Da die Beamtenalimentation keinen Stundenlohn innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit als Folge dessen, was ich vorhin geschrieben habe, kennt, kann der allgemeine gesetzliche Mindestlohn, der einen Bruttostundenlohn festlegt, keine Rolle spielen.
Das regelt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ganz einfach.
Man nehme seinen Grundgehalt und teile es durch die Anzahl der Stunden=Stundenlohn.
Aber wie du sagst, spielt das Mindestlohn für uns erstmal keine Wirkung, der Gesetzgeber kann aber sehr wohl in Erklärungsnot kommen, wenn er seine eigenen Beamten, nach seiner eigenen Berechnung des Stundenlohns plötzlich unterhalb des Mindestlohns alimentiert.
Das würde ich auch so sehen, Alexander, wenn der Gesetzgeber bzw. die Gesetzgeber insgesamt sich in irgendeiner Weise in einer Not sehen würde(n). Das ist aber bislang nirgends wirklich der Fall. Nicht umsonst hat keiner der Besoldungsgesetzgeber irgendein Problem damit, dass in allen Rechtskreisen eine nicht unerhebliche Zahl der Beamten offensichtlich unterhalb der Mindestalimentation bzw. in einer ebenfalls nicht unerheblichen Zahl in der überwiegenden Anzahl der Rechtskreise offensichtlich noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert werden, soll heißen: Es gibt ein präzise vom Bundesverfassungsgericht ausgearbeitetes "Pflichtenheft" zur Kontrolle der amtsangemessenen Alimentation, das zu erfüllen die Besoldungsgesetzgeber gebunden sind, so wie sie sich ebenfalls an die rechtskräftige Entscheidung der Dritten Gewalt gebunden sehen. In (Erklärungs-)Not würden sie nach den bisherigen Erfahrungen der letzten fünf bis zehn Jahre nur geraten, wenn man sie über die Rechtsprechung und juristische Fachöffentlichkeit hinaus zur Erklärung zwingen würde, also durch die Macht der vierten Gewalt.
Darüber hinaus würden sie, wenn man sie auf die Rechtslage des Mindestlohn festnageln wollte, das, was ich gestern als im Rahmen des Dienstrechts geltend geschrieben habe, nutzen, um sachlich berechtigt darauf hinzuweisen, dass der Mindestlohn im Rahmen der Besonderheiten des Dienstrechts keine Rolle spiele, dass aber der Beamte ja eine unkündbare Beschäftigung und - nun endete die Sachlichkeit - viele, viele andere Vorteile und Privilegien genießen würde, weshalb er - auch selbst dann, wenn seine Besoldung den im Rahmen des Dienstrechts unerheblichen Mindestlohn unterschreiten würde - geradezu fürstlich alimentiert werden würde, um so an das allenthalben in nicht geringen Teilen der Gesellschaft und Medien vorhandene Ressentiment des mit Privilegien überschütteten Beamten anzuknüpfen. Die Not haben bislang weiterhin vor allem nicht geringe Teile der Beamten - wenn wir von Not sprechen und sie im wahrsten Sinne des Begriffs begreifen, vor allem Beamte mit Kindern in unteren Besoldungsgruppen -, nicht aber die Besoldungsgesetzgeber.
Wir dürfen davon ausgehen, dass kluge Köpfe im Bundesverfassungsgericht - nämlich neben den Berichterstattern ebenfalls deren Wissenschaftliche Mitarbeiter - an einer Rechtsprechung arbeiten, die die Besoldungsgesetzgeber zwar nicht in Not geraten, jedoch die Notwendigkeit einer sachgerechten Alimentation einsehen lassen soll, da davon auszugehen ist, dass nur dann eine Rückkehr zu eine amtsangemessenen Alimentation geschehen wird - dabei dürfte in Rechnung zu stellen sein, dass diese verfassungsrechtliche Notwendigkeit, also dem Beamtentum entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren, sehr teuer werden wird und sich der Zweite Senat nicht auf das verlassen kann, was ich als notwendige Bedingung für eine Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation ansehe: nämlich dass die Medien jene Rechtsprechung hinreichend durchdringen und goutieren würden.
So verstanden sieht sich der Zweite Senat offensichtlich zunehmend in Erklärungsnot, wie die Entscheidung vom Dezember 2023 gezeigt hat, und dürfte es augenscheinlich für ihn nun nicht zuletzt darum gehen - das würde allerdings vonseiten des Bundesverfassungsgericht
so niemand öffentlich formulieren (jedenfalls keiner der aktiven BvR) -, nun den Spieß umzudrehen, also die Besoldungsgesetzgeber in Erklärungsnot zu bringen. Da aber "Erklärungsnot" - anders als die Pflicht zur sachgerechten Begründung - keine Rechtskategorie ist, ist das kein ganz einfaches Unterfangen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Senat kann letztlich nur mit den Mitteln des Rechts darauf hinarbeiten, dass die Besoldungsgesetzgeber dieses wieder respektieren; jene Besoldungsgesetzgeber zeigen aber offensichtlich konzertiert, dass sie daran kein Interesse haben. Das wird der Hauptgrund dafür sein, dass wir seit 2022 keine weitere der seitdem angekündigten Entscheidungen vorfinden: Denn die Aufgabe ist schwierig und muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vom Senat vollzogen werden. Andere Erklärungsversuche sind - insbesondere wenn sie spezifisch sind und ähnlich wie das besoldungsrechtliche Reden großer Teile der Politik ebenfalls an Ressentiments anknüpfen, also den handelsüblichen Populismus bedienen - zwar attraktiv, haben aber in der Regel weitgehend bis ausschließlich keinen sachlichen Grund.
Die in diesem Beitrag angerissenen Schwierigkeiten für die Rechtsprechung kann man allerdings nur je klarer ermessen, je tiefgehender man sich in der sachlichen Materie auskennt. Das wird hier nicht jeder unterschreiben (wollen). Aber genauso ist es, sage ich als jemand, der sich ganz vernünftig (das hoffe ich zumindest) im Thema auskennt und deshalb im Rahmen seiner eigenen kleinen Welt zumeist Vernunft walten lassen will.