Allgemeines und Sonstiges > allgemeine Diskussion
Muss diese Bewerbin eingeladen werden?
Opa:
Ok. Dann mache ich dir nicht zum Vorwurf, dass du auf die Frage einer Rechtsgrundlage mit einer Vermutung und dem Verweis auf ein komplettes Gesetzbuch antwortest.
andreb:
--- Zitat von: Opa am 13.06.2023 17:00 ---Auf welcher Rechtsgrundlage basierte eure Auffassung, derartige Nachweise anfordern zu dürfen?
--- End quote ---
Rechtsgrundlage gibt es selbstverständlich keine…
Jedoch setzen wir gewisse Mitwirkungspflichten voraus, in dem die Stellenausschreibungen folgenden Passus beinhalten „Gegebenenfalls senden Sie uns bitte eine Kopie des Schwerbehindertenausweises oder des Bescheides über die Gleichstellung als schwerbehinderter Mensch…“.
Des Weiteren haben wir uns an das Urteil aus dem nachfolgenden Link orientier:
https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/sozialrecht/schwerbehinderte/themen/beitrag/ansicht/schwerbehinderte/zum-vorstellungsgespraech-nicht-eingeladen-arbeitgeber-muss-entschaedigung-zahlen/details/anzeige/?cHash=58ab308ff3154a8c415a099e5d659e1f&type=999
Man ist über drei Kanäle (Bewerbersystem mit Nachrichtenübermittlung, direkt adressierte E-Mail sowie postalisches Anschreiben) an die Bewerberin herangetreten. Da ein entsprechender Nachweis nicht vorgelegt worden ist, hat die Bewerberin ihre Mitwirkungspflicht (siehe Urteil) nicht erfüllt. Somit war es mehr als sachgerecht, die Bewerberin auszuschließen und folglich nicht einzuladen.
Ich gehe sogar weiter und behaupte, dass diese Angaben mit Vorsatz bewusst falsch getätigt wurden. Jemand der wahre Angaben macht, hat sicherlich kein Problem damit, entsprechende Nachweise nachzureichen. Wer trotz Aufforderung nichts nachreicht, macht sich in dieser Hinsicht verdächtig.
Opa:
Das BAG sieht das etwas differenzierter (26.11.2020, 8 AZR 59/20), Rnrn. 32 ff, insbesondere Rn. 37.
Sofern also ein Nachweis verlangt wird, darf das nicht so weit gehen, dass die Art der Behinderung oder der Grad der Behinderung offengelegt wird. Es kommt also bei dieser sogenannten Mitwirkungspflicht erheblich darauf an, weshalb diese Nachweise bereits vor dem Vorstellungsgespräch angefordert wurden und wie dies konkret formuliert wurde. Falls nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der geforderte Nachweis diese geschützten Informationen aussparen kann, hat sich das mit der sogenannten Mitwirkungspflicht schon erledigt. Und ausschließlich aus Geünden der Verfahrensvereinfachung schon vorab den Nachweis zu fordern, dürfte mit Blick auf den letzten Satz des folgenden Zitats ebenfalls unzulässig sein:
Zitat aus dem o.g. Beschluss:
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist eine Angabe des GdB – oder etwa die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises – auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Die im SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Bestimmungen haben zum Ziel, die Teilhabechancen dieser Menschen am Arbeitsleben zu verbessern (vgl. etwa Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 1). So sollen schwerbehinderte Bewerber/innen beispielsweise durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen und damit einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Darüber hinaus stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (vgl. BAG 25. Juni 2020 – 8 AZR 75/19 – Rn. 38 mwN). Die Erreichung dieser Ziele würde erschwert, wenn es für eine ausreichende Mitteilung der Schwerbehinderung auch erforderlich wäre, den GdB mitzuteilen. Insoweit stünde zu befürchten, dass insbesondere Menschen mit einem sehr hohen GdB, die im Arbeitsleben besonderen Vorbehalten ausgesetzt sein können, von vornherein davon absehen, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen mit der Folge, dass die zu ihren Gunsten bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers erst gar nicht ausgelöst würden. Sofern der Arbeitgeber im Einzelfall zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten nachkommt, beispielsweise einen Bewerber zu dem in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF vorgesehenen Vorstellungsgespräch einlädt, obgleich er hierzu nicht verpflichtet ist, weil der Bewerber tatsächlich nicht schwerbehindert ist, ist das nach dem Sinn und Zweck der zugunsten der schwerbehinderten Menschen getroffenen Bestimmungen hinzunehmen.
Zum Thema Mitwirkungspflicht: Diese besteht nicht bezüglich des Bewerberverfahrensanspruchs. Sie hat vielmehr den Zweck, nach der grundsätzlichen Auswahlentscheidung die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers zu flankieren. Das kann die Beantragung eines Zuschusses, die Beantragung von Hilfsmitteln etc. aber auch die Anrechnung auf die Pflichtquote sein. Dieser Mitwirkungspflicht kann der Bewerber dadurch nachkommen, dass er direkt gegenüber den zuständigen Stellen seine Schwerbehinderung nachweist. Also selbst hier muss er dem Arbeitgeber nicht zwingend irgendwelche Unterlagen mit Bezug auf seine Behinderung vorlegen.
carriegross:
--- Zitat von: Wolly1973 am 12.06.2023 23:22 ---Ist es denn eurer Erfahrung nach so, dass die Bewerber mit Behinderung die gleichen Chancen haben, den Arbeitsplatz zubekommen wie die nicht-behinderten?
Die Vorschrift, dass Behinderte zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollen, gibt es ja, weil man hofft, damit die Chance auf Übernahme zu erhöhen. Ich frage mich - nach dieser Diskussion hier, ob sie nicht vielmehr eingeladen werden, weil man Schadensansprüche vermeiden möchte und eigentlich aber oft klar ist, dass sie keine Chance haben. Wie sehr ihr das?
--- End quote ---
spid hatte dazu seine ganz eigene exklusive Meinung! xD
carriegross:
--- Zitat von: Opa am 13.06.2023 23:07 ---Das BAG sieht das etwas differenzierter (26.11.2020, 8 AZR 59/20), Rnrn. 32 ff, insbesondere Rn. 37.
Sofern also ein Nachweis verlangt wird, darf das nicht so weit gehen, dass die Art der Behinderung oder der Grad der Behinderung offengelegt wird. Es kommt also bei dieser sogenannten Mitwirkungspflicht erheblich darauf an, weshalb diese Nachweise bereits vor dem Vorstellungsgespräch angefordert wurden und wie dies konkret formuliert wurde. Falls nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der geforderte Nachweis diese geschützten Informationen aussparen kann, hat sich das mit der sogenannten Mitwirkungspflicht schon erledigt. Und ausschließlich aus Geünden der Verfahrensvereinfachung schon vorab den Nachweis zu fordern, dürfte mit Blick auf den letzten Satz des folgenden Zitats ebenfalls unzulässig sein:
Zitat aus dem o.g. Beschluss:
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist eine Angabe des GdB – oder etwa die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises – auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Die im SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Bestimmungen haben zum Ziel, die Teilhabechancen dieser Menschen am Arbeitsleben zu verbessern (vgl. etwa Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 1). So sollen schwerbehinderte Bewerber/innen beispielsweise durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen und damit einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Darüber hinaus stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (vgl. BAG 25. Juni 2020 – 8 AZR 75/19 – Rn. 38 mwN). Die Erreichung dieser Ziele würde erschwert, wenn es für eine ausreichende Mitteilung der Schwerbehinderung auch erforderlich wäre, den GdB mitzuteilen. Insoweit stünde zu befürchten, dass insbesondere Menschen mit einem sehr hohen GdB, die im Arbeitsleben besonderen Vorbehalten ausgesetzt sein können, von vornherein davon absehen, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen mit der Folge, dass die zu ihren Gunsten bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers erst gar nicht ausgelöst würden. Sofern der Arbeitgeber im Einzelfall zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten nachkommt, beispielsweise einen Bewerber zu dem in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF vorgesehenen Vorstellungsgespräch einlädt, obgleich er hierzu nicht verpflichtet ist, weil der Bewerber tatsächlich nicht schwerbehindert ist, ist das nach dem Sinn und Zweck der zugunsten der schwerbehinderten Menschen getroffenen Bestimmungen hinzunehmen.
Zum Thema Mitwirkungspflicht: Diese besteht nicht bezüglich des Bewerberverfahrensanspruchs. Sie hat vielmehr den Zweck, nach der grundsätzlichen Auswahlentscheidung die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers zu flankieren. Das kann die Beantragung eines Zuschusses, die Beantragung von Hilfsmitteln etc. aber auch die Anrechnung auf die Pflichtquote sein. Dieser Mitwirkungspflicht kann der Bewerber dadurch nachkommen, dass er direkt gegenüber den zuständigen Stellen seine Schwerbehinderung nachweist. Also selbst hier muss er dem Arbeitgeber nicht zwingend irgendwelche Unterlagen mit Bezug auf seine Behinderung vorlegen.
--- End quote ---
Genau so isses!
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