Zu den Beamten: Dann wird es noch makaberer, wenn die ihre 37 % bekommen und uns wird gesagt, 8 % sind dreist. Nelson hat die Diskussion aber glaube ich noch etwas intensiver verfolgt als ich; ich steige da auch nicht durch mit den ganzen Zuschlägen für Miete, Wohnraum, Gegend, etc. etc.
Grundlegend war es früher wohl mal so, dass sie recht wenig verdient haben, dafür eine hohe Pension erhalten haben. Wenn man heute die Nettogehälter von Tarifbeschäftigten und Beamten vergleicht, passt das aber nicht mehr. Die Beamten beschweren sich im Übrigen auch über das zu hohe Bürgergeld bzw. leiten daraus ab, dass sie wesentlich mehr verdienen müssen. Also warum sollte man das als Tarifbeschäftigter nicht dürfen; die verrichtete Arbeit ist die gleiche, also sollten auch passable Erhöhungen drinsein.
Es ist gar nicht so kompliziert.
- Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen (u.a. 2012, 2015, 2017 und 2020) verschiedene Bedingungen für die Beamtenbesoldung konkretisiert.
- Eine dieser Bedingungen lautet, dass eine vierköpfige Beamtenfamilie netto mindestens 15% mehr als eine vierköpfige Bürgergeldfamilie bekommen muss.
- Der entsprechende Grundsicherungsbedarf beträgt aktuell bis zu 3.860 €, also hat eine vierköpfige Beamtenfamilie im Bund einen Anspruch auf mindestens 4.440 € Nettoalimentation (inklusive 500 € Kindergeld).
- Dieser verfassungsrechtliche Anspruch wird zurzeit weder im Bund noch in den Ländern auch nur annähernd erfüllt.
- Manche Bundesländer (NRW, etc.) haben versucht, die Bedingung mit exorbitanten Kinderzuschlägen zu erfüllen. Dies widerspricht jedoch aus diversen Gründen (Stichwort Leistungsprinzip, Ämterwertigkeit, etc.) den Vorgaben aus Karlsruhe.
- Andere haben erste Schritte in die richtige Richtung unternommen. So wurde z.B. das monatliche A15 Endstufen-Grundgehalt in Sachsen von 7.280 € (Dez 2023) auf 8.380 € (Feb 2025) sowie in Hessen von 7.270 € (Jul 2023) auf 8.440 € (Aug 2025) angehoben.
- Insgesamt besteht die einzige Lösung zur Rückkehr zu einer verfassungsgemäßen Besoldung in einer signifikanten Anhebung aller leistungsbezogenen Grundgehälter, flankiert von in der Höhe begrenzten leistungslosen Zuschlägen, beispielsweise für Kinder oder auch den Wohn/Dienstort.
Die Besoldungsgesetzgeber wehren sich jedoch mit Händen und Füßen gegen die verfassungsrechtlich geschuldete Anhebung der (Grund-)Gehälter. Somit stellt sich aus Beamtensicht die aktuelle Lage wie folgt dar:
1.) Es besteht berechtigte Hoffnung, dass das BVerfG demnächst eine weitere Entscheidung trifft, die hoffentlich die Gesetzgeber "an den Ohren zieht" und sie zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zwingt.
2.) Es besteht die Möglichkeit, gegen die Besoldung zu klagen. Einige von uns Beamten haben dies bereits in die Wege geleitet. Allerdings wird es vermutlich einige Jahre dauern, bis wir unsere rechtmäßigen Nachzahlungen erhalten werden.
Euch Tarifangestellten ist damit natürlich erstmal nicht geholfen. Allerdings würde ich persönlich davon ausgehen, dass sich im Anschluss an die Anhebung der Besoldungen auch bei euch "etwas tun" wird (was ich euch explizit wünschen würde), um die Friktionen zwischen den beiden Gruppen nicht zu groß werden zu lassen..
Vielen Dank für deine Erläuterungen
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Mal eine ganz "Plumpe" Frage. Waren die Besoldungen denn irgendwann mal überhaupt verfassungskonform?
Und wie kommt es, dass mittlerweile solche krassen Abstände dann bestehen?
Liegt es daran, dass die Gehälter zu wenig gestiegen sind (in der Regel werden diese ja (ggf. mit 0,2 % Abzug) auf die Beamten übertragen) oder sind die allgemeinen Lebenskosten - und damit die Bezüge der Sozialhilfeempfänger zu viel mehr angestiegen?
Ich frage mich halt, warum da plötzlich so eine wahnsinnige Differenz existiert - oder ob das schon immer so ist, dass die Besoldung nicht verfassunsgsgemäß war?
Deine Frage ist absolut berechtigt. Zur vollumfänglichen Beantwortung weiß ich selbst leider auch zu wenig. Trotzdem hier mal ein paar kurze Punkte, wie sich die Lage aus meiner Sicht darstellt:
- Ursprünglich hatten die Besoldungsgesetzgeber einen sehr weiten Spielraum bezüglich der Beamtenbesoldung.
- Allerdings haben sie diesen "früher" auch nicht in unangemessener Weise ausgenutzt, sondern stattdessen eine einigermaßen "faire" Besoldung gewährt.
- So würde ich z.B. vermuten, dass vor 30 oder 40 Jahren die Besoldung von qualifizierten Juristen, Ökonomen, IT-Experten (sofern es diese damals schon gab ;-), etc. deutlich konkurrenzfähiger im Vergleich zur Privatwirtschaft war als heute.
- Somit gab es vermutlich auch nicht allzu viele Klagen, und wenn, hat das BVerfG tendenziell den genannten weiten Spielraum hervorgehoben.
- In gewisser Weise "gekippt" ist das ganze System dann in den Nullerjahren.
- Es gab mehrere Jahre ohne jegliche Besoldungserhöhungen, die Arbeitszeit wurde im Bund "temporär" von 39 auf 41 Stunden angehoben, usw. usf.
- Also haben anschließend deutlich mehr Beamten geklagt.
- Das BVerfG hat sich die Klagen angeschaut, nachgedacht und in der Folge schrittweise einen "Paradigmenwechsel" vorgenommen, indem den Besoldungsgesetzgebern immer mehr und immer konkretere "Leitplanken" vorgegeben wurden.
- Eine diese Leitplanken war beispielsweise die bekannte Entscheidung, dass eine vierköpfige Beamtenfamilie mindestens 115% einer vierköpfigen Grundsicherungsfamilie bekommen muss.
- Die bisher letzte dieser BVerfG-Entscheidungen gab es im Jahr 2020.
- Statt sich jedoch daran zu halten und zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren, haben viele Bundesländer das exakte Gegenteil gemacht und sich quasi einen Überbietungswettbewerb geliefert, wer die Vorgaben aus Karlsruhe am "schlauesten" umgehen kann (absurde Zuschlagsorigen, Berücksichtigung des Partnereinkommens, Abschmelzbeträge, Zuschläge auf Zuschläge, etc.).
- Ein wenig ausnehmen aus dieser Generalkritik möchte ich explizit Sachsen und Hessen, die sich als Einäugige unter den Blinden erwiesen haben, indem sie beispielsweise kürzlich ALLE Grundbesoldungen um 15,1% bzw. 16,0% angehoben haben.
- Daher ist meine Hoffnung, dass das BVerfG mittlerweile richtig "schlechte Laune" bezüglich der genannten Maßnahmen der Besoldungsgesetzgeber hat und entsprechend in der nächsten Entscheidung (die hoffentlich bald erfolgt) den "großen Hammer" rausholt.
Somit als Fazit-Antwort auf deine Frage: Vor 30 oder 40 Jahren war die Besoldung mutmaßlich verfassungsgemäß, zum einen weil sie (beispielsweise im Vergleich zur Privatwirtschaft) "besser" war als heute, zum anderen, weil es die heutigen Parameter zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit damals noch gar nicht gab.