Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2089466 times)

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10965 am: 08.03.2024 16:26 »
@Swen

Stimme dir wie Clarion in Punkt 1 zu. Bis 2020 haette man sicher nicht anders entscheiden/handeln koennen.

Selbst nach der Entscheidung 2020 tanzen die BesGesetzgeber doch dem BVerfG auf der Nase herum und scheren sich ganz offensichtlich nicht wirklich darum, was dort entschieden worden ist.
Der Bund stellt mit seinem Rundschreiben fest, dass er nicht verfassungsgemaess alimentiert, aber getan wird dann nichts. Die Laender erlassen abstruseste Gesetze, alles vor dem Hintergrund es soll so guenstig wie moeglich sein.
Angesichts dieses Handelns auf seiten der Gesetzgeber, denen das BVerfG ja mit seiner Rechtsprechung ganz klare Vorgaben gemacht hat, muss doch das BVerfG feststellen, die Gesetzgeber tanzen dem BVerfG auf der Nase rum.
Dies kann doch fuer das Ansehen und die Bedeutung des BVerfG nicht gedulded werden.
Von daher haette ich seitens des BVerfG ein schnellleres und konsequenteres weiteres Vorgehen erwartet.
Bin sicher nicht so vertraut mit den Optionen des BVerfG wie du, aber zumindest schnellere weitere Beschluese sollten doch eine Option sein.
Ja diese sollten wie du ja selber mal ausgefuehrt hast sauber und praezise sein.
Aber schon wegen des Ansehens und der Bedeutung des Gerichtes selber, muss dies doch im eigenen Interesse diese Missachtung durch die Gesetzgeber schnellst moeglich unterbinden.

Ich arbeite gerade wieder an einem komplexeren Text, Bundi, in dem es auch um Konsequenzen des Verfassungsrechts geht. Das Problem der hier im Forum wiederkehrenden Ansicht, Karlsruhe hätte schneller entscheiden müssen, ist nach wie vor, dass diese Sicht auf die Dinge von jenen, die sie haben, ausnahmslos ohne eine konkrete Betrachtung des Verfassungsrechts erfolgt. Wenn ich es richtig sehe, hat sich keiner von euch, die ihr diese Sicht auf die Dinge habt, auch nur in Ansätzen mit den notwendigen Bedingungen und tatsächlichen Grenzen konkreter Normenkontrollverfahren beschäftigt.

Ich greife jetzt aus der Erarbeitung einfach mal einen der zentralen Absätze heraus, in dem es u.a. und vor allem um das sog. "Normwiederholungsverbot" geht. Denn allein hier schon zeigt sich eine Problematik, die nur in der Konkretisierung des jeweiligen Verfahrens hinreichend betrachtet werden kann, soll heißen: Emotional würde ich es ggf. genauso wie Du formulieren und also von einem  "auf der Nase Herumtanzen" sprechen - rational hat in jedem Fall und für jedes neu Argument der Beweis zu erfolgen, dass dem so sein sollte. Von alledem hat allerdings nach meiner bisherigen Erfahrung allesamt keiner der "schnelle(ere)n Entscheidungsforderer" eine hinreichende Ahnung: also das, was ich im nachfolgenden Eigenzitat formuliere, wird in dieser Sicht, dass möglichst schnelle Entscheidungen gefällt werden sollten, ebenfalls - wie vieles andere hier im Forum auch - gar nicht mitbedacht, weil es den Schreibenden unbekannt ist. Denn rational ist es eben nicht ganz so einfach zu entscheiden, ob hier in den letzten knapp vier Jahren tatsächlich ein "auf der Nase Herumtanzen" erfolgt ist, nämlich wenn man sich das Verfassungsrecht konkret und präzise vor Augen führt:

"Seit 2012 hat das Bundesverfassungsgericht einen umfassenden Rechtsprechungswandel vollzogen, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des ihn aus Art. 33 Abs. 5 GG treffenden Regelungsauftrags zu beachten hat. [Fußnote] Denn die jeweils entscheidungstragenden Gründe binden auch den Besoldungsgesetzgeber, wovon eine im Einzelnen kontroverse Betrachtung der Bindungswirkung nicht ablenken könnte, ohne damit eventuell den effektiven Rechtsschutz infrage zu stellen. [Fußnote] Von daher sehen sich alle 17 bundesdeutschen Besoldungsgesetzgeber an die entscheidungstragenden Gründe einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Zwar bliebe dabei die Auffassung eines schlichten Normwiederholungsverbots zu undifferenziert. [Fußnote] Allerdings setzt der ungeschriebene Grundsatz der Verfassungstreue dem Gesetzgeber erkennbare Grenzen. So ist eine bewusste Missachtung von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, also eine inhaltsidentische Neuregelung auf gleicher Tatsachengrundlage alsbald nach der verfassungsgerichtlichen Normwerferung, mit dem verfassungsrechtlich geforderten Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht unvereinbar, darf also auch der Besoldungsgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen, sieht er sich dann hingegen in einer Normwiederholung veranlasst, besondere Gründe ins Feld zu führen, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können: In der Normwiederholung, die also die gleiche Intention wie die zuvor für nichtig erklärte Norm verfolgt oder gar ein inhaltsgleiches Gesetz erlässt, sieht sich der Gesetzgeber folglich zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der oder den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts veranlasst, in der er neue rechtliche Argumente für seinen Standpunkt auszuführen weiß; dabei sollte er sich in praxi stets der damit einhergehenden Gefahr einer möglichen Missachtung seiner rechtlichen Bindung bzw. mindestens des ggf. ungenügenden Charakters seiner neuen Argumente bewusst sein. [Fußnote]"

Der langen Rede kurzer Sinn: Auch dem Besoldungsgesetzgeber ist es nicht verwehrt, eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig vernichtete Norm identisch wieder in Kraft zu setzen, solange er dafür nun eine hinreichende Begründung liefert. Ein undifferenziertes Normwiederholungsverbot kennt unsere Verfassung nicht.

Und allein aus diesem Faktum resultiert die Frage: Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?

Und die zweite Frage lautete (ich habe sie unlängst erst gestellt, ohne eine Antwort erhalten zu haben, die ich kenne, aber bislang wohl kaum jemand anderes - denn ansonsten wäre die Antwort, denke ich, gegeben worden): Über wie viele konkrete Normenkontrollverfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht eigentlich im Durchschnitt pro Jahr?

Aus dem Karlsruher Blickwinkel heraus stellt sich die Sachlage deutlich komplexer dar, als sich das - wenn ich das richtig sehe - auch nur einer derer, die hier regelmäßig schnellere Entscheidungen verlangen, in Ansätzen vorstellen könnte. In der Vergangenheit habe ich ein ganzes Bündel an Gründen für die Verfahrenslänge(n) ins Feld geführt - emotional muss man sie nicht zur Kenntnis nehmen. Rational betrachtet - also aus dem Fokus des Zweiten Senats heraus - kann man an ihnen nicht vorbeiblicken, da ein solches Vorbeiblicken nicht die tatsächlichen Probleme anschaute, sondern beständig an ihnen vorbeiblickte.

Ich lese deine Beiträge sehr gerne und habe Hochachtung davor.

Ich möchte in keinster Weise deine Ausführungen in Zweifel ziehen oder ähnliches. Dennoch komme ich nicht umhin, meine Antwort doch "emotional"  werden zu lassen.

Für mich gehört zum "Recht" auch das "Recht bekommen" dazu. Das bedeutet für mich, dass man es in einer überschaubaren (Lebens)Zeit erlebt.

Ein Recht worauf sich meine Erben freuen, hat dieses Ziel deutlich verfehlt.

Recht haben und Recht bekommen sind ja zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Ich kann deine Ansicht verstehen, aber hier werden sich wohl eher deine Erben freuen dürfen (in welcher Generation auch immer und ohne dein Alter zu kennen).

Wenn das das Ergebnis ist finde ich, dass es geändert gehört.

Recht entwickelt sich fort und Schwachstellen (so emofinde ich das dann), müssen abgeändert werden. Ansonsten läuft man Gefahr, dass Recht nicht mehr als Recht wahrgenommen wird. Und das würde ich als ein sehr schlimmes Ergebnis empfinden.

Mario12

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10966 am: 08.03.2024 17:33 »
@Swen

Stimme dir wie Clarion in Punkt 1 zu. Bis 2020 haette man sicher nicht anders entscheiden/handeln koennen.

Selbst nach der Entscheidung 2020 tanzen die BesGesetzgeber doch dem BVerfG auf der Nase herum und scheren sich ganz offensichtlich nicht wirklich darum, was dort entschieden worden ist.
Der Bund stellt mit seinem Rundschreiben fest, dass er nicht verfassungsgemaess alimentiert, aber getan wird dann nichts. Die Laender erlassen abstruseste Gesetze, alles vor dem Hintergrund es soll so guenstig wie moeglich sein.
Angesichts dieses Handelns auf seiten der Gesetzgeber, denen das BVerfG ja mit seiner Rechtsprechung ganz klare Vorgaben gemacht hat, muss doch das BVerfG feststellen, die Gesetzgeber tanzen dem BVerfG auf der Nase rum.
Dies kann doch fuer das Ansehen und die Bedeutung des BVerfG nicht gedulded werden.
Von daher haette ich seitens des BVerfG ein schnellleres und konsequenteres weiteres Vorgehen erwartet.
Bin sicher nicht so vertraut mit den Optionen des BVerfG wie du, aber zumindest schnellere weitere Beschluese sollten doch eine Option sein.
Ja diese sollten wie du ja selber mal ausgefuehrt hast sauber und praezise sein.
Aber schon wegen des Ansehens und der Bedeutung des Gerichtes selber, muss dies doch im eigenen Interesse diese Missachtung durch die Gesetzgeber schnellst moeglich unterbinden.

Ich arbeite gerade wieder an einem komplexeren Text, Bundi, in dem es auch um Konsequenzen des Verfassungsrechts geht. Das Problem der hier im Forum wiederkehrenden Ansicht, Karlsruhe hätte schneller entscheiden müssen, ist nach wie vor, dass diese Sicht auf die Dinge von jenen, die sie haben, ausnahmslos ohne eine konkrete Betrachtung des Verfassungsrechts erfolgt. Wenn ich es richtig sehe, hat sich keiner von euch, die ihr diese Sicht auf die Dinge habt, auch nur in Ansätzen mit den notwendigen Bedingungen und tatsächlichen Grenzen konkreter Normenkontrollverfahren beschäftigt.

Ich greife jetzt aus der Erarbeitung einfach mal einen der zentralen Absätze heraus, in dem es u.a. und vor allem um das sog. "Normwiederholungsverbot" geht. Denn allein hier schon zeigt sich eine Problematik, die nur in der Konkretisierung des jeweiligen Verfahrens hinreichend betrachtet werden kann, soll heißen: Emotional würde ich es ggf. genauso wie Du formulieren und also von einem  "auf der Nase Herumtanzen" sprechen - rational hat in jedem Fall und für jedes neu Argument der Beweis zu erfolgen, dass dem so sein sollte. Von alledem hat allerdings nach meiner bisherigen Erfahrung allesamt keiner der "schnelle(ere)n Entscheidungsforderer" eine hinreichende Ahnung: also das, was ich im nachfolgenden Eigenzitat formuliere, wird in dieser Sicht, dass möglichst schnelle Entscheidungen gefällt werden sollten, ebenfalls - wie vieles andere hier im Forum auch - gar nicht mitbedacht, weil es den Schreibenden unbekannt ist. Denn rational ist es eben nicht ganz so einfach zu entscheiden, ob hier in den letzten knapp vier Jahren tatsächlich ein "auf der Nase Herumtanzen" erfolgt ist, nämlich wenn man sich das Verfassungsrecht konkret und präzise vor Augen führt:

"Seit 2012 hat das Bundesverfassungsgericht einen umfassenden Rechtsprechungswandel vollzogen, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des ihn aus Art. 33 Abs. 5 GG treffenden Regelungsauftrags zu beachten hat. [Fußnote] Denn die jeweils entscheidungstragenden Gründe binden auch den Besoldungsgesetzgeber, wovon eine im Einzelnen kontroverse Betrachtung der Bindungswirkung nicht ablenken könnte, ohne damit eventuell den effektiven Rechtsschutz infrage zu stellen. [Fußnote] Von daher sehen sich alle 17 bundesdeutschen Besoldungsgesetzgeber an die entscheidungstragenden Gründe einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Zwar bliebe dabei die Auffassung eines schlichten Normwiederholungsverbots zu undifferenziert. [Fußnote] Allerdings setzt der ungeschriebene Grundsatz der Verfassungstreue dem Gesetzgeber erkennbare Grenzen. So ist eine bewusste Missachtung von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, also eine inhaltsidentische Neuregelung auf gleicher Tatsachengrundlage alsbald nach der verfassungsgerichtlichen Normwerferung, mit dem verfassungsrechtlich geforderten Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht unvereinbar, darf also auch der Besoldungsgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen, sieht er sich dann hingegen in einer Normwiederholung veranlasst, besondere Gründe ins Feld zu führen, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können: In der Normwiederholung, die also die gleiche Intention wie die zuvor für nichtig erklärte Norm verfolgt oder gar ein inhaltsgleiches Gesetz erlässt, sieht sich der Gesetzgeber folglich zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der oder den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts veranlasst, in der er neue rechtliche Argumente für seinen Standpunkt auszuführen weiß; dabei sollte er sich in praxi stets der damit einhergehenden Gefahr einer möglichen Missachtung seiner rechtlichen Bindung bzw. mindestens des ggf. ungenügenden Charakters seiner neuen Argumente bewusst sein. [Fußnote]"

Der langen Rede kurzer Sinn: Auch dem Besoldungsgesetzgeber ist es nicht verwehrt, eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig vernichtete Norm identisch wieder in Kraft zu setzen, solange er dafür nun eine hinreichende Begründung liefert. Ein undifferenziertes Normwiederholungsverbot kennt unsere Verfassung nicht.

Und allein aus diesem Faktum resultiert die Frage: Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?

Und die zweite Frage lautete (ich habe sie unlängst erst gestellt, ohne eine Antwort erhalten zu haben, die ich kenne, aber bislang wohl kaum jemand anderes - denn ansonsten wäre die Antwort, denke ich, gegeben worden): Über wie viele konkrete Normenkontrollverfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht eigentlich im Durchschnitt pro Jahr?

Aus dem Karlsruher Blickwinkel heraus stellt sich die Sachlage deutlich komplexer dar, als sich das - wenn ich das richtig sehe - auch nur einer derer, die hier regelmäßig schnellere Entscheidungen verlangen, in Ansätzen vorstellen könnte. In der Vergangenheit habe ich ein ganzes Bündel an Gründen für die Verfahrenslänge(n) ins Feld geführt - emotional muss man sie nicht zur Kenntnis nehmen. Rational betrachtet - also aus dem Fokus des Zweiten Senats heraus - kann man an ihnen nicht vorbeiblicken, da ein solches Vorbeiblicken nicht die tatsächlichen Probleme anschaute, sondern beständig an ihnen vorbeiblickte.

Ich lese deine Beiträge sehr gerne und habe Hochachtung davor.

Ich möchte in keinster Weise deine Ausführungen in Zweifel ziehen oder ähnliches. Dennoch komme ich nicht umhin, meine Antwort doch "emotional"  werden zu lassen.

Für mich gehört zum "Recht" auch das "Recht bekommen" dazu. Das bedeutet für mich, dass man es in einer überschaubaren (Lebens)Zeit erlebt.

Ein Recht worauf sich meine Erben freuen, hat dieses Ziel deutlich verfehlt.

Recht haben und Recht bekommen sind ja zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Ich kann deine Ansicht verstehen, aber hier werden sich wohl eher deine Erben freuen dürfen (in welcher Generation auch immer und ohne dein Alter zu kennen).

Wenn das das Ergebnis ist finde ich, dass es geändert gehört.

Recht entwickelt sich fort und Schwachstellen (so emofinde ich das dann), müssen abgeändert werden. Ansonsten läuft man Gefahr, dass Recht nicht mehr als Recht wahrgenommen wird. Und das würde ich als ein sehr schlimmes Ergebnis empfinden.


Dann hast du vielleicht ein falsches Rechtsverständnis. Es geht dabei ja nicht um deine subjektiven Empfindungen oder deine Wünsche. Und auch wenn deine Erben letztlich Grund zur Freude haben kann man dann von der verspäteten Rechtmäßigkeit sprechen. Und hierbei muss man leider auch die Situation der Gerichte etc. berücksichtigen. Einzelne Interessen oder subjektive Wünsche sind zweitrangig.

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10967 am: 08.03.2024 17:49 »
Und genau das sehe ich anders Mario.

Ich erkenne an, dass das Recht es jetzt so ermöglicht, ich erkenne nicht an, dass es für immer so sein muss und sollte.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10968 am: 08.03.2024 17:57 »
Wir drehen uns zwar im Kreis, aber ich poste es trotzdem noch einmal. Irgendwann einmal könnte vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehen. Im nachfolgenden Fall hat das Gericht zwar noch nicht so wichtige Gründe erkannt, und es hat sich auch nicht dazu geäußert, welche Gründe dafür vorliegen müssen, aber im Umkehrschluss kann es irgendwann soweit sein, dass die Gründe ausreichen. Wahrscheinlich sind diese Gründe erst erreicht, wenn die 4-köpfige Familie zur Tafel muss.

Zwar stellt der Antragsteller im Ausgangspunkt zu Recht heraus, dass die Alimentation des Beamten der Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs dient, 15 vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 -, BVerfGE 130, 263 (313), und Beschluss vom 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363 (385),
das heißt der gegenwärtigen Führung seines Lebens auf einem seinem Amt angemessenen Niveau, und dass er sich rückwirkend kein höheres Lebensniveau mehr wird verschaffen können. Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 -, BVerfGE 130, 263 (313), und Beschlüsse vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. -, BVerfGE 99, 300 (331), und 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363 (385).

Durch die dann fällige Nachzahlung könnte der Antragsteller sich eine gewisse Kompensation für die bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber hingenommenen Einbußen verschaffen. Freilich wäre eine mit einer einmaligen Nachzahlung einhergehende Kompensation nicht dasselbe wie die Möglichkeit, sich durch eine Anhebung der Bezüge ein (vorläufig) höheres Lebensniveau zu erschließen. Auch wird man den zwischenzeitlichen Kaufkraftverlust ebenso in Rechnung stellen müssen wie etwaige steuerliche Nachteile einer einmaligen Nachzahlung. Die Nachteile einer – im Falle des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache – einmaligen Kompensation im Vergleich zu einer dauerhaften, wenn auch vorläufigen Anhebung seiner Bezüge durch eine entsprechende einstweilige Anordnung erscheinen dem Senat jedoch (noch) nicht so gewichtig, dass sie einen wesentlichen Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu bilden vermögen, es dem Antragsteller daher unzumutbar wäre, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen über die Verfassungsmäßigkeit seiner Alimentation und eine etwaig erforderliche Neuregelung durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber abzuwarten, und rechtfertigen daher den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung derzeit (noch) nicht. Der Senat braucht sich aus Anlass des vorliegenden Falles nicht festzulegen, unter welchen Umständen – etwa in zeitlicher Hinsicht – dem Antragsteller ein weiteres Abwarten unzumutbar werden könnte. Es erscheint jedoch fraglich, dass bei Abwägung der beiderseitigen Belange – die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs vorausgesetzt – Zeiträume hingenommen werden könnten, die etwa im Fall kinderreicher Beamter verstrichen sind und das Bundesverfassungsgericht zum Erlass einer Vollstreckungsanordnung bewogen haben.


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10969 am: 08.03.2024 18:01 »
@Swen

Stimme dir wie Clarion in Punkt 1 zu. Bis 2020 haette man sicher nicht anders entscheiden/handeln koennen.

Selbst nach der Entscheidung 2020 tanzen die BesGesetzgeber doch dem BVerfG auf der Nase herum und scheren sich ganz offensichtlich nicht wirklich darum, was dort entschieden worden ist.
Der Bund stellt mit seinem Rundschreiben fest, dass er nicht verfassungsgemaess alimentiert, aber getan wird dann nichts. Die Laender erlassen abstruseste Gesetze, alles vor dem Hintergrund es soll so guenstig wie moeglich sein.
Angesichts dieses Handelns auf seiten der Gesetzgeber, denen das BVerfG ja mit seiner Rechtsprechung ganz klare Vorgaben gemacht hat, muss doch das BVerfG feststellen, die Gesetzgeber tanzen dem BVerfG auf der Nase rum.
Dies kann doch fuer das Ansehen und die Bedeutung des BVerfG nicht gedulded werden.
Von daher haette ich seitens des BVerfG ein schnellleres und konsequenteres weiteres Vorgehen erwartet.
Bin sicher nicht so vertraut mit den Optionen des BVerfG wie du, aber zumindest schnellere weitere Beschluese sollten doch eine Option sein.
Ja diese sollten wie du ja selber mal ausgefuehrt hast sauber und praezise sein.
Aber schon wegen des Ansehens und der Bedeutung des Gerichtes selber, muss dies doch im eigenen Interesse diese Missachtung durch die Gesetzgeber schnellst moeglich unterbinden.

Ich arbeite gerade wieder an einem komplexeren Text, Bundi, in dem es auch um Konsequenzen des Verfassungsrechts geht. Das Problem der hier im Forum wiederkehrenden Ansicht, Karlsruhe hätte schneller entscheiden müssen, ist nach wie vor, dass diese Sicht auf die Dinge von jenen, die sie haben, ausnahmslos ohne eine konkrete Betrachtung des Verfassungsrechts erfolgt. Wenn ich es richtig sehe, hat sich keiner von euch, die ihr diese Sicht auf die Dinge habt, auch nur in Ansätzen mit den notwendigen Bedingungen und tatsächlichen Grenzen konkreter Normenkontrollverfahren beschäftigt.

Ich greife jetzt aus der Erarbeitung einfach mal einen der zentralen Absätze heraus, in dem es u.a. und vor allem um das sog. "Normwiederholungsverbot" geht. Denn allein hier schon zeigt sich eine Problematik, die nur in der Konkretisierung des jeweiligen Verfahrens hinreichend betrachtet werden kann, soll heißen: Emotional würde ich es ggf. genauso wie Du formulieren und also von einem  "auf der Nase Herumtanzen" sprechen - rational hat in jedem Fall und für jedes neu Argument der Beweis zu erfolgen, dass dem so sein sollte. Von alledem hat allerdings nach meiner bisherigen Erfahrung allesamt keiner der "schnelle(ere)n Entscheidungsforderer" eine hinreichende Ahnung: also das, was ich im nachfolgenden Eigenzitat formuliere, wird in dieser Sicht, dass möglichst schnelle Entscheidungen gefällt werden sollten, ebenfalls - wie vieles andere hier im Forum auch - gar nicht mitbedacht, weil es den Schreibenden unbekannt ist. Denn rational ist es eben nicht ganz so einfach zu entscheiden, ob hier in den letzten knapp vier Jahren tatsächlich ein "auf der Nase Herumtanzen" erfolgt ist, nämlich wenn man sich das Verfassungsrecht konkret und präzise vor Augen führt:

"Seit 2012 hat das Bundesverfassungsgericht einen umfassenden Rechtsprechungswandel vollzogen, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des ihn aus Art. 33 Abs. 5 GG treffenden Regelungsauftrags zu beachten hat. [Fußnote] Denn die jeweils entscheidungstragenden Gründe binden auch den Besoldungsgesetzgeber, wovon eine im Einzelnen kontroverse Betrachtung der Bindungswirkung nicht ablenken könnte, ohne damit eventuell den effektiven Rechtsschutz infrage zu stellen. [Fußnote] Von daher sehen sich alle 17 bundesdeutschen Besoldungsgesetzgeber an die entscheidungstragenden Gründe einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Zwar bliebe dabei die Auffassung eines schlichten Normwiederholungsverbots zu undifferenziert. [Fußnote] Allerdings setzt der ungeschriebene Grundsatz der Verfassungstreue dem Gesetzgeber erkennbare Grenzen. So ist eine bewusste Missachtung von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, also eine inhaltsidentische Neuregelung auf gleicher Tatsachengrundlage alsbald nach der verfassungsgerichtlichen Normwerferung, mit dem verfassungsrechtlich geforderten Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht unvereinbar, darf also auch der Besoldungsgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen, sieht er sich dann hingegen in einer Normwiederholung veranlasst, besondere Gründe ins Feld zu führen, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können: In der Normwiederholung, die also die gleiche Intention wie die zuvor für nichtig erklärte Norm verfolgt oder gar ein inhaltsgleiches Gesetz erlässt, sieht sich der Gesetzgeber folglich zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der oder den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts veranlasst, in der er neue rechtliche Argumente für seinen Standpunkt auszuführen weiß; dabei sollte er sich in praxi stets der damit einhergehenden Gefahr einer möglichen Missachtung seiner rechtlichen Bindung bzw. mindestens des ggf. ungenügenden Charakters seiner neuen Argumente bewusst sein. [Fußnote]"

Der langen Rede kurzer Sinn: Auch dem Besoldungsgesetzgeber ist es nicht verwehrt, eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig vernichtete Norm identisch wieder in Kraft zu setzen, solange er dafür nun eine hinreichende Begründung liefert. Ein undifferenziertes Normwiederholungsverbot kennt unsere Verfassung nicht.

Und allein aus diesem Faktum resultiert die Frage: Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?

Und die zweite Frage lautete (ich habe sie unlängst erst gestellt, ohne eine Antwort erhalten zu haben, die ich kenne, aber bislang wohl kaum jemand anderes - denn ansonsten wäre die Antwort, denke ich, gegeben worden): Über wie viele konkrete Normenkontrollverfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht eigentlich im Durchschnitt pro Jahr?

Aus dem Karlsruher Blickwinkel heraus stellt sich die Sachlage deutlich komplexer dar, als sich das - wenn ich das richtig sehe - auch nur einer derer, die hier regelmäßig schnellere Entscheidungen verlangen, in Ansätzen vorstellen könnte. In der Vergangenheit habe ich ein ganzes Bündel an Gründen für die Verfahrenslänge(n) ins Feld geführt - emotional muss man sie nicht zur Kenntnis nehmen. Rational betrachtet - also aus dem Fokus des Zweiten Senats heraus - kann man an ihnen nicht vorbeiblicken, da ein solches Vorbeiblicken nicht die tatsächlichen Probleme anschaute, sondern beständig an ihnen vorbeiblickte.

Ich lese deine Beiträge sehr gerne und habe Hochachtung davor.

Ich möchte in keinster Weise deine Ausführungen in Zweifel ziehen oder ähnliches. Dennoch komme ich nicht umhin, meine Antwort doch "emotional"  werden zu lassen.

Für mich gehört zum "Recht" auch das "Recht bekommen" dazu. Das bedeutet für mich, dass man es in einer überschaubaren (Lebens)Zeit erlebt.

Ein Recht worauf sich meine Erben freuen, hat dieses Ziel deutlich verfehlt.

Wie ich ja wiederkehrend hervorhebe (eben weil ich das so sehe), kann ich den Frust gut nachvollziehen - aber auch die Richter am Bundesverfassungsgericht bleibt an die rechtsstaatlichen Normen und Regeln gebunden, die sich für sie insbesondere aus dem Deutschen Richtergesetz und dem Bundesverfassungsgerichtsgerichtsgesetz ergeben, die die Richter am Bundesverfassungsgericht also vorfinden und nicht verändern können, da das nur der Gesetzgeber könnte.

Hinsichtlich der konkreten Normenkontrolle bleiben sie entsprechend ebenfalls an die engen Grenzen gebunden, die dieser Verfahrensform eingeschrieben ist. Die Richter am Bundesverfassungsgericht bleiben also hier an § 80 BVerfGG gebunden, die die Kernverfahrensnorm für die Verfahren der konkreten Normenkontrollen ist.

Um rechtsstaatlich zu handeln, können sie also auch hier hinsichtlich von Normenkontrollverfahren zum Besoldungsrecht keine Ausnahme machen und sich also über die von ihnen hier vorgefundenen Normen und Regeln nicht hinwegsetzen.

Es ist also emotional nachvollziehbar, was Du und andere empfinden, Rheini, aber diese Empfindung hat eben nichts mit der juristischen Rationalität von Normenkontrollverfahren zu tun, die eben nicht unseren Emotionen folgt und ihnen auch nicht folgen kann, weil es zwischen ihnen und der spezifischen Rationalität, die hier den Rechtsstaat abbildet, keinen sachlichen Zusammenhang gibt. Das mag sich - emotional - zutiefst unbefriedigend und ungerecht anfühlen; aber dieses Gefühl kann sich - rational betrachtet - nicht gegen das Bundesverfassungsgericht wenden, sondern ausschließlich gegen die beiden anderen Gewalten.

Denn für sie müsste seit spätestens 2020 in der Prüfung der von ihnen erstellten Gesetzentwürfe ersichtlich werden, dass sie keine hinreichenden Argumente vollbringen, die sie zu einer offensichtlich weitgehend fortgesetzten Normwiederholung veranlassen könnten, zu der sie so betrachtet also nicht berechtigt sind.

Der Zweiten Senat wird nun also ab etwa dem Frühjahr 2022, als immer absehbarer wurde, dass seine offensichtlich eindeutige Rechtsprechung mindestens nicht hinreichend beachtet und ggf. sogar gezielt missachtet wird, nach Mitteln und Wegen gesucht haben (und weiterhin suchen), auch und gerade dem aktuellen Recht auf Grundlage der bis dahin vorgefundenen und also anhängigen Richtervorlagen aus der Vergangenheit im engen Rahmen, den die Verfahrensart der konkreten Normenkontrolle dafür lässt, wieder uneingeschränkte Geltung zu verleihen. Dabei dürfte sich ihm insbesondere die Frage stellen, die ich vorhin hier gestellt habe und nun wiederholen möchte:

Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?

Solange man diese Frage nun nicht hinreichend und also positiv beantworten kann, bleibt der Wunsch, "Recht bekommen" zu wollen, unter dieser Prämisse ein frommer - und das liegt eben nicht am Bundesverfassungsgericht, sondern ausnahmslos an 17 Besoldungsgesetzgeber, die mit von 17 Regierungen in die Parlamente eingebrachten bzw. einzubringenden Gesetzentwürfen offensichtlich nicht so handeln, wie ihre Bindung an die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung das augenscheinlich erwarten lassen muss.

"Offensichtlich" und "augenscheinlich" heißt aber nicht: evident. Und Evidenz kann - anders als Du oder ich auf Basis hinreichender Beschäftigung mit dem Thema - das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Kontrollfunktion nicht voraussetzen, weil es sich so als befangen darstellen würde, sondern nur ggf. im konkreten Normenkontrollverfahren im Rahmen dessen enger Grenzen finden.

Ergo: Die Besoldungsgesetzgeber legen das Verfassungsrecht offensichtlich unisono so aus, wie es nicht ist, was nicht nur hier im Forum zu nachvollziehbarer Enttäuschung, zu Frust und Wut führt. Wenn man es ihnen allerdings spiegelbildlich oder spiegelverkehrt gleichtut und also ebenfalls Erwartungen an den das Verfassungsrecht auslegenden Zweiten Senat richtet, die dieser so, wie diese Erwartungen sind, prinzipiell nicht erfüllen kann, dann kann das Ergebnis weitgehend nur eines sein: die nachvollziehbare Enttäuschung, der Frust und die Wut vergrößern sich, ohne dass sie sich dann weiterhin an das dafür verantwortliche Verfassungsorgan richteten. Falsche Erwartungen sind nicht nur hier ein wundervoller Born für Enttäuschung und Frust.

Die Frage bleibt also, so wie meine bis zum Beweis des Gegenteils bestehende Vermutung bleibt, nämlich dass sie mir hier niemand hinreichend positiv beantworten könnte:

Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?

Wenn man dahingegen die letztlich einfache Antwort auf diese Frage akzeptiert, die da lautet: für die meisten von euch änderte sich durch solche Entscheidungen weitgehend nichts, dann bleibt der Adressat, der die Verantwortung dafür trägt, der, der sie auch tatsächlich trägt - und das ist der Besoldungsgesetzgeber in siebzehnfacher Form.

Und wer weiterhin will, dass seine berechtigte Enttäuschung, sein Frust und seine Wut sich verdoppeln (wer sich also selbst Schaden zufügen will), der sollte an die Kraft der "schnelleren Entscheidungen" glauben. Er oder sie könnte dann aber auch daran glauben, dass ihm oder ihr in seinem oder ihrem Glauben nun auch Tai-Ginseng oder Doppelherz hülfe (gibt's das Zeug jeweils eigentlich noch?), ohne zu realisieren, dass in dieser Kategorie offensichtlich Tai-Ginseng ohne Thai und seng das erfolgversprechendere Glaubensmittel darstellen dürfte, vermute ich. Es dürfte jedenfalls mindestens genauso erfolgreich auf die Leber schlagen wie der Glaube an die Kraft der schnelleren Entscheidung, dabei allerdings - zumindest kurzfristig - der Stimmungsaufhellung zuträglicher sein, was man von der Kirche der schnelleren Entscheidung ganz sicherlich nicht sagen könnte, denke ich.

Ergo: Wer sich weiterhin ärgern will, der glaube bis zum Beweis des Gegenteils an die Kraft der schnelleren Entscheidung, um dann zum Glück einem nicht gewahr werden zu müssen, wenn sie nicht kommt oder bislang gekommen ist - dass sie nämlich (ihm oder ihr mit hoher Wahrscheilichkeit) nix nützte, wenn "Nutzen" bedeuten sollte: "Recht zu bekommen". Denn das bescheinigte Recht nur auf dem Papier nutzt genauso viel (oder wenig) wie die Liebe in Gedanken.

Und darüber hinaus: Es wird nach den drei angekündigten Entscheidungen schneller gehen, darauf gehe ich jede Wette ein. Im Zweiten Senat muss man wissen, dass man mit den anstehenden Entscheidungen eine hinsichtlich des Besoldungsrechts gänzlich außer Rand und Band geratene politische Klasse in ihren Entscheidungsspielräumen einhegen muss - und genau das wird nun geschehen, um diese (die politische Klasse) danach anhand vieler fröhlich anhängiger Richtervorlagen daran zu erinnern, dass sie sich als Besoldungsgesetzgeber in einem begrenzten Areal befindet, das - wenn sie das möchte - also zunehmend kleiner werden kann. Auch deshalb schreibe ich hier regelmäßig das, was ich hier schreibe: In deren Haut, der Haut der betreffenden politischen Verantwortungsträger, möchte ich nicht stecken. Es gilt alsbald, die Suppe auszulöffeln, die sie sich selbst eingebrockt haben.

Knecht

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« Antwort #10970 am: 08.03.2024 18:08 »
Mir bleibt erneut nur festzustellen, dass ich offenbar zu ungeduldig für derlei Rechtsprechung bin. Meinetwegen habe ich auch eine falsche Erwartungshaltung, aber ich kann mich mit der Dauer des Ganzen überhaupt nicht anfreunden und empfinde diese nicht nur als - meinetwegen zu Recht - unfair, sondern einfach als realitätsfern. Wir sollten, gerade in der eigentlich aufgeklärten Zeit in der wir uns befinden, uns dringend daran machen, die Dinge tatsächlich mal zu entbürokratisieren. Die Menschen sind mMn mittlerweile zu aufgeklärt sich mit solchen Zeitspannen zufrieden zu geben, was diese, wenn es dennoch genau so beibehalten wird, nur zwangsweise weiter in die Extreme treibt.

Mario12

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10971 am: 08.03.2024 18:08 »
Und genau das sehe ich anders Mario.

Ich erkenne an, dass das Recht es jetzt so ermöglicht, ich erkenne nicht an, dass es für immer so sein muss und sollte.

Das kannst du so handhaben, klar. Aber ändern wird es an dem Ganzen nichts wenn du es hier ins Forum schreibst. Und auch schon morgen könnte es ja unter Umständen schon zu spät sein dass du dich noch hättest freuen können - was ich nicht hoffe. Enjoy Life - solange es geht ;-)

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10972 am: 08.03.2024 18:48 »
Ja und ich hätte, hätte, Fahrradkette  machen können.

Mein Unmut darüber mich mich dennoch nicht dazu, den Boden der Demokratie zu verlassen 😉.

Sarah2

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10973 am: 08.03.2024 19:59 »
Der letzte bekannte Entwurf mit den aus diesem Forum kolportierten Werten ist sicherlich kein großer Entwurf und für viele enttäuschend. Auf der anderen Seite bietet er zumindest einige finanzielle Verbesserungen für weite Teile von Beschäftigten.

Ich befürchte, dass wenn das Gesetz nicht bis zur Sommerpause oder zumindest bis Oktober durch den Bundestag ist, dass dann auf Jahre erst einmal gar nichts passieren wird. Zum Einen, weil die Haushaltssituation in den nächsten Jahren immer angespannter werden wird. Zum Anderen dürften die Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern erhebliche Fliehkräfte auslösen, bei denen noch nicht absehbar ist, welche Konsequenzen das für die Bundesregierung haben wird.

Besoldungsrechner

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10974 am: 08.03.2024 20:07 »
@mario12

OK, dann muss man mal schauen, wohin das Geld verplant wird:

Nato
Bundeswehr
Ukraine (Rüstung, Munition, Rückstellungen für hoffentlich baldigen Wiederaufbau)
Klima
Wohnungsbau
Renten
Soziales allgemein
.
.
.
Und noch viele andere Haushaltsposten.

Irgendwo kommt bestimmt noch "Beamte"😁

Was gehen uns die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine an? Die Kosten hierfür wären m.E. dem verrückten aus dem Kreml "in Rechnung zu stellen". Aber der dumme Zahlmichel zahlt ja sowieso für die ganze Welt wäre nichts neues. Glücklicherweise habe ich finanziell die Möglichleiten mich in 3 - 4 Jahren aus dieser Pleite Bananenrepublik die wir mittlerweile sind abzusetzten :). Wird noch spannend hier in den nächsten Jahren. Aber wie gewählt so bekommen :).

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10975 am: 08.03.2024 21:34 »
Soviel Häme und Herabsetzung wie man hier von den Kinderreichen erfährt, kann ich nur hoffen, dass mit dem neuen Entwurf nichtmal viel vom eh schon lächerlichen AEZ-Blobb übrig bleibt. Die amtsangemessene Alimentation wird in 20 Jahren durch ausreichend begründete Ämterneubewertung kommen, nehme ich an. Nach den derzeitigen Laufbahnen und allein fünf Ämtern im gD wird es einfach zu teuer (Binnenabstandsgebot). Und da wir nicht in einem Rechtsstaat sondern einem Rechtsmittelstaat leben, gucken wir einfach weiter in die Röhre. Das BVerfG ist genauso überlastet wie die restliche Gerichtsbarkeit und das Parteienangebot hat das postfaktische Zeitalter weitgehend erreicht.

modesty

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10976 am: 08.03.2024 21:50 »
@mario12

OK, dann muss man mal schauen, wohin das Geld verplant wird:

Nato
Bundeswehr
Ukraine (Rüstung, Munition, Rückstellungen für hoffentlich baldigen Wiederaufbau)
Klima
Wohnungsbau
Renten
Soziales allgemein
.
.
.
Und noch viele andere Haushaltsposten.

Irgendwo kommt bestimmt noch "Beamte"😁

Was gehen uns die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine an? Die Kosten hierfür wären m.E. dem verrückten aus dem Kreml "in Rechnung zu stellen". Aber der dumme Zahlmichel zahlt ja sowieso für die ganze Welt wäre nichts neues. Glücklicherweise habe ich finanziell die Möglichleiten mich in 3 - 4 Jahren aus dieser Pleite Bananenrepublik die wir mittlerweile sind abzusetzten :). Wird noch spannend hier in den nächsten Jahren. Aber wie gewählt so bekommen :).

Schade, dass es für dich noch 3-4Jahre dauert. Manch einen Hirnakrobaten würde man auch gerne zeitnah in sein Traum-Domiszil verabschieden. Und ich wette, dass du auch in 3-4Jahren noch hier rumfällst.

Mario12

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10977 am: 08.03.2024 23:24 »
@mario12

OK, dann muss man mal schauen, wohin das Geld verplant wird:

Nato
Bundeswehr
Ukraine (Rüstung, Munition, Rückstellungen für hoffentlich baldigen Wiederaufbau)
Klima
Wohnungsbau
Renten
Soziales allgemein
.
.
.
Und noch viele andere Haushaltsposten.

Irgendwo kommt bestimmt noch "Beamte"😁

Was gehen uns die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine an? Die Kosten hierfür wären m.E. dem verrückten aus dem Kreml "in Rechnung zu stellen". Aber der dumme Zahlmichel zahlt ja sowieso für die ganze Welt wäre nichts neues. Glücklicherweise habe ich finanziell die Möglichleiten mich in 3 - 4 Jahren aus dieser Pleite Bananenrepublik die wir mittlerweile sind abzusetzten :). Wird noch spannend hier in den nächsten Jahren. Aber wie gewählt so bekommen :).

Schade, dass es für dich noch 3-4Jahre dauert. Manch einen Hirnakrobaten würde man auch gerne zeitnah in sein Traum-Domiszil verabschieden. Und ich wette, dass du auch in 3-4Jahren noch hier rumfällst.

‚In 3-4 Jahren‘ ist eh nur getrollt. Er wird ewig hier bleiben.

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10978 am: 09.03.2024 05:08 »
Soviel Häme und Herabsetzung wie man hier von den Kinderreichen erfährt, kann ich nur hoffen, dass mit dem neuen Entwurf nichtmal viel vom eh schon lächerlichen AEZ-Blobb übrig bleibt. Die amtsangemessene Alimentation wird in 20 Jahren durch ausreichend begründete Ämterneubewertung kommen, nehme ich an. Nach den derzeitigen Laufbahnen und allein fünf Ämtern im gD wird es einfach zu teuer (Binnenabstandsgebot). Und da wir nicht in einem Rechtsstaat sondern einem Rechtsmittelstaat leben, gucken wir einfach weiter in die Röhre. Das BVerfG ist genauso überlastet wie die restliche Gerichtsbarkeit und das Parteienangebot hat das postfaktische Zeitalter weitgehend erreicht.

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SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10979 am: 09.03.2024 08:25 »
Mir bleibt erneut nur festzustellen, dass ich offenbar zu ungeduldig für derlei Rechtsprechung bin. Meinetwegen habe ich auch eine falsche Erwartungshaltung, aber ich kann mich mit der Dauer des Ganzen überhaupt nicht anfreunden und empfinde diese nicht nur als - meinetwegen zu Recht - unfair, sondern einfach als realitätsfern. Wir sollten, gerade in der eigentlich aufgeklärten Zeit in der wir uns befinden, uns dringend daran machen, die Dinge tatsächlich mal zu entbürokratisieren. Die Menschen sind mMn mittlerweile zu aufgeklärt sich mit solchen Zeitspannen zufrieden zu geben, was diese, wenn es dennoch genau so beibehalten wird, nur zwangsweise weiter in die Extreme treibt.

Ich denke, Du meinst weniger eine Entbürokratisierung (= weniger Bürokratie, d.h., weniger Beschäftigte), sondern eher eine Deregulierung (= weniger rechtliche Normen), Knecht, was sich ja die Parteien regelmäßig auf die Fahnen schreiben, nämlich regelmäßig als Entbürokratisierung, die sie nach 1990 tatsächlich durch einen deutlichen Personalabbau vollzogen haben, um hingegen als Legislative durch die gewachsene Anzahl an von ihr verabschiedeten Gesetzen und als Exekutive durch die Anzahl der von ihr seitdem erlassenen Verordnungen die Verrechtlichung der sozialen Wirklichkeit deutlich voranzutreiben (darüber haben wir ja in der Vergangenheit entweder hier oder im Parallelforum bereits diskutiert).

Im Ergebnis finden wir heute - vereinfacht dargestellt - also entweder eine Unterbürokratisierung, also zu wenig Beschäftigte, die die Rechtsnormen in angemessener Zeit durchsetzen könnten, oder eine Überregulierung vor, also zu viele Rechtsnormen, die von den vorhandenen Beschäftigten nicht in angemessener Zeit durchgesetzt werden können. Wenn also die Parteien eine "Entbürokratisierung" fordern, dann haben sie diese als Exekutive in der Vergangenheit im öffentlichen Dienst bereits wiederkehrend vollzogen, um zugleich jedoch keine Deregulierung vorzunehmen, was allerdings in einem Rechtsstaat, der eine zunehmende soziale Differenzierung (= die Lebenswelten der Bürger individualisieren sich auch als Folge zunehmender - auch rechtlicher - Freizügigkeit) vorfindet, nicht ganz einfach sein dürfte. Von daher gelangen der Gesetzgeber und die Regierungen zumeist über das Schlagwort des "Bürokratieabbaus" (das also zumeist als Schlagwort falsch ist, ihnen jedoch finanziell nützte) nicht hinaus. Falsch ist jenes Schlagwort deshalb, weil ein Bürokratieaufbau sachlich falsch sein müsste, wenn man zugleich immer weitere Regulierungen vornähme, die also mit weniger Bürokratie noch weniger oder in nur noch längeren Zeiträumen umzusetzen wären.

Darüber hinaus nutzen hinsichtlich konkreter Normenkontrollverfahren auch hier wieder - wie immer, wenn es um's Recht geht - keine allgemeine Betrachtungen, wie ich sie gerade und die Politik sie wiederkehrend als Schlagwort(e) anbieten, ohne sie als Deregulierung tatsächlich je umfassender durchzuführen.

Also ginge es hinsichtlich konkreter Normenkontrollverfahren konkret um die sie - die Normenkontrollverfahren - in § 80 BVerfGG regelnde Rechtsnorm, also um jenen § 80 BVerfGG. Hier finden wir allerdings keine Überregulierung vor, die historisch gewachsen wäre. Denn der § 80 ist in seiner ursprünglichen Fassung vom 12.03.1951 am 22.07.1956 im Abs. 1 zunächst "dereguliert" worden, um mit gleichen Datum durch die Einführung von drei weiteren Absätzen eine stärkere Regulierung vorzufinden, die jedoch mit Datum vom 04.08.1963 wieder entfallen (und in weitgehend ähnlicher Form in den § 82 Abs. 4 überführt worden) sind. Der § 80 BVerfGG, der hinsichtlich konkreter Normenkontrollverfahren den direkten Kommunikationsweg zwischen Fachgericht und Bundesverfassungsgericht regelt und Anforderungen an die inhaltliche Argumentation des Fachgerichts wie formale Voraussetzungen für den Vorlagebeschluss enthält, welcher die Voraussetzung für ein konkretes Normenkontrollverfahren regelt, lautet entsprechend seit 1951 weitgehend unverändert wie folgt:

"(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 100 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben [= ein Gericht hält ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig; ST.], so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein.
(2) Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.
(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch einen Prozeßbeteiligten."
(https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__80.html)

Auf dieser gesetzlichen Grundlage verlaufen seit 1951 konkrete Normenkontrollverfahren in der Bundesrepublik, die als maßgeblicher Teil der Checks and Balances, also der Systematik unser Gewaltenteilung in der Bundesrepublik, zu begreifen sind. Eine "Deregulierung" ist hier also weitgehend nicht möglich, ohne damit aktiv in die überkommene und heute fortbestehende Gewaltenteilung einzugreifen, wobei eine Neuregelung des § 80 dabei prinzipiell nur drei Ergebnisse haben kann: erstens (das taten die 1956 vollzogenen und 1963 überführten Regelungen) änderte sie hinsichtlich der Systematik der Gewaltenteilung letztlich nichts; zweitens stärkte sie die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Gewaltenteilung und drittens würde deren Rolle hier geschwächt werden. Mehr Möglichkeiten gibt es prinzipiell nicht.

An der zweiten Möglichkeit hätte der Gesetzgeber, der allein den § 80 BVerfGG ändern könnte, sicherlich kaum ein Interesse; sie würde zugleich eine stärkere Regulierung von Normenkontrollverfahren beinhalten, was also mit einiger Wahrscheinlichkeit die durchschnittliche Verfahrensdauer eher verlängern als sie kürzer machen sollte. Die dritte Möglichkeit würde hingegen eine offensichtlich geringere Kontrollmöglichkeit als heute bedeuten, mit der also die Fachgerichte mittelbar über das Bundesverfassungsgericht das Handeln der anderen beiden Gewalten prüfen könnten. Sie stellte sich also - auf unser Thema runtergebrochen - für uns weitgehend als nicht erstrebenswert an und müsste darüber hinaus als Anschlag auf unsere überkommene und heute weiter bestehende Systematik der Gewaltenteilung begriffen werden, da sie als deren unmittelbarer Abbau zu begreifen wäre.

Ergo: Trotz aller - nachvollziehbarer! - Ungeduld, die ich als gleichfalls nicht immer äußerst geduldiger Mensch gut nachvollziehen kann und die von unserem Thema emotional stark gefördert werden muss, da es hier im hohen Maße um die je eigene Lebenswirklichkeit geht, bleibt letztlich nur das Warten darauf, dass die politischen Verantwortungsträger von ihrem offensichtlich konzertierten Handeln ablassen, von dem sie wissen, dass es sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen lässt. Das Warten beinhaltet also ebenso, dass Karlsruhe nach juristisch durchsetzbaren Mitteln und Wegen suchen wird, damit diese offene Wunde des Verfassungsrechts geschlossen werden kann. Und das stellt sich insbesondere deshalb als äußerst schwierig dar, weil wir hier ein offensichtlich konzertiertes Handeln aller 17 Besoldungsgesetzgeber vorfinden, womit wir am Ende wieder bei der Frage der Verantwortung wären.

Darüber hinaus sind die von lotsch gestern ins Spiel gebrachten Gedanken hier bislang kaum betrachtet worden, wie sie sich aus dem Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.03.2014 - 3 B 167/14; https://openjur.de/u/683432.html - hinsichtlich eines "Anordnungsanspruchs" ergeben, die das OVG dort ab der Rn. 13 aufnimmt. Dabei sind insbesondere die Ausführungen dort unter der Rn. 20 in den Blick zu nehmen, und zwar unter Beachtung des Datums, das mittlerweile ziemlich genau zehn Jahr her ist. Unter dieser Zeitperspektive verfängt insbesondere der einleitende Satz der dortigen Rn. 23 mit einiger Wahrscheinlichkeit als Argument eines Gerichts heute (bzw. ggf. eventuell schon seit einigen Jahren) nicht mehr, das da lautete: "Das Argument des Antragstellers, er müsse einen erheblichen Pensionsverlust hinnehmen, verfängt ebenfalls nicht." Soll heißen, der erhebliche Pensionsverlust wäre heute eingetreten, sofern nur Nachzahlungen unter Unberücksichtigung von seitdem zu realisierenden Kaufkraftverlusten gewährt werden würden. Darüber hinaus macht das OVG berechtigt darauf aufmerksam, dass die Alimentation des Beamten der Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs dient, das heißt: der gegenwärtigen Führung seines Lebens auf einem seinem Amt angemessenen Niveau, so wie der Kläger offensichtlich sachlich berechtigt darauf hinweist, dass er sich rückwirkend kein höheres Lebensniveau mehr wird verschaffen können (vgl. dort die Rn. 16 ff.), und zwar seit mindestens über zehn Jahren.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Kompensationsfrage wird über kurz oder lang auf die Tagesordnung kommen und wir dürfen davon ausgehen, dass weitere Kläger auch in in Karlsruhe anhängigen Verfahren, die also zu Richtervorlagen geführt haben, hierauf in aller gebotenen Deutlichkeit hingewiesen haben. Es wird von daher auch hier interessant werden, ob sich der Senat dazu bereits in den anstehenden Entscheidungen äußern wird, oder ob das erst dann der Fall sein wird, wenn die drei nun alsbald betroffenen Gesetzgeber ggf. keine Nachzahlungen gewähren wollten, die die Heilung der von ihnen zu verantwortenden Unteralimentation herbeiführten bzw. sie ggf. gar nicht erst bezweckten, sofern sie also ggf. fröhlich weitermachen wollten als wie zuvor. Es wird nicht nur das OVG Nordrhein-Westfalen vor zehn Jahren, sondern es werden viele Gerichte das nachfolgende Zitat aus der dortigen Rn. 20 so sehen, eben weil diese Sichtweise sachlich begründbar ist, während das für das Gegenteil offensichtlich in der Lebenswirklichkeit von Klägern sachlich nicht gegeben ist (man vergleiche im nachfolgenden Zitat den zweiten Satz):

"Der Senat braucht sich aus Anlass des vorliegenden Falles nicht festzulegen, unter welchen Umständen - etwa in zeitlicher Hinsicht - dem Antragsteller ein weiteres Abwarten unzumutbar werden könnte. Es erscheint jedoch fraglich, dass bei Abwägung der beiderseitigen Belange - die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs vorausgesetzt - Zeiträume hingenommen werden könnten, die etwa im Fall kinderreicher Beamter verstrichen sind und das Bundesverfassungsgericht zum Erlass einer Vollstreckungsanordnung bewogen haben."

Nach den angekündigten Entscheidungen werden wir eine neue Sachlage vorfinden - so wie wir ggf. in der nächsten Woche die Jahresvorschau 2024 vorfinden werden, die ggf. weitere Entscheidungen für dieses Jahr ankündigen wird, die dann ggf. allerdings erst im nächsten Jahr vollzogen werden (könnten); so oder so: Spätestens im nächsten Jahr wird es einige weitere Entscheidungen geben. Das Thema wird mit den anstehenden Entscheidungen aus dem Dornröschenschlaf erwachen und es wäre m.E. erstaunlich, wenn Karlsruhe dem Erwachen nicht bereits vor diesen drei angekündigten Entscheidungen keine Nahrung geben würde.
« Last Edit: 09.03.2024 08:32 von SwenTanortsch »