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Vaterschaftsurlaub
Warzenharry:
Guten Morgen zusammen,
der TE hat nicht unrecht.
Es handelt sich um eine EU-Richtlinie, die umzusetzen ist.
Das Problem, wie hier beschrieben ist jedoch, dass die BReg meint, es mit bisherigen Mitteln bereits umgesetzt zu haben.
Dem ist jedoch NICHT so.
Als ich 2018-2021 im Studium war, war genau das Thema.
Nach Ansicht unserer Professoren, welche auch ich vertrete, besteht ein erheblicher Unterschied darin, ob ich 10 Tage SU ab Geburt des Kindes habe, oder ob ich in Elternzeit gehe.
Letzteres führt unweigerlich zu Gehaltseinbußen, da für die gewählte Zeit keine Besoldung, sondern Elterngeld gezahlt wird. Dies ist um einiges weniger, als wenn ich SU mit vollen Bezügen habe.
Auch die Beantragung ist umfänglicher.
Während des Studiums war die Rechtslage noch diffiziler, da hier sogar ein Mindestdauer der zu nehmenden Elternzeit bestand.
VG
danbir:
Insofern das Thema in diesem Jahr auch mich betreffen wird, bin ich im Nachgang froh, hierzu 2021 meine letzte Klausur im Rahmen des Vorbereitungsdienstes gD geschrieben zu haben. Ich kann der Ansicht von Warzenharry daher nur zustimmen und möchte (den Ausgangspost ein wenig verkürzend) ergänzen:
Strittig könnte zunächst sein, ob sich die in Rede stehende Richtlinie auch auf Beamte erstreckt. Der EUGH hat hierfür jedoch den sog. "unionalen Arbeitnehmerbegriff" geschaffen und dabei insbesondere betont, dass die Art des Beschäftigungsverhältnisses (privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich) hierbei keine Rolle spielt. Beamte sind also erfasst. Richtig ist, dass grundsätzlich nur Verordnungen der EU unmittelbar anwendbar sind. Für eine Richtlinie kann das im Ausnahmefall jedoch auch gelten, wenn kein horizontales Rechtsverhältnis vorliegt (hier der Fall, da Beamter), sie hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt ist (ja, da eindeutige Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Tun oder Unterlassen sowie kein Vorbehalt bzw. keine Bedingung), die Umsetzungsfrist abgelaufen ist (ja, schon seit dem 03.08.2022) und der deutsche Gesetzgeber sie nicht bzw. fehlerhaft umgesetzt hat (ja, da 10 Tage Vaterschaftsurlaub mit voller Bezahlung > 10 Tage Elternzeit mit nur anteiliger Bezahlung).
Fazit: M.E. hast du einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub in Höhe von 10 Tagen Vaterschaftsurlaub in Abhängigkeit davon, wann die Geburt deines zweiten Kindes war. Schließlich muss dieser "anlässlich der Geburt zum Zwecke der Betreuung und Pflege" genommen werden.
Ich werde jedenfalls in meinem Fall ebenfalls einen entsprechenden Antrag einreichen und auch den Weg einer Klage nicht scheuen. Dies ist (wenn auch nicht im gleichen Ausmaß) neben dem Thema "Alimentation" erneut ein Fall, wo der Dienstherr nicht korrekt handelt. Ich halte es für nicht angemessen, dies stillschweigend hinzunehmen, um nicht als jemand zu gelten, der "einfach nur 10 Tage SU abstauben will". Von einem Beamten wird ein korrektes Verhalten erwartet und hieran muss sich der Dienstherr auch messen lassen.
danbir:
--- Zitat von: Bibliothekar am 15.02.2024 14:17 ---Die einzig interessante Frage ist, warum du die bestehenden Instrumente nicht nutzen willst (Elternzeit, Urlaub), dir aber überlegst dir die Mühe einer Klage zu machen.
--- End quote ---
Weil er einen Anspruch darauf hat!
Um es mal besonders plakativ zu machen: Kein Beamter würde (hoffentlich) Pfand sammeln, um über die Runden zu kommen, wenn der Dienstherr ihn einfach nicht bezahlt, sondern klagen. Weil auch hier ein Anspruch besteht.
Alexander79:
--- Zitat von: danbir am 16.02.2024 22:37 ---Für eine Richtlinie kann das im Ausnahmefall jedoch auch gelten, wenn kein horizontales Rechtsverhältnis vorliegt (hier der Fall, da Beamter),
--- End quote ---
Kannst du dafür mal eine Quelle benennen?
Achja und nein, Wikipedia ist für mich keine Quelle.
Selbst auf den EU Seiten steht eigentlich nur die Möglichkeit das die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet und anschließend vor dem EuGH gegen das Land klagt.
Das die Richtlinie dennoch gelten soll, finde ich nirgends, außer eben auf Wiki.
danbir:
Klar!
Eine Richtlinie kann aufgrund Art. 288 III AEUV nicht in einem horizontalen Gewaltverhältnis gelten, da Richtlinien nur den Staat unmittelbar binden: "Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel." Siehe dazu u.a. die Rechtssache Mashall (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:61984CJ0152). Eine umittelbare Anwendung in einem horizontalen Gewaltverhältnis würde einen Einzelnen also mit den Folgen einer fehlerhaften Umsetzung der Richtlinie belasten, obwohl ihm der Verstoß nicht vorgeworfen werden kann, da der Staat für die Umsetzung verantwortlich ist.
Anders im vertikalen Gewaltverhältnis: "Einzelpersonen [können sich] in einem Gerichtsverfahren vor nationalen Gerichten gegen einen Mitgliedstaat auf die Richtlinie berufen" (Quelle u.a.: https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/european-union-directives.html und mein Studium, siehe unten). Hier wird auch ein Fall dazu genannt (Rechtssache van Duyn). Dieser ist zwar "etwas" älter (1974), stützt aber auch meine Behauptung. Im Urteil heißt es u.a.: "MIT DER DEN RICHTLINIEN DURCH ARTIKEL 189 ZUERKANNTEN VERBINDLICHEN WIRKUNG WÄRE ES UNVEREINBAR, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS BETROFFENE PERSONEN SICH AUF DIE DURCH DIE RICHTLINIE AUFERLEGTE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN . INSBESONDERE IN DEN FÄLLEN, IN DENEN ETWA DIE GEMEINSCHAFTSBEHÖRDEN DIE MITGLIEDSTAATEN DURCH RICHTLINIE ZU EINEM BESTIMMTEN VERHALTEN VERPFLICHTEN, WÜRDE DIE NÜTZLICHE WIRKUNG ( " EFFET UTILE " ) EINER SOLCHEN MASSNAHME ABGESCHWÄCHT, WENN DIE EINZELNEN SICH VOR GERICHT HIERAUF NICHT BERUFEN UND DIE STAATLICHEN GERICHTE SIE NICHT ALS BESTANDTEIL DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BERÜCKSICHTIGEN KÖNNTEN" (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A61974CJ0041#MO).
Der Beamte (entweder der Threadersteller oder ich, wenn bis August keine Umsetzung erfolgt ist) richtet sich vorliegend konkret gegen den Bund als Dienstherrn und somit gegen einen Mitgliedstaat.
Gelehrt wurde das Thema in meinem Falle übrigens nicht von Wikipedia... ;D Vielmehr von: https://www.hsbund.de/SharedDocs/Personen/1_Dozenten/Dozenten_AIV/Greif.html
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