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[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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cyrix42:
@DrStrange: Man berichtige mich, wenn ich falsch liege, aber m.E. werden hier zwei Paar Schuhe miteinander verglichen. Das BVerfG redet in seinem Urteil über die Mindest-Netto-Alimentation; der DRB Berlin vom Abstandsgebot der (Brutto-) Grundbesoldungen. ersteres wird durch die höheren familienzuschläge für die unteren Besoldungsgruppen geheilt, zweiteres nicht angetastet.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die systeminternen Abstände zwischen den Besodlungen versch. Ämter sich nicht auch auf die Netto-Werte inkl. aller Bestandteile beziehen sollten. Dann ist aber das gesamte System umzukrempeln, da da selbst durch gleiche Familienzuschläge in allen Besoldungsgruppen mit der Anzahl der Kinder der relative Abstand sinkt... (Davon habe ich aber noch nichts gelesen.)

SwenTanortsch:

--- Zitat von: cyrix42 am 24.12.2020 14:22 ---@DrStrange: Man berichtige mich, wenn ich falsch liege, aber m.E. werden hier zwei Paar Schuhe miteinander verglichen. Das BVerfG redet in seinem Urteil über die Mindest-Netto-Alimentation; der DRB Berlin vom Abstandsgebot der (Brutto-) Grundbesoldungen. ersteres wird durch die höheren familienzuschläge für die unteren Besoldungsgruppen geheilt, zweiteres nicht angetastet.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die systeminternen Abstände zwischen den Besodlungen versch. Ämter sich nicht auch auf die Netto-Werte inkl. aller Bestandteile beziehen sollten. Dann ist aber das gesamte System umzukrempeln, da da selbst durch gleiche Familienzuschläge in allen Besoldungsgruppen mit der Anzahl der Kinder der relative Abstand sinkt... (Davon habe ich aber noch nichts gelesen.)

--- End quote ---

Dass es sich um zwei Paar Schuhe handelt, ist richtig, jedoch sind beide über feste Schnürbänder miteinander verbunden, weshalb es sich um zwei Teile eines Parameters handelt. Das OVG Berlin-Brandenburg hat das im Referat der bundesverfassungsgerichtlichen Direktiven präzise zusammengefasst:

"Für die Wahrung eines ausreichenden Abstands der Bruttogehälter höherer Besoldungsgruppen zu den Tabellenwerten unterer Besoldungsgruppen ist ferner zu berücksichtigen, dass von Verfassungs wegen bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (früher Sozialhilfe), der die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs obliegt, und dem einem erwerbstätigen Beamten geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden muss. Die Nettoalimentation in den unteren Besoldungsgruppen muss also ihrerseits einen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau aufweisen (BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015, a.a.O., Rn. 93). Dieser Mindestabstand stellt die absolute Untergrenze einer verfassungsgemäßen Alimentation dar. Sie ist unterschritten, wenn die Besoldung um weniger als 15 vom Hundert über dem grundsicherungsrechtlichen Bedarf läge (BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015, a.a.O., Rn. 93 f.). Eine aus der Unterschreitung des beschriebenen Mindestabstands resultierende Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in den unteren Besoldungsgruppen führt zwangsläufig auch zu einem Mangel der höheren Besoldungsgruppen. Dies folgt aus dem vom Bundesverfassungsgericht statuierten Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände, die außerhalb der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung des Besoldungssystems stattfinden. Von diesem Verbot erfasst werden auch wegen des Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Anpassungen der untersten Besoldungsgruppen, weil sie notwendigerweise zu Verschiebungen des gesamten Besoldungsgefüges führen, die indes einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers zur Neustrukturierung des Abstandes zwischen den Besoldungsgruppen vorbehalten bleiben müssen (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 – 2 C 56.16 – Pressemitteilung Nr. 65/2017)." (Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.102017 - OVG 4 B 34.12 - Rn. 32)

Der Enwturf des Berliner Senats verstößt indes nicht nur an dieser Stelle, sondern auch an so vielen anderen, nicht unmittelbar mit dem vierten Parameter verbundenen Direktiven des Bundesverfassungsgerichts gegen dessen Judikatur, dass man sich fragen muss, ob man sich dort im Berliner Senat so ganz der Konsequenzen eigenen Handelns bewusst ist. Denn ein Gesetz, das aus dem Grundgesetz abzuleitendes Recht sowohl vielfach missachtete als auch in Teilen offensichtlich gezielt bräche, höhlte unsere Verfassungsordnung aus und fasste damit mittelbar die Autorität und Legitimität des Gesetzgebers an - dessen müsste sich jeder Abgeordnete im Klaren sein, der diesem Entwurf zustimmte, wenn es dieser Entwurf in der vorliegenden Form denn je ins Abgeordnetenhaus schaffte.

was_guckst_du:
...nichtsdestotrotz ist das politische Handeln des Berliner Senats doch der zu erwartende Hinweis drauf, wie die Besoldungsgesetzgeber mit den verfassungsrechtlichen Prroblematiken ihrer Besoldungsregelungen beabsichtigen, umzugehen...

SwenTanortsch:

--- Zitat von: was_guckst_du am 25.12.2020 11:45 ---...nichtsdestotrotz ist das politische Handeln des Berliner Senats doch der zu erwartende Hinweis drauf, wie die Besoldungsgesetzgeber mit den verfassungsrechtlichen Prroblematiken ihrer Besoldungsregelungen beabsichtigen, umzugehen...

--- End quote ---

Das sehe ich im Prinzip genauso - allerdings ist der instrumentelle Gehalt des Entwurfs noch einmal deutlich extremer, als es zu erwarten war: Bislang haben alle Besoldungsgesetzgeber die Direktiven des Bundesverfassungsgerichts nachträglich umgesetzt, nachdem dieses ihnen das aufgetragen hat. Der Berliner Senat bricht nun mit dieser verfassungsrechtlichen Selbstverständlichkeit, und zwar nicht an einer Stelle, sondern in vielfacher Art und Weise - und, wie sich zeigen lässt, streckenweise auch vorsätzlich, also wider besseren Wissens. Er erkennt damit das Verfassungsgericht nicht mehr als die im Letzten allein maßgebliche Gewalt in der Rechtsauslegung an, womit sich der Berliner Senat über die oder außerhalb der Verfassung stellt. Im Endeffekt kündigt der Berliner Senat so die Gewaltenteilung auf - das lässt sich leider nicht anders sagen.

Fahnder:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 25.12.2020 12:53 ---
--- Zitat von: was_guckst_du am 25.12.2020 11:45 ---...nichtsdestotrotz ist das politische Handeln des Berliner Senats doch der zu erwartende Hinweis drauf, wie die Besoldungsgesetzgeber mit den verfassungsrechtlichen Prroblematiken ihrer Besoldungsregelungen beabsichtigen, umzugehen...

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Das sehe ich im Prinzip genauso - allerdings ist der instrumentelle Gehalt des Entwurfs noch einmal deutlich extremer, als es zu erwarten war: Bislang haben alle Besoldungsgesetzgeber die Direktiven des Bundesverfassungsgerichts nachträglich umgesetzt, nachdem dieses ihnen das aufgetragen hat. Der Berliner Senat bricht nun mit dieser verfassungsrechtlichen Selbstverständlichkeit, und zwar nicht an einer Stelle, sondern in vielfacher Art und Weise - und, wie sich zeigen lässt, streckenweise auch vorsätzlich, also wider besseren Wissens. Er erkennt damit das Verfassungsgericht nicht mehr als die im Letzten allein maßgebliche Gewalt in der Rechtsauslegung an, womit sich der Berliner Senat über die oder außerhalb der Verfassung stellt. Im Endeffekt kündigt der Berliner Senat so die Gewaltenteilung auf - das lässt sich leider nicht anders sagen.

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Grundsätzlich gebe ich Ihnen Recht. Aber geben Sie den glauben auf den Rechtsstaat noch nicht auf. Es ist m. E. nur eine Frage der Zeit, bis Berlin und die anderen Länder zur Anwendung der Urteile gezwungen sind. Dies ist dann spätestens der Fall, wenn das Urteil zur A-Besoldung getroffen wurde. In dieser Sekunde kann jeder Beamte vor sein zuständiges VG ziehen, welches den jeweiligen Dienstherren zur Zahlung der amtsangemessenen Besoldung und zur Begleichung der Verfahrenskosten verpflichtet. Revision wird nicht zugelassen. Ende der Geschichte. Insoweit wird im Moment (wahrlich sehr traurig und kurzsichtig) auf Zeit gespielt.

PS: Ein was Gutes hat die Verzögerungstaktik. Für jeden, der fristgemäß Widerspruch einlegt, winkt nachträglich eine deutlich höhere Nachzahlung, da der Gesetzgeber im Gegensatz zur zukünftigen Gestaltung der Besoldung rückwirkend keine neuen Bedingungen zur Behebung seiner verfassungswidrigen Besoldungsgesetze einbauen kann. Insoweit wünsche ich frohe Weihnachten und bleiben Sie alle gesund!

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