Ich denke nicht, dass Beamte da wohnen können muss, wo sich ein Großteil der Bevölkerung das Wohnen auch nicht leisten kann.
Ich finde vieles von dem, was Du schreibst, clarion, schlüssig und nachvollziehbar. An dieser Stelle eine kurze methodische Anmerkung:
Die Frage der Freizügigkeit und ihrer Folgen ist verfassungsrechtlich geklärt:
1. Der Beamte muss dort wohnen können, wo sich ein Großteil der Bevölkerung das Wohnen nicht leisten kann, weil er sich in seiner Freizügigkeit als Folge des beamtenrechtlichen Sonderstatusverhältnisses, dem er unterfällt, eingeschränkt sieht. Der Besoldungsgesetzgeber ist verfassungsrechtlich dazu ermächtigt, die Besoldung auch hinsichtlich der den Beamten treffenden Unterkunftskosten zu differenzieren.
2. Der Grundsicherungsempfänger darf dort wohnen, wo sich ein Großteil der Bevölkerung das Wohnen nicht leisten kann, da er sich auch als Grundsicherungsempfänger nicht in seinem Grundrecht auf Freizügigkeit eingeschränkt sieht. Die Bedarfe für die Unterkunft und Heizung von Grundsicherungsempfängern sind dabei sozialrechtlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind.
Man kann beides oder jeweils eine der beiden Folgen unseres Verfassungsrechts für sachlich falsch erachten, moralisch nicht gerechtfertigt oder von der Anschauung her hässlich. Dieses Empfinden ist aber verfassungsrechtlich unerheblich und sollte deshalb entsprechend an anderer Stelle diskutiert werden, denke ich, womit ich bei meiner methodischen Anmerkung bin:
Unser Thema hier - der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 4/18 - ist komplex, weil es aus vielen Facetten besteht, die betrachtet werden wollen und zum Teil betrachtet werden müssen, um es sachlich diskutieren zu können. Deshalb sollten wir zur Komplexitätsreduktion Fragen, die verfassungsrechtlich geklärt und deshalb ohne Verfassungsänderung so zu respektieren sind, wie sie entschieden sind, hier nicht wiederkehrend diskutieren (wollen). Denn das Ergebnis solcher Diskussionen ist, dass über je eigenes moralisches Empfinden diskutiert wird, das als solches zu keinem sachlichen Ergebnis führt, da Moral zwar diskutierbar ist, jedoch nicht das geltende Verfassungsrecht betrifft. Im Ergebnis führen diese Debatten über geklärte Verfassungsfragen nur dazu, dass es unklarer und schwieriger wird, über die ungeklärten Fragen zu diskutieren, da die Diskussion ungekärter Fragen wiederkehrend mit Fragen vermischt wird, die verfassungsrechtlich geklärt sind, was die Komplexität der Diskussion und damit die Wahrscheinlichkeit ihres Scheiterns erhöht, insbesondere in einem auf Schriftlichkeit basierendem sozialen Forum.
Ergo: Es wäre meiner Meinung nach sinnvoll und erfreulich, nicht immer wieder verfassungsrechtlich geklärte Fragen aufzuwerfen, als seien sie nicht geklärt. Denn das würde die sachliche Klarheit der jeweiligen Diskussion mit einiger Wahrscheinlichkeit erhöhen und damit auch die Wahrscheinlichkeit von unnötigen Streit verringern, der in moralischen Fragen nicht selten schnell von der Hand geht, weil moralische Fragen vielfach sachlich nicht (aufge-)klärt werden können, jedenfalls zumeist nicht so ohne Weiteres (was dann zu Streit führt, der die Komplexität der Diskussion nicht selten erhöht, ohne damit die Komplexität der Materie zu verringern).