Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 12.09.2020 15:54 ---@ WasDennNun
Ohne die Diskussion wieder aufnehmen zu wollen: Wenn Du in Deinem Gedankenspiel die Zuschläge der ersten beiden Kinder auf die Höhe ab dem dritten Kind heben willst (also von rund 3.700,- auf rund 9.400,- €), dann missachtest Du den „qualitativen Sprung“ vom zweiten zum dritten Kind, den ich vorgestern dargestellt habe. Als Folge jenes Sprunges müsstest Du dann die Zuschläge ab dem dritten Kind wiederum um über das Dreifache erhöhen – mit den Folgen, die ich dort schon beschrieben habe.
--- End quote ---
Das was du an quantitativen Sprung benannt hast, ist womit belegt?
Dann müsste ja in der Grundsicherung für diese Kinder eben dieser quantitativer Sprung zu finden sein, ist er aber nicht!
Es ist doch so, dass ein Teil des Geldes für Kind 1 und 2 in dem Grundgehalt inkludiert ist und deswegen der FamZuschlag für Kind1/2 so "niedrig" ist, oder?
Darin liegt eben eine "fehlerhafte" Besoldungssystematik, die die Kosten für Kind und Kegel bis Kind 3 auf zwei Posten verteilt und erst ab Kind 3 alleinig durch den durch Fammzuschlag ausgleicht.
Hierin liegt mEn der Kern der Problematik.
--- Zitat ---Nach Deiner Logik hätte das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvL 6/17 den Familienzuschlag für das dritte Kind im Jahr 2013 nicht um knapp 100,- €, sondern um mehr 1.000,- € erhöhen müssen, was es nicht getan hat, eben weil die von Dir anvisierten Höhen irreal sind – und im Verfahren 2 BvL hätte es nicht die Grundgehaltssätze aller betrachteter Jahre für verfassungswidrig erklärt, sondern sämtliche Familienzuschläge, die aber – als Detailregelung – weitgehend nicht vorkommen.
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diese 1000€ musst du mir erklären, keine Ahnung wo du dieses hergezaubert hast.
Da steht doch deutlich Monatsbetrag Kind 3 482,53 € für 2013
Da geht das Kindergeld ab bleibt der Nettobetrag, "Sie blieb also um mindestens 95,91 Euro im Monat hinter dem alimentationsrechtlichen Mehrbedarf zurück."Rn89
Um dieses auszugleichen bedarf es keine 1000€ nach meiner Logik, sondern eine Erhöhung von Brutto 95,92/58% beim Spitzensteuersatz = ~164 € und entsprechend weniger bei geringeren Steuersätzen.
Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern doch die Aussage von dem Verfahren.
Fazit: In dem Verfahren zeigt das Gericht doch deutlichst auf, dass es nicht sein darf, dass die Nettoalimenation einen Beamten aufgrund seiner Kinder (in dem Verfahren Kind 3 und 4 ) nicht sinken darf. Sprich er mindestens soviel FamZuschlag erhalten muss, wie das Kind Netto "Kostet".
Darum müsste der Famzushclag beim A4er Brutto ja nur ~340€ und beim R2 ~520€ Brutto sein für Kind 3, 4.
Keine Ahnung wie du da auf eine Erhöhung um 1000€ kommst (monatliche und jährlich verwechselt?).
Für mich stellt sich die Frage, ob man diese Fragestellung nicht auch für die Nettoalimenationsunterschiede zwischen Single und Beamte mit 1, 2 Kinder machen kann.
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 12.09.2020 15:54 ---Die A-, B- und R-Besoldung sind über die Mindestbesoldung miteinander verbunden, fußen also auf dem identischen Fundament.
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Von unten nach oben ja, aber Oben steigern und unten nichts machen ist womit dem Gesetzgeber versagt?
Der Abstand zwischen der A-, B- und R-Besoldung darf nicht schrumpfen, aber sehr wohl ansteigen.
--- Zitat ---Denn die Erfahrungsstufe ziehen ihre Rechtfertigung daraus, dass besoldungsrechtlich davon ausgegangen wird, dass mit zunehmender Erfahrung – also zunehmender Dienstzeit – eine höhere Leistung erbracht wird. Mit der ersatzlosen Streichung von vier Erfahrungsstufen würde dann aber ein Verstoß gegen das Abstandsgebot erfolgen, da ein Beamter mit erst sehr kurzer Dienstzeit auf dasselbe Besoldungsniveau gehoben werden würde wie ein Beamter mit sehr viel längerer Dienstzeit und also mit deutlich mehr Erfahrung und in dieser Logik mit einem deutlich größeren Leistungsertrag. Das aber stellte so betrachtet einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip dar und wäre von daher verfassungswidrig.
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Richtig, außer wenn diese ausgewürfelte Idee auf eine neue Basis gestellt wird und auf den Stand der Forschung gebracht wird.
Spid hat da ja einige Studien immer mal wieder angebracht, die zeigen, dass man nach wenigen Jahren ja nicht mehr leistet, wenn man immer das gleiche macht.
(Und die anderen bekommen ja mehr, weil sie mehr Leisten und in der Besoldungsgruppe ansteigen)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: rw am 13.09.2020 08:49 ---@SwenTarnotsch herzlichen Dank! Wenn es nicht derzeit negativ behaftet wäre, würde ich dir meinen Beifall zollen für Deine Mühen hier jedem hilfreich zu antworten.
Auch deine Antwort auf meine Frage warum ich nicht nachträglich Widerspruch einlegen kann, hast du schlüssig und belegt beantwortet. Es war und ist für mich auch eher eine akademische Fragestellung.
An dieser würde ich jedoch gerne festhalten, da sie eine grundsätzliche Relevanz hat.
Nachvollziehbar ist, dass ich meine Absprüche "rechtzeitig" geltend machen muss. Spätestens mit dem letzten Nds. Besoldungsanpassungsgesetz, in dem das MF vermeintlich (oder tatsächlich) verfassungswidrig prozeduralisiert hat, erscheint mir das "hätte erkennen können/ müssen" (einer zu widersprechenden Besoldung) fraglich.
Dein Verweis auf das Beamtenstatusgesetz "das der Beamte nicht gutgläubig folgen dürfe", greift hier wörtlich, sinngemäß beziehe ich den jedoch auf meine Tätigkeit im alltäglichen Dienst bzw. die Remonstrationspflicht.
Wird auf das Treueverhältnis verwiesen, kann ich jedoch auch die Fürsorgepflicht entgegnen.
Ob dies alles auf eine zunächst nachgewiesene verfassungskonforme Besoldung durchgreift, die sich im Nachhinein als fehlerbehaftet herausstellt durchgreift, würde ich im Gedankenspiel verneinen.
PS: Ich glaube weder daran, dass ein nachträglicher Widerspruch Erfolg haben könnte, noch dass sich dies hier aufklären lässt.
--- End quote ---
Gern geschehen, rw.
Da ein großer Teil der Verbände und Gewerkschaften genauso wie in der Vergangenheit - aus welchen Gründen auch immer - weiterhin thematisch eher träge (re-)agieren, ist mein Ziel in diesem Forum, zumindest im kleinen Rahmen auf's Thema aufmerksam zu machen. Je mehr das Thema bekanntgemacht wird, desto größer die Chance, dass mehr KuK über es reden und dass das dann vielleicht wieder auf (einzelne) Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre zurückwirkt. Das ist auf's Ganze gesehen natürlich ein naiver Gedanke - aber besser, als gar nichts zu machen (so meine ursprüngliche und dann fortgeführte Motivation).
Zugleich finde ich, wenn man wie ich hier das Fass aufmacht bzw. aufgemacht hat, muss man auch Fragen ernstnehmen - nicht zuletzt, weil es mit recht hoher Wahrscheinlichkeit um nicht wenig Geld geht. Darüber hinaus kann ich gut nachvollziehen, dass meine zum Teil ewig langen Beiträge reichlich nervend wirken können. Da das wiederkehrend recht viel meiner Zeit kostet, nervt mich das manchmal auch - aber dann greift wieder der erste Absatz und zugleich ist es ja nur noch ein überschaubarer Zeitraum, bis sich das Thema dann selbst auf die Tagesordnung bringt. Und leider sind Rechtsfragen zumeist nicht völlig kurz zu beantworten - bzw. greifen kurze Antworten zumeist zu kurz, weil sie in der Regel unterkomplex sind. Als Folge verwirrt das dann zumeist mehr, als dass es der Wahrheitsfindung diente.
Bezogen auf das Widerspruchsverfahren besteht - genauso, wie Du das schreibst - eine sog. Normenkollision, d.h., aus dem gegenseitigen Treuverhältnis ergeben sich unterschiedliche Ansprüche, die - da sie gegenläufig sind - im Zuge der sogenannten "praktischen Konkordanz" aufzulösen sind.
Vereinfacht stehen sich mit Blick auf die Praxis am Ende zwei Prinzipien gegenüber: Dem Dienstherrn können mit Blick auf Nachzahlungsansprüchen sehr große Kosten erwachsen, die aus der Vergangenheit herrühren, aber aus aktuellen Mitteln zu finanzieren wären. Um ein verantwortliches Regierungshandeln zu vollziehen, bedarf es aber Planungssicherheit: Er muss also wissen, über welche Geldmittel er aktuell verfügt, um diese mit Blick auf die Zukunft rational einsetzen zu können.
Der einzelne Beamte hat das Recht auf eine amtsangemessene Alimentation, muss aber dennoch prinzipiell jedes Handeln seines Dienstherrn auf Rechtmäßigkeit hin prüfen (s. den Diensteid). Zugleich ist es für ihn mit einem deutlich leichteren Aufwand und gesellschaftlich geringeren Folgen verbunden (die "Rügeobliegenheiten", von denen das Bundesverwaltungsgericht spricht), gegen seine von ihm angezweifelte Alimentation jährlich Widerspruch einzulegen, als für den Dienstherrn, aus Vorsicht einen gewissen Prozentsatz an Haushaltsmitteln zurückzuhalten.
Von daher setzt das Bundesverwaltungsgericht mittels "praktischer Konkordanz" eine die Normenkollision auflösende neue Norm, nämlich dass die Widerspruchsfrist sich jeweils auf das aktuelle Haushaltsjahr bezieht. Denn ein Haushalt wird in der Regel jährlich neu beschlossen, sodass der Dienstherr am Ende des Jahres sowohl Bilanz ziehen als auch im Sinne eines verantwortlichen Regierungshandeln sein Besoldungsgesetz überprüfen kann.
Damit liegt der Ball dann sowohl bei ihm, er weiß, was finanziell ggf. auf ihn zukommen kann (und kann, wenn er sich seines Besoldungsgesetzes juristisch nicht sicher ist, dieses ändern), als auch bei dem einzelnen Beamten, der mit einem Blatt Papier, wenig Text, einem Briefkuvert sowie 80 Cent Porto aktiv seine ggf. bestehenden Ansprüche wahren kann. Der dem einzelnen Beamten aufgebürdete Verfahrensweg ist von daher verhältnismäßig - oder in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts: "Die Rügeobliegenheit ist mit geringen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen."
Da so mittels der (in der Rechtspraxis deutlich komplexer vorgenommenen) "praktischen Konkordanz" der Normenkollision Genüge getan ist, die unterschiedlichen Interessen auf rationalem Wege ausgeglichen wurden, wird jedes Gericht dem Bundesverwaltungsgericht (als höchster verwaltungsgerichtlichen Instanz) folgen - und sofern die Vermutung bestände, dass innerhalb der "praktischen Konkordanz" Verfassungsrecht nicht oder falsch beachtet worden sei, stände jedem Betroffenen der Weg nach Karlsruhe offen.
Ergo: ein prinzipiell kluges Verfahren: Wer sich tiefer gehend hineindenken will, dem ist z.B. folgende Seite zu empfehlen: http://www.juraindividuell.de/blog/praktische-konkordanz-pruefschema-fuer-klausur-und-hausarbeit/
Beim Lesen wird dann auch recht schnell klar, was textliche Länge in praktischer Juristerei bedeutet und wieso einige der größten deutschsprachigen Schriftsteller Juristen waren; denn wenn man Rechtsdenken auf den Alltag anwendet, entsteht daraus nicht nur Länge, sondern nicht selten auch Witz - lernen lachen, ohne zu weinen, hat einer von ihnen daraus wohl geschlossen...
SwenTanortsch:
@ WasDennNun
Betrachte den vierten Parameter der ersten Prüfungstufe, z.B. im für das Besoldungsrecht zentralen Urteil vom 05.05.2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - Rn. 109-112. Wenn Du die oberen Besoldungsgruppen deutlich stärker alimentierst, ohne die unteren zu beachten, definierst Du das Wertigkeitsverhältnis zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen neu. Das ist bis zu einem gewissen Grade sicherlich erlaubt - aber kann nicht überdehnt werden, da davon auszugehen ist, dass die Wertigkeit und damit die Abstände über die Kontinuität ihres Gewordenseins verfassungskonform sind. Wenn Du also die Grundgehaltssätze in den oberen Besoldungsgruppen deutlich erhöhen willst (denn darum geht es ja), die unteren aber nicht oder nicht anteilsmäßig, dann verschiebst Du das Besoldungsgefüge - und dafür benötigst Du, da das nicht willkürlich geschehen darf, einen sachlichen Grund. Diesen wirst Du mit Blick auf die Steigerungsraten, um die es geht, aber nicht finden - nicht zuletzt, weil das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die Grundgehaltssätze als solche und nicht nur in den oberen Besoldungsgruppen verfassungswidrig sind.
Das, was Du im Weiteren als "ausgewürfelte Idee" bezeichnest, ist genau das nicht, sondern eine juristisch geltende Norm, die - wie ich in meiner Antwort an rw gerade gezeigt habe - in komplexen Abwägungsprozessen entstanden und die juristisch immerwährend zu beachten ist, solange sie juristisch relevant ist. Das ist das immer wiederkehrende Problem in Deiner Argumentation, dass Du das Normengefüge nicht konsequent beachtest und dann zu Ideen gelangst, die sich auch für mich nicht selten sympathisch anhören - die aber keine rechtliche Bedeutung beanspruchen können, weil ihnen keine juristische Relevanz inhärent ist.
Spid:
Man kann ja durchaus etwas "neues" machen, günstiger wird es dadurch aber insgesamt wohl nicht. Kommt man bspw. auf die Idee, Stufen der Besoldungstabelle - weil sich nach etwa einem Jahr in einer Tätigkeit erwiesenermaßen bereits die Höchstleistung einstellt - zu streichen, ist das ja auf die Jahre gerechnet eine Erhöhung, die wiederum mit den Besoldungsabständen untereinander und den Übergabepunkten in die stufenlosen Besoldungsgruppen (A15/8->B2, B3->R3) harmonisiert werden muß. Stellt man bspw. fiktiv für das Jahr 2015 eine verfassungsgemäße Mindestalimentation - für 2015 liegen ja konkrete Zahlen vor - her, indem man (am Beispiel Bund) in der A2 die Stufen 1-6 striche und verführe man in A3-A16 analog, ergäben sich Erhöhungen in den Besoldungsgruppen Erhöhungen von 11-20% in ihren jeweiligen Laufdauern. Am Übergabepunkt A->B wäre die dortige Steigerung von ca. 17% dann auf B2 und korrespondierend zur Abstandswahrung auf B1 und B3-B11 zu übertragen, ebenso auf R3 und die darauf aufbauenden Besoldungsgruppen, R1 und R2 erführen durch die analoge Streichung der Stufen ihre entsprechenden Erhöhungen.
Das wäre zwar insgesamt simpel, ließe sich auch prozeduralisieren und begründen, wäre aber sicherlich keine sonderlich kostengünstige Lösung, sofern sich im Bereich der Besoldungsgruppen mit Stufen nicht ohnehin die Masse der Beamten in den Endstufen befindet.
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