei den beiden Entscheidungen des Jahres 2015 anders).
Während also das Bundesverwaltungsgericht die Mietenstufe als hinreichend betrachtet, sind sie nach dem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nur ein mögliches (aber kein zwingendes) Kriterium, und zwar - wenn man es genau betrachtet - nicht für die Unterkunftskosten als solche, sondern in der möglichen Abstufung "eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags" (Rn. 61).
Da es diese Abstufung für Berlin mit großer Wahrscheinlichkeit offensichtlich nicht geben kann, ansonsten hätten das die dem Gericht von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Werte widerspiegeln sollen (und zugleich sollte dann in ganz Berlin nicht eine einheitliche Mietenstufe gelten), konnte ich die beiden Varianten erstellen. Für alle anderen Länder - selbst für die, deren höchstes Mietenniveau ebenfalls + 5 bis unten + 15 %ig überdurchschnittlich ausfällt, sodass dort die Mietenstufe IV zugrunde zu legen wäre (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen) - wäre ich vorsichtiger, da das Gericht mit Ausnahme von Berlin nicht klärt, was es generell unter realitätsgerechten Unterkunftskosten versteht.
Zugleich gehe ich zwar wie Sie ebenfalls nicht davon aus, dass die für die Jahre 2009 und 2010 und dann für die Jahre 2011 bis 2015 jeweils identischen prozentualen Steigerungen Zufall sein können; aber daraus lässt sich eben leider nicht sachlogisch folgern, dass sie in anderen Regionen ebenfalls zur Bestimmung der Unterkunftskosten anhand der Mietenstufen (also mittels der Konstante 1,5 bzw. 1,58 multipliziert mit dem Betrag der jeweiligen Mietenstufe) herangezogen werden könnten.
Das Bundesverfasungsgericht ist folglich vorgegangen, wie es immer vorgeht, wenn es nicht in den weiten Entscheidungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber eingreifen darf: Es hat sie auf ein realitätsgerechtes Vorgehen festgelegt, also unsachgemäße Pauschalisierungen anhand des Existenzminimumberichts für die Kosten von Unterkunft, Heizung und der Bedarfe von Bildung und Teilhabe für verfassungswidrig erklärt, auch eine Methodik als mögliche Leitplanken konkretisiert, zugleich aber wie gehabt betont (anderes könnte es nicht, ohne unverhältnismäßig in den breiten Gestaltungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber einzugreifen), dass seine Methodik keine für die Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindliche Berechnungsgrundlage darstellt, sodass es ihnen freistünde, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen (Rn. 53).
Plausibel wäre eine solche Methode, wenn sie ohne sachfremde Erwägungen auskäme, realitätsgerecht, wenn sie in ihren notwendigerweise typisierenden und also vereinfachenden (aber nicht sachfremden) Erwägungen von dem Ziel bestimmt wäre, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Sicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (Rn. 52).
Ergo müssen wir abwarten, wie sich jetzt die Rechtspraxis entwickelt. Eines kann man aber auf jeden Fall tun, nämlich das Grundsicherungsniveau an folgenden Prämissen für den jeweiligen Höchstwert eines Landes (also dem Kriterium der höchsten Mietenstufe) ausrechnen:
a) Regelsatz für zwei in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene
b) Regelsatz für zwei Kinder
c) Unterkunftskosten anhand der höchsten Mietenstufe
d) Heizkosten anhand unverhältnismäßig hoher Heizkosten mittels des entsprechenden Heizspiegels
e) Bedarfe für Bildung und Teilhabe anhand der Werte des BVerfG erstellen
Damit erhält man ein Grundsicherungsniveau, das offensichtlich recht deutlich zu gering ausfallen dürfte (die Faktoren c und e liegen ja offensichtlich zu tief), das aber eine Ahnung hinterlässt, wohin die Reise gehen kann. Denn spaßeshalber kann man ja mal die 50- und 58%ige Steigerung für die Unterkunftskosten hinzurechnen...
Da ich mir gerade noch einmal die Begründungen der aktuellen Besoldungsgesetze anschaue: In welchem Land leben Sie?
--- End quote ---
Vielen Dank für die schnelle Antwort. Mich irritiert dennoch rein handwerklich, dass man eindeutig vom 95 %-Perzentil spricht, dann jedoch offensichtlich als Ausgangsbasis die höchste Mietstufe ansetzt und diese mit den immer gleichen o. g. Prozenten erhöht. Soweit dies dann 95 % der Haushaltsgemeinschaften erfasst, stimmt es ja, aber ein "Störgefühl" bleibt. Ggf. liegt es an der Berechnung des WoGG, der eine entsprechende Würdigung zulässt. Aber wofür hat sich das Gericht dann die Daten der Bundesagentur kommen lassen?
Ich lebe in Sachsen, wo man 2016 bereits auf ein Urteil des BVerfG von 2015 reagieren musste. Lustigerweise wurde damals explizit in der Gesetzesbegründung zum "Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung" darauf hingewiesen, dass für einen ausreichenden Abstand zur Grundsicherung "mangels Hinweisen des BVerfG" keine Zweifel bestünden. Man macht in Sachsen zwar seit 2015 offensichtlich handwerkliche Fehler in der Berechnung (z. B. Kindergeld wird bei der Berechnung vom Hartz 4 abgezogen und mindert so die Mindestalimentation), aber bis heute wurde nicht darauf reagiert, obwohl das VG Chemnitz bereits im Beschluss vom 08.11.2018 auf Fehler hingewiesen hat (Az.: 3 K 2000/15). Die Frage der Mindestalimentation wurde auch in Sachsen neben den bereits von Ihnen erwähnten Ländern ebenfalls dem BVerfG vorgelegt und liegt dort (leider nur für die R-Besoldung) zur Entscheidung vor.
Ich habe für das wahrlich wohngünstige Sachsen die Berechnung analog BVerfG anhand der höchsten Mietstufe 3 für Dresden vorgenommen. Selbst mit dieser geringen Mietstufe (ohne Berücksichtigung des 95.-Perzentil) wird der Abstand zum Existenzminimum um wenige Prozent gerissen. Soweit man jedoch analog der Entscheidung in Berlin die Unterkunftskosten entsprechend erhöht, um 95 % aller Haushalte zu erfassen, kann man (mit entsprechenden Abstufungen) von einer Unteralimentation 2020 von bis zu 21 % (bei 58,8 % Erhöhung von Mietstufe 3) ausgehen. Das ist wahrlich faszinierend, ist aber aufgrund der bereits ausführlich genannten Gründe nur konsequent und sollte denjenigen Kollegen, die in ähnlichen Ländern wohnen und erst Recht denjenigen, die in teuren Ländern wohnen, ermutigen, wenigstens noch für 2020 Widerspruch einzulegen, um sich ggf. mehrere tausend EUR zu sichern.
Tyrion:
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Gesetzgeber u. a. die Grundgehälter für die Eingangsstufe jeder Besoldungsgruppe werden erhöhen müssen, dafür dann aber auch die Struktur der Besoldungstabellen deutlich verändern werden. Bis zur Dienstrechtsreform 1997 waren die Dienstaltersstufen der A-Besoldung alle zwei Jahre gestiegen. Danach wurden die Tabellen neu strukturiert, wobei die Grundgehälter der unteren Dienstaltersstufen erhöht und ab der fünften bzw. neunten Stufe verlängerte Stufenlaufzeiten von drei bzw. vier Jahren eingeführt worden sind.
Ähnliches böte sich auch jetzt an, in dem man z. B. die Anzahl der Stufen deutlich verringert, die Stufenlaufzeiten verlängert und die Erhöhungsbeträge für die folgenden Stufen verringert oder einfriert. Insoweit dürften wohl künftig die jüngeren Beamten durch eine solche Neuregelung stärker von Erhöhungen profitieren als die bereits länger Verbeamteten. Zugleich würde eine solche Regelung aber auch die Auswirkungen auf die Höhe der späteren Versorgungsbezüge begrenzen.
Es ist gut, dass das Thema hier noch mal ausführlich diskutiert wird. Nach dem Wegfall der Sonderzahlung im Jahr 2005 haben viele Beamte Widerspruch eingelegt. Von dem Thema noch unbeleckt dürfte aber ein Großteil der Beamtinnen und Beamten sein, die erst in den letzten Jahren neu eingestellt worden sind und entsprechende Aufrufe nicht mitbekommen haben. Dafür auch mein Respekt an SwenTanortsch, da es doch viel Zeit und Aufwand beansprucht, sich so umfassend in das Thema einzuarbeiten.
Euphyll:
In Bayern ist für Nachwuchskräfte auch Stufe 1 der jeweiligen BesGr weggefallen!
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