Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3798254 times)

Verschwendung

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6615 am: 30.10.2024 14:26 »
Noch einmal um es auf den Punkt zu bringen.

Sollte man als Single im Bayern auch Widerspruch gegen die Besoldung einlegen?

Reisinger850

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6616 am: 30.10.2024 14:31 »
Gerade als Single, in anderen Bundesländern wie NRW ist ja im Vergleich zur Familie insbesondere der Single nicht angemessen besoldet, da er kein Teil der Zuschlagsorgien ist.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6617 am: 30.10.2024 14:40 »

Genau darum müsste es (Dir) aber gehen, Organisator, um Deine These sachlich zu erhärten. Genau deshalb mein vorheriger ironischer Verweis. Vorstellen kann man sich viel, auch ein deutsches Staatswesen ohne Berufsbeamtentum. Um dessen Praxistauglichkeit zu ermessen, müsste man sich jedoch zuvor Gedanken über dessen Ausgestaltung machen. Wenn das, was ich geschrieben habe, eine Übertreibung ist, frage ich mich, was es ist, ein bundesdeutsches Staatswesen ohne Berufsbeamtentum auf Grundlage einer umfassend neu gestalteten Verfassung ins Spiel zu bringen? Wenn mich nicht alles täuscht, ist solch ein Gedanke eine Über-treibung. Es ist nämlich ausgeschlossen - jedenfalls heute -, dass das passierte.

Man kann zugleich nicht über Rechtssachen sprechen, ohne die Rechtssachen als solches zu betrachten.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Ich möchte nicht eine vertiefte Rechtsdiskussion starten, wie ein deutsches Staatswesen oder eine Polizei ohne Berufsbeamtentum rechtlich umsetzbar wäre. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es in dutzenden Ländern mit vergleichbaren Gesellschaftsordnungen rechtlich möglich ist.
Insofern ist das Berufsbeamtentum nicht in Stein gemeißelt, sondern nur eine Möglichkeit für die Beschäftigungsgrundlage von Staatsdienern.

Das ist so weiterhin nicht ganz richtig oder recht unschattiert, Organisator, weil Du weiterhin versuchst, Aussagen über eine Rechtssache zu machen, ohne dass Du die Rechtssache konkret genug betrachtest, um nicht zu sagen, Du formulierst hier den nächsten Beitrag, in dem Du die Rechtssache nicht einmal im Ansatz betrachtest. Als Folge formulierst Du nur unkonkrete Vermutungen, die letztlich nicht weiterhelfen. Denn es ist eben sachlich nicht möglich - und führt, weil es unsachlich (= ohne sachlichen Grund) ist, in die Irre, eine Rechtssache unter Absehung des Rechts zu betrachten, und zwar in diesem Fall hinsichtlich der Aussage, dass vergleichbare Gesellschaftsordnungen herangezogen werden könnten, um Deine These zu untermauern. Denn diese Aussage sieht davon ab, dass unser Grundgesetz eine Werteordnung verfasst, die Grundrechte als Ausdruck dieser Werte begreift. Das ist so in vielen demokratischen Rechtsstaaten gar nicht der Fall, und sei es auch nur, weil sie gar keine Verfassung kennen. Die Grundrechte haben dort also wiederkehrend eine andere Bedetung im je eigenen Rechtssystem jener Rechtsstaaten. In anderen Rechtsstaaten, die ebenfalls verfassungsrechtliche Grundrechte in ihre Verfassung aufgenommen haben, finden wir wiederum kein Verfassungsgericht, das die Bedeutung und das Verhältnis von (Grund-)Rechten zueinander auslegt, so wie es das Bundesverfassungsgericht tut. Auch hier liegt dann eine Werteordnung vor, die nicht so ohne Weiteres mit der in der Bundesrepublik gegebenen vergleichbar wäre und die also in den letzten 75 Jahren so gewachsen ist, wie sie gewachsen ist. Und schließlich fordert die Werteordnung unseres Grundgesetzes die staatliche Durchsetzung des Rechts, was bedeutet, den Grundrechtsschutz durch den Staat, dem ersteren (dem Grundrechtsschutz) nach den Erfahrungen der NS-Zeit von den Verfassungsmüttern und -vätern eine besondere, nämlich herausragende Rolle im Grundgesetz beigemessen worden ist, die unseren je eigenen Rechtsstaat im besonderen Maße prägt. Auch das kennen viele demokratische Rechtsstaaten so also nicht.

Du kannst nun also ein weiteres Mal darauf beharren, ohne auch nur ein konkretes Argument zu bringen, dass unsere Rechtsordnung auch ganz anders und darin also auch ohne Berufsbeamtentum gestaltet werden könnte; Dein Beharren ist aber nur deshalb möglich, weil Du eben von der Rechtssache absiehst. Würdest Du das nicht und Dich also mit der Verfassungstheorie und Verfassungswirklichkeit unserer Bundesrepublik beschäftigten, sollte es Dir leichtfallen, das, was ich geschrieben habe, sachlich zu widerlegen, solange Deine entsprechende Sicht auf die rechtliche Verfasstheit unserer Bundesrepublik sachgerecht wäre. In diese argumentative Auseinandersetzung trittst Du aber gar nicht ein, sondern äußerst Vermutungen, die Du nicht mit Argumenten erhärtest.

Ergo: Es tut nicht weh, was Du glaubst, hat aber, wenn ich es richtig sehe, weitgehend weder einen praktischen Nährwert - ich sehe keinen Politiker in Deutschland, der die Abschaffung des Berufsbeamtentums forderte -, noch könnte es so das widerlegen, was ich vormals geschrieben habe, nämlich was ich meinte, als ich schrieb, dass ohne Berufsbeamtentum in Deutschland am Ende das Gewaltmonopol nicht aufrechterhalten werden könnte. Du kannst das anders sehen, allerdings sehe ich weiterhin nicht, wie Du es sachlich begründen willst, da Du über allgemeine Verweise nicht hinausreichst.

In einem kannst Du Dir aber sicher sein: Ich werde wegen Deiner Beiträge heute abend sicherlich nicht mit einer Knarre bewaffnet an Deiner Haustür klingeln (und zwar nicht nur, weil ich keine habe und froh darum bin) und Einlass mit der Begründung verlangen, dass ich diese Knarre außerhalb Deiner Reichweite Dir gegenüber auf Deinen Wohnzimmertisch ablegen wollte, während wir es uns in gemütlicher Atmosphäre auf Deinen Wohnzimmersesseln bequem machen sollten, um in aller gebotenen Deutlichkeit dieses Thema auszudiskutieren. Sicher darfst Du dir dessen sein, weil ich davon ausgehe, dass ich vernünftig genug bin, dass das nicht geschehen könnte. Unsicher bin ich mir aber, ob meine Vernunft in jedem Fall so ausgestaltet wäre, wie ich hoffe, dass sie ausgestaltet ist, wenn ich nicht im Laufe meines Lebens unter anderem die Erfahrung gemacht hätte, dass es vereidigte Polzeibeamte gibt, die schon bei deutlich geringeren Anlässen ggf. nicht nur mit den Achsel zucken würden und von denen wir zum Glück ausgehen können, dass sie nicht nur alsbald in hoher Zahl ebenfalls anwesend sein würden, sondern auch, dass sich keiner von ihnen von der geschilderten Waffe so weit abschrecken lassen würde, dass er sagte: "Die Nummer wird mir eher zu heiß. Ich bleib mal lieber in deutlich weiterer Entfernung, als mir das mein Vorgesetzter aufgetragen hat". Das Wissen darum dürfte - wenn auch sicherlich nicht ausschließlich, es wird also noch viele andere Gründe geben - mein Gewissen nicht unbeachtlich mit geprägt haben.

Das Gewaltmonopol des Staates beruht so verstanden nicht nur auf dem verfassten Recht, sondern vor allem darauf, dass es von den Rechtsunterworfenen aus freien Stücken anerkannt wird. Hegels Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit beruht vor allem darauf, dass diese Einsicht überhaupt erst möglich und darüber hinaus klar ist, was notwendig ist.

Das kann es auch geben, wenn der Grundrechtsschutz als Folge des staatlichen Gewaltmonopols weniger rechtssicher erfolgte als in Deutschland: Aber Polizeibeamte, die qua Eid und im Rahmen ihrer Dienstpflicht Leben schützen, sofern das notwendig ist, und zwar regelmäßig und verlässlich, fördern die Einsichtmöglichkeiten meines Erachtens deutlich stärker, was ein wichtiger Grund dafür ist, dass unsere Verfassungsmütter und -väter unser je eigenes Grundgesetz so ausgeformt haben, wie es von ihnen ausgeformt worden ist. Denn die meisten haben es (wenn auch aus unterschiedlicher Warte) erlebt, was es heißt, dass Grundrechtsschutz staatlicherseits nicht nur nicht gegeben, sondern gezielt ins Gegenteil verkehrt worden ist. Und den meisten von ihnen war spätestens nach 1945 klar, wohin es führen kann, wenn man Polizeiangestellten staatliche Gewalt anvertraut. Denn einige der Verfassungsmütter und -väter haben in den ersten Monaten des Jahres 1933 mit ihnen ihre je eigenen Erfahrungen gemacht, als man insbesondere die SA, der zu jener Zeit die SS noch unterstellt war, nicht nur in Preußen bis zum Sommer zur Hilfspolizei gemacht hat, um so nicht nur Zugriff auf die politischen Gegner zu erlangen, sondern ebenso den staatlichen Polizeiapparat und seine Beamten wirkungsvoll unter Kontrolle zu bringen. Entsprechend war erlassen worden:

"Dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen ist mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schusswaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schusswaffengebrauchs von mir gedeckt. Wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen." (Runderlaß des Reichsministers des Innern vom 17. Februar 1933. Ministerial-Blatt für die Preußische innere Verwaltung, Teil I 1933, Nr. 9, Sp. 169; Hervorhebungen durch ST.)

Die der staatlichen Schutzpolizei beigeordneten Hilfspolizisten kontrollierten diese so also ebenfalls. Die Umfunktionierung des verbeamtenen Polizeiapparat zu einem Terrorinstrument konnte so also nur umso effektiver vollzogen werden, indem man dem 1933 zunächst noch bestehenden staatlichen Hoheitsbereich ein nicht hoheitliches Instrument beiseitestellte, um so die hoheitliche staatliche Struktur auszuhöhlen. Auch das war ein Markstein zur Zerstörung der Republik, der ohne wenige Umwege die Wegstrecke mit markierte zum schließlich am 1. Dezember 1933 erlassenen Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat (RGBl. I 1933 S. 1016).

Wer also als maßgeblicher Politiker davon absehen wollte, im Grundgesetz weiterhin über Art. 33 Abs. 4  die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, dürfte damit rechnen, dass das nicht ohne erheblichen Gegenwehr von großen Teilen der Zivilgesellschaft geschehen würde, was mit dazu führt, dass diese Forderung von ernstzunehmender Seite nicht geschehen wird. Denn nicht nur dort hat niemand ein Interesse am Aushöhlen des Grundrechtsschutzes mit ggf. de facto-Verlusts des staatlichen Gewaltmonopols.

Wie gesagt: Rechtsfragen kann man nicht außerhalb der sie normierenden Rechtssache betrachten, ohne sie damit zu verkürzen.
« Last Edit: 30.10.2024 14:46 von SwenTanortsch »

Organisator

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6618 am: 30.10.2024 15:25 »
Lieber Swen,

vielen Dank zunächst für deine Ausführungen, die die verfassungsrechtliche Stellung des öffentlichen Dienstes und die gesellschaftlichen Auswirkungen darlegen. In diese kann und will ich gar nicht argumentativ einsteigen, einfach weil mir die dafür notwendigen Fachkenntnisse fehlen. Das ist auch gar nicht so schlimm, weil wie du schreibst, die Abschaffung des Berufsbeamtentums aktuell nicht in der Diskussion ist.

Wie du ebenfalls zutreffend schreibst, haben andere Länder gar keine Grundgesetze, Verfassungen oder ähnliches. Und ich behaupte, dass auch in diesen (und ohne Beamte) eine funktionierende Polizei vorhanden ist. Somit kann das Gewaltmonopol des Staates auch ohne Beamte sichergestellt werden, weil dies von den Bürgern so anerkannt ist.

Welche rechtlichen Änderungen dafür notwendig sind vermag ich nicht zu beurteilen; es ist mir auch schlicht egal, da es dafür im Zweifel Spezialisten gibt.

Insofern betrachte meine Beiträge bitte nicht als Rechtsfrage sondern als (politische) Diskussionsanregung.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6619 am: 30.10.2024 16:14 »
Lieber Organisator,
es ist mir gleichfalls ja klar, worum es Dir geht - dabei ist's am Ende so, wie wir es beide ohne Dissens sehen, es geht um die historische Gewordenheit, in der das Gewaltmonopol von der Bevölkerung anerkannt wird (sofern es anerkannt wird). (Verfassungs-)Rechtliche und gesellschaftliche Verfasstheit gehen dabei jeweils Hand in Hand, da das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Insofern bedarf es zur Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols nicht zwangsläufig eines Beamtenapparats, den einige demokratische Rechtsstaaten nicht kennen und die allermeisten nicht so kennen, wie er in Deutschland - eben als Folge unserer je eigenen Geschichte und der aus ihr entsprungenen Gewordenheit - besteht. Allerdings ist das Risiko, dass das Gewaltmonopol und der demokratische Rechtsstaat als solche beschädigt werden, tendenziell nur umso größer, je stärker grundlegende (polizeiliche) Strukturen umfassend verändert werden, da solche Transformationsprozesse ihre Praxistauglichkeit zunächst einmal beweisen müss(t)en und darüber hinaus auch Anlass und Ursache für entsprechend grundlegende Transformationen für weit überwiegende Teile der Bevölkerung einsichtig sein sollten und in ihrer Notwendigkeit geteilt werden müssten (womit wir wieder bei der Einsicht und Freiheit wären), um hinriechend Rückhalt und damit faktische Anerkennung in der Gesellschaft zu erlangen.

Man darf davon ausgehen, wie ich das vor ein paar Tagen in einem anderen Zusammenhang geschrieben habe, dass das Beamtenwesen in der Bundesrepublik deswegen nicht so unedlich riesige Liebe der Bevölkerung findet, weil es es gibt - das würde allerdings alsbald anders aussehen, sofern es es nicht mehr geben würde oder zunächst einmal entsprechende Reformvorstellungen politisch geäußert werden würden, insbesondere wenn das mit der ewgien Leier der Kosteneinsparung verbunden wird. Denn so politisch doof ist das Volk, der große Lümmel, nun doch nicht, als dass es wiederkehrend die großen Versprechungen von umfassender Strukturabbau zur Kostenersparnis als Heilerwartung ohne Skepsis verfolgte. Denn entsprechende Abbaumaßnahmen haben sich in den letzten Jahrzehnten in den überwiegenden Fällen nicht als Born größten Erfolgs erwiesen, jedenfalls für jene viele, die den Unsinn ausbaden dürfen, sondern eher nur für die wenigen, die daran ordentlich verdient haben. Keiner gönnt den Beamten eine höhere Besoldung; alle wollen eine funktionierende öffentliche Verwaltung, um's plakativ zu sagen oder wie es Tucholsky sagte:

"Der Mensch möchte nicht gern sterben, weil er nicht weiß, was dann kommt. Bildet er sich ein, es zu wissen, dann möchte er es auch nicht gern: weil er das Alte noch ein wenig mitmachen will. Ein wenig heißt hier: ewig.

Neben den Menschen gibt es noch Sachsen und Amerikaner, aber die haben wir noch nicht gehabt und bekommen Zoologie erst in der nächsten Klasse."

Heute müsste der letzte Satz hinsichtlich unseres Thema wohl lauten: die FDP und Friedrich August von Hayek, aber der ist mittlerweile auch schon wieder über 30 Jahre tot und dient deshalb auch hier offensichtlich der FDP derzeit alsbald als erreichbares Vorbild, wenn sie in der Ampel so weitermacht wie bisher. Zum Glück sehen das die SPD und Grünen grundlegend anders und werden das in der nächsten Regierung auch so vertreten, sofern sie den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen werden...

Organisator

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6620 am: 30.10.2024 16:36 »
Lieber Organisator,
es ist mir gleichfalls ja klar, worum es Dir geht - dabei ist's am Ende so, wie wir es beide ohne Dissens sehen, es geht um die historische Gewordenheit, in der das Gewaltmonopol von der Bevölkerung anerkannt wird (sofern es anerkannt wird). (Verfassungs-)Rechtliche und gesellschaftliche Verfasstheit gehen dabei jeweils Hand in Hand, da das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Insofern bedarf es zur Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols nicht zwangsläufig eines Beamtenapparats, den einige demokratische Rechtsstaaten nicht kennen und die allermeisten nicht so kennen, wie er in Deutschland - eben als Folge unserer je eigenen Geschichte und der aus ihr entsprungenen Gewordenheit - besteht. Allerdings ist das Risiko, dass das Gewaltmonopol und der demokratische Rechtsstaat als solche beschädigt werden, tendenziell nur umso größer, je stärker grundlegende (polizeiliche) Strukturen umfassend verändert werden, da solche Transformationsprozesse ihre Praxistauglichkeit zunächst einmal beweisen müss(t)en und darüber hinaus auch Anlass und Ursache für entsprechend grundlegende Transformationen für weit überwiegende Teile der Bevölkerung einsichtig sein sollten und in ihrer Notwendigkeit geteilt werden müssten (womit wir wieder bei der Einsicht und Freiheit wären), um hinriechend Rückhalt und damit faktische Anerkennung in der Gesellschaft zu erlangen.

Man darf davon ausgehen, wie ich das vor ein paar Tagen in einem anderen Zusammenhang geschrieben habe, dass das Beamtenwesen in der Bundesrepublik deswegen nicht so unedlich riesige Liebe der Bevölkerung findet, weil es es gibt - das würde allerdings alsbald anders aussehen, sofern es es nicht mehr geben würde oder zunächst einmal entsprechende Reformvorstellungen politisch geäußert werden würden, insbesondere wenn das mit der ewgien Leier der Kosteneinsparung verbunden wird. Denn so politisch doof ist das Volk, der große Lümmel, nun doch nicht, als dass es wiederkehrend die großen Versprechungen von umfassender Strukturabbau zur Kostenersparnis als Heilerwartung ohne Skepsis verfolgte. Denn entsprechende Abbaumaßnahmen haben sich in den letzten Jahrzehnten in den überwiegenden Fällen nicht als Born größten Erfolgs erwiesen, jedenfalls für jene viele, die den Unsinn ausbaden dürfen, sondern eher nur für die wenigen, die daran ordentlich verdient haben. Keiner gönnt den Beamten eine höhere Besoldung; alle wollen eine funktionierende öffentliche Verwaltung, um's plakativ zu sagen (...)

Volle Zustimmung.

Ab von den Kernthemen wie z.B. Polizei oder Feuerwehr hat sich eine solche Transformation schon über die Jahrzehnte vollzogen. Wo früher in der Kommunalverwaltung die "Angestellten" lediglich den Beamten mit Hilfstätigkeiten dienen durften gibt es mittlerweile in den meisten Bereichen gleichwertige Tätigkeiten in beiden Beschäftigtengruppen. Mit den bekannten Verwerfungen bei gleichen Tätigkeiten und unterschiedlicher Bezahlung (gerade bei kinderreichen Beamten).

Und auch bei der Akzeptanz des Gewaltmonopols sieht der Bürger früher die Politesse, dann den PangfüD (Polizeiangestellten für den Verkehrsüberwachungsdienst) oder nunmehr den Tarifbeschäftigten in erster Linie als Ärgernis an, akzeptiert aber dennoch deren Vorhandensein.

Umgekehrt werden Beamte auch in Bereichen des öffentlichen Dienstes eingesetzt, die nicht hoheitlich sind, z.B. in der kommunalen Liegenschaftsverwaltung oder im Controlling.

Aktuell wird das Beamtentum - wie ich finde - sogar als Anreizsystem missbraucht. Beispielsweise verbeamtet das Land Berlin Lehrer nur, um einen monetären Anreiz zu schaffen; nicht jedoch aus der Notwendigkeit heraus, hoheitliche Aufgaben zu übernehmen.

Will sagen: Die Welt hat sich seit der Erstellung des Grundgesetzes weitergedreht und so auch die Arbeitsrealitäten im öffentlichen Dienst. Post, Bahn, Telefon - alles keine hoheitlichen AUfgaben der Daseinsvorsorge mehr. Demnach sollte sich auch das Beamtentum, das Bild der "hergebrachten Grundsätze" und die Besoldung entsprechend modernisieren.

Auch damit Bürokratie nicht als Schimpfwort verkannt wird sondern als das, was sie sein sollte: Als effektives Instrument einer rationalen Regierung.

LehrerInNRW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6621 am: 30.10.2024 16:59 »
Gerade als Single, in anderen Bundesländern wie NRW ist ja im Vergleich zur Familie insbesondere der Single nicht angemessen besoldet, da er kein Teil der Zuschlagsorgien ist.

Da sich die Besoldung an einer 4 köpfigen Familie orientiert, kann der Single schlicht nicht unterslimentiert sein. Er wird ja so besoldet, als ob er eine 4 köpfige Familie zu versorgen hätte.
 

Hans1W

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6622 am: 30.10.2024 17:10 »
Der Beamte muss jederzeit seine Famile ernähren können, egal ob er eine hat oder nicht.

PolareuD

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6623 am: 30.10.2024 17:33 »
Da sich die Besoldung an einer 4 köpfigen Familie orientiert, kann der Single schlicht nicht unterslimentiert sein. Er wird ja so besoldet, als ob er eine 4 köpfige Familie zu versorgen hätte.

Der Beamte muss jederzeit seine Famile ernähren können, egal ob er eine hat oder nicht.

Nicht ganz.  ;) Hier mal ein passendes Zitat von Swen.

Zitat
Der Dienstherr ist zunächst als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums dazu verpflichtet, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit festgestellt, dass es dabei aber keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gibt, wonach der Beamte einen besonderen Anspruch auf ausreichende "Alimentation seiner Kinder" hätte (wer es nachlesen möchte, vgl. hier die Rn. 45 https://openjur.de/u/173228.html), um in der dort als Rn. 55 wiedergegebenen weiteren Passage hervorzuheben, dass es keinen aus Art. 33 Abs. 5 GG ableitbaren selbständigen Anspruch des Beamten auf Unterhalt für sein Kind gibt. Vielmehr sei im gegenwärtigen System der Besoldungsstruktur eine weitgehende Selbstverständlichkeit," dass bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. 'familienneutralen' und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten." (dort Rn. 75)

bebolus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6624 am: 30.10.2024 17:35 »
Vielleicht sollten wir die Polizeibeamten wirklich zu TB machen. Natürlich dann mit den Parametern der EU-Staaten um uns herum und einem Streikrecht. Und dann wird der Polizeiangestellte mit 200 Überstunden eben nicht mehr Hansa- und Paulifans "betreuen", wenn er auf seinen Gehaltszettel schaut und immernoch feststellt, dass sein polizeiliches (Bürgergeld-) Gegenüber mehr bekommt als er selbst.

Ich habe hier manchmal den Eindruck, dass man alle Beamten am Besten in den Mindestlohnsektor schieben möchte.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6625 am: 30.10.2024 18:05 »
Mit einer Ausnahme bin ich mit Dir d'accord, Organisator, also insbesondere auch mit Deinen Ausführungen, dass Lehrer wie ich (und alle anderen meiner sächsisch-amerikanischen Spezies) nicht verbeamtet werden müssten, was ebenso das Bundesverfassungsgericht in seiner Streikverbotsentscheidung aus dem Jahr 2018 so ausgeführt hat Was es dabei aber ebenfalls unmissverständlich klargestellt hat, ist, dass der Beamte, sofern er als solcher mit einem Amt bestallt wird, über das grundrechtsgleiche Individualrecht der amtsangemessenen Alimentation verfügt.

Darüber hinaus kommen wir Beamte dem Dienstherrn ja mindestens kurz- und mittelfristig günstiger, so wie Du das auch schreibst. Tatsächlich wäre also - denke ich - die Debatte, sofern man einen effektiveren öffentlichen Dienst als heute schaffen wollte und dabei die Kosten gleichfalls mit im Blick hätte, die Frage zu stellen, für welche Beschäftigung sollten in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich Beamte bestallt und in welchen ggf. eher Tarifbeschäftigte eingestellt werden - und zwar das nur umso mehr, als dass in nicht allzu ferner Zukunft die Grundgehaltssätze in allen Rechtskreisen deutlich angehoben werden werden, sodass man sich als Dienstherr und Arbeitgeber heute bereits diesbezüglich grundlegende Gedanken machen sollte.

Der Beamte in mir findet es hingegen für die Sache sinnvoll und auch gut, dass Lehrer heute in der Regel verbeamtet werden. Denn damit wird dem einzelnen Lehrer eine langfristige Sicherheit geboten, die für die einzelnen Schulleitungen zu langfrstiger Planungssicherheit und für die einzelnen Schüler eine insgesamt stabilere Lernwelt schafft. Aber diese meine Sicht auf die Dinge kann keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit beanspruchen, ist nur eine - also meine - moralische Bewertung, die sich aus jahrzehntelanger Erfahrung speist.

An einer Stelle habe ich wiederum eine grundlegend andere Sicht auf die Dinge - und das ist nicht meine, sondern (wie so häufig) die verfassungsrechtliche: Wenn Du schreibst, es "sollte sich auch das Beamtentum, das Bild der 'hergebrachten Grundsätze' und die Besoldung entsprechend modernisieren", dann ist das hinsichtlich der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums prinzipiell unmöglich.

Denn um als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG betrachtet werden zu können, sind zwei notwendige Bedingungen zu erfüllen, die gemeinsam hinreichen, um ihn also als sochen zu begründen: Substanzialität und Traditionalität. Unter Substanzialität begreift das Bundesverfassungsgericht eine enge inhaltliche Verknüpfung jenes Grundsatzes mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des Berufsbeamtentums in Deutschland; Traditionalität bedeutet, dass sich eine dauerhafte und ununterbrochene Erstreckung des Grundsatzes bis mindestens zurück in die Weimarer Republik findet (die Zeit des Nationalsozialismus wird dabei als nicht traditionsbildend begriffen). Zusammengenommen formuliert das das Bundesverfassungsgericht wie folgt: Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien [Substanzialität; ST.] gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens bis unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind [Traditionalität; ST.].

Durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums werden nun nicht das überkommene Beamtenrecht geschützt (anders als noch unter der Weimarer Reichsverfassung, die im Art. 129 die wohlerworbenen Rechte der Beamten als unverletzlich betrachtet hat), sondern das Berufsbeamtentum, das in Art. 33 Abs. 4 und 5 eine institutionelle Garantie findet, also solange nicht abgeschafft werden kann, wie beide Absätze Gültigkeit beanspruchen. Als "klassische" Formel führt der Senat entsprechend in der Rn. 119 des Streikverbotsurteils aus:

"Bezugspunkt des auf alle Beamtinnen und Beamten anwendbaren Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht das gewachsene Beamtenrecht, sondern das Berufsbeamtentum (vgl. BVerfGE 117, 330 <349>). In ihrem Bestand geschützt sind daher nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, sodass ihre Beseitigung das Berufsbeamtentum als solches antasten würde (vgl. BVerfGE 43, 177 <185>; 114, 258 <286>). Dieses Erfordernis der Substanzialität ergibt sich bereits aus dem Wesen einer institutionellen Garantie, deren Sinn gerade darin liegt, den Kernbestand der Strukturprinzipien, mithin die Grundsätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass damit zugleich die Einrichtung selbst in ihrem Charakter grundlegend verändert würde, dem gestaltenden Gesetzgeber verbindlich als Rahmen vorzugeben. Das Bundesverfassungsgericht hat dies mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass Art. 33 Abs. 5 GG insoweit nicht nur Berücksichtigung, sondern auch Beachtung verlangt (vgl. BVerfGE 8, 1 <16 f.>; 11, 203 <210>; 61, 43 <57 f.>). Demgegenüber steht Art. 33 Abs. 5 GG einer Weiterentwicklung des Beamtenrechts nicht entgegen, solange eine strukturelle Veränderung an den für Erscheinungsbild und Funktion des Berufsbeamtentums wesentlichen Regelungen nicht vorgenommen wird (vgl. BVerfGE 117, 330 <348 f.>; 117, 372 <379>). In der Pflicht zur Berücksichtigung ist eine Entwicklungsoffenheit angelegt, die den Gesetzgeber in die Lage versetzt, die Ausgestaltung des Dienstrechts den jeweiligen Entwicklungen der Staatlichkeit anzupassen und das Beamtenrecht damit in die Zeit zu stellen. Die Strukturentscheidung des Art. 33 Abs. 5 GG belässt ausreichend Raum, die geschichtlich gewachsene Institution in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einzufügen (vgl. BVerfGE 3, 58 <137>; 7, 155 <162>; 70, 69 <79>) und den Funktionen anzupassen, die das Grundgesetz dem öffentlichen Dienst in der freiheitlichen, rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zuschreibt (vgl. BVerfGE 8, 1 <16>; 9, 268 <286>; 15, 167 <195> m.w.N.)."

So verstanden kann das öffentliche Dienstrecht ob seiner Entwicklungsoffenheit im Rahmen der eine Tradtion bildenden hergebrachten Grundsätze, die mindestens bis in die Weimarer Republik zurückreicht, hinreichend verändert und fortentwickelt werden, was allerdings nicht für diese Grundsätze selbst gilt, die ja als solche seit mindestens der Weimarer Republik Bestand haben müssen. Entsprechend führt Art. 33 Abs. 5 GG aus: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln."

Der langen Rede kurzer Sinn: Hergebrachte Grundsätze wie das Treue-, Laufbahn-, Leistungs- oder Alimentationsprinzip oder auch das Streikverbot können nicht hinweggedacht werden, ohne das Berufsbeamtentum so grundlegend zu verändern, dass es nicht mehr als solches zu begreifen wäre. Unter Berücksichtigung und bei besonders wesentlichen Grundsätzen wie dem Alimentationsprinzip unter Beachtung jener Grundsätze steht dem Dienstherrn ein weiter Entscheidungsspielraum zu, wie er das öffentliche Dienstrecht in die jeweilige Zeit stellt. Die Grundsätze selbst aber kann er nicht "modernisieren", sie sind aus der Vergangenheit überkommen, da Traditionalität eine ihrer beiden notwendigen Bedingungen ist.

Da wir also diese Struktur vorfinden, sollte sich der Dienstherr nur umso mehr Gedanken machen, wie nun im öffentlichen Dienst mit nach Art. 33 Abs. 4 Regelfall des Berufsbeamtentums und dem Ausnahmefall der Tarifbeschäftigung zu verfahren ist, um ihn auch zukünftig sachgerecht in die Zeit zu stellen, und zwar das nur umso mehr, alsdass das Unterhalten eines Berufsbeamtentums in den kommenden Jahren substanziell teurer werden wird, was zur Folge haben wird, dass sich das ebenso - wenn auch ggf. nicht im selben Maße - auch für die Tarifbeshäftigung so entwickeln wird.

@ LehrerInNRW

Die Aussage ist sachlich falsch, ohne dass ich das hier (ein weiteres Mal) umfassend nachweisen möchte. Das indizielle Mittel der Mindestalimentation, das an die vierköpfige Familie gebunden ist, hat nichts mit einer amtsangemessenen Alimentation zu tun. Entsprechend kann auch der ledige kinderlose Beamte unteralimentiert sein, was heute in allen 17 Rechtskreisen mindestens weit überwiegend, wenn nicht ausnahmslos der Fall ist.

@ bebolus

Die Aussage: "Vielleicht sollten wir die Polizeibeamten wirklich zu TB machen", ist eine contradictio in adiecto, also ein Widerspruch in sich, da sich das Beamtenverhältnis als etwas grundsätzlich anderes darstellt als eine Tarifbeschäftigung. Nachdem, was ich vorhin geschrieben habe, sollte es insbesondere hinsichtlich des Polizeiwesens in Deutschland faktisch ausgeschlossen sein, die Polizei nicht in einem Dienst- und Treueverhältnis zu organisieren. Darüber hinaus besteht dafür auch kein Anlass, weil eine Organisation von Polizeiangestellten nicht günstiger werden würde, als es die Organisation als Bedienstete fordert. Denn was hier bislang ausgeblendet wird, ist, dass, sobald man in Deutschland das Berufsbeamtentum und damit den öffentlichen Dienst abschaffte, der Arbeitgeber deutlich höhere Tarife als heute bezahlen müsste, um qualifiziertes Personal zu finden, das er heute als Beamte deutlich leichter findet, da es sich für nicht wenige Bewerber als attrativer darstellt, verbeamtet zu werden, und weil sich bspw. angehende Polizisten mit einiger Wahrscheinlichkeit eher einmal mehr als einmal weniger überlegen dürften, ob sie sich tatsächlich täglich potenziell als Angestellte totschießen lassen wollten, was sie potenziell als Beamte sicherlich vielfach eher potenziell in Kauf nehmen.

Auch hier gilt, die meisten mögen keine Beamte, und zwar insbesondere deshalb, weil sie keine sind. Das Beamtenverhältnis ist ein sogenanntes Distinktiontionsmerkmal des öffentlichen Diensts - ohne das Beamtenverhältnis würde der dann ehemals öffentliche Dienst deutlich herkömmlicher werden, was seine Attraktivität kaum steigern dürfte, insbesondere wenn er seine Angestellten weiterhin so grottig bezahlte, wie er das heute tut. Denn nur, weil er seine Beamten in solch zumeist extremer Weise unteralimentiert, hat der Dienstherr als Arbeitgeber überhaupt eine sachliche Rechtfertigung, seine Tarifbeschäftigen entsprechend zu entlohnen. Denn wie gesagt, in dem Moment, wo die Beamten wieder amtsangemessen alimentiert werden, wird auch die Tarifentlohnung im weiter bestehenden öffentlichen Dienst deutlich steigen müssen. Die mit beiden Prozessen auf der Hand liegenden Probleme sind offensichtlich; aber wie hat es Frau Merkel regelmäßig so schön im Allgemeinen formuliert: Die erste Entwicklung ist alternativlos, weshalb sich die zweite entsprechend so darstellt.
« Last Edit: 30.10.2024 18:12 von SwenTanortsch »

bebolus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6626 am: 30.10.2024 18:13 »
@Sven
Ich werde künftig für Dich meinen übersprudelnden Sarkasmus kennzeichnen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6627 am: 30.10.2024 18:25 »
das ist nett, bebolus.

InternetistNeuland

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6628 am: 31.10.2024 13:38 »
Wäre ein Single gezwungen morgen vorzeitig in Pension zu gehen bekäme er ja nur die Mindestpension.
Da die PKV Beiträge ja kräftig ansteigen ab 2025 wäre man doch jetzt unter Bürgergeldniveau oder sehe ich das falsch?

Organisator

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6629 am: 31.10.2024 15:07 »
Der Beamte in mir findet es hingegen für die Sache sinnvoll und auch gut, dass Lehrer heute in der Regel verbeamtet werden. Denn damit wird dem einzelnen Lehrer eine langfristige Sicherheit geboten, die für die einzelnen Schulleitungen zu langfrstiger Planungssicherheit und für die einzelnen Schüler eine insgesamt stabilere Lernwelt schafft. Aber diese meine Sicht auf die Dinge kann keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit beanspruchen, ist nur eine - also meine - moralische Bewertung, die sich aus jahrzehntelanger Erfahrung speist.
Da bin ich inhaltlich voll bei dir, allerdings ist es doch traurig, wenn Lehrer (nur) durch ein Beamtenverhältnis langfristig an ihre Tätigkeit gebunden werden. Aus meiner Sicht sollte der Beruf an sich sowie das Umfeld so gut gestaltet werden, dass jeder Lehrer von sich aus diesen Beruf dauerhaft ausüben möchte und auch ohne Ängste einer Entlassung kann.
An einer Stelle habe ich wiederum eine grundlegend andere Sicht auf die Dinge - und das ist nicht meine, sondern (wie so häufig) die verfassungsrechtliche: Wenn Du schreibst, es "sollte sich auch das Beamtentum, das Bild der 'hergebrachten Grundsätze' und die Besoldung entsprechend modernisieren", dann ist das hinsichtlich der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums prinzipiell unmöglich.
(...)
Der langen Rede kurzer Sinn: Hergebrachte Grundsätze wie das Treue-, Laufbahn-, Leistungs- oder Alimentationsprinzip oder auch das Streikverbot (...).
Und auch da bin ich bei dir, dennoch sehe ich Modernisierungsansätze, die auch schon teilweise angegegangen wurden:
Laufbahnprinzip:
Durch den Versuch, innerhalb bestehender Laufbahnen die amtsangemessene Alimentation umzusetzen wurden vielerorts (Eingangs-)Ämter gestrichen, so dass im Extremfall eine Laufbahn nur noch aus 2-3 Ämtern besteht. Das Laufbahnprinzip ist insoweit schon ad absurdum geführt.
Weiterhin wurde - z.B. beim Polizeivollzug - in einigen Bundesländern die Laufbahn des mD gestrichen, so dass es nur noch studierte Schutzpolizisten gibt (weil keiner für ein mD-Gehalt seinen Kopf hinhalten möchte).
Hier ist einiges durcheinander geraten, so dass es einer Reform bedarf; insbesondere auch einer vertikalen Durchlässigkeit.

Amtsangemessene Alimentation:
Hier wird durch Streichungen von Eingangsämtern / Eingangs-Erfahrungsstufen sowie durch familienbezogene Zulagen versucht, das bisherige System zu retten. Klar ist aber dabei, dass gerade im mittleren Dienst es zu einer Unteralimentation gekommen ist, so dass Tarifbeschäftigte (außer bei 3+ Kindern) finanziell bessergestellt sind. Eine pauschale Erhöhung um z.B. 30 % für alle Besoldungsgruppen würde dies zwar in Teilen heilen, allerdings kann mir auch keiner sagen, dass ein Beamter A14/7 (Bei dem mit einem Alter von 50 Jahren die Kinder aus dem Haus sind) mit einem Nettoeinkommen von 4.500,-- € unteralimentiert wäre.

Kurzum - an Grundsätze wie das besondere Dienst- und Treueverhältnis und (damit verbunden) das Streikverbot geht es mir gar nicht; eher an die anderen "hergebrachten Grundsätze" die mir entweder etwas zu hergebracht (= veraltet) sind oder kaputtreformiert wurden.

P.S. Streikrecht - wieso nicht? Auch in Krankenhäusern wird gestreikt und dennoch kein Notfall sterben gelassen ;)