Autor Thema: Tarifverhandlungen und die Inflation  (Read 1105652 times)

Leonhardt

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #405 am: 28.04.2022 10:55 »
Habe heute mein Gehalt für 04/22 ausgezahlt bekommen… da bekommt man ja glatt das kot***, wenn man sieht, was die Gehaltserhöhung gebracht hat…  :-X :-X

Also ein bisschen schmunzeln muss ich ja.. Eine Gehaltserhöhung ist eine Gehaltserhöhung - und man kann sich mehr davon kaufen..
(...)

Ein bisschen schmunzeln muss ich da ja auch. Natürlich kann man sich davon heute mehr kaufen, wenn man den Bezugszeitpunkt auf heute oder gestern legt. Im Vergleich zu vor 3 Monaten aber ganz ganz sicher nicht!  ;)

Ich glaube, dass es eher das ist was Kaiser17 umtreibt... Aber gut, wenn du bei 7,x% Inflation dankbar für +1,8% brutto bist, ist das schön zu hören. :)

Wäre halt gut, wenn du den ganzen Beitrag liest bzw. kommentierst - da schreibe ich nämlich noch, dass das aufgrund der aktuellen Inflation natürlich zu wenig ist.
Und natürlich hab ich lieber eine Erhöhung von 1,8% als 0%.
Zumal die Erhöhung noch aus der letzten Tarifrunde kommt.

Wenn in der jetzigen wieder nur 1,8% rauskommen, dann könnte ich das Kotzen verstehen :)

Ich habe deinen Beitrag ganz gelesen und musste an der Stelle schmunzeln, an der es um "das mehr kaufen" geht. Das ist inflationsbereinigt einfach nicht der Fall, es sei denn du betrachtest beide Vergleichswerte am selben Tag. Aber die letzte Tariferhöhung gab es vor einem Jahr. Im März 2022 sind die Verbraucherpreise um 7,3% ggü. dem Vorjahresmonat gestiegen und da kommt man ggü. dem Zeitpunkt heute mit +1,8% brutto nicht auf das Ergebnis, dass man sich davon allgemein mehr kaufen kann.

Das Problem ist ja, dass man in der zukünftigen Runde auf die du abstellst ganz schön was aufholen muss bei der aktuell mickrigen Erhöhung, denn selbst wenn die Inflation sinkt, ist sie ja nicht negativ. Das heißt, dass das jetzt entstandene Delta zwischen Tariferhöhung und Kaufkraftverlust sich nicht schließen wird, bloß weil die Inflation ggf. zukünftig wieder absinkt, wenn man dann einen zB inflationsausgleichenden Tarifabschluss hätte.

Beispiel:
Ein fiktiver Warenkorb kostet 03/2021 100€, dann sind es bei 7,3% Inflation 03/22 dann 107,3€. Liegt die zukünftige Inflation dann evt. bei z.B. 4% ggü. Vorjahr, dann kostet er ca. 111,50€.

Demgegenüber deine Kaufkraft durch dein Entgelt: 03/2021 100€ --> +1,8% 03/22 = 101,8 --> zB +4% 03/23 =105,87€

Das Delta bliebe also groß, denn die Inflation wird sich zukünftig eher nur abschwächen, aber eine negative Inflation, also eine Deflation, ist doch sehr unwahrschenlich. Man müsste dann nach dem obigen Beispiel also für 03/23 nicht zB +4,0% bekommen, sondern +ca. 9,5% um den Wegfall der aktuellen Kaufkraft auszugleichen. Und wie wahrscheinlich das ist, kann man sich denken. Kommt das nicht - wovon ziemlich sicher auszugehen ist - schiebt man den jetzt entstandenen Kaufkraftverlust über die kommenden Jahre immer weiter vor sich her und hat dauerhaft nicht die Möglichkeit sich mehr vom Geld zu kaufen, sondern weniger. Deine Arbeit wird ergo dann dauerhaft entwertet.

Daher verstehe ich es, wenn Kaiser17 kotzt.

Edit: Und das sind ja nur die Bruttowerte... Wenn man dann noch im Einzelfall an die kalte Progression denkt...

was_guckst_du

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #406 am: 28.04.2022 11:02 »
...meine Prophezeiung:

...die nächste Tarifrunde wird einerseits geprägt von einer gallopierenden Inflation und andereseits von wirtschaftlicher Rezession verbunden mit sinkenden Steuereinnahmen bei steigender Schuldenaufnahme des Staates...

...also ein Worstcase-Szenario erster Güte... (falls Putin nicht sowieso schon den Knopf gedrückt hat)...

...die großen Verlierer werden am Ende die Gewerkschaften sein, denen die Mitglieder weglaufen, weil nur ein nicht mal den Inflationsausgleich erreichender Abschluß erreicht werden kann...



Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Schmitti

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #407 am: 28.04.2022 11:23 »
...verbunden mit sinkenden Steuereinnahmen...
Die quasi ewig steigenden Steuereinnahmen haben die Arbeitgeberseite auch selten interessiert.
Gut, andererseits würde eine Deflation die Gewerkschaft, selbst Verdi, auch kaum zur Forderung nach Lohnsenkungen bewegen.
Also wird es wie immer: Wurstbrote, Käsebrote, Kuchen, Kaffee, 2-3 Treffen in gemütlicher Plauderrunde, und am Ende verkaufen alle Seiten das Ergebnis als maximalen Erfolg. Und die Mitglieder, die die Gewerkschaften noch haben, werden das denen größtenteils auch weiter abkaufen. Inflation und Putin hin oder her.

Schokobon

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #408 am: 28.04.2022 11:56 »
Gerade wegen der aktuellen Inflation wird die Tariferhöhung nicht üppig ausfallen. Ich gehe sogar von einer Nullrunde + Ausgleichszahlung im 1. Jahr aus.

Markt- und inflationsbedingter Preisanstieg sind auseinander zu halten.
Die aktuelle Teuerung ist möglicherweise vorübergehenden Effekten am Markt zuzuschreiben, die sich ändern oder wieder ganz verschwinden können.
Eine 7% tabellenwirksame Tariferhöhung bliebe aber.
Das muss und wird die AG-Seite verhindern.

Leonhardt

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #409 am: 28.04.2022 12:49 »
(...)
Markt- und inflationsbedingter Preisanstieg sind auseinander zu halten.
(...)

Inwiefern spielt das in der Praxis eine Rolle bei der Messung der Inflation und der Feststellung eines Kaufkraftverlusts?

Gehst du davon aus, dass die marktbedingten Preissteigerungen soweit zurückgehen, dass die Inflation zukünftig negativ sein wird - ergo wir eine Deflation bekommen? Oder ist die Erklärung warum die Preise steigen nicht für den Konsumenten eigentlich irrelevant?

Bastel

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #410 am: 28.04.2022 12:56 »
Gerade wegen der aktuellen Inflation wird die Tariferhöhung nicht üppig ausfallen. Ich gehe sogar von einer Nullrunde + Ausgleichszahlung im 1. Jahr aus.

Markt- und inflationsbedingter Preisanstieg sind auseinander zu halten.
Die aktuelle Teuerung ist möglicherweise vorübergehenden Effekten am Markt zuzuschreiben, die sich ändern oder wieder ganz verschwinden können.
Eine 7% tabellenwirksame Tariferhöhung bliebe aber.
Das muss und wird die AG-Seite verhindern.

Du gehst also davon aus, dass die Pizza und der Döner um die Ecke bald wieder billiger werden? Oder das Brötchen wieder 10 Cent günstiger wird? Hahaha.
Ich möchte nicht wissen wer alles den Mitnahmeeffekt nutzt.

JahrhundertwerkTVÖD

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #411 am: 28.04.2022 13:46 »
Hinzu kommt noch dass unterm Strich, die Abzüge bei unseren Politikern (Beamte) ja deutlich geringer sind, als bei Angestellten d.h. netto bleibt von der Erhöhung mehr übrig.

Wären die beamtete Politiker Angestellte, würden die Abzüge in etwa gleich hoch sein. Außerdem sind ja hier die Abgeordneten als Politker angesprochen, das sind keine Beamten.

Der Hinweis ist richtig.
Sie sind bei der Besteuerung ihrer Abgeordnetenentschädigung Beamten gleichgestellt und zahlen keine Arbeitslosen- und Rentenversicherung, erwerben allerdings pensionsähnliche Ansprüche.
De facto haben sie hiermit von einer Erhöhung mehr netto, als der Angestellte welcher die entsprechenden Arbeitslosen- und Rentenversicherung noch abgezogen bekommt.

BAT

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #412 am: 28.04.2022 14:13 »
Eine Erhöhung des Stundenlohnes zur nächsten Tarifrunde wäre das Mittel der Wahl.

WasDennNun

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #413 am: 28.04.2022 14:28 »
Du meinst die Einführung eines Stundenlohns😇

BAT

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #414 am: 28.04.2022 14:48 »
Nö, die Reduzierung der WAZ bei gleichbleibenden Gehältern.  ;)

Organisator

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #415 am: 28.04.2022 14:48 »
De facto haben sie hiermit von einer Erhöhung mehr netto, als der Angestellte welcher die entsprechenden Arbeitslosen- und Rentenversicherung noch abgezogen bekommt.

Auch Angestellte mit vergleichbarem Einkommen müssten auf die Erhöhung keine AloV- / RV- oder KV - Beiträge zahlen. Insoweit haben die Abgeordneten eben nicht von der Erhöhung mehr netto als vergleichbare Angestellte.

Gerda Schwäbel

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #416 am: 28.04.2022 14:54 »
Der Hinweis ist richtig.
Sie sind bei der Besteuerung ihrer Abgeordnetenentschädigung Beamten gleichgestellt und zahlen keine Arbeitslosen- und Rentenversicherung, erwerben allerdings pensionsähnliche Ansprüche.
De facto haben sie hiermit von einer Erhöhung mehr netto, als der Angestellte welcher die entsprechenden Arbeitslosen- und Rentenversicherung noch abgezogen bekommt.
Nein, die Abgeordneten sind den Beamten nicht gleichgestellt. Dass keine Sozialversicherung anfällt hängt damit zusammen, dass der Abgeordnete nicht weisungsabhängig beschäftigt ist und keinen Arbeitslohn erhält. Im Übrigen muss ein Angestellter, der aktuell brutto 10.012,89 Euro bezieht und künftig monatlich 10.323,29 Euro erhält, für den Mehrbetrag auch keine Sozialversicherung bezahlen. (Stichwort: Beitragsbemessungsgrenze.)
- Organisator war schneller!

Dass dem Abgeordneten scheinbar mehr bleibt, hängt damit zusammen, dass er - wie erwähnt - keinen Arbeitslohn bezieht. Bei der Abgeordnetenentschädigung handelt es sich nicht um Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit, sondern um  sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 EStG. Da gibt es deshalb keinen  Arbeitgeber, der Lohnsteuer einbehalten müsste und deshalb auch keinen Lohnsteuerabzug. Die Abgeordnetenentschädigung wird in Höhe des Bruttobetrages ausgezahlt. Die dafür anfallende Einkommensteuer ergibt sich aufgrund der Einkommensteuerfestsetzung, wobei der Hauptanteil vermutlich als Vorauszahlung zu leisten ist.

Organisator

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #417 am: 28.04.2022 15:07 »
- Organisator war schneller!

und Gerda ausführlicher *daumenhoch*

Schokobon

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #418 am: 28.04.2022 15:28 »
Du gehst also davon aus, dass die Pizza und der Döner um die Ecke bald wieder billiger werden? Oder das Brötchen wieder 10 Cent günstiger wird? Hahaha.
Ich möchte nicht wissen wer alles den Mitnahmeeffekt nutzt.

Inwiefern spielt das in der Praxis eine Rolle bei der Messung der Inflation und der Feststellung eines Kaufkraftverlusts?

Gehst du davon aus, dass die marktbedingten Preissteigerungen soweit zurückgehen, dass die Inflation zukünftig negativ sein wird - ergo wir eine Deflation bekommen? Oder ist die Erklärung warum die Preise steigen nicht für den Konsumenten eigentlich irrelevant?

Fragen über Fragen...Wenn Güter am Markt knapper (z.B. wegen Krieg oder Pandemie, Lieferketten etc.) und damit teurer werden ist die Konsequenz, dass sich weniger Konsumenten diese Güter leisten können. Das würde ich nicht unbedingt als "Kaufkraftverlust" bezeichnen, sondern eher als normale Marktmechanismen, die bestimmte Konsumentengruppen (Einkommensgruppen) abhängen.

Nun weiß ich natürlich nicht, ob "Döner" knapp geworden sind...



Leonhardt

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Antw:Tarifverhandlungen und die Inflation
« Antwort #419 am: 28.04.2022 15:57 »
Dennoch ergibt sich aus steigenden Preisen bei weniger stark steigenden oder stagnierenden Einkommen ein Kaufkraftverlust. Die von dir genannten Marktmechanismen können zu einer steigenden oder sinkenden Kaufkraft führen. Aktuell führen sie zu einer sinkenden Kaufkraft.