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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
Und ein PS., weil ich mich gerade wieder in einem Länderfall damit beschäftige, wobei - da die Zahl der Bundesbeamten, die Klage erheben, stetig wächst - das auch für euch Bundesbeamten wichtig und im Einzelfall ggf. von überragender Bedeutung sein dürfte (weshalb ich die Nacht überlegt habe, ob ich das hier schreibe; denn ich will keine Pferde scheu machen):
Man kann nur allen Klägern - insbesondere jene, deren Verfahren noch nicht lange am Laufen ist - raten, das zu lesen, was Malkav gestern morgen um 7:40 Uhr geschrieben hat, und zwar es gründlich zu lesen, gerne mehrmals bzw. so lange, bis man sich wirklich sicher ist, dass man jene Zeilen tatsächlich verstanden hat:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.16365.html
Solange man seine Klage noch nicht eingereicht hat, ist man noch Herr über das zukünftige Verfahren; dieser noch unschuldige Ausgangspunkt ist der wertvollste, den man gemeinhin im Verfahren hat, so jedenfalls ist meine Erfahrung. Denn in dem Moment, wo man seine Klage einreicht, ist man das nicht mehr, sondern ist das dann das jeweils zuständige Gericht. Mit dem ersten Schuss sind zwar alle Pläne hinfällig, wirkt aber die eingangs eingenommene Strategie fort, die man zu Beginn ggf. noch korrigieren kann, was aber mit zunehmender Dauer in der Regel immer schwieriger werden dürfte.
Vor Gericht kann danach ggf. in glücklichen Umständen noch Taktik weiterhelfen, wenn sicherlich auch eher in Ausnahmefällen. Vor dem abschließend Vorlagen prüfenden Verfassungsorgan hilft alle Taktik nichts mehr und wird schneller welk als jeder Koalitionsvertrag, also in der Regel rasend schnell. Von daher ist es - das ist wie gesagt eine meiner grundlegenden Erfahrungen, die ich im Verlauf der letzten mittlerweile über sechs Jahren gemacht habe - meines Erachtens von herausragender Bedeutung oder kann es zumindest werden, eine möglichst präzise Klageschrift der Klage zugrundezulegen und damit von Anfang an dem Herrn im Verfahren Wege vorzugeben oder zumindest zu weisen und den regelmäßig Mitreisenden, also jenen, die einem die ganze Zeit in der Kutsche als Gegenpartei gegenübersitzen, Wege zu verbauen, auch wenn man als Konsequenz dann mit ihnen im Klageverfahren manchen nicht geplanten Umweg fahren darf, der die Reise kaum abkürzen dürfte: Hier kommt's allerdings eher nicht auf Zeit, sondern den Erfolg an.
Das - also mit möglichst größter Substanz in das Verfahren einzutreten und sich dabei im Vorfeld ggf. auch nicht von seinem Rechtsbeistand überzeugen zu lassen, dass es noch immer gut gegangen sei (was es weit überwiegend nicht ist; dazu gleich mehr) - habe ich hier im Forum schon häufiger geschrieben und sage das auch regelmäßig Klägern, die sich an mich wenden, ggf. auch Anwälten, wenn sie in Kontakt mit mir treten, wobei ich überwiegend die Erfahrung mache oder bislang gemacht habe, dass diese meine Worte in den Wind gesprochen sind (was eine allgemeine Lehrererfahrung ist, mit der man sich irgendwann abfinden sollte, weil man Reisende nicht aufhalten soll, was übersetzt wohl meint, dass jede und jeder von uns ihren und seinen eigenen Weg gehen muss, weil man nur so aus Erfahrung klug wird; ich gehe entsprechend davon aus, dass auch diese meine Worte wie die allermeisten meiner Worte (nicht nur) hier im Forum in den allermeisten Fällen in den Wind gesprochen sind; that's life und hat auch was für sich).
Denn - das ist eine weitere Erfahrung, die ich gemacht habe - was sich die allermeisten Kläger nicht vorstellen können und ebenso - wenn ich das ebenfalls richtig sehen sollte - nicht wenige Anwälte nicht sehen - letztere, weil auch sie hier über zumeist keinerlei Erfahrungsraum verfügen -, ist, dass sie es am Ende, wenn sie Glück haben (die allermeisten haben dieses Glück nicht; dazu wie gesagt gleich mehr), mit einem Verfassungsorgan zu tun bekommen werden, weshalb ich diesen Satz, man sollte ihn also lesen, nun absichtlich - das ist Methode - so (und nicht anders) formuliere, wie ich ihn - denn er ist für Kläger (derzeitige und auch künftige) ggf. der wichtigste (nämlich, wenn sie den Subtext verstehen, den ich mit ihm ausdrücken möchte), der hier von mir in diesem Jahr hier im Forum geschrieben werden wird - eben hier nun am formulieren bin, und zwar so, wie ich ihn formuliere, sodass es reine Freundlichkeit ist (die Verfassungsorgane nicht kennen, weil sie sie nicht kennen können, anders als ich, wenn auch höchstwahrscheinlich nicht immer), dass ich hier nun einen Doppelpunkt setze, um durch dieses Stilmittel klarzumachen (zumindest für die, die - der Satz ist offensichtlich so verschachtelt formuliert, wie Gerichtsverfahren es eben ebenfalls, nicht zuletzt im Hinblick auf ein Verfassungsorgan, weit überwiegend sind - bis hierhin mit dem Lesen des Satzes gekommen sind und also gelesen haben, weshalb ich ihn so formuliere, wie ich ihn formuliere), dass das verrückte Haus deshalb verrückt ist, weil das, was verrückt ist, sich zumeist nicht an der Stelle wiederfindet, wo es zuvor gestanden hat, als man es also noch nicht verrückt hatte (also noch keine Klage eingereicht hatte; nun also der Doppelpunkt): Vor Gericht und auf See befindet man sich in Gottes Hand.
Und nun also zur Zahl und dem Glück, von denen ich im letzten Satz offensichtlich gesprochen habe:
Die Zahl von über 60 in Karlsruhe anhängigen Normenkontrollverfahren ist offensichtlich groß, weshalb sie mit und im zunehmenden Maße hier nachvollziehbaren Unmut ausgelöst hat und das auch weiterhin tut, wobei nun diese meine Aussage an einer Stelle, nämlich der entscheidenden, falsch ist: Sie ist es nicht (die Zahl, von der ich gestern, eventuell den Kopf benutzend, wiederkehrend gesprochen habe), sie ist vielmehr verschwindend klein.
Denn für uns ist diese Zahl von über 60 anhängigen besoldungsrechtlichen Verfahren groß. Für ein Verfassungsorgan, das auf Äonen gebaut ist, ist sie es nicht (auch wenn der einzelne BVR die Zahl als Mensch ebenfalls ggf. als groß empfinden könnte oder gar dürfte und jeder der acht BVR Respekt vor ihr haben wird, weil sie fruchteinflößend sein dürfte), ist sie hingegen eigentlich verschwinden klein, und zwar nicht nur, weil eben jenes Verfassungsorgan auf Äonen gebaut ist, sondern vielmehr auch deshalb, weil die Zahl all der Verfahren (und damit, das sollte für derzeitige und zukünftige Kläger von Interesse sein:) und auch der Kläger, die es in besoldungsrechtlichen Verfahren der letzten, sagen wir: dreißig Jahr niemals bis Karlsruhe gebracht haben und es ggf. in den nächsten fünf Jahren nicht nach Karlsruhe bringen werden erheblich (um nicht zu sagen: gewaltig) größer ist. Nur erfährt man von ihnen zumeist nicht, weil eine nicht minder unerhebliche Zahl von ihnen es gar nicht bis zur Zulässigkeit schaffen, sodass von ihnen ggf. niemals Bericht nach draußen dringt, oder weil die deutlich größere Zahl der Klage, die sich als zulässig erweisen, als unbegründet niedergeschlagen werden, sodass man auch von ihnen zumeist nicht erfährt, weil das wiederkehrend keiner Nachricht wert ist.
Ergo ist die Zahl von über sechzig in Karlsruhe anhängigen besoldungsrechlichen Normenkontrollverfahren so besehen klein: Vielmehr säumen Karteileichen ihren Weg, die allesamt einst mit meist großen Hoffnungen gestartet sind (denn ohne Hoffnung startet man einen solchen Weg nicht).
Und damit wären wir nach der Zahl beim Glück:
Das VG Hamburg hätte sich sicherlich mit manchen jener Themen, die es nun unglücklicherweise glücklich (allerdings nicht für uns) nach Karlsruhe schaffen, gar nicht so umfassend beschäftigen müssen, wenn der oder die Kläger von Beginn an das Glück gehabt hätte(n), dass die Klagevertretung die Klage so substantiiert hätte, dass der Kammer schlagende Argumente an die Hand gegeben worden wären, sodass sie sich anders mit ihnen hätte beschäftigen können, als das nun geschehen ist (Malkav hat gestern von den auf der Kutschbank Gegenübersitzenden gesprochen). Denn auch ein Verwaltungsgericht prüft den besoldungsrechtlichen Fall wegen des Ermittlungsgrundsatzes zwar aus sich selbst heraus, ist dabei aber gehalten, die Argumente beider Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu wägen, also zu einer abwägenden Entscheidung zu gelangen, womit wir im Idealfall (der wie gesagt regelmäßig eine geringe Zahl beschreibt) beim Verfassungsorgan wären, also oben beim Flaschenhals (wenn man es so despektierlich nennen möchte) angekommen.
Das Bundesverfassungsgericht prüft nun im konkreten Normenkontrollverfahren den Fall nicht, sondern die Entscheidung des vorlegenden Gerichts, das also davon ausgeht, dass eine gesetzliche Grundlage nicht mit der Verfassung in Einklang steht und dass es das hinreichend dargelegt hat (würde es nicht davon ausgehen, würde es seine Entscheidungsbegründung anders formulieren; davon muss man zumindest ausgehen). Während die Verwaltungsgerichtsbarkeit ggf. die von den Parteien gegebenen Ausführungen prüft und auch so ggf. zu der Entscheidung gelangt, dass die Klage hinreichend substantiiert und also begründet ist, prüft Karlsruhe ebenfalls die Begründung: nur eben die des vorlegenden Verwaltungsgerichts. An dieser späten Stelle des Verfahrens erhalten die Parteien nur noch die Möglichkeit zur Stellungnahme, die aber wenig Aussicht hat, den Erfolg zu wenden, wenn die Vorlage zu wenig Substanz abwirft (und die, die Möglichkeit zur Stellungnahme, Verfahren noch einmal gehörig in die Länge ziehen kann, wie in den angekündigten "Pilotverfahren" der Fall).
Und damit wären wir wieder beim Anfang und weiterhin beim Glück (eben Kopf oder Zahl):
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - erweist er sich aber als Budenzauber, also als unbegründet, ist's mit ihm auch schon wieder, wenn man als Kläger Glück hat, schnell vorbei. Hat man Pech, erweist er sich also nicht als Budenzauber, aber eben doch nur als Zauber, ist es eben spätestens dann erst vorbei, wenn Karlsruhe klarmacht, dass Hogwarts ein anderes Thema ist, dass man also vom vorlegenden Gericht bis in die möglichst kleinste Verästelung Substanz und das meint: Rationalität erwartet (wen's weiterhin interessiert, sollte die Rn. 97 der aktuellen Entscheidung lesen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html), es mit Zauber nicht getan ist, da der vor einem Verfassungsorgan - jedenfalls vor diesem - nicht wirkt. Abrakadabra sollte einst Fieber stillen und hat schon da eher nichts gebracht.
Damit aber ist der Anfang, also die möglichst von Anfang an so substantiiert wie möglich vorgenommene Klagebegründung, meiner Meinung nach von überragender Bedeutung, da die Klagebegründung den gerichtlichen Weg in eine Richtung lenkt, der vor allem dann, wenn es ideal und damit glücklich läuft, sich meist deutlich komplexer darstellt als die einfache Darlegung, die ich im längsten der hier gerade produzierten Absätze formuliert habe. Genau deshalb würde ich mir immer einen Anwalt suchen, um mich beraten zu können - wenn man dann noch auf einen Anwalt stößt, der tatsächlich die Zeit zur Beratung aufbringt, ist es nur umso besser. Aber auch das dürfte in nicht geringem Maße vom Glück abhängen.
Handfest wird es also dieses Jahr werden: Wollen wir also hoffen, dass die Hand nach Auffassung Karlsruhes fest war, die die angekündigten Entscheidungen in der Vorlage begründet hat. Jede aufgerufene Entscheidung ist eine Nussschale auf einem Meer von Unwägbarkeiten. Spiel, Satz und Sieg ist eher eine andere Sportart.
Und jetzt gehe ich weiterhin davon aus, dass auch diese Worte sicherlich weit überwiegend in den Wind gesprochen sein werden, was sich ggf. resignativ anhören könnte, so aber nicht gemeint ist, sondern eher als eine Tatsachenbehauptung, die auf regelmäßiger Erfahrung beruht: "Um sich auf einen Menschen zu verlassen, tut man gut, sich auf ihn zu setzen; man ist dann wenigstens für diese Zeit sicher, dass er nicht davonläuft."
lotsch:
Ist es nicht so, dass das Verwaltungsgericht sich einen Grund der Verfassungswidrigkeit heraussucht, und dann die weiteren Gründe der Verfassungswidrigkeit gar nicht mehr prüft und im Vorlagebeschluss ausführt? Wie verhält sich das BVerfG in solchen Vorlagebeschlüssen?
siehe Auszüge von PolareuD, da kommt oft die Aussage des VG, kann dahinstehen:
Randnummer107
Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].
Randnummer108
aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].
Randnummer109
bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.
Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.
PolareuD:
--- Zitat von: lotsch am 08.03.2025 09:07 ---Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.
--- End quote ---
Grundsätzlich ja, aber in Rn. 234 wird angerissen, dass man Zweifel hat, dass derartige Regelungen (Zweiverdienermodell) überhaupt zulässig sind.
„Es ist schon zweifelhaft, ob die Zweiverdienerfamilie als besoldungsrechtliche Bezugsgröße überhaupt eine belastende Rechtsnorm darstellt oder sonst an den Maßstäben für die Rückwirkung von Gesetzen zu messen ist.
[…]“
SwenTanortsch:
--- Zitat von: lotsch am 08.03.2025 09:07 ---Ist es nicht so, dass das Verwaltungsgericht sich einen Grund der Verfassungswidrigkeit heraussucht, und dann die weiteren Gründe der Verfassungswidrigkeit gar nicht mehr prüft und im Vorlagebeschluss ausführt? Wie verhält sich das BVerfG in solchen Vorlagebeschlüssen?
--- End quote ---
Nein, ein solches Vorgehen wäre offensichtlich mindestens fahrlässig.
Sofern ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, ist das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz GG auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Das Gericht hat dann nach § 80 Abs. 1 BVerfGG unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Entsprechend fasst es nun einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss als Voraussetzung des so beim Bundesverfassungsgericht anhängig werdenden konkreten Normenkontrollverfahrens. Es setzt also das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus und begründet seine Entscheidung in einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, die deshalb auch Richtervorlage genannt wird; denn ein Dritter - also insbesondere auch die Verfahrensbeteiligten - sind nicht zur Vorlage berechtigt. Wie alle gerichtlichen Entscheidungen muss nun auch diese schriftlich begründet werden. Diese Begründung - und nicht den Fall selbst! - prüft das Bundesverfassungsgericht und entscheidet dabei nach § 81 BVerfGG auch in diesem Fall nur über die Rechtsfrage, die da lautet, ob das betreffende Gesetz, auf dessen Gültigkeit es in dem ausgesetzten Verfahren ankommt, mit der Verfassung in Einklang steht oder nicht.
Entsprechend wäre es also mindestens fahrlässig, wenn das vorlegende Gericht seine Prüfung nicht umfassend und erschöpfend vollziehen, sondern sich ausschließlich auf nur einen Grund kaprizieren würde. Denn nicht umsonst sieht es sich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu der Angabe veranlasst, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist, um gleichfalls nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ebenso die Akten beizufügen. Seine Begründung hat nun also das vorlegende Gericht erschöpfend vorzunehmen, sodass sie umfassend zu erfolgen hat. Es hat also zumindest die für die Entscheidung, ob das Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung im ausgesetzten Verfahren ankommt, maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, ggf. weitere Entscheidungen der Rechtsprechung und auch die für die Entscheidung relevante wissenschaftliche Literatur heranzuziehen, kann sich also nicht so ohne Weiteres auf nur einen Grund zurückziehen, solange es nicht evident ist, dass dieser eine Grund, sofern er gegeben ist, unmittelbar hinreichte, um ein Gesetz verfassungswidrig zu machen. Solch ein hinreichender Grund ist in unserem Fall die unmittelbare Verletzung des Mindestabstandsgebots, weshalb bspw. der VGH Hessen 2021 und unlängst das OVG Rheinland-Pfalz und VG Koblenz in Richtervorlagen nur eine solche Prüfung vorgenommen und als hinreichend betrachtet haben.
Auch die Kammer geht nun davon aus, dass sich das Mindestabstandsgebot für die Kläger als unmittelbar verletzt darstellt, weshalb sie nicht das gesamte "Pflichtenheft" mit seinen drei Prüfungstufen heranzieht, sondern nur begründet, weshalb sie zu der Überzeugung gelangt, dass das Mindestabstandsgebot sich für die Besoldungsgruppen (in dem von mir gestern betrachteten Fall die Besoldungsgruppe A 10) als unmittelbar verletzt darstellt (vgl. dort die Rn. 284). Hierin liegt prozessökonomisch der Grund dafür, dass nicht auch noch das weitere "Pflichtenheft" (mit Ausnahme der dritten Prüfungsstufe, die die Kammer im Anschluss betrachtet) betrachtet wird. Die zuvor erstellte Begründung erfüllt nun aber zunächst einmal die Anforderungen an eine Richtervorlage: Sie greift erschöpfend auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, greift weitere Entscheidungen der Rechtsprechung zur Klärung der Frage auf und zieht auch die für die Entscheidung relevante wissenschaftliche Literatur heran. Formell ist ihr damit auf den ersten Blick kein Vorwurf zu machen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun, da es über das Verwerfungsmonopol für Parlamentsgesetze verfügt, prüfen, ob die Entscheidung der Kammer begründet ist. Ist das der Fall, wird es die von der Kammer betrachtete gesetzliche Grundlage als mit der Verfassung unvereinbar betrachten. Ist das nicht der Fall, ist sie mit der Verfassung im Einklang. Je nachdem, zu welcher Entscheidung das Bundesverfassungsgericht kommt, wird im Anschluss auch die Kammer zu einer je unterschiedlichen Entscheidung in der ausgesetzten Entscheidung kommen. So stellt sich der generelle Weg in einem konkreten Normenkontrollverfahren dar.
Die hier angerissene Komplexität eines konkreten Normenkontrollverfahrens ist der Hauptgrund für deren regelmäßig eher beträchtliche Länge. Die methodische Komplexität eines weiterhin sich im Fluss befindenden Rechtsprechungswandels mitsamt der Entwicklung einer neuen Dogmatik im Besoldungsrecht hat - wie in der Vergangenheit dargestellt - offensichtlich eine ebenfalls sachlich nachvollziehbare Wirkung. Darüber hinaus - auch das habe ich ja in der Vergangenheit wiederholt dargestellt - unterliegen die Entscheidungen in den angekündigten "Pilotverfahren" offensichtlich in einem augenscheinlich nicht unerherblichen Ausmaß einer (bundesverfassungs-)gerichtlichen Pragmatik, die spätestens in der Ende 2023 vorgenommenen Umentscheidung auf nun ausgewählte anhängige Berliner Verfahren als "Pilotverfahren" (und nicht wie noch Anfang 2023 auf niedersächsische und schleswig-holsteinische) ihren Anfang genommen hat. Die damit einhergehenden Pflichten, hinreichend Möglichkeiten zur Stellungnahme zu geben, hat hauptsächlich dazu geführt, dass man nun erst seit geraumer Zeit wohl in die Beratung eingetreten sein wird.
Wer also glaubt, Dienstreisen nach Kenia oder an andere Orte würden verantwortlich für Entscheidungsverzögerungen sein, und wer darüber hinaus glaubte, hier würde eine gezielte Verschleppung erfolgen, kann regelmäßig weder erklären, wieso der Senat seit 2012 dann den entsprechenden Rechtsprechungswandel vollzogen und zuletzt das Mindestabstandsgebot in der heute vorliegenden Form für Recht erkannt hat, noch selbst mal anhand verschiedener konkreter Begründungen darlegen, wie nun sachliche Ausführungen in den anhängigen konkreten Normenkontrollverfahren aussehen sollten, um endlich dem Alimentationsprinzip in der Bundesrepublik wieder Geltung zu verschaffen. Das Warten ist nervig und kann frustrieren - aber genau das ist das typische Phänomen im Kontakt mit der rechtsprechenden Gewalt. Deren Mühlen mahlen seit jeher - zumindest in einem Rechtsstaat - langsam. Das kann man bedauern, aber nur mit ändern helfen, indem man versucht, Grundlagen zu erstellen, die für Beschleunigungen sorgen können.
emdy:
Neben dem sehr wichtigen Aspekt, den PolareuD zitiert hat, Dank an Swen für den ebenso wichtigen Hinweis, dass unsere Verfahren vor den VG allesamt keine Selbstläufer sind. Dennoch ist die Großwetterlage doch so wie du Swen sie auch selbst schon unzählige Male wiedergegeben hast: Rechtsprechungswandel seit 2012 mit dem wesentlichen Gehalt, dass das Besoldungsniveau insgesamt zu niedrig ist und im Wesentlichen durch das Grundgehalt geleistet werden muss.
Zuletzt wurde in Hamburg für Recht erkannt, dass die Besoldung eines kinderlosen A15ers (vorbehaltlich BVerfG) zu niedrig war. Ebenso hält das Bundesverwaltungsgericht die verfassungskonforme Alimentation in Deutschland nicht mehr für den Regelfall.
Die Warnung, dass die Verwaltungsgerichte jetzt in begründeten Klagen geradezu nach der Unbegründetheit suchen könnten, halte ich für nicht ganz nachvollziehbar. Meine persönliche Erfahrung ist im Übrigen, dass sich mein VG der Thematik in atemberaubender Geschwindigkeit angenommen hat.
Der Vollständigkeit halber: In meiner Klägergruppe bin ich der Mahner und Bremser der Erwartungen.
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