Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

Begonnen von m3mn0ch, 24.08.2020 07:24

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SwenTanortsch

Als mittlerweile wohl Altlinker mit irgendwie sozialliberalem Touch, der im Leben durchgrünt worden ist und sich gewerkschaftlich engagiert, ist mir das, was Du wiederkehrend schreibst, nicht gänzlich fern, emdy. Auch bin ich sehr dafür, politische und moralische Diskussionen zu führen, und insbesondere für einen wiederkehrenden Meinungsaustausch und wenn es sein muss (und das muss sein!) auch für sachlich und argumentativ harte Debatten mit Menschen, die politisch andere Auffassungen haben - da wirkt höchstwahrscheinlich die altbundesrepublikanische Sozialisation. Die offensichtlich zunehmende Sprachlosigkeit zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und innerhalb bzw. zwischen politischen Meinungsbildungs- und Interessenvertretungsorganen erinnert mich immer häufiger an entsprechende Segmentierungen, wie sie sich in einer historisch anderen Situation während der Weimarer Zeit gezeigt haben. Auch kann ich gewerkschaftliche und Personalratsarbeit nur jedem stark ans Herz legen, wenn beides auch wiederkehrend eine durchaus frustierende Arbeit und Angelegenheit sein kann.

Was ich aber nicht mag, weil es in Diskussion wiederkehrend zu sachlich sinnlosen Debatten führt, die man sich dann ensprechend sparen kann (insbesondere in einem zu aufgeladener Stimmung einladenden interaktiven Medium), ist das Durcheinanderwerfen von juristischen und politischen Diskussionen. In meiner eigentlichen Profession, in der ich Menschen etwas beibringen soll und will, geht es wiederkehrend um den Dreiklang: Beschreiben - Analysieren - Bewerten. Entsprechend geht es im juristischen Feld darum, erst einmal die Ausgangssituation und die juristisch nötigen Bedingungen zu beschreiben oder zu beachten, auf dieser Grundlage aus den nötigen juristischen Bedingungen heraus die Ausgangssituation zu untersuchen und sachliche Schlüsse zu ziehen und am Ende kann man - wenn man das will - das politisch, soziologisch, historisch oder wie auch immer bewerten.

Wenn allerdings sogleich mit der politischen Bewertung begonnen wird - ich will mit diesen Zeilen nicht sagen, dass Du das tust -, um dann mit juristischen Versatzstücken die eigene Meinung zu drappieren, führt das in der Regel nicht zur juristischen und damit inhaltlichen Aufklärung des Themas, sondern zu einer politischen Diskussion, die nötig sein kann, die dann aber auch entsprechend so geführt werden sollte, denke ich, als politische und nicht als verkappt juristische Diskussion.

Will man allerdings, dass sich politisch etwas ändert (also hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung), muss man zunächst die juristischen Sachverhalte und Problemlagen durchdringen (auch deshalb schreibe ich hier, weil ich davon ausgehe, dass hier durchaus auch gewerkschaftlich organisierte Menschen mitlesen, die davon etwas für ihre politische Gewerkschaftsarbeit mitnehmen können), um politischen Akteuren sachlich etwas entgegenhalten zu können. Denn ansonsten führt man mit ihnen wiederkehrend nur eine politisch gegenstandslose Diskussion, in der es leichter wäre, einen Pudding an die Wand zu nageln: Denn die Profession politischer Akteure ist es zumeist, mit vielen Worten nix zu sagen, um dann machen zu können, was sie wollen. Will man, dass sich was ändert, bedarf es ein juristisch scharfes Schwert, denn dem kann die Politik allenfalls auf Zeit ausweichen - und je mehr sie ausweicht, desto größere Geschwindigkeit nimmt sie wiederkehrend auf, um sich dann irgendwann entsprechend in jenes Schwert zu stürzen.

Tom1234

Guten Morgen,
Ich hätte noch eine Frage zur haushaltsnahen Geltendmachung von Ansprüchen. Nach § 195  BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist, die sich auch auf Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, drei Jahre. Die Intention der haushaltsnahen Geltenmachung ist doch geboren aus dem besonderen Rechts- und Vertrauensverhältnis zwischen Beamten und Dienstherren. Ist aber dieses Argument bei Wissen des Dienstherren, also seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18), nicht obsolet. Sollten daher nicht alle rückwirkend Widerspruch für die Jahre ab 2019 einreichen?

Malkav

Zitat von: Tom1234 am 29.09.2022 08:57
Ist aber dieses Argument [Vertrauensschutz des Dienstherren] bei Wissen des Dienstherren, also seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18), nicht obsolet. Sollten daher nicht alle rückwirkend Widerspruch für die Jahre ab 2019 einreichen?

Das ist eine interessante Frage, welche sicherlich noch gerichtlich geklärt werden wird. Nur wird niemand hier aus dem Forum diesen Kampf führen wollen, wenn man diesem für den Preis eines jährlichen Schreibens nebst Einschreiben gegen Rückschein relativ wirksam entgehen kann  ;)

Tom1234

Leider gibt es viele Kollegen, die dieses bisher nicht taten.
Die bisherigen Einlassungen des BMI scheinen mir in dem Licht einer Schadensbegrenzung, um viele Beamte in Sicherheit zu wiegen und von der Geltendmachung abzuhalten. ( Stelle mir gerade den ehemaligen Innenminister mit einem verschmitzten Lachen vor.)

BlauerJunge

Ich habe ja Anfang des Jahres meine Antwort vom BVA bezüglich meines Widerspruchs bekommen. In dem - ich nehme an - Standardschreiben wird gesagt:

Zitat"[...] Angesichts der ausstehenden Anpassung des Bundesbesoldungsgesetzes an die Maßstäbe des BVerfG ab dem Jahr 2021 verzichtet der Bund gegenüber allen Besoldungs- und Versorgungsberechtigten des Bundes auf das Erfordernis der haushaltsnahen Geltendmachung wie auch auf die Erhebung der Einrede der Verjährung. Widersprüche gegen die Höhe der Besoldung oder der Versorgung sind also ab dem Jahr 2021 nicht mehr erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

Unleserlich.

So. Auf dieses Versprechen will ich aber tatsächlich nix geben. Better safe than sorry und so.

Jetzt stellt sich mir die Frage, soll ich beim Widerspruch für 2022 einfach das Schreiben von letztem Jahr verwenden oder es mit Bezug auf das vom BVA versandte Schreiben ergänzen und wie würdet ihr so eine Ergänzung formulieren?

SwenTanortsch

Ich würde zunächst einmal abwarten, ob sich hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung noch etwas ändert; dann kann man gen Mitte Dezember, ob man weitgehend auf das von den Daten her aktualisierte Widerspruchsschreiben vom letzten Jahr zurückgreifen kann und will oder ob es besser ist, ein anderes zu formulieren.

Bundi

Zitat von: SwenTanortsch am 29.09.2022 14:00
Ich würde zunächst einmal abwarten, ob sich hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung noch etwas ändert; dann kann man gen Mitte Dezember, ob man weitgehend auf das von den Daten her aktualisierte Widerspruchsschreiben vom letzten Jahr zurückgreifen kann und will oder ob es besser ist, ein anderes zu formulieren.

Auch wenn die Frage eventuell schon mal gestellt wurde, gibt es einen Musterwiderspruch für den Bereich der Bundesbeamten ?

SwenTanortsch

Auf S. 33 findest Du hier einen schlüssig formulierten Widerspruch von RandomValue: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.480.html Im Text muss das Datum 2021 auf 2022 geändert werden. Der Widerspruch sollte ein statthafter Rechtsbehelf sein.

Bundi


BWBoy

Zitat von: SwenTanortsch am 29.09.2022 17:50
Auf S. 33 findest Du hier einen schlüssig formulierten Widerspruch von RandomValue: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.480.html Im Text muss das Datum 2021 auf 2022 geändert werden. Der Widerspruch sollte ein statthafter Rechtsbehelf sein.

Und den schicke ich dann an die Adresse wo meine Bezügeabrechnungen herkommen?

Ist vielleicht ne dumme Frage, aber ich habe mit sowas bisher noch nicht wirklich zu tun gehabt.

SwenTanortsch

Ja, hier in Niedersachsen ist es für Landesbeamte bspw. das Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung.

Nichtsdestotrotz

Zitat von: BWBoy am 30.09.2022 09:17
Zitat von: SwenTanortsch am 29.09.2022 17:50
Auf S. 33 findest Du hier einen schlüssig formulierten Widerspruch von RandomValue: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.480.html Im Text muss das Datum 2021 auf 2022 geändert werden. Der Widerspruch sollte ein statthafter Rechtsbehelf sein.

Und den schicke ich dann an die Adresse wo meine Bezügeabrechnungen herkommen?

Ist vielleicht ne dumme Frage, aber ich habe mit sowas bisher noch nicht wirklich zu tun gehabt.

Deinem Nutzernamen zu urteilen dürfte dein Dienstherr die Bundeswehr sein. Sollte dem so sein, versendest du deinen WS an die in deiner Bezügeabrechnung angegebene Stelle des BVA's.

Treudiener

Warum eigentlich an die "bezügezahlende Stelle"?
Nach meinem Verständnis ist das doch nur eine Art Dienstleister. Adressat müßte doch die Behörde sein, die mich eingestellt hat - oder irre ich da?

Nichtsdestotrotz

Zitat von: Treudiener am 30.09.2022 10:20
Warum eigentlich an die "bezügezahlende Stelle"?
Nach meinem Verständnis ist das doch nur eine Art Dienstleister. Adressat müßte doch die Behörde sein, die mich eingestellt hat - oder irre ich da?

Jepp  ;)

Treudiener

Zitat von: Nichtsdestotrotz am 30.09.2022 11:34
Zitat von: Treudiener am 30.09.2022 10:20
Warum eigentlich an die "bezügezahlende Stelle"?
Nach meinem Verständnis ist das doch nur eine Art Dienstleister. Adressat müßte doch die Behörde sein, die mich eingestellt hat - oder irre ich da?

Jepp  ;)


???
Jepp - ich irre, oder
        - es ist die Einstellungsbehörde?