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[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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WasDennNun:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 13.09.2020 10:34 ---Wenn Du also die Grundgehaltssätze in den oberen Besoldungsgruppen deutlich erhöhen willst (denn darum geht es ja), die unteren aber nicht oder nicht anteilsmäßig, dann verschiebst Du das Besoldungsgefüge - und dafür benötigst Du, da das nicht willkürlich geschehen darf, einen sachlichen Grund.

--- End quote ---
Bezogen auf die Richter etc. könnte ja ein Sachgrund sein, dass die Einkommen in dieser Welt (also privat Wirtschaft Kanzleien) ebenfalls stärker gestiegen sind als in der Welt der Sachbearbeiter und man wg. Bestenauslese, da nicht mehr nachkommt. Wohingegen, die Besoldung der Sachbearbeiter ja durchaus noch Konkurrenzfähig ist.

was_guckst_du:

--- Zitat von: ds78 am 13.09.2020 09:10 ---Im Bundesbeamtenteil dieses Forums hat ein Mitglied gerade kund getan, dass sein Widerspruch mit Hinweis auf die aktuellen Urteile abgewiesen wurde. Begründung der Abweisung steht dort ebenfalls. Nun stellt sich als Bundesbeamter die Frage inwiefern es noch Sinn macht WS einzulegen und ob es da eine gemeinsame Linie der Bezügestellen geben wird.

--- End quote ---
...ein Grund mehr, nicht vorschnell Widerspruch für 2019 einzulegen, sondern den Zeitrahmen bis Ende Dezember auszuschöpfen (vielleicht sieht man dann schon alles etwas klarer)

SwenTanortsch:

--- Zitat von: WasDennNun am 13.09.2020 15:09 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 13.09.2020 10:34 ---Wenn Du also die Grundgehaltssätze in den oberen Besoldungsgruppen deutlich erhöhen willst (denn darum geht es ja), die unteren aber nicht oder nicht anteilsmäßig, dann verschiebst Du das Besoldungsgefüge - und dafür benötigst Du, da das nicht willkürlich geschehen darf, einen sachlichen Grund.

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Bezogen auf die Richter etc. könnte ja ein Sachgrund sein, dass die Einkommen in dieser Welt (also privat Wirtschaft Kanzleien) ebenfalls stärker gestiegen sind als in der Welt der Sachbearbeiter und man wg. Bestenauslese, da nicht mehr nachkommt. Wohingegen, die Besoldung der Sachbearbeiter ja durchaus noch Konkurrenzfähig ist.

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Das wäre, wenn es sich für beide Gruppen so (a) betrachten und (b) belegen ließe, offensichtlich ein sachlicher Grund. Allerdings beinhaltet (a) die Betrachtung der Verbindung von A- und R-Besoldung wiederum eine Problematik, die sich nicht so einfach bzw. offensichtlich gar nicht auflösen lässt:

Wie schon einmal festgestellt, liegen die bei den Abständen notwendigerweise (jedoch nicht automatisch hinreichend) zu betrachtenden Endstufengehälter in den Besoldungsgruppen

A 15, B 1 und R 1 sowie
A 16, B 2 und R 2

eng beieinander, da die Wertigkeit jener Ämter besoldungsrechtlich bislang als ähnlich anzusehen ist. Hier haben wir wieder eine der gewachsenen Kontinuitäten - und die kann man nicht so einfach auflösen.

Wenn Du nun also die Grundgehälter in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 mit dem genannten Grund deutlich erhöhst, musst Du das gleichfalls mit den Besoldungsgruppen A 15 und A 16 (und B 1 und B 2) tun. Und dann stehen wir wieder genau da, wo wir am Anfang standen: Das Grundgehalt in den höheren Besoldungsgruppen kann nicht deutlich erhöht werden, ohne dass nicht auch eine anteilig entsprechende Erhöhung der Grundgehälter der unteren Besoldungsgruppen erfolgt.

Darüber hinaus ist (b) Dein zweiter Punkt - dass also im vormals einfachen und mittleren Dienst die Grundbesoldung hinreichend sei - unter Beachtung der Realität ebenfalls nicht haltbar, also nicht zu belegen. So ist das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise im Parallelverfahren zur Berliner Beamtenbesoldung mit Blick auf die betrachtete Besoldungsgruppen A 10 unter Verwendung der für das Verfahren vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellten Daten zu folgendem Schluss gekommen, "dass im Jahr 2006 breits 96 % aller vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mehr verdient haben, als ein Berufsanfänger der Besoldungsgruppe A 10 im beklagten Land. Der Wert stieg auf 97 % im Jahr 2008 und auf 98 % im Jahr 2014. Gemessen an der Endstufe aus A 10 haben im Jahr 2006 bereits 67 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mehr verdient als der Vergleichsbeamte, im Jahr 2010 sind es 75 % und im Jahr 2014 liegen 81 % der vergleichbaren Beschäftigten in der Privatwirtschaft über der Besoldung des Beamten mit dem Endgrundgehalt aus A 10." (Beschluss vom 22.09.2017 - 2 C 4.17 - Rn. 81)

Für die Besoldungsgruppe A 9 sehen die Zahlen wie folgt aus, "dass im Jahr 2006 bereits 95 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mehr verdient haben als ein Berufsanfänger der Besoldungsgruppe A 9; im Jahr 2014 sind es sogar 98 % und damit fast alle. Gemessen an der Endstufe aus A 9 haben im Jahr 2006 immerhin noch 73 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft mehr verdient, im Jahr 2014 sind es sogar 84 %." (ebd., Rn. 85)

Diese Zahlen zeigen nicht nur, dass Deine Vorstellung mit Blick auf die A-Besoldung nicht korrekt ist und dass es eben auch nicht um die massive Erhöhung der Familienzuschläge gehen kann, sondern mit Blick auf diese Realität sind eben sämtliche Grundgehaltssätze sämtlicher Beamten in extremer Form abgekoppelt und müssen deshalb deutlich erhöht werden, so wie es beide Gerichte - BVerwG und BVerfG - einheitlich sehen:

"Diese Diskrepanz ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Sie liegen sogar über den bereits vom Bundesverfassungsgericht als 'deutliche Diskrepanz' und verfassungswidrig eingestuften Vergleichzahlen des Bundesland Sachsen." (ebd., Rn. 82)

Weitere Folge ist der zunehmende Qualitätsverlust, von dem beide Gerichte für Berlin sprechen und die mit der Thematik beschäftigten Verwaltungsgerichte einheitlich auch für die anderen betrachteten Länder festgehalten haben - egal, ob nun für die Besoldungsgruppen des ehemals höheren, gehobenen, mittleren oder einfachen Dienstes.

So hat beispielsweise das VG Halle für das Jahr 2014 festgestellt, dass der Durchschnittsverdienst der Privatwirtschaft bei gleicher Qualifikation und Verantwortung „im Jahr 2014 in der Besoldungsgruppen A 6 nie, in der Besoldungsgruppe A 7 in Stufe 7 – also nach einer Erfahrungszeit von 19 Jahren – und in der Besoldungsgruppe A 8 in Stufe 4 – also nach einer Erfahrungszeit von 8 Jahren – erreicht“ werde. Letzteres sei „allerdings ein Wert, der kaum Aussagekraft hat, weil das zweite Beförderungsamt in dieser Zeit kaum erreichbar“ sei (VG Halle: Beschluss der Fünften Kammer vom 11.07.2017 – A 111/16 - Rn. 242). In diesem Sinne hebt - als weiteres Beispiel - das Schleswig-Holsteinische VG für den Justizvollzugsdienst - hier konkret mit Blick auf die Besoldungsgruppe A 7 - hervor: "Schulabgänger und -abgängerinnen würden sehr selten eingestellt. In den letzten Jahren sei festzustellen, dass sich mehr nicht geeignete Personen bewerben würden, weshalb die Durchfallquote hoch sei. [...] Aus Sicht der Kammer erhärten diese Angaben den Verdacht der Unteralimentation, da es offensichtlich nicht gelingt, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten trotz gesenkter Anforderungen für die Tätigkeit im Justizvollzug zu gewinnen." (Vorlagebeschluss vom 20.09.2018 – 12 69/18 - Rn. 175 f.)

Wie gesagt, Deine Prämissen sind falsch, was Deine Schlussfolgerungen nicht richtiger macht. Es tut mir leid, dass ich das so deutlich schreiben muss - aber praktisch alle Besoldungsgesetzgeber haben die ihnen ab 2006 ermöglichte Ermächtigung zur konkurrenzlosen Gesetzgebungskompetenz über das Besoldungs- und Versorgungsrecht dazu genutzt, über massive Alimentationseinsparungen ihre Haushaltskonsolidierungen voranzutreiben - und da das im Lichte des aktuellen Verfassungsgerichtsbeschluss offensichtlich vielfach verfassungswidrig geschah, fällt es ihnen das nun vor die Füße... Und das wurde auch Zeit, wenn man einige der Begründungen der aktuellen Besoldungsgesetze liest, deren Prozeduralisierungen vorgenommen wurden, als gäbe es kein gestern, heute und morgen...

WasDennNun:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 13.09.2020 16:47 --- Und dann stehen wir wieder genau da, wo wir am Anfang standen: Das Grundgehalt in den höheren Besoldungsgruppen kann nicht deutlich erhöht werden, ohne dass nicht auch eine anteilig entsprechende Erhöhung der Grundgehälter der unteren Besoldungsgruppen erfolgt.

--- End quote ---
Wieso? Die Streckung wäre doch mit dem gleichem Grund vorzunehmen. Der vergleich mit den anderen (der Wirtschaft)

Und ich habe mich ja nur gefragt, ob eine Streckung der Besoldungsgruppen nicht denkbar wäre.
Das die Mindestabstände eingehalten werden müssen ist mir klar.
Aber es gibt ja genug Sachgründe warum A13 stärker steigen müsste als A10 und der Abstand zwischen diesen halt vergrößert werden könnte.
Sprich wen unten angehoben wird, dann folgt logisch daraus, dass auch oben angehoben werden muss. Da bin ich voll bei dir.
Aber den Umkehrschluss sehe ich noch nicht ganz, dass wenn oben angehoben werden muss, dass dann automatisch auch unten ebenso stark angehoben werden muss.

SwenTanortsch:

--- Zitat von: WasDennNun am 13.09.2020 17:59 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 13.09.2020 16:47 --- Und dann stehen wir wieder genau da, wo wir am Anfang standen: Das Grundgehalt in den höheren Besoldungsgruppen kann nicht deutlich erhöht werden, ohne dass nicht auch eine anteilig entsprechende Erhöhung der Grundgehälter der unteren Besoldungsgruppen erfolgt.

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Wieso? Die Streckung wäre doch mit dem gleichem Grund vorzunehmen. Der vergleich mit den anderen (der Wirtschaft)

Und ich habe mich ja nur gefragt, ob eine Streckung der Besoldungsgruppen nicht denkbar wäre.
Das die Mindestabstände eingehalten werden müssen ist mir klar.
Aber es gibt ja genug Sachgründe warum A13 stärker steigen müsste als A10 und der Abstand zwischen diesen halt vergrößert werden könnte.
Sprich wen unten angehoben wird, dann folgt logisch daraus, dass auch oben angehoben werden muss. Da bin ich voll bei dir.
Aber den Umkehrschluss sehe ich noch nicht ganz, dass wenn oben angehoben werden muss, dass dann automatisch auch unten ebenso stark angehoben werden muss.

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Das ist das Problem unserer Diskussion, weshalb ich sie am Ende auch mit Blick auf die Familienzuschläge beendet habe: Man liefert Dir Daten, die Deine Sichtweise gänzlich verändern müssten - und Du nimmst diese letztlich nicht zur Kenntnis, sondern stellst die nächste Frage oder Vermutung in den Raum.

- Es gibt den Sachgrund der massiven Abkopplung der Mindestalimentation, der dazu führen muss, dass die Grundgehaltssätze steigen müsen.
- Es gibt das Pendant, weshalb die Mindestalimentation so stark abgekoppelt ist, nämlich dass 98 % der Beschäftigten in der Privatwirtschaft sowohl gegenüber den Beamten in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppen A 9 als auch von A 10 im Jahre 2014 - dem jeweils letzten betrachteten Jahr - mehr verdient haben als die über die gleiche Qualifikation und Verantwortung verfügenden Berliner Beamten.
- Es gibt die grundgesetzgleiche Verpflichtung der Besoldungsgesetzgeber, im Sinne eines funktionierenden Staatswesen die Attraktivität der Dienstverhältnisse für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zu gewährleisten, was aber offensichtlich nicht zu gewährleisten ist, wenn 98 % der gleichqualifizierten Beschäftigten in der Privatwirtschaft mehr verdienen als die frisch verbeamteten KuK und wenn zugleich die Einstellungsqualifikationen beständig weiter gesenkt werden müssen, um überhaupt noch Personal rekrutieren zu können (und in diesem Zusammenhang könnte man sicherlich noch ein paar Worte zum immer massiveren Fachkräftemangel insbesondere vieler ländlicher Kommunen in den Flächenstaaten sagen).
- Es gibt das Abstandsgebot, das die Besoldungsgruppen wie kommunizierende Röhren miteinander verbindet, sodass klar ist, dass, wenn die Nettoalimentation sowohl in den unteren als auch in den höchsten Besoldungsgruppen massiv erhöht werden muss, davon auch die dazwischenliegenden betroffen sein müssen.

Und nachdem nun diese Korridore allesamt geschlossen sind, gehst Du zur nächsten These über und stellst die A 13er-Besoldung in den Raum - eben tust das, was ich schon mehrmals betont habe, führst die nächste Zusatzbedingung ein, anstatt den Weg zu gehen, der auf der Hand liegt, nämlich Deine Sichtweise zu ändern und sie den zu beachtenden Realitäten anzupassen.

Was soll ich Dir also noch sagen? Deine Sichtweise zur Rechtmäßigkeit einer massiven Anhebung der Familenzuschläge ist grundlegend falsch und das gilt genauso für die Vorstellung, Grundgehaltssätze partiell erhöhen zu können, ohne dass davon das Gesamtgefüge betroffen sein müsste. Und nun können wir wieder von vorn anfangen - aber das ist, glaube ich, nicht im Sinne des Erfinders.

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