aber durch die vor kurzen eingeführte Beweislastumkehr, muss der Beamte beweisen, dass er verfassungstreu ist.
Spooky.
Kannst du das näher erläutern, das ist mir neu.
„Wir wollen insbesondere im Disziplinarrecht und wahrscheinlich auch
im Beamtenrecht (...) eine Möglichkeit schaffen, die Beweislast umzu-
kehren.“ Diese Aussage der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
zur Verfassungstreue von Staatsdienern stammt aus der Regierungs-
befragung vom 16.3.2022. Sie war Bestandteil der Antwort auf eine
Frage des Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann (SPD). Dieser
hatte sich angelegentlich nach Faesers „Aktions plan zur Entfernung von
Rechtsextremisten aus den Kreisen der Sicherheitsbehörden“ erkun-
digt und seiner Parteigenossin damit, dezent lächelnd, das dringend
benötigte Stichwort geliefert, um das Thema Beweislastumkehr in den
parlamentarischen Prozess einzuführen. Ein Thema, das sie laut eige-
nem Bekunden „schon seit Langem umtreibt“, konnte nun erstmals auf
dem Humus der Scheinlogik erste zarte Wurzeln schlagen.
Dass die Implementierung doppelter Standards in das Rechtssys -
tem in vollem Gange ist, lässt sich schon seit einigen Jahren konstatie -
ren und wurde im Rahmen dieser Kolumne auch schon mehrfach the-
matisiert. Die nun durch Frau Faeser zelebrierte Nonchalance, mit der
sie die größten Errungenschaften des modernen Rechtsstaats über
Bord zu fegen gedenkt, hat jedoch eine neue Qualität.
Da im März niemand Frau Faeser Einhalt gebot, nahm sie neun Mo -
nate später einen neuen Anlauf, diesmal am 7.12. in der ARD-Sendung
Maischberger. So habe im öffentlichen Dienst nichts zu suchen, wer
beispielsweise „Umsturzfantasien“ hege. Man müsse dann „die Mög-
lichkeit haben, jemanden auch schnell rauszubekommen“. Sie plane die
Umstellung des Disziplinarrechts, „dass man mittels eines Verwaltungs -
akts jemanden aus dem öffentlichen Dienst entfernt und dann eben
auch ihm die Beweislast überlassen muss, zu sagen, ich bin aber an-
ständig und habe mir nichts zuschulden kommen lassen."
Nach zahlreichen Beschwerden in den sozialen Netzwerken er-
folgte das Dementi bereits vier Tage später in der ARD-Sendung Anne
Will, wo Faeser darauf abstellte, sich „etwas umgangssprachlich“ aus -
gedrückt zu haben, und erklärte: „Nein, ich will nicht die Beweislast
umkehren.“ Dass das Ersetzen regulärer Verwaltungsgerichtsverfah-
ren durch einfache Verwaltungsakte eben genau eine Beweislastum-
kehr bedeutet, dürfte der vom folgenden Wortschwall erschlagene
Zuschauer dann schon gar nicht mehr mitbekommen haben. Noch
weniger klar wurde, wie lange die nicht beabsichtigte Beweislastum-
kehr die Innenministerin tatsächlich schon umtreibt. Wie es sonst
noch in ihr denkt, stimmt ebenfalls misstrauisch. So legte ihr Haus
kürzlich ein Positionspapier zur anlasslosen und massenhaften Über-
wachung von E-Mails und Chatrooms vor. Zurück bleibt der Eindruck
des verantwortungslosen Zündelns an den Grundlagen des Rechts-
staats. Wer derart bedenkenlos die Lunte durch die Talkshows trägt,
sollte zunächst die eigene Verfassungstreue auf einen strengen Prüf -
stand stellen. •
Dr. h.c. Gerhard Strate ist Rechtsanwalt in Hamburg und einer der renommierten
Strafverteidiger des Lande
und hier die offizielle Verlautbarung des BMI:
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/03/inkrafttreten-disziplinarrecht.html