Beamte und Soldaten > Beamte der Länder und Kommunen

[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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SwenTanortsch:

--- Zitat von: Unknown am 04.12.2020 15:45 ---Ist der Bund für seine Bundesbeamte dann verpflichtet, generell den höchsten Satz der Unterkunftskosten anzunehmen, weil eben die Beamten in ganz Deutschland verteilt sitzen?

--- End quote ---

Nein, aber die Besoldungsdifferenzierung dürfte nicht so groß ausfallen können, dass dadurch die Unterschiede zwischen den Besoldungsgruppen nivelliert werden würden. So verstanden kann eine Besoldungsdifferenzierung nur in dem Maße vollzogen werden, dass dadurch nicht der qualitative Unterschied zwischen den Besoldungsgruppen - oder genauer: den ihnen zugrunde liegenden Ämtern - innerhalb einer Besoldungsordnung eingeebnet wird.

Dabei ist zu bedenken, dass die Besoldung im Sinne des Bruttoprinzips ausgerichtet ist, so heißt es beispielsweise in § 19 BBesG: "Das Grundgehalt des Beamten, Richters oder Soldaten bestimmt sich nach der Besoldungsgruppe des ihm verliehenen Amtes." Die amtsangemessene Alimentation wird allerdings nach dem Nettoprinzip vollzogen: Würde nun beispielsweise die Netto-Alimentation eines Beamten, der sich in der Besoldungsgruppe A 12 befindet, regelmäßig oberhalb der Nettoalimentation eines Beamten der Besoldungsgruppe A 13 liegen, der sich in derselben Erfahrungsstufe befindet, demselben Familienstand angehört, nach derselben Steuerklasse besteuert wird und demselben Besoldungsgesetz unterliegt, läge eine Einebnung des rechtlich notwendigen Unterschieds vor.

In diesem Sinne betont das BVerfG in ständiger Rechtsprechung: "Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die 'amts'-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung [...]. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen." (vgl. Rn. 43 in der aktuellen Entscheidung)

Von daher kann keine Abstufung erfolgen, die den Gleichheitssatz im Sinne von Art. 3 GG negiert und aus dem in ständiger Rechtsprechung des BVerfG resultiert, dass "alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln" ist (vgl. beispielsweise die Entscheidung vom 08.06.2016 - 1 BvR 3634/12 - Rn. 16). Da also in den beiden genannten Fällen juristisch eine qualitativ unterschiedliche Wertigkeit gegeben ist, also juristisch Ungleiches vorliegt, muss der genannte Beamte der Besoldungsgruppe A 13 über ein höheres Alimentationsniveau verfügen können als der entsprechende der Besoldungsgruppe A 12. Insofern sollte der Spielraum, mittels dem der Besoldungsgesetzgeber die Alimentation differenziert, begrenzt sein: Ein dem BBesG unterworfener Beamter in A 13 muss in Flensburg noch immer höher alimentiert werden als ein Münchener Bundesbeamte der Besoldungsgruppe A 12, der sich in derselben Erfahrungsstufe befindet, demselben Familienstand angehört und nach derselben Steuerklasse besteuert wird. JenermMünchner Bundesbeamten der Besoldungsgruppe A 12 kann aber zugleich ein Ortszuschlag gewährt werden, der seine Alimentation höher ausfallen lässt als die des entsprechenden Flensburger Bundesbeamten derselben Besoldungsgruppe, sofern die Unterkunftskosten an beiden Orten substanziell unterschiedlich sind.

In diesem Sinne hat das BVerfG in dem schon vorhin genannten Urteil entschieden: "Die Höhe der tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten kann auch in regionaler Hinsicht differieren. Die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unterscheiden sich regional teilweise erheblich, sodass unterschiedliche Nettobeträge erforderlich sein können, damit die Beamten in der Lage sind, sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten. Es verletzt das Alimentationsprinzip daher nicht, sondern steht mit ihm im Einklang, wenn bei der Bemessung der Bezüge von Beamten, die das gleiche Amt innehaben, an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufungen vorgesehen werden, sofern sich solche regionalen Unterscheidungen nach Anlass und Ausmaß der Differenzierung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lassen." (BVerfG-Urteil vom 06.03.2007 - 2 BvR 556/04 - Rn. 62; 2007 war das BVerfG noch davon ausgegangen, dass die nach Art. 72 GG als Staatsziel anzustrebene "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" trotz der regionalen Unterscheidungen noch so weit gelitten war, dass Besoldungsdifferenzierungen nicht zwangsläufig vorzunehmen seien - aktuell folgt es dieser Ansicht, verweist aber implizit darauf, dass die regionalen Unterschiede ein Ausmaß angenommen haben, dass das BVerfG ungefragt das Thema Ortszuschläge anspricht; vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 61)

Denn durch den Ausgleich der höheren Kosten verfügen am Ende beide über ein annäherungsweise gleiches Alimentationsniveau, das wiederum ihrem Amt angemessen ist und wodurch sie sich in ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche leisten können, weshalb kein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliegt; denn so verstanden wird nun wesentlich Gleiches gleich behandelt - oder in den wiederkehrenden Worten des BVerfG: "Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt" (vgl. in der gerade genannten aktuellen Entscheidung Rn. 61).

WasDennNun:
"Die Höhe der tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten kann auch in regionaler Hinsicht differieren. Die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unterscheiden sich regional teilweise erheblich, sodass unterschiedliche Nettobeträge erforderlich sein können, damit die Beamten in der Lage sind, sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten....

Dadurch kann es doch durchaus sein, dass ein Münchner A8er Netto mehr ausgezahlt bekommt als ein hintertupfinger A9er (bei gleichen Fam.Situation), oder?

SwenTanortsch:

--- Zitat von: WasDennNun am 05.12.2020 12:27 ---"Die Höhe der tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten kann auch in regionaler Hinsicht differieren. Die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unterscheiden sich regional teilweise erheblich, sodass unterschiedliche Nettobeträge erforderlich sein können, damit die Beamten in der Lage sind, sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten....

Dadurch kann es doch durchaus sein, dass ein Münchner A8er Netto mehr ausgezahlt bekommt als ein hintertupfinger A9er (bei gleichen Fam.Situation), oder?

--- End quote ---

Sofern sie demselben Besoldungsgesetz unterliegen, denselben Familienstand bekleiden, dieselbe Anzahl an Kindern haben und derselben steuerlichen Bemessungsform unterliegen, kann eine höhere Nettoalimentation in regelmäßiger Form nicht möglich sein. Nicht umsonst ist die Ballungsraumzulage laut Art. 94 (2) BayBesG mit einem Bruttobetrag von 130,67 € recht gering. Die Bruttobesoldung eines Bayerischen Landesbeamten der Bes.Gr. A 3 liegt bei ansonsten identischen Bedingungen höher als die eines entsprechenden Beamten der Bes.Gr. A 4, der diese Zulage nicht erhält, der also seinen dienstlichen Wohn- und Hauptwohnsitz nicht im sog. Verdichtungsraum München im Sinne von Art. 94 (1) BayBesG hat. In Anbetracht der hohen Unterkunftskosten im sog. Verdichtungsraum München dürfte das Land Bayern bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass die Nettoalimentation des genannten Beamten der Bes.Gr. A 4 weiterhin ausreichend oberhalb des genannten der Bes.Gr. A 3 liegt, sodass ersterer nicht als evident unzureichend alimentiert anzusehen sei, weil der Maßstab evidenter Sachwidrigkeit, auf die das BVerfG die gerichtliche Kontrolle in ständiger Rechtsprechung beschränkt, nicht erfüllt sei (vgl. übergreifend in Rn. 26 f. der aktuellen Entscheidung). Folglich wird das Land davon ausgehen, dass beiden Beamten ein ihrem Dienstrang und der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung angemessener Unterhalt gewährt wird.

WasDennNun:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 05.12.2020 18:04 ---Sofern sie demselben Besoldungsgesetz unterliegen, denselben Familienstand bekleiden, dieselbe Anzahl an Kindern haben und derselben steuerlichen Bemessungsform unterliegen, kann eine höhere Nettoalimentation in regelmäßiger Form nicht möglich sein.

--- End quote ---
Das zeigt einmal mal mehr wie stark die innere Logik der Alimenationsprinzipen bröseln.
Der Beamte mit 3 Kinder darf netto nicht weniger haben als der mit 2 Kindern, also muss ein entsprechende FamZuschlag her.
Aber dasselbe Prinzip darf nicht auf die anderen Faktoren angewendet werden.
Es darf der Beamte A9 darf im Teuerwohnland schlechter dastehen, als der Beamte im Billigwohnland A8 ?
Wie passt das mit der Forderung sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten können?
Das widerspricht irgendwie dem von dir zitierten BVerfG-Urteil vom 06.03.2007 - 2 BvR 556/04

Sehr inkonsequent und in sich unstimmig, wenn das der Fall sein sollte.
Aber ich denke irgendwann wird auch dagegen ein Richter eine Verfassungsklage durchführen.

SwenTanortsch:

--- Zitat von: WasDennNun am 06.12.2020 13:54 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 05.12.2020 18:04 ---Sofern sie demselben Besoldungsgesetz unterliegen, denselben Familienstand bekleiden, dieselbe Anzahl an Kindern haben und derselben steuerlichen Bemessungsform unterliegen, kann eine höhere Nettoalimentation in regelmäßiger Form nicht möglich sein.

--- End quote ---
Das zeigt einmal mal mehr wie stark die innere Logik der Alimenationsprinzipen bröseln.
Der Beamte mit 3 Kinder darf netto nicht weniger haben als der mit 2 Kindern, also muss ein entsprechende FamZuschlag her.
Aber dasselbe Prinzip darf nicht auf die anderen Faktoren angewendet werden.
Es darf der Beamte A9 darf im Teuerwohnland schlechter dastehen, als der Beamte im Billigwohnland A8 ?
Wie passt das mit der Forderung sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten können?
Das widerspricht irgendwie dem von dir zitierten BVerfG-Urteil vom 06.03.2007 - 2 BvR 556/04

Sehr inkonsequent und in sich unstimmig, wenn das der Fall sein sollte.
Aber ich denke irgendwann wird auch dagegen ein Richter eine Verfassungsklage durchführen.

--- End quote ---

Das Problem ist, dass Du grundsätzlich immer nur einen verkürzten Teil herausziehst, diesen dabei zumeist über eine völlig verkürzte Sprache gar nicht betrachtest, darin dann die konkret anzuwendenden Rechtsnormen verfehlst, weshalb diese also in Deinen präsentierten Vorstellungen gar nicht vorkommen, sodass eine Melange an Ideen entsteht, die mit der konkreten Rechtsprechung des BVerfG zumeist wenig bis nichts zu tun hat. Wenn Du also meinst, die Unlogik der Rechtsprechung zu kritisieren, dann kritisierst Du zumeist nur die Inkonsistenz Deiner Interpretation von Vorstellungen, die das BVerfG so gar nicht hat. Denn wenn man sich jeweils nur einen kleinen Teil der  die Direktiven anschaut, diese dabei aber gar nicht durchdringt, weil sie sprachlich überhaupt nicht gefasst werden, dann kann man die logische Verzahnung und die dahinterstehenden Prinzipien nicht erfassen, sodass es dann so wirken mag, wie Du Deine Empfindung beschreibst. Tatsächlich ist Deine Vorstellung von den Rechtsnormen und Direktiven des BVerfG weitgehend bröselig, weshalb es Deinen Darlegungen an Logik gebricht und weniger derer der Rechtsprechung des BVerfG.

Um es konkret zu machen: Wenn Du meinst, mit solch krausen und unterschiedliche Normen willkürlich durcheinanderwürfelnden Beschreibungen irgendwo den komplex abzuwägenden Rechtsnormen des BVerfG gerecht zu werden...

"Der Beamte mit 3 Kinder darf netto nicht weniger haben als der mit 2 Kindern, also muss ein entsprechende FamZuschlag her.
Aber dasselbe Prinzip darf nicht auf die anderen Faktoren angewendet werden.
Es darf der Beamte A9 darf im Teuerwohnland schlechter dastehen, als der Beamte im Billigwohnland A8 ?
Wie passt das mit der Forderung sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten können?"

... dann kannst Du zu dem Schluss kommen ....

"Das widerspricht irgendwie dem von dir zitierten BVerfG-Urteil vom 06.03.2007 - 2 BvR 556/04".

Denn irgendwie widerspricht sicherlich auch, dass der Mond nicht die Erde ist, weil die Blätter von Bäumen, die grün sind, im Herbst auf der Venus nicht die Betrachtung von Wäldern in Ozeanen unterbinden.

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