Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3764188 times)

SwenTanortsch

  • Erweiterter Zugriff
  • Hero Member
  • *
  • Beiträge: 2,534
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6795 am: 25.11.2024 11:10 »
Die Rechtsprechung ist in der Regel mit einer Fristsetzung verbunden, bis wann die verfassungswidrige Norm geheilt werden muss. In der aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020 war das der 01. Juli 2021, was im Tenor so angeordnet worden ist (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).

Ich gehe neben dem eben Gesagten weiterhin davon aus, dass der Senat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vollstreckungsanordnung nach § 31 BVerfGG aussprechen werden wird, die entsprechend mit einem Datum versehen werden würde. In allen anderen Fällen würde es unverständlich bleiben, weshalb man Berlin umfassend die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben hat, vgl. https://www.berliner-besoldung.de/bverfg-fordert-stellungnahmen-ein-hpr-kann-liefern/

Interessant würde es werden, wenn das Abgeordnetenhaus von Berlin dann weiterhin nur so handeln würde, dass das einer Untätigkeit gleichkommen würde.

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,290
  • Bundesbeamter
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6796 am: 25.11.2024 11:10 »
Frage: Selbst wenn es zu einem Urteil kommt, bedeutet dies ja nicht, dass dann am nächsten 1. mehr Geld auf dem Konto ist. Es müssen dazu ja noch Gesetze erlassen werden. Kann sich der Gesetzgeber dazu unendlich Zeit lassen oder gibt es da Fristen?
Eine wie auch immer geartete Fristsetzung ist nur dann sinnvoll, wenn sie mit einer Konsequenz bei Nichteinhaltung verbunden ist. Daher: Nein, das BVerfG verfügt nicht über die nötigen Werkzeuge, dem Gesetzgeber eine Frist zu setzen. Es kann jedoch andere Akteure mit der Vollstreckung seiner Anordnung beauftragen, die es für "kooperativer" hält als den Gesetzgeber. Ich weiß aber nicht, ob das überhaupt schon mal passiert ist.

Die letzten beiden Beschlüsse 2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17 enthielten eine Frist zur Umsetzung bis zum 01.07.2021 bzw. 31.07.2021. Die Bundesländer haben aber erst zum 01.12.2022 ihre Besoldungsgesetzgebungen angepasst, der Bund bis heute noch gar nicht.

SwenTanortsch

  • Erweiterter Zugriff
  • Hero Member
  • *
  • Beiträge: 2,534
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6797 am: 25.11.2024 11:20 »
Eine solche Fristsetzung kann sich ausschließlich auf den Gesetzgeber beziehen, der ein entsprechend verfassungswidriges Gesetz erlassen hat und das also mit Gesetzeskraft vom Bundesverfassungsgericht eleminiert worden ist. So verstanden sahen sich unmittelbar nur Berlin und Nordrhein-Westfalen aufgefordert, bis zum genannten Datum vergangenheitsbezogen zur Korrektur zu schreiten.

Darüber hinaus sehen sich die Gesetzgeber auch über diese unmittelbare Bindung hinaus an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht gebunden. Allerdings geben sie ja als Besoldungsgesetzgeber der Länder weiterhin mit der aktuellen Ausnahme von Hessen und dem Saarland an, in Vergangenheit und Gegenwart verfassungskonform besoldet zu haben bzw. zu besolden. Dafür können sie bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils zunächst einmal nicht belangt werden.

A9A10A11A12A13

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 318
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6798 am: 25.11.2024 11:34 »
Ist im diesjährigen NRW-Widerspruch die „Suspendierung“ als neuer Aspekt im Begründungstext aufzuführen und zu vollziehen?

Denn in NRW wurde ein Offenbarungseid für dauerhaftes Totalversagen in Drucksache 18/9514 Seite 103 dokumentiert. Dort heißt es:

„Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bindendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. Diese umfassen, neben der Alimentationspflicht des Dienstherrn, auch die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen.“

Der Gesetzgeber stellt generell fest, dass jede Landes und kommunale Besoldungsstelle auch im Rückgriff auf das Personal der Gesamtverwaltung, sowie jede Behörde insgesamt weder in Anzahl noch vom Intellekt ausreichend belastbar besetzt ist und damit keine Dienst- und Betriebsfähigkeit vorliegt! (Man kann ja dazu jeden Stellenplan zumindest auf zahlenmäßig unbesetzte Stellen prüfen.)

Ist mit dem Begründungstext, der ja ähnlich bindend wie ein Gesetzestext auszulegen ist, nicht die Möglichkeit eröffnet, aufgrund der vom Gesetzgeber generell festgestellten Überlastung der Dienstherrn alle im Geschäftsverteilungsplan festgelegten und weitere freiwillige individuelle Tätigkeiten (die häufig gemeinwohlschädlich sind) solange rücksichtsvoll einzustellen, bis der Dienstherr belastbar in der Lage versetzt wird, diese wieder individuell entgegenzunehmen? Zumindest solange bis die Verfassungskonformität der jährlichen Widersprüche geklärt und die Alimentation ausgezahlt ist?

Es heisst verkürzt konkret zum bereits beim niedrigsten Niveau überlasteten Dienstherrn:
„Bei Besoldungsansprüchen handelt es sich um ein Massenverfahren. Inhaltlich unterliegt die Geltendmachung nur geringen Anforderungen. Eine individuelle Auslegung ist mit Blick auf die Anzahl der Eingänge und den damit verbundenen administrativen Aufwand nicht leistbar, nicht umsetzbar.“

Wenn die Behörde mit jeder individuellen Kleinigkeit überfordert ist, möchte ich sie doch nicht mit meinen individuellen Leistungen behelligen, wenn sie doch zuerst mal Rücksicht einfordert und dann erst volle Hingabe.

PS (will ich es mal übertreiben?)
Man soll als Beamter sich also mit dem derzeit eingefrorenem Familienstand/Status und der daraus abgeleiteten Alimentation zufrieden geben und den überforderten Dienstherrn mit seinen individuellen Gegebenheiten „aus Rücksicht“ nicht mehr behelligen? Der Gesetzgeber ordnet die Einstellung der meisten Tätigkeiten der Besoldungsstelle an?

Das bedeutet, dass ein „Freeze“ z.B. in Familienstand, Adresse oder Konfession gesetzt wurde. Jeder Veränderung die ein Beamter anzeigen und dementsprechende Besoldungsansprüche beantragen will, sei es Wohnortwechsel, Heirat, Scheidung, Anzahl der sorgeberechtigten Kinder bleiben als nicht leistbarer administrative Aufwand unberücksichtigt? Hat man derzeit den Status verheiratet, kann ein Familiengericht zwar die Scheidung vollziehen, das Standesamt noch so viele Geburtsurkunden ausstellen, der damit verbundene individuelle administrative Aufwand, wird nicht mehr im Stammsatz des Beamten eingetragen?
« Last Edit: 25.11.2024 11:42 von A9A10A11A12A13 »

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,290
  • Bundesbeamter
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6799 am: 25.11.2024 14:36 »
@ Swen

Vielen Dank für die Einschätzungen zum Zeithorizont des nächsten Beschlusses des BVerfG, auch wenn ich diesen als eher demotivierend wahrnehme.

Aus meiner Sicht wäre es der Beamtenschaft nicht mehr vermittelbar, wenn der Beschluss nach März 2025 erfolgen sollte. Angekündigt war ein Beschluss für 2023. Aufgrund der hohen Anzahl, an inzwischen eingegangenen Richtervorlagen, wurde auf ausgewählte Pilotverfahren umgestellt, so dass in 2024 jetzt über Berlin und Bremen entschieden werden sollte. Das ist aus meiner Sicht durchaus hinnehmbar und im Interesse aller. Das Berlin ausführliche Stellungnahmen geschickt hat, ist nichts weiteres als eine Verzögerungstaktik, denn haushälterische Notlagen sind auch für Berlin nicht erkennbar gewesen. Laut der Aussagen der Interessenverstretung "komba" hat der zu erwartende Beschluss die Revisionsinstanz erfolgreich durchlaufen und ist nach meinem Dafürhalten damit so gut wie fertig. Demzufolge sollte der Beschluss noch vor der Jahresvorschau 2025 zumindest im Wochenausblick angekündigt werden. Seit dem letzten Beschluss wären damit knapp 5 Jahre vergangen.

Saggse

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 272
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6800 am: 25.11.2024 15:15 »
Die Rechtsprechung ist in der Regel mit einer Fristsetzung verbunden, bis wann die verfassungswidrige Norm geheilt werden muss.
Die Fristsetzung ist aber ein zahnloser Tiger, wenn eine Nicht-Einhaltung nicht zu Konsequenzen für den Entscheidungsträger führt. Gegenwärtig sparen die Besoldungsgesetzgeber durch ihren Verfassungsbruch Geld, und ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass sie von diesem Verhalten erst dann abrücken, wenn das Kostenrisiko den Nutzen übersteigt, wobei hier freilich nicht nur finanzielle, sondern auch politische Aspekte mit hinein spielen, auch wenn Letztere augenscheinlich nicht die Bedeutung haben, die sich viele hier vermutlich wünschen würden...

SwenTanortsch

  • Erweiterter Zugriff
  • Hero Member
  • *
  • Beiträge: 2,534
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6801 am: 25.11.2024 16:35 »
Ich kann, was Du schreibst, gut nachvollziehen, PolareuD. Ich halte es zugleich für wahrscheinlich, dass es dem Land in seinen Stellungnahmen eher nicht gelingen oder gelungen sein dürfte, den Zweiten Senat davon zu überzeugen, dass man in Berlin sachlich dazu berechtigt gewesen sein sollte, seit 2020 die mit Gesetzeskraft erlassene Entscheidung vom 04. Mai hinsichtlich der A-Besoldung (die ggf. mindestens über das eklatant verletzte Mindestabstandsgebot als entscheidungstragender Teil mit betrachtet worden ist) sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit als auch bezogen auf die seitdem verstrichene Gegenwart und derzeit geplant mit Blick auf die weitere Zukunft geflissentlich ignorieren zu dürfen, was durch den SEnFin wiederkehrend genauso formuliert worden ist, wenn also der verfassungswidrige Gehalt der gewährten A-Besoldung eingestanden worden ist, ohne ihn jedoch zu beheben, und zwar mit der unbegründeten Auffassung, dass dazu alsbald Karlsruhe etwas sagen würde - ergo: Man hat sich in Berlin möglichst bis ins Detail reichende Anweisungen aus Karlsruhe gewünscht, sodass es offensichtlich dort keinen sachlichen Grund geben sollte, sich diesem Wunsch nun zu verschließen, es also durchaus im Sinne des Landes und seines Abgeordnetenhauses und Senats von Berlin sein sollte - vertraute man den gemachten Aussagen -, wenn Karlsruhe dem Wunsch nun mit aller gebotenen Klarheit nachkäme und das zugleich mit einer Vollstreckungsanordnung versehen würde, die ja offensichtlich bis ins Detail reichende Ausführungen bedürfte; so wäre zumindest meine allerdings hier keine Rolle spielende Auffassung.

Nichtsdestotrotz - also auch sofern jene Stellungnahmen insbesondere das Ziel verfolgten, weiterhin zu verzögern - sind sie, sofern hier nicht explizit gesagt worden wäre, dass genau das das Ziel sei (was eher nicht gesagt worden sein dürfte), von einem Gericht als sachlich anzusehen und dann ggf. als unbegründet zurückzuweisen. Ich denke, dass dieser Nachweis keine allzu großen Mühen machen sollte. Denn einen sachlichen Grund für das m.E. einer Untätigkeit gleichkommende Handeln kann es offensichtlich nicht geben, lässt sich also der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen.

Worin der konkrete Grund für das entsprechende Tempo liegt, das dazu führt, dass wir weiterhin keine der angekündigten Entscheidungen vorfinden und sie ggf. auch nicht im ersten Quartal 2025 vorfinden werden, darüber lässt sich offensichtlich nur spekulieren. Dabei dürfen wir davon ausgehen, dass die mit den anhängigen Normenkontrollverfahren beschäftigten BVR mitsamt ihres jeweiligen Dezernats kontinuierlich an den ihnen zugewiesenen Verfahren arbeiten werden; denn die Verzögerungsbeschwerde des letzten Winters macht es ja nicht unwahrscheinlich, dass alsbald ggf. der nächste Kläger entsprechen verfahren wollte, wenn nicht der jenem Verfahren beigefügte Entscheidungsbegründung mitsamt ihrer dargelegten Argumentation in näherer Zukunft sichtbare Taten folgen sollten - unabhängig davon, dass es sicherlich mittlerweile zunehmend schwierig bis zunehmend unmöglich werden sollte, Verfahrensdauern wie die weiterhin sich verlängernden noch der Beamtenschaft vermitteln zu können, auch wenn sie sich ggf. noch sachlich rechtfertigen lassen sollten.

Zugleich stellt sich sicherlich irgendwann die Frage, wie lange entsprechende sachliche Rechtfertigungen insbesondere für die am Längsten in Karlsruhe anhängigen Vorlagen tragfähig sein sollten, und zwar das nur umso mehr, als dass sich offensichtlich sachlich begründen lässt, dass wir mittlerweile in allen Rechtskreisen weitgehend nur noch ein Torso an Besoldungsrecht vorfinden, der mit fast jedem weiteren Gesetzgebungsverfahren zunehmend noch mehr verstümmelt wird. Dafür trägt das Bundesverfassungsgericht keine unmittelbare Verantwortung - als Hüter der Verfassung sieht es sich aber mindestens in der Pflicht, den Besoldungsgesetzgebern ihre Bindungen vor Augen zu führen und zugleich die Verfassung zu schützen.

Entsprechend sehe ich es so wie Du ebenfalls als durchaus mindestens bemerkenswert an, dass seit dem 4. Mai 2020 mittlerweile mehr als viereinhalb Jahre vergangen sind, in denen offensichtlich die genannte Verstümmelung eines Rechtsinstituts zunehmend forciert worden ist, die darüber hinaus mit der öffentlichen Verwaltung den Kernbestand unseres Staatswesens betrifft. Die einzigen, die das - also die Verfahrenslänge der anhängigen Verfahren - ändern können, sind die Richter des Zweiten Senats. Dafür, dass sich die Anzahl der anhängigen Normenkontrollverfahren von 2019 nach 2025 zwischenzeitlich fast verdoppelt hat, trägt man in Karlsruhe mindestens jene Mitverantwortung, dass man seit dem Frühjahr 2020 keine weitere Entscheidung mehr getätigt hat. Nur leider werden auch Aussagen wie diese hier kaum dazu führen, eine der Verfahrenslängen abzukürzen.

Das Zuwarten macht so verstanden mürbe - unterkriegen lassen dürfen wir uns trotzdem nicht. Vielmehr müssen wir an der Stelle, wo wir uns hingestellt fühlen, stetig weitermachen. Es hilft ja nichts. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und wenn wir am Ende tatsächlich eine schlüssige Fortführung der bislang erstellten neuen Besoldungsdogmatik vorfinden sollten, dann stellte sich dieser Stein als sehr viel mürber dar als unsere je individuelle Empfindung. Dabei gehe ich weiterhin davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch ist, da mir keine gefestigten anderen Informationen vorliegen und Karlsruhe ggf. einen schweren Autoritätsverlust nicht nur in der Bundesrepublik erleiden dürfte, wenn insbesondere die R-Besoldung zukünftig weiterhin das Niveau behielte, das es weiterhin hat.

Denn die europäische Gerichtsbarkeit ist erst unlängst hinsichtlich des Streikverbots Karlsruhe offensichtlich auch deshalb sehr weitgehend gefolgt, weil man dort zurecht davon ausgeht, dass die beiden Senate eine machtvolle Position im Staatsgefüge der Bundesrepublik haben; darüber wird es - so darf man begründet vermuten - in den letzten Jahren einen durchaus regen sachlicher Austausch zwischen Karlsruhe und Straßburg gegeben haben, der ebenfalls - so habe ich das unlängst an anderer Stelle in anderen Kontexten ausgeführt - ja eine befriedende Wirkung hat, wenn er sich in seinem sachlichen Gehalt im Anschluss bewahrheiten lässt. Sollte sich das hier für die europäische Gerichtsbarkeit als auf Sand gebaut erweisen, wäre der Schaden für beide Senate des Bundesverfassungsgerichts erheblich, weil mit einem kaum zu reparierenden Vertrauensverlust vonseiten der europäischen Gerichte verbunden, ohne dass der Erste Senat mitsamt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts dabei eine tragende Rolle spielen könnte, da jener Senat von den anhängigen 64 Normenkontrollverfahren zum Besoldungsrecht ausgeschlossen ist.

Es steht, wenn ich das auch aus dieser Perspektive richtig sehe, mit den angekündigten Pilotverfahren für Karlsruhe sehr viel mehr auf dem Spiel als für die Besoldungsgesetzgeber. Die können, da sie regelmäßig von Karlsruhe vor's Schienbein bekommen, eine deutliche Entscheidung sehr viel leichter wegstecken, als Karlsruhe den Autoritätsverlust sowohl im machtpolitischen Binnenverhältnis der Bundesrepublik als auch auf europäischer Ebene wegstecken könnte, wenn man dort nun anfinge, besoldungsdogmatische Schlangenlinien fahren zu wollen. Ergo: Mund abwischen, weitermachen! https://www.youtube.com/watch?v=s10U_efDHME

@ Saggse

Auch dem kann ich folgen - allerdings ist es verfassungsrechtlich nicht ganz einfach, die verfassungsrechtlichen Bindungen auch durchzusetzen, weshalb nun - denke ich - die Berliner Verfahren als Pilotverfahren ausgewählt sein sollten, wie ich das ja bereits anderweitig begründet habe. Der Tiger Alimentationsprinzip ist nicht zuletzt dank Andreas Voßkuhles weiterhin nicht mehr zahnlos. Er muss nun allerdings auch zubeißen, ansonsten hat er vielleicht Zähne, allerdings wäre er dann eventuell gar kein Tiger, sondern eine Maus.

lotsch

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 992
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6802 am: 25.11.2024 19:56 »
Ist im diesjährigen NRW-Widerspruch die „Suspendierung“ als neuer Aspekt im Begründungstext aufzuführen und zu vollziehen?

Denn in NRW wurde ein Offenbarungseid für dauerhaftes Totalversagen in Drucksache 18/9514 Seite 103 dokumentiert. Dort heißt es:

„Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bindendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. Diese umfassen, neben der Alimentationspflicht des Dienstherrn, auch die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen.“


Die wollen wirklich, dass wir Rücksicht auf vorsätzliche Verfassungsbrecher nehmen? Ach nein, sie sprechen gar von einer Rücksichtnahmepflicht. Anderen gegenüber von Pflichten reden, und selbst nicht einmal der Verfassungstreuepflicht nachkommen.

lotsch

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 992
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6803 am: 26.11.2024 08:24 »
Ist im diesjährigen NRW-Widerspruch die „Suspendierung“ als neuer Aspekt im Begründungstext aufzuführen und zu vollziehen?

Denn in NRW wurde ein Offenbarungseid für dauerhaftes Totalversagen in Drucksache 18/9514 Seite 103 dokumentiert. Dort heißt es:

„Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bindendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. Diese umfassen, neben der Alimentationspflicht des Dienstherrn, auch die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen.“


Die wollen wirklich, dass wir Rücksicht auf vorsätzliche Verfassungsbrecher nehmen? Ach nein, sie sprechen gar von einer Rücksichtnahmepflicht. Anderen gegenüber von Pflichten reden, und selbst nicht einmal der Verfassungstreuepflicht nachkommen.

Sie wollen uns einreden, dass wir als Beamte eine Gemeinwohlverantwortung haben und ein gewisses Opfergebaren zeigen sollen, und zwar nach ihrem Gutdünken, ohne rechtliche Grundlagen. Sie entscheiden darüber wie hoch die Opfer sein sollen, wie der Gutsherr, denn ein Streikrecht haben die Beamten nicht und müssen es einfach hinnehmen. Gleichzeitig moralisieren sie, aber Vertrauen in die Demokratie wird nicht durch Moral, sondern durch einen funktionierenden Rechtsstaat hergestellt.
Die Achtung vor der Rechtsstaatlichkeit und der Verfassung ist ein fundamentaler Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Wenn diese Werte durch Handlungen der Machthaber untergraben werden, gefährdet dies das Vertrauen der Bürger in die Integrität der Regierung und die Stabilität des Rechtssystems.

lotsch

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 992
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6804 am: 26.11.2024 15:18 »

Denn in NRW wurde ein Offenbarungseid für dauerhaftes Totalversagen in Drucksache 18/9514 Seite 103 dokumentiert. Dort heißt es:

„Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bindendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten.

Dieses wechselseitig bindende Treueverhältnis habt ihr Politiker jeglicher Couleur doch schon vor zwanzig Jahren einseitig gekündigt. Wo und wann habt ihr Rücksicht genommen? Diese Treue und Rücksichtnahme verlangt ihr immer nur von uns Beamten.

LehrerInNRW

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 216
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6805 am: 27.11.2024 16:51 »
Ist im diesjährigen NRW-Widerspruch die „Suspendierung“ als neuer Aspekt im Begründungstext aufzuführen und zu vollziehen?

Denn in NRW wurde ein Offenbarungseid für dauerhaftes Totalversagen in Drucksache 18/9514 Seite 103 dokumentiert. Dort heißt es:

„Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bindendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. Diese umfassen, neben der Alimentationspflicht des Dienstherrn, auch die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen.“

Hat dieser Blödsinn rechtlich irgendeine Relevanz?

Das BVG wird sich ja wohl kaum in seiner Rechtssprechung davon beeindrucken lassen, wenn NRW ins Gesetz schreibt.

boysetsfire

  • Jr. Member
  • **
  • Beiträge: 57
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6806 am: 28.11.2024 08:30 »
Ja, dieser Blödsinn hat zwar eine rechtliche Relevanz, aber: Nein, dieser Blödsinn enthält keine neuen Erkenntnisse.

Nutzer @A9A10A11A12A12 hat - in polemisch geschickter Weise - diesen Satz aus dem Zusammenhang gerissen.

Wenn man sich die Begründung des NRW-Gesetzesentwurf und auch das dort erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts ansieht, dann geht es lediglich darum, dass die Beamten jährlich Widerspruch einlegen müssen und nicht den Anspruch haben dürfen, dass ihnen automatisch kraft Gesetz auch für zurückliegende Haushaltsjahre eine Nachzahlung zusteht. Ist also kalter Kaffee und die Aufregung niocht wert.

Hier der komplette Text aus der Drucksache:

"Das Erfordernis der jährlichen Geltendmachung von übergesetzlichen Besoldungsansprüchen ist insgesamt zumutbar. Bei dem Beamtenverhältnis handelt es sich um ein wechselseitig bin-dendes Treueverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. Diese umfassen, neben der Alimentationspflicht des Dienstherrn, auch die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen (BVerfG v. 22.03.1990 – 2 BvL 1/86). Inhaltlich unterliegt die Geltendmachung nur geringen Anforderungen. Es genügt, wenn die Beamtin oder der Beamte zum Ausdruck bringt, aus welchem Grund er die gesetzliche Alimentation für zu niedrig hält. Vor diesem Hintergrund ist es den Beamtinnen und Beamten zumutbar, das Verlangen für jedes Haushaltsjahr erneut geltend zu machen."




Malkav

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 316
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6807 am: 28.11.2024 09:04 »
Wenn man sich die Begründung des NRW-Gesetzesentwurf und auch das dort erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts ansieht, dann geht es lediglich darum, dass die Beamten jährlich Widerspruch einlegen müssen und nicht den Anspruch haben dürfen, dass ihnen automatisch kraft Gesetz auch für zurückliegende Haushaltsjahre eine Nachzahlung zusteht. Ist also kalter Kaffee und die Aufregung niocht wert.

Du liegst damit vollkommen richtig und beschreibst die geltende Rechtslage korrekt, aaaaaaaaber ...

Die Dienstherren sind doch aktuell vorgeblich so bemüht das Beamtenrecht in die aktuelle Zeit zu stellen. Da scheint mit auch eine Reform/Abschaffung des Erfordernisses der haushaltsnahen Geltendmachung dringend geboten. Dieses Konstrukt stammt aus einer Zeit, in welcher man verhindern wollte, dass redlich handelnde Gesetzgeber (aus ihrer Perspektive zurecht) vollkommen unerwartet von einer Verfassungswidrigkeit überrascht wurden und hohe Nachzahlungen für die Vergangenheit leisten müssen.

Die Gesetzgeber haben sich jedoch ausweislich der jeweiligen aktuellen Gesetzesbegründungen ganz bewusst zur Operation am offenen Herzen des Besoldungsrechts entscheiden (aka Familienergänzungszuschlag, pauschales Partnereinkommen, Abweichung von Berechnungsmethoden des BVerfG ohne Kontrollrechnungen etc.) und in den Gesetzesbegründungen selbst rechtliche Unsicherheiten eingestanden. Mir fehlt hier die Fantasie, welche schutzwürdigen Interessen der Dienstherren (außer unwissenden Beamten die lange Nase zeigen zu können) in dieser Konstellation noch bestehen sollten. Insbesondere gilt dies, wenn die Dienstherren im Rahmen der kaufmännischen Buchführung (wie z.B. Hamburg) haushaltsrechtlich sowieso zur Bildung einer entsprechenden Risikorücklage verpflichtet sind. In dieser Konstellation scheint erscheint mir das Erfordernis immer mehr wie ein anachronistisches Rechtsverhinderungsinstrument der Schikane um unwissende Beamtinnen und Beamte um ihre jeweiligen grundrechtgleichen Rechte betrügen (ab 2021 würde ich tatsächlich davon sprechen wollen) zu können.

gerzeb

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 193
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6808 am: 29.11.2024 06:42 »
Guten Morgen zusammen,

kurze Nachfrage bzgl. dem Widerspruch für 2024. Ich habe meinen Widerspruch bei meiner Besoldungsstelle eingereicht und um Eingangsbestätigung, sowie um Bestätigung gebeten, dass mein Antrag auf amtsangemessene Alimentation ruhend gestellt wird und auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. Daraufhin habe ich nur eine Mail mit "zur Kenntnis genommen" erhalten. Auch nach erneuter Bitte um Eingangsbestätigung etc. habe ich nur ein "zur Kenntnis genommen" erhalten.

Reicht dies im Zweifelsfalle aus oder was habe ich hier für Möglichkeiten?

derSchorsch

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 113
Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6809 am: 29.11.2024 08:04 »
Guten Morgen zusammen,

kurze Nachfrage bzgl. dem Widerspruch für 2024. Ich habe meinen Widerspruch bei meiner Besoldungsstelle eingereicht und um Eingangsbestätigung, sowie um Bestätigung gebeten, dass mein Antrag auf amtsangemessene Alimentation ruhend gestellt wird und auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. Daraufhin habe ich nur eine Mail mit "zur Kenntnis genommen" erhalten. Auch nach erneuter Bitte um Eingangsbestätigung etc. habe ich nur ein "zur Kenntnis genommen" erhalten.

Reicht dies im Zweifelsfalle aus oder was habe ich hier für Möglichkeiten?

Per Email geschickt?
Schick es noch als Einschreiben in Papier.
Um welches Land geht es? In Bayern kann man z.B. auch nicht rechtsverbindlich über das Mitarbeiterportal einreichen.