Ich habe heute leider eine Absage bekommen – so, wie ich es geahnt habe.
Ich habe mittlerweile ziemlich gute Menschenkenntnisse sowie eine fundierte sprachwissenschaftliche und pädagogische Ausbildung. Oft kann ich die Absichten und Hintergedanken hinter bestimmten rhetorischen Mitteln und der Wortwahl gut erkennen. Das Gespräch fühlte sich wirklich an wie: „Das Theaterspiel ist zu Ende – und tschüss.“
Die Person, die die Stelle bekommen hat, kommt zufälligerweise aus der Stadt, die für diese Position die Ansprechpartnerin war. Was für ein Zufall! (!)
In früheren Bewerbungen an Volkshochschulen habe ich einen Fragebogen erhalten, auf dem die Fragen klar und detailliert formuliert waren, jeder Bewerber hat die gleichen Fragen bekommen. Hier war das nicht der Fall. Im Gespräch hatte ich mehrmals das Gefühl, dass eine bestimmte Person die Fragen bewusst irreführend formulierte, um meine Antwort zu manipulieren.
Beispielsweise wurde ich zunächst gefragt, wie ich die Studierenden motiviere, regelmäßig zum Unterricht zu erscheinen. Das hat etwas mit langfristiger Zielsetzung und Motivation zu tun, und dazu habe ich meine Antwort gegeben. Daraufhin schüttelte der Dekan den Kopf und sagte: „Wenn sie im Unterricht erscheinen, heißt das aber nicht, dass sie mitmachen und lernen.“ Doch wie man die Anwesenden im Unterricht aktiviert zu lernen, ist eine völlig andere pädagogische Frage und stark situationsabhängig – sie hat mit der ursprünglichen Frage nicht unbedingt etwas zu tun. Das gesamte Gremium lachte über die Bemerkung des Dekans, schüttelte ebenfalls die Köpfe und machte fleißig Notizen – höchstwahrscheinlich, um festzuhalten, dass ich die Frage zu Motivation nicht ausreichend beantwortet hätte.
Bei zwei drei Fragen hatte ich auch das Gefühl, dass es egal war, was ich sagte – wenn ich „weiß“ gesagt hätte, hätten sie „Warum nicht schwarz?“ gefragt, und wenn ich „schwarz“ gesagt hätte, hätten sie „Warum nicht weiß?“ gesagt.
Ich komme ursprünglich aus einem Land, das in Deutschland weitgehend einen schlechten Ruf für fragwürdige Vorgehensweisen in staatlichen Institutionen hat. Dort läuft es oft so: „Ich kenne jemanden für die Position, den können wir nehmen“ – und man steht auch dazu, dass es so abläuft. In Deutschland tut man hingegen so, als ob alles gerecht und reibungslos läuft, doch faktisch ist es in vielen Fällen nicht viel anders – vor allem im universitären Bereich.
Mit einem wichtigen Unterschied: Hier werden komplexe bürokratische Wege geschaffen, sodass alles auf dem Papier legitimiert wird. Ich kenne mindestens drei Menschen im höheren Dienst, eine davon sogar in einer E15 Leitungsposition, persönlich sehr gut. Alle wussten bereits vorher, dass sie die Stelle bekommen würden. Erst wurden sie "empfohlen" und nach einer inoffiziellen Absprache mit einem Insider wurde die Stelle dann ausgeschrieben. Danach wurde das gesamte Auswahlverfahren – von der Ausschreibung bis zur Entscheidung – wie oben beschrieben durchgespielt, in einer Art und Weise, dass nur diese Person bis zum letzten Detail alles richtig macht und kein anderer die ganze Prozedur bis zum Ende ohne Punktabzug schafft. Die ahnungslosen Bewerber wurden ausgenutzt, damit gerichtsfeste Protokolle erstellt werden und und ein "legitimes" Verfahren durchgeführt wird.
Nur wenige Menschen möchten es wahrhaben, aber in Deutschland gibt es viele institutionelle Wege, um Menschen legal zu diskriminieren und ungerecht zu behandeln. Bestenauslese hin oder her – meine bisherigen Erfahrungen und Beobachtungen im öffentlichen Dienst haben mir mehrfach gezeigt, dass begehrte Stellen oft bereits vergeben sind, bevor sie überhaupt ausgeschrieben werden. Ausnahmen kann es natürlich geben.