Autor Thema: [Allg] Lehrer sollen mehr arbeiten, größere Klassen, keine Teilzeit...  (Read 36544 times)

Studienrat

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Warum müssen sich meine Kollegen eigentlich so oft und dann auch noch so peinlich rechtfertigen?
Schließt diesen Thread bitte!

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Warum müssen sich meine Kollegen eigentlich so oft und dann auch noch so peinlich rechtfertigen?
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Rechtfertigen muss sich keiner. Calmac hingegen hat interessant dargelegt, welche Aufgaben er hat und welche Zeit diese brauchen. Interessant insoweit, als dass Nicht-Lehrer dadurch mal einen Einblick bekommen.

Aber du hast recht, ein Hinweis auf "massive Besoldungseinbuße" wegen "Urlaub nur in Ferienzeiten" hat mich auch zum Schmunzeln gebracht.

nevarro

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Diese Frage wird seit Jahrzehnten beantwortet, aber von der Politik ignoriert. Auf Seite 63 in diesem Dokument (https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/fileadmin/user_upload/Hardwig_Mussmann_MTS-Expertise_-_Zeiterfassungsstudien_zur_Arbeitszeit_von_Lehrkraeften_in_Deutschland.pdf) sieht man, dass Lehrkräfte insgesamt, besonders aber an Gesamtschulen und Gymnasien (s. Seite 64) teils deutlich über dem Soll liegen. Da sind Ferien bereits rausgerechnet.

Erschwerend hinzu kommt, wie hier schon an einigen Stellen betont, dass viele Aufgaben nicht aufschiebbar sind. Belastungsspitzen wirken oftmals lange nach, weil man "Überstunden" nicht flexibel "abfeiern" kann.

Das sollte alle Zweifel hier aus der Welt schaffen und man muss sich nicht auf Hörensagen oder einzelne Erfahrungsberichte stützen.

Organisator

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Danke für den inhaltlichen Beitrag. Ich stimme dir zu, damit werden tatsächlich Zweifel beseitigt.

Diese Studie verweist darauf, dass die Lehrkräfte gehalten sind, die Dienstpflichten selbst zu organisieren und im Rahmen einer 40-Stunden-Woche zu erfüllen. Eine sehr eindeutige Regelung, die dann auch keinen Raum für Spekulation oder Interpretation lässt.

SchrödingersKatze

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Abhängig von der Schulart ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Eltern nicht zu unterschätzen. An unserer "Brennpunktschule" haben wir leider regelmäßig Fälle von selbstverletztendem Verhalten, Gewalt in der Familie, im schlimmsten Fall Suizidversuche oder Versuche, von daheim auszubrechen. Diese Fälle fordern ein hohes Maß an "Überwachung" in der Schulzeit zB während der Pausen und ziehen oftmals längere und sich wiederholende Gespräche mit zB Schulpsychologen oder Sozialarbeitern und Erziehungsberechtigten oder Pflegeeltern nach sich, die im Stundendeputat je nach Fall nicht im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt werden. Durch längere Schulzeiten und Betreuung wird immer mehr Erziehungskompetenz auf die Lehrerschaft ausgelagert, wodurch die reine Wissensvermittlung oft in den Hintergrund rückt. Der Beruf des Lehrers fordert eben auch eine gewisse Berufung und das mMn mehr denn je. Aktuelles Beispiel: Schülerin befürchtet ungeplante Schwangerschaft und wendet sich in der Pause an den Lehrer,  da kein Geld für Schwangerschaftstest vorhanden ist und sonst keine Vertrauensperson greifbar/ vorhanden.

Wenn man die reine Stundenzahl sieht und wie Bereitschaften, Nachtzuschlag etc. im öD berücksichtigt, schlagen v.a Klassenfahrten ins Gewicht. Eine ganze Woche mit pubertierenden Jugendlichen aller Geschlechter lässt quasi keine Pause zu.

Seit Corona haben die meisten Schulen Apps bzw Software für den einfacheren Kontakt zu Schülern und Erziehungsberechtigten.Vorteil ist, dass die Kontaktaufnahme vereinfacht ist. Dadurch wird die Möglichkeit aber auch oft genutzt, oftmals auch für Nachfragen, die sich potentiell selbst oder auch im Unterricht erledigen ließen. (Von der Elternschaft her herrscht auch oft eine gewisse Erwartungshaltung auf möglichst sofortige ausführliche Beantwortung und immerwährende Erreichbarkeit, was oft auch zu wiederholten Nachfragen und Diskussionen führt.) Manchmal wenden sich Schüler auch mit persönlichen Problemen auch in den Abendstunden via App an den Lehrer. Was dann tun, wenn man weiß, dass zB häusliche Gewalt besteht? Das ist immer mehr eine Gratwanderung.

An der Stelle möchte ich nochmal zum Nachdenken anregen: Unsere Gesellschaft wandelt sich immer schneller,  so dass man die eigene Schulzeit nicht mehr mit der heutigen Zeit vergleichen kann. Und nur weil man selbst mal Schüler war, heißt das nicht, dass man vollumfänglichen Einblick in das Lehrerleben hat.

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An der Stelle möchte ich nochmal zum Nachdenken anregen: Unsere Gesellschaft wandelt sich immer schneller,  so dass man die eigene Schulzeit nicht mehr mit der heutigen Zeit vergleichen kann. Und nur weil man selbst mal Schüler war, heißt das nicht, dass man vollumfänglichen Einblick in das Lehrerleben hat.

Zustimmung! Aus meiner Sicht gehört es zur digitalen Kompetenz beider Seiten, niedrigschwellige Kommunikationsmöglichkeiten wie Messanger passend einzusetzen, bzw. deren Einsatz z.B. zu bestimmten Uhrzeiten grundsätzlich zu vermeiden. Und wenns da mit der Kompetenz bei den Eltern nicht so gut bestellt ist, müssen dann wohl Sprechzeiten her ;)

Versuch

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Wenn der Leistungskurs vor den Ferien geschrieben wir, dann muss in den Ferien korrigiert werden.
Dieses Jahr habe ich 4 Klassensätze mit in die Ferien genommen.

7nd noch ein 0asr Nachteile, die mir spontan einfallen, aber kaum einer sieht.

-großteil Pausen werden von jemand nerven bestimmt, z.b. durch Freistunden, denn einen Schreibtisch tec. Gibt es für ca. 95 % nicht.
- Beginn und Reste Arbeitszeiten werden von jemand anderem zum Großteil bestimmt
- Urlaub nur in Ferienzeiten und dadurch massive Brsoldungseinbuße
...

... Urlaub nur in der Ferienzeit müssen auch alle Beamte/ Angestellte/ Arbeiter mit Schulkindern nehmen. Insofern haben diese auch Lohnverluste durch teuere Urlaubsreisen.
Also wirklich, dass kann nun nicht wirklich ernstgemeint sein... aber typischer Lehrerspruch, den man immer wieder hört >:(

Ernsthaft?

Studienrat

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Abhängig von der Schulart ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Eltern nicht zu unterschätzen. An unserer "Brennpunktschule" haben wir leider regelmäßig Fälle von selbstverletztendem Verhalten, Gewalt in der Familie, im schlimmsten Fall Suizidversuche oder Versuche, von daheim auszubrechen. Diese Fälle fordern ein hohes Maß an "Überwachung" in der Schulzeit zB während der Pausen und ziehen oftmals längere und sich wiederholende Gespräche mit zB Schulpsychologen oder Sozialarbeitern und Erziehungsberechtigten oder Pflegeeltern nach sich, die im Stundendeputat je nach Fall nicht im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt werden. Durch längere Schulzeiten und Betreuung wird immer mehr Erziehungskompetenz auf die Lehrerschaft ausgelagert, wodurch die reine Wissensvermittlung oft in den Hintergrund rückt. Der Beruf des Lehrers fordert eben auch eine gewisse Berufung und das mMn mehr denn je. Aktuelles Beispiel: Schülerin befürchtet ungeplante Schwangerschaft und wendet sich in der Pause an den Lehrer,  da kein Geld für Schwangerschaftstest vorhanden ist und sonst keine Vertrauensperson greifbar/ vorhanden.

Wenn man die reine Stundenzahl sieht und wie Bereitschaften, Nachtzuschlag etc. im öD berücksichtigt, schlagen v.a Klassenfahrten ins Gewicht. Eine ganze Woche mit pubertierenden Jugendlichen aller Geschlechter lässt quasi keine Pause zu.

Seit Corona haben die meisten Schulen Apps bzw Software für den einfacheren Kontakt zu Schülern und Erziehungsberechtigten.Vorteil ist, dass die Kontaktaufnahme vereinfacht ist. Dadurch wird die Möglichkeit aber auch oft genutzt, oftmals auch für Nachfragen, die sich potentiell selbst oder auch im Unterricht erledigen ließen. (Von der Elternschaft her herrscht auch oft eine gewisse Erwartungshaltung auf möglichst sofortige ausführliche Beantwortung und immerwährende Erreichbarkeit, was oft auch zu wiederholten Nachfragen und Diskussionen führt.) Manchmal wenden sich Schüler auch mit persönlichen Problemen auch in den Abendstunden via App an den Lehrer. Was dann tun, wenn man weiß, dass zB häusliche Gewalt besteht? Das ist immer mehr eine Gratwanderung.

An der Stelle möchte ich nochmal zum Nachdenken anregen: Unsere Gesellschaft wandelt sich immer schneller,  so dass man die eigene Schulzeit nicht mehr mit der heutigen Zeit vergleichen kann. Und nur weil man selbst mal Schüler war, heißt das nicht, dass man vollumfänglichen Einblick in das Lehrerleben hat.



Das ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Gerade im Brennpunkt Schulen benötigt man Sozialpädagogen und Psychologen. Vor allem braucht man dort sehr gute Konzepte. Es steht und fällt mit der Schulleitung. Das sind meistens unendlich weise Menschen. Deshalb haben sie sich auch auf diesen Job beworben.

SchrödingersKatze

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Das stimmt. Wir haben hier 2 Stellen für Schulpsychologen für insgesamt 10 Schulen. Jugendsozialarbeiter haben wir für die Grund- und Mittelschule auf dem Papier 1,5 Stellen, von denen aber aufgrund von Personalmangel nur 0,75 Stelle besetzt ist. Die machen ihren Job auch toll, aber kommen halt nicht rum.

calmac

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Hinweis: Bei uns an der Schule gibt es die Regel, dass die Emails mit der Regel Tag x + 2 Tage bearbeitet werden.

Seitdem wir das haben, hat sich die Anzahl an unnötigen Mails derart reduziert. Dann gibt es nicht eben so eine schnelle Antwort auf meine unnötige Frage.

 

Poincare

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Diese Frage wird seit Jahrzehnten beantwortet, aber von der Politik ignoriert. Auf Seite 63 in diesem Dokument (https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/fileadmin/user_upload/Hardwig_Mussmann_MTS-Expertise_-_Zeiterfassungsstudien_zur_Arbeitszeit_von_Lehrkraeften_in_Deutschland.pdf) sieht man, dass Lehrkräfte insgesamt, besonders aber an Gesamtschulen und Gymnasien (s. Seite 64) teils deutlich über dem Soll liegen. Da sind Ferien bereits rausgerechnet.

Erschwerend hinzu kommt, wie hier schon an einigen Stellen betont, dass viele Aufgaben nicht aufschiebbar sind. Belastungsspitzen wirken oftmals lange nach, weil man "Überstunden" nicht flexibel "abfeiern" kann.

Das sollte alle Zweifel hier aus der Welt schaffen und man muss sich nicht auf Hörensagen oder einzelne Erfahrungsberichte stützen.

Das ist mal eine interessante Zusammenfassung, wenn auch nur mit sporadischen Erhebungen. Auf der von dir angesprochenen Seite sieht es doch danach aus (auch wenn es nicht ganz chronologisch angeordnet ist), dass sich das Verhältnis Lehrerarbeitszeit zu allgemeiner Arbeitszeit im ÖD immer weiter verbessert hat, und bei der Erhebung 2015-2016 nur noch ein minimaler Unterschied besteht (zumindest quantitativ, von der Jahresarbeitszeit her, und in der Summe).

Besonders spannend finde ich auf Seite 77 die Vorbereitungszeiten für die Unterrichtsstunden. Gerade am Gymnasium scheint es einen massiven Unterschied zu machen, welche Klassen man unterrichtet. Wird dabei durch die Schulleitung nicht auf eine faire Verteilung geachtet, oder werden voller Entgegenkommen zu viele Kurse in der Kursstufe angeboten, kann das für Teile des Kollegiums ja massiv die Arbeitsbelastung erhöhen.

Im Schnitt sieht es so nach 45 Minuten Vor- und Nachbereitungszeit aus. Damit wären wir bei einem Volldeputat am Gymnasium in BW bei 25 * 0,75 + 25 * 0,75 = 37,5 Stunden pro Schulwoche nur für Unterricht und Vor- und Nachbereitung.

nevarro

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@Poincare:

Da muss ich dich enttäuschen:

"Von der in anderen Berufen üblichen 38- oder 40-Stunden-Woche sind Lehrerinnen und Lehrer in Vollzeit meist weit entfernt. Tatsächlich liegt der Normwert in einer Durchschnittswoche bei 46 Stunden und 38 Minuten. Diesen Wert nennt die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen, die in den vergangenen Jahren drei viel zitierte Studien zur Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von Lehrkräften in Niedersachsen, Frankfurt am Main sowie bundesweit durchgeführt hat."

Mehr und aktuellere Infos gibt es hier https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrerarbeitszeit-infografik-so-viele-stunden-arbeiten-lehrerinnen-und-lehrer-wirklich/#wie-viel-lehrkraefte-arbeiten.

Poincare

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@Poincare:

Da muss ich dich enttäuschen:

"Von der in anderen Berufen üblichen 38- oder 40-Stunden-Woche sind Lehrerinnen und Lehrer in Vollzeit meist weit entfernt. Tatsächlich liegt der Normwert in einer Durchschnittswoche bei 46 Stunden und 38 Minuten. Diesen Wert nennt die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen, die in den vergangenen Jahren drei viel zitierte Studien zur Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von Lehrkräften in Niedersachsen, Frankfurt am Main sowie bundesweit durchgeführt hat."

Mehr und aktuellere Infos gibt es hier https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrerarbeitszeit-infografik-so-viele-stunden-arbeiten-lehrerinnen-und-lehrer-wirklich/#wie-viel-lehrkraefte-arbeiten.

Ich verstehe nicht, inwiefern du denkst, mich zu enttäuschen. Ich versuche zu zitieren und zu diskutieren, was in der verlinkten Arbeit steht. Das hat weder was mit meiner Meinung, noch mit meinem Wunsch dazu zu tun.

Unknown

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Ich stelle mir wiederum die Frage, wieso man dauerhaft eine Woche über 40 bzw. 41 Stunden mitmacht. Ist es Idealismus oder Feigheit. Ich bin kein Lehrer und verstehe es absolut nicht. Müsste ich permanent mehr als die geforderten Stunden arbeiten, würde ich Mittel und Wege finden dieses meinem Chef auszutreiben und das auf ganz legalem Weg, denn er soll sein Problem nicht zu meinem machen, sondern meine Probleme lösen, denn dafür wird er bezahlt. Kann er dieses nicht, wird er mit den Konsequenzen leben müssen, dass das ein oder andere gegen die Wand fährt. Zeigt man es vorher noch schriftlich an, dass Probleme in welcher Form auch immer entstehen werden, so bin ich fein raus.
Bei der Bundeswehr gab es immer den Spruch:
Melden macht frei und belastet den Vorgesetzten!

Studienrat

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Ich stelle mir wiederum die Frage, wieso man dauerhaft eine Woche über 40 bzw. 41 Stunden mitmacht. Ist es Idealismus oder Feigheit. Ich bin kein Lehrer und verstehe es absolut nicht. Müsste ich permanent mehr als die geforderten Stunden arbeiten, würde ich Mittel und Wege finden dieses meinem Chef auszutreiben und das auf ganz legalem Weg, denn er soll sein Problem nicht zu meinem machen, sondern meine Probleme lösen, denn dafür wird er bezahlt. Kann er dieses nicht, wird er mit den Konsequenzen leben müssen, dass das ein oder andere gegen die Wand fährt. Zeigt man es vorher noch schriftlich an, dass Probleme in welcher Form auch immer entstehen werden, so bin ich fein raus.
Bei der Bundeswehr gab es immer den Spruch:
Melden macht frei und belastet den Vorgesetzten!

Absolute Zustimmung!
Aber: Deine Ziele verfolgen in meiner Berufsgruppe unter 5 %.
Vielleicht sind sie zu hörig? Sie haben auch immer das Bedürfnis, sich rechtfertigen zu müssen.