Ich kann, was Du schreibst, gut nachvollziehen, PolareuD. Ich halte es zugleich für wahrscheinlich, dass es dem Land in seinen Stellungnahmen eher nicht gelingen oder gelungen sein dürfte, den Zweiten Senat davon zu überzeugen, dass man in Berlin sachlich dazu berechtigt gewesen sein sollte, seit 2020 die mit Gesetzeskraft erlassene Entscheidung vom 04. Mai hinsichtlich der A-Besoldung (die ggf. mindestens über das eklatant verletzte Mindestabstandsgebot als entscheidungstragender Teil mit betrachtet worden ist) sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit als auch bezogen auf die seitdem verstrichene Gegenwart und derzeit geplant mit Blick auf die weitere Zukunft geflissentlich ignorieren zu dürfen, was durch den SEnFin wiederkehrend genauso formuliert worden ist, wenn also der verfassungswidrige Gehalt der gewährten A-Besoldung eingestanden worden ist, ohne ihn jedoch zu beheben, und zwar mit der unbegründeten Auffassung, dass dazu alsbald Karlsruhe etwas sagen würde - ergo: Man hat sich in Berlin möglichst bis ins Detail reichende Anweisungen aus Karlsruhe gewünscht, sodass es offensichtlich dort keinen sachlichen Grund geben sollte, sich diesem Wunsch nun zu verschließen, es also durchaus im Sinne des Landes und seines Abgeordnetenhauses und Senats von Berlin sein sollte - vertraute man den gemachten Aussagen -, wenn Karlsruhe dem Wunsch nun mit aller gebotenen Klarheit nachkäme und das zugleich mit einer Vollstreckungsanordnung versehen würde, die ja offensichtlich bis ins Detail reichende Ausführungen bedürfte; so wäre zumindest meine allerdings hier keine Rolle spielende Auffassung.
Nichtsdestotrotz - also auch sofern jene Stellungnahmen insbesondere das Ziel verfolgten, weiterhin zu verzögern - sind sie, sofern hier nicht explizit gesagt worden wäre, dass genau das das Ziel sei (was eher nicht gesagt worden sein dürfte), von einem Gericht als sachlich anzusehen und dann ggf. als unbegründet zurückzuweisen. Ich denke, dass dieser Nachweis keine allzu großen Mühen machen sollte. Denn einen sachlichen Grund für das m.E. einer Untätigkeit gleichkommende Handeln kann es offensichtlich nicht geben, lässt sich also der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen.
Worin der konkrete Grund für das entsprechende Tempo liegt, das dazu führt, dass wir weiterhin keine der angekündigten Entscheidungen vorfinden und sie ggf. auch nicht im ersten Quartal 2025 vorfinden werden, darüber lässt sich offensichtlich nur spekulieren. Dabei dürfen wir davon ausgehen, dass die mit den anhängigen Normenkontrollverfahren beschäftigten BVR mitsamt ihres jeweiligen Dezernats kontinuierlich an den ihnen zugewiesenen Verfahren arbeiten werden; denn die Verzögerungsbeschwerde des letzten Winters macht es ja nicht unwahrscheinlich, dass alsbald ggf. der nächste Kläger entsprechen verfahren wollte, wenn nicht der jenem Verfahren beigefügte Entscheidungsbegründung mitsamt ihrer dargelegten Argumentation in näherer Zukunft sichtbare Taten folgen sollten - unabhängig davon, dass es sicherlich mittlerweile zunehmend schwierig bis zunehmend unmöglich werden sollte, Verfahrensdauern wie die weiterhin sich verlängernden noch der Beamtenschaft vermitteln zu können, auch wenn sie sich ggf. noch sachlich rechtfertigen lassen sollten.
Zugleich stellt sich sicherlich irgendwann die Frage, wie lange entsprechende sachliche Rechtfertigungen insbesondere für die am Längsten in Karlsruhe anhängigen Vorlagen tragfähig sein sollten, und zwar das nur umso mehr, als dass sich offensichtlich sachlich begründen lässt, dass wir mittlerweile in allen Rechtskreisen weitgehend nur noch ein Torso an Besoldungsrecht vorfinden, der mit fast jedem weiteren Gesetzgebungsverfahren zunehmend noch mehr verstümmelt wird. Dafür trägt das Bundesverfassungsgericht keine unmittelbare Verantwortung - als Hüter der Verfassung sieht es sich aber mindestens in der Pflicht, den Besoldungsgesetzgebern ihre Bindungen vor Augen zu führen und zugleich die Verfassung zu schützen.
Entsprechend sehe ich es so wie Du ebenfalls als durchaus mindestens bemerkenswert an, dass seit dem 4. Mai 2020 mittlerweile mehr als viereinhalb Jahre vergangen sind, in denen offensichtlich die genannte Verstümmelung eines Rechtsinstituts zunehmend forciert worden ist, die darüber hinaus mit der öffentlichen Verwaltung den Kernbestand unseres Staatswesens betrifft. Die einzigen, die das - also die Verfahrenslänge der anhängigen Verfahren - ändern können, sind die Richter des Zweiten Senats. Dafür, dass sich die Anzahl der anhängigen Normenkontrollverfahren von 2019 nach 2025 zwischenzeitlich fast verdoppelt hat, trägt man in Karlsruhe mindestens jene Mitverantwortung, dass man seit dem Frühjahr 2020 keine weitere Entscheidung mehr getätigt hat. Nur leider werden auch Aussagen wie diese hier kaum dazu führen, eine der Verfahrenslängen abzukürzen.
Das Zuwarten macht so verstanden mürbe - unterkriegen lassen dürfen wir uns trotzdem nicht. Vielmehr müssen wir an der Stelle, wo wir uns hingestellt fühlen, stetig weitermachen. Es hilft ja nichts. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und wenn wir am Ende tatsächlich eine schlüssige Fortführung der bislang erstellten neuen Besoldungsdogmatik vorfinden sollten, dann stellte sich dieser Stein als sehr viel mürber dar als unsere je individuelle Empfindung. Dabei gehe ich weiterhin davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch ist, da mir keine gefestigten anderen Informationen vorliegen und Karlsruhe ggf. einen schweren Autoritätsverlust nicht nur in der Bundesrepublik erleiden dürfte, wenn insbesondere die R-Besoldung zukünftig weiterhin das Niveau behielte, das es weiterhin hat.
Denn die europäische Gerichtsbarkeit ist erst unlängst hinsichtlich des Streikverbots Karlsruhe offensichtlich auch deshalb sehr weitgehend gefolgt, weil man dort zurecht davon ausgeht, dass die beiden Senate eine machtvolle Position im Staatsgefüge der Bundesrepublik haben; darüber wird es - so darf man begründet vermuten - in den letzten Jahren einen durchaus regen sachlicher Austausch zwischen Karlsruhe und Straßburg gegeben haben, der ebenfalls - so habe ich das unlängst an anderer Stelle in anderen Kontexten ausgeführt - ja eine befriedende Wirkung hat, wenn er sich in seinem sachlichen Gehalt im Anschluss bewahrheiten lässt. Sollte sich das hier für die europäische Gerichtsbarkeit als auf Sand gebaut erweisen, wäre der Schaden für beide Senate des Bundesverfassungsgerichts erheblich, weil mit einem kaum zu reparierenden Vertrauensverlust vonseiten der europäischen Gerichte verbunden, ohne dass der Erste Senat mitsamt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts dabei eine tragende Rolle spielen könnte, da jener Senat von den anhängigen 64 Normenkontrollverfahren zum Besoldungsrecht ausgeschlossen ist.
Es steht, wenn ich das auch aus dieser Perspektive richtig sehe, mit den angekündigten Pilotverfahren für Karlsruhe sehr viel mehr auf dem Spiel als für die Besoldungsgesetzgeber. Die können, da sie regelmäßig von Karlsruhe vor's Schienbein bekommen, eine deutliche Entscheidung sehr viel leichter wegstecken, als Karlsruhe den Autoritätsverlust sowohl im machtpolitischen Binnenverhältnis der Bundesrepublik als auch auf europäischer Ebene wegstecken könnte, wenn man dort nun anfinge, besoldungsdogmatische Schlangenlinien fahren zu wollen. Ergo: Mund abwischen, weitermachen!
https://www.youtube.com/watch?v=s10U_efDHME@ Saggse
Auch dem kann ich folgen - allerdings ist es verfassungsrechtlich nicht ganz einfach, die verfassungsrechtlichen Bindungen auch durchzusetzen, weshalb nun - denke ich - die Berliner Verfahren als Pilotverfahren ausgewählt sein sollten, wie ich das ja bereits anderweitig begründet habe. Der Tiger Alimentationsprinzip ist nicht zuletzt dank Andreas Voßkuhles weiterhin nicht mehr zahnlos. Er muss nun allerdings auch zubeißen, ansonsten hat er vielleicht Zähne, allerdings wäre er dann eventuell gar kein Tiger, sondern eine Maus.