Autor Thema: Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?  (Read 593 times)

Carme

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Hallo in die Runde,

folgende Frage beschäftigt mich aktuell:

Vor meiner Einstellung wurde mir vom Arbeitgeber eine Eingruppierung nach TV-L E 11, Stufe 1 formal zugesagt. Ich habe jedoch darum gebeten, meine zweijährige Werkstudententätigkeit – die inhaltlich in weiten Teilen dem jetzigen Aufgabenbereich entsprach, wenn auch mit weniger Verantwortung und bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt – auf eine mögliche Anrechenbarkeit im Sinne förderlicher Zeiten prüfen zu lassen.

Die Voraussetzungen der dringenden Personalgewinnung sowie ein besonderes Gewinnungsinteresse an meiner Person waren zweifelsfrei und nachweislich erfüllt.

Nun wurde mir mitgeteilt, dass das Landesverwaltungsamt studentische Tätigkeiten offenbar grundsätzlich nicht als förderliche Zeiten anerkennt. Das irritiert mich insofern, als eine Werkstudententätigkeit eine berufliche Tätigkeit darstellt, die dem Erwerb des Lebensunterhalts dient und nicht der akademischen Weiter- oder Ausbildung.

Weder im Tarifvertrag selbst noch in den Durchführungshinweisen der SenFin findet sich jedoch ein Hinweis darauf, dass studentische Beschäftigungsverhältnisse grundsätzlich von der Anerkennung förderlicher Zeiten ausgeschlossen wären. Dass solche Tätigkeiten nicht als einschlägige Berufserfahrung gelten, ist klar, und logisch – bei förderlichen Zeiten müsste jedoch aus meiner Sicht eine andere Bewertung gelten. Hier kommt es, sofern der Tatbestand erfüllt ist, der dem AG das Ermessen eröffnet, auf eine Nützlichkeit für die auszuübende Stelle im Sinne inhaltlicher und funktionaler Nähe an.

Mich interessiert daher eure fachkundige Einschätzung, gern auch mit direkten Verweisen auf die rechtlichen Grundlagen.

Herzlichen Dank!
C.

Wabi Sabi

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #1 am: 05.07.2025 15:54 »
Die Beschäftigung im Rahmen einer sog. Werkstudententätigkeit stellt ein - befristetes (zumeist) in Teilzeit ausgeübtes - Arbeitsverhältnis dar (mit sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten).

So unterfällt dieses Beschäftigungsverhältnis nebenbei bemerkt im Anwendungsbereich des TV-L (oder auch des TVöD) diesem Tarifregime (mit allen tarifvertraglichen Folgen, wie z. B. einer Eingruppierung aufgrund Tarifautomatik nach § 12 TV-L), da der Geltungsbereich nach dessen § 1 Abs. 1 eröffnet (insbesondere Vorliegen eines Arbeistverhältnisses als tatbestandliche Voraussetzung) und in den folgenden Absätzen nicht ausgenommen wurde (so z. B. bei studentischen oder wissenschaftlichen Hilfskräften).

Als solches kann diese Tätigkeit als Werkstudent daher dem Begriff der in einem Arbeitsverhältnis erworbenen einschlägigen Berufserfahrung (§ 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L) als auch dem Begriff der Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L unterfallen, wenn die dort genannten Voraussetzungen (insbesondere Einschlägigkeit der Berufserfahrung bzw. Förderlichkeit für die vorgesehene Tätigkeit) erfüllt sind.
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung ungemein!

MoinMoin

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #2 am: 05.07.2025 16:00 »
Das Problem ist, dass der AG die Meinung vertritt, dass ein Werksstudent keine beruflichen Tätigkeit ausübt.
Denn er ist ja noch Student und hat noch keine Ausbildung, hat also auch keinen Beruf und damit ist er dann auch nicht berufliche tätig und muss daher auch keine Abgaben für die Arbeitslosen-, Pflege- und Krankenversicherung
zahlen.

So wahrscheinlich deren Logik.
Die man nicht teilen muss.
Vielleicht haben sie doch ein Erbarmen, wenn man klarstellt, dass es keine studentische Hilfskrafttätigkeit war, sondern eine Tätigkeit im beruflichem Umfeld war.
Aber wenn sie nicht wollen, kann man sie nicht zwingen.
 
Alternative:
Dir und dein AG bliebe aber die Möglichkeit, das du eine Zulage von 1-2 Stufen via §16.5 bekommst.
Kommt dann monetär auf das gleiche Hinaus.

bzw. du könntest damit direkt das Entgelt der Stufe 3 beziehen (stets widerruflich, aber so what)
und als Sahnehaupt: Du könntest damit nach einem Jahr das Entgelt der Stufe 4 beziehen.
Muss der AG dich halt nur doll genug wollen....

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #3 am: 05.07.2025 17:11 »
Vielen Dank für die schnellen Rückmeldungen!

Zur weiteren Präzisierung meines Falles: Die studentische Tätigkeit wurde im Rahmen eines weiterbildenden Masterstudiengangs ausgeübt – also nach dem Erwerb eines berufsqualifizierenden Studienabschlusses (Bachelor), der die Zugangsvoraussetzung für meine derzeitige Tätigkeit bildet.

Im TV-L sowie in verschiedenen Durchführungshinweisen ist davon die Rede, dass „Ausbildungszeiten“ nicht als förderliche Zeiten im Sinne der Stufenzuordnung anerkannt werden. Aus meiner Sicht wurde jedoch keine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, sondern es wird pauschal jede Art studentischer Beschäftigung unter diesen Begriff subsumiert, offenbar in der Annahme, dass während eines Studiums keine "echte" berufliche Tätigkeit ausgeübt werden könne.

In meinem Fall handelte es sich um eine zweijährige, regelmäßig 20 Wochenstunden umfassende Tätigkeit bei einem Arbeitgeber, der weder organisatorisch noch inhaltlich mit der Universität verbunden war.

MoinMoin

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #4 am: 06.07.2025 09:18 »
Natürlich kann der AG diese Tätigkeiten als berufliche Tätigkeiten anerkennen, wenn du ihm das so schilderst.
Natürlich kannst du ihn nicht dazu zwingen, das zu tun.
Aber du kannst deinen AG klar machen, dass deine Voraussetzung für den Job ist, dass du in Stufe 2 bezahlt wirst, oder wenn du mehr mumm hast, fordere die Stufe 3 als Bezahlung.
Tariflich kann er das offensichtlich dir bezahlen, die Voraussetzungen dafür sind da.

Wenn der AG dich unter diesen Bedingungen nicht will, bleibt dir nur die Kröte zu schlucken oder sich einen AG suchen, mit dem man sich einig wird. Hast ja die Probezeit, in der sich der AG bei dir bewähren kann, vielleicht ist er dann so gnädig dir die Zulage zur 3 zu gewähren, weil er deinen Wert erkennt.

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #5 am: 06.07.2025 12:07 »
Es ist nicht der AG, der mir Probleme bereitet, denn der hatte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung bereits die Anerkennung der zwei Jahre als förderliche Zeit anerkannt.

Allerdings schritt das Berliner Landesverwaltungsamt, dem mein AG nachgeordnet ist, ein, mit der Begründung, das tatbestandliche Merkmal einer beruflichen Tätigkeit sei nicht erfüllt und somit auch nicht anerkennungsfähig im Sinne förderlicher Zeiten.

MoinMoin

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #6 am: 06.07.2025 12:33 »
Dein AG ist das Land Berlin, nicht deine spezielle Dienststelle.

Und wenn sich deine Dienststelle mit ihrem Anliegen und der schlüssigen Begründung nicht innerhalb der Strukturen des AGs durchsetzen kann, dann bleibt noch §16.5 oder der AG als ganzes will dich nicht zu den Konditionen die du willst und die Dienststelle hat dann mittelfristig das Problem, dass sie neu Ausschreiben dürfen.

Denn das es eine beruflichen Tätigkeit als ausgebildeter Bachelor war, hat deine Dienststelle hoffentlich dem Landesverwaltungsamt auch so in der Deutlichkeit dargelegt. Also das dieser Abschluss Zugangsvoraussetzung für die Tätigkeit war und du nur sozialversicherungstechnisch als Werkstudent gelaufen bist.
Liegt denen dein Arbeitsvertrag vor?

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #7 am: 06.07.2025 14:26 »
In diesem Fall handelt es sich bei meinem AG tatsächlich nicht um das Land Berlin, sondern um eine landesunmittelbare Stiftung öffentlichen Rechts, d. h. um eine eigenständige juristische Person. Zwar werden die Personalangelegenheiten im Rahmen des Tarifvollzugs über das Landesverwaltungsamt abgewickelt, jedoch verbleibt das Ermessen zur Anerkennung förderlicher Zeiten m. E. beim AG selbst.

Vor diesem Hintergrund betrachte ich den Eingriff des LVA in diese Entscheidung besonders kritisch, denn eine Substitution des arbeitgeberseitigen Ermessens durch eine eigene Einschätzung durch das LVA ist tarifrechtlich nicht vorgesehen, soweit mir bekannt. Die Rolle des LVA beschränkt sich auf eine Ermessenskontrolle, nicht auf eine eigene Ermessensausübung.

MoinMoin

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #8 am: 06.07.2025 16:48 »
Was hält die Stiftung dann davon ab der Empfehlung des LVAs nicht zu folgen und entsprechend einen Arbeitsvertrag auszustellen und zu unterschreiben in dem fixiert ist, dass du in der EG11 Stufe 2 eingestellt wirst?

Das LVA hat doch nur seine Rechtsmeinung geäußert und die Stiftung kann doch eine andere haben.

Und wenn da was m AV drin steht, dann ist es gültig, egal wie die tarifliche Auslegung ist.

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #9 am: 06.07.2025 18:05 »
Die Stiftung ist juristisch eigenständig, unterliegt jedoch beim Vollzug des Tarifrechts dem landeseinheitlichen Verfahren und ist insofern auf die Mitwirkung des LVA angewiesen. Sie kann eine Maßnahme wie die Anerkennung förderlicher Zeiten nicht einseitig umsetzen, wenn das LVA eine Umsetzung mit Verweis auf einen vermuteten Ermessensfehler verweigert, wie es hier der Fall ist.

Das LVA vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass das arbeitgeberseitige Ermessen gar nicht eröffnet sei, weil eine tatbestandliche Voraussetzung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L nicht erfüllt sei.

Erst wenn der tarifliche Tatbestand grundsätzlich als vollumfänglich erfüllt gilt, kann die Stiftung ihr tariflich zustehendes Ermessen ausüben. So mein Stand. Dieses Ermessen wäre dann auch gegen eine abweichende Rechtsauffassung des LVA durchsetzbar, sofern es ermessensfehlerfrei begründet ist.

Was kann ich also gegen die Blockade des LVA tun? Ich bin der Meinung, dass deren Auslegung rechtlich nicht adäquat begründet werden kann. Mein AG, die Stiftung, scheint damit aber überfordert.

McOldie

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #10 am: 06.07.2025 18:18 »
In einem TV-L Kommentar habeic folgendes gefunden:
Der Erwerb förderlicher Zeiten ist auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses möglich.
Die Vortätigkeit ist förderlich, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang zur auszuübenden Tätigkeit steht und die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen offenkundig von Nutzen sind

Hierbei handelt es sich um eine Ermessensenstscheidung des Arbeitgebers. Eine pauschale Aussage, dass die Tätigkeit als Werkstudent nicht berücksichtigungsfähig ist, könnte als Nichtausübung eines Ermessens sein und daher angreifbar sein

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #11 am: 06.07.2025 18:24 »
Vielen Dank McOldie. Nur: Es handelte sich ja nachweislich um ein Arbeitsverhältnis.

Meine Frage ist jetzt vielmehr: An wen kann ich mich wenden, wenn das LVA trotz Darlegung all dieser Tatsachen weiterhin blockiert? Was wäre der übliche Dienstweg in einer solchen Angelegenheit?

MoinMoin

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #12 am: 06.07.2025 19:34 »
Zum einen würde ich klar den Spieß hochdrehen und deiner Stiftung mitteilen, dass du erwartest die Stufe 3 via §16.5 zu bekommen.
Da gibt es dieses Spielchen wg. beruflich oder nicht berufliche Tätigkeit nicht und du bekommst auch noch mehr Geld.

Zum anderen sagt doch das LVA nur, das grundsätzlich ein Werkstudent nicht förderliche Zeiten erarbeiten kann, aber das bedeutet eben dass es auch ausnahmen gibt und die liegt bei dir vor:
Ein AV für jemanden mit fertiger Ausbildung.

Zum dritten kann dein AG einen kleinen feinen miesen Trick anwenden, wenn die LVA rumzickt!
Er stellt dich mit EG10 Stufe 1 ein und macht nach einer Woche eine Höhergruppierung zur EG11, dann bist du in der ersehnten Stufe 2.

Carme

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Antw:Werkstudententätigkeit als förderliche Zeit?
« Antwort #13 am: 06.07.2025 20:59 »
Zum dritten kann dein AG einen kleinen feinen miesen Trick anwenden, wenn die LVA rumzickt!
Er stellt dich mit EG10 Stufe 1 ein und macht nach einer Woche eine Höhergruppierung zur EG11, dann bist du in der ersehnten Stufe 2.

Ich glaube, diesen Trick werden sie nicht anwenden, aber danke für den Hinweis ;)

Ich sehe die Stufenvorweggewährung auch als alternative Möglichkeit. Dennoch bleibt für mich die grundsätzliche Frage bestehen, inwiefern ich mich gegen die Blockade des LVA zur Wehr setzen kann bzw. könnte. Das kann ja auch in anderen Zusammenhängen noch relevant werden.

Im Übrigen sind mir auch bereits andere, wenn auch anders gelagerte, Konfliktfälle zwischen der Stiftung und dem LVA bekannt geworden, in denen das LVA durch eine sehr eigenwillige Auslegung tarifrechtlicher Vorgaben aufgefallen ist.

Hier zeigt sich offenkundig eine Verwaltungspraxis, die eher von Verhinderung als von konstruktiver und verantwortungsvoller Unterstützung geprägt ist. Zudem entsteht der Eindruck einer gewissen Arroganz gegenüber den Anliegen der Beschäftigten, was ich für hochproblematisch halte.