Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
rw:
Moin,
von den letzten Beiträgen losgelöst:
Mir ist grds. bewusst, dass ich ohne die (rechtzeitige) Einlegung des Widerspruches "leer ausgehe". Dies wurde hier auch schon hinreichend betont.
Wenn jedoch aufgrund des in Rede stehenden Urteils in den kommenden Monaten, Jahren abschließend festgestellt würde, dass die Besoldung seit 200x verfassungswidrig sei, erschließt sich mir zunächst nicht, warum ich nicht auch rückwirkend meinen Widerspruch erklären könnte.
Grds. müsste ich ja gutgläubig bisher davon ausgegangen sein, dass mein Dienstherr (wie er es im letzten BesAnpG auch "dargelegt hat") mich verfassungskonform besoldet.
(Nicht nur) anscheinend ist dies jedoch nicht der Fall. Welche Regelung hebelt denn den Grundsatz aus, dass ich erst beim erkennen (können) eines Mangels diesen anzeigen kann/muss?
Frei nach dem Motto "Kapitalverbrechen verjähren nicht/ erst nach 10 Jahren, eine einseitig verfassungswidrige Regelung schon nach einem Jahr?!"
Herzlichen Dank!
BerndStromberg:
--- Zitat von: WasDennNun am 12.09.2020 09:03 ---
--- Zitat von: Kimonbo am 11.09.2020 22:00 ---Frage: welche Auswirkungen hat das auf die Singles?
--- End quote ---
Wenn es gut läuft eine moderate Steigerung des Grundgehaltes des Singles (1-5%).
(und bei der R Besoldung nochmal mehr, da man dort ja die Bestenauslese nicht mehr schafft, allerdings wurde meine Frage noch nicht beantwortet, ob man die R Besoldung unabhängig von der A/B Besoldung erhöhen darf.))
--- End quote ---
Das habe ich mich auch schon gefragt. Immerhin spricht das BVerfG ausdrücklich von den besten 10%, die es zu gewinnen gelte. Und zieht auf der 2. Stufe auch noch zusätzlich die Gewährleistung der verfassungsrechtlich abgesicherten richterlichen Unabhängigkeit nach Art 97 GG als zusätzliches Kriterium heran. Wäre vor diesem Hintergrund auch eine überproportionale Erhöhung der R-Besoldung gegenüber der A-Besoldung zu erwarten?
Und wäre es als haushaltsfreundlichere Variante bei Beamten und Richtern eigentlich zulässig, das Einstiegsgrundgehalt zu erhöhen, indem man zB die ersten 4 Erfahrungsstufen streicht? Dann hätte man den Mindestabstand (115% iVm Abstandsgebot) eingehalten, etwas für die Nachwuchsgewinnung getan, aber gleichzeitig erreicht, dass alle „Bestandsrichter bzw Bestandsbeamten“ keine große Erhöhung mehr zu erwarten hätten. In Bayern hat man das ja schon mal mit der Streichung der 1. Erfahrungsstufe im Kleinen vor einigen Jahren so gemacht. Nur wäre das nicht irgendwann ein Problem der Ungleichbehandlung, wenn ich Berufseinsteiger genauso gut bezahle wie Staatsdiener mit 10 Jahren Berufserfahrung? ???
SwenTanortsch:
@ Bernd
Die A-, B- und R-Besoldung sind über die Mindestbesoldung miteinander verbunden, fußen also auf dem identischen Fundament. Deshalb hebt Stuttmann hervor, dass „die hierarchisch gestuften Besoldungsgruppen wegen des Abstandsgebots wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden“ seien (S. 553). Als Folge müssen die Grundgehaltssätze alle drei Besoldungsgruppen angehoben werden, sofern sich die Grundgehaltssätze einer der drei Gruppen als evident verfassungswidrig erweisen. In seinen Worten mit Blick auf die BverwG-Entscheidung zur R-Besoldung: „In Berlin beispielsweise muss dann jeder Beamte mindestens A8 verdienen.“ (S. 552)
In Niedersachsen hat man 2017 ebenfalls die erste Erfahrungsstufe ersatzlos gestrichen, was eventuell noch verfassungskonform war. Das Streichen von vier Erfahrungsstufen wäre aber offensichtlich verfassungswidrig, weil gegen das Leistungsprinzip verstoßend. Denn die Erfahrungsstufe ziehen ihre Rechtfertigung daraus, dass besoldungsrechtlich davon ausgegangen wird, dass mit zunehmender Erfahrung – also zunehmender Dienstzeit – eine höhere Leistung erbracht wird. Mit der ersatzlosen Streichung von vier Erfahrungsstufen würde dann aber ein Verstoß gegen das Abstandsgebot erfolgen, da ein Beamter mit erst sehr kurzer Dienstzeit auf dasselbe Besoldungsniveau gehoben werden würde wie ein Beamter mit sehr viel längerer Dienstzeit und also mit deutlich mehr Erfahrung und in dieser Logik mit einem deutlich größeren Leistungsertrag. Das aber stellte so betrachtet einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip dar und wäre von daher verfassungswidrig.
Darüber hinaus wäre ein solches Vorgehen gleichfalls verfassungswidrig, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner aktuellen Entscheidung die Grundgehaltssätze ausnahmslos jeden betrachteten Jahres für verfassungswidrig erklärt hat. Würde man nun also durch die Streichung jener vier Erfahrungsstufen zwar indirekt die Grundgehaltssätze für KuK mit weniger Erfahrungszeiten erhöhen, würden sich die der KuK mit längeren Erfahrungszeiten nicht verändern – da aber alle Grundgehaltssätze verfassungswidrig sind, sind entsprechend auch alle anzuheben. In diesem Sinne betont das Bundesverfassungsgericht: "Das Abstandsgebot gebietet dabei nicht allein, dass die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter im Hinblick auf die Endstufen zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist es erforderlich, dass zur Wahrung der Stringenz des gesamten Besoldungssystems die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter auch in sämtlichen einander entsprechenden (Erfahrungs-)Stufen abgebildet wird." (Beschluss vom 23.05.2017 - 2 BvR 883/14 u.a. - Rn. 76)
@ rw
Die deutschen Gerichte folgen regelmäßig der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die jene im Urteil vom 28.06.2011 – BVerwG 2 C 40.10 – Rn. 7 wie folgt festgehalten hat: „Das Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung der genannten Ansprüche folgt aus dem gegenseitigen Treueverhältnis, nach dem Beamte Rücksicht auf berechtigte Belange des Dienstherrn nehmen müssen. Da die Alimentation einen gegenwärtigen Bedarf decken soll, kann der Beamte nicht erwarten, Besoldungsleistungen für zurückliegende Haushaltsjahre zu bekommen, solange er sich mit der gesetzlichen Alimentation zufriedengegeben hat. Die Rügeobliegenheit ist mit geringen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen. Sie soll den Dienstherrn auf haushaltsrelevante Mehrbelastungen aufmerksam machen.“
Auf dieser Grundlage werden regelmäßig alle Widersprüche abgewiesen, die sich auf die Zeit vor dem jeweils aktuellen Kalenderjahr beziehen. Dabei ist gleichzeitig in Rechnung zu stellen, dass Beamte wegen ihres Amtseids ihrem Dienstherrn nicht gutgläubig folgen dürfen. In diesem Sinne formuliert § 36 des Beamtenstatusgesetzes:
„(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen.“
@ WasDennNun
Ohne die Diskussion wieder aufnehmen zu wollen: Wenn Du in Deinem Gedankenspiel die Zuschläge der ersten beiden Kinder auf die Höhe ab dem dritten Kind heben willst (also von rund 3.700,- auf rund 9.400,- €), dann missachtest Du den „qualitativen Sprung“ vom zweiten zum dritten Kind, den ich vorgestern dargestellt habe. Als Folge jenes Sprunges müsstest Du dann die Zuschläge ab dem dritten Kind wiederum um über das Dreifache erhöhen – mit den Folgen, die ich dort schon beschrieben habe.
Nach Deiner Logik hätte das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvL 6/17 den Familienzuschlag für das dritte Kind im Jahr 2013 nicht um knapp 100,- €, sondern um mehr 1.000,- € erhöhen müssen, was es nicht getan hat, eben weil die von Dir anvisierten Höhen irreal sind – und im Verfahren 2 BvL hätte es nicht die Grundgehaltssätze aller betrachteter Jahre für verfassungswidrig erklärt, sondern sämtliche Familienzuschläge, die aber – als Detailregelung – weitgehend nicht vorkommen.
@ Spid
2012 hat das Bundesverfassungsgericht Klagen von Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost, die sich auf das Streitjahr 2004 bezogen, abgewiesen, zugleich aber klargestellt, dass die vom Alimentationsprinzip betroffene Bestandteile der Alimentation geschützt sind (Beschluss vom 17.01.2012 – 2 BvL 4/09 – Leitsatz). Da sich der Streitgegenstand aber auf die Sonderzahlungen bezog und diese keinem Schutz durch das Alimentationsprinzip unterliegen und es schon zuvor strukturelle Unterschiede zwischen Bundes- und Postbeamten gegeben hatte (Rn. 64-68), wurden die Klagen als unbegründet zurückgewiesen (interessant sind zugleich der BVerwG-Beschluss vom 31.03.2011 – 2 C 121. 07 – sowie dessen Urteil vom 09.04.2013 – 2 C 5.12 – auf Grundlage der genannten BVerfG-Entscheidung).
Vgl. zum Verfahrensgang: https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerfG&Datum=17.01.2012&Aktenzeichen=2%20BvL%204%2F09
Wenn auch eine am Ende abschlägige Entscheidung gefallen ist, zeigt das Verfahren aber, dass es auf Bundesebene Widersprüche und Klagen gegeben hat. Aktuelle habe ich zwar in erster Suche nichts Weiteres gefunden. Es wäre aber erstaunlich, wenn nicht auch Bundesbeamte spätestens ab 2015 Widerspruchsverfahren angestrengt hätten.
Eventuell wäre eine gute Adresse, an die Du Dich wenden könntest, um weitere Infos zu erhalten, die Gewerkschaft der Polizei. Denn die ist von allen Gewerkschaften, nicht nur, was die Besoldung anbelangt, mit am aktivsten. Dort sollte man – denke ich – auf jeden Fall wissen, was sich ab 2013 auf Bundesebene getan hat.
rw:
@SwenTarnotsch herzlichen Dank! Wenn es nicht derzeit negativ behaftet wäre, würde ich dir meinen Beifall zollen für Deine Mühen hier jedem hilfreich zu antworten.
Auch deine Antwort auf meine Frage warum ich nicht nachträglich Widerspruch einlegen kann, hast du schlüssig und belegt beantwortet. Es war und ist für mich auch eher eine akademische Fragestellung.
An dieser würde ich jedoch gerne festhalten, da sie eine grundsätzliche Relevanz hat.
Nachvollziehbar ist, dass ich meine Absprüche "rechtzeitig" geltend machen muss. Spätestens mit dem letzten Nds. Besoldungsanpassungsgesetz, in dem das MF vermeintlich (oder tatsächlich) verfassungswidrig prozeduralisiert hat, erscheint mir das "hätte erkennen können/ müssen" (einer zu widersprechenden Besoldung) fraglich.
Dein Verweis auf das Beamtenstatusgesetz "das der Beamte nicht gutgläubig folgen dürfe", greift hier wörtlich, sinngemäß beziehe ich den jedoch auf meine Tätigkeit im alltäglichen Dienst bzw. die Remonstrationspflicht.
Wird auf das Treueverhältnis verwiesen, kann ich jedoch auch die Fürsorgepflicht entgegnen.
Ob dies alles auf eine zunächst nachgewiesene verfassungskonforme Besoldung durchgreift, die sich im Nachhinein als fehlerbehaftet herausstellt durchgreift, würde ich im Gedankenspiel verneinen.
PS: Ich glaube weder daran, dass ein nachträglicher Widerspruch Erfolg haben könnte, noch dass sich dies hier aufklären lässt.
ds78:
Im Bundesbeamtenteil dieses Forums hat ein Mitglied gerade kund getan, dass sein Widerspruch mit Hinweis auf die aktuellen Urteile abgewiesen wurde. Begründung der Abweisung steht dort ebenfalls. Nun stellt sich als Bundesbeamter die Frage inwiefern es noch Sinn macht WS einzulegen und ob es da eine gemeinsame Linie der Bezügestellen geben wird.
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