Autor Thema: [TV-L] Tarifrunde der Länder  (Read 31742 times)

Knarfe1000

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #60 am: 21.11.2025 15:02 »
Ist es nicht in weiten Teilen unerheblich? Denn es müssen ja in Zukunft für die Erhöhung jähliche Werte wie Tariflohnindex, Nominallohnindex und Inflation herangezogen werden?
Bei Beamten ja.

MasterNoname89

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #61 am: 21.11.2025 17:05 »
Nach meinem Kenntnisstand erwächst der Anspruch auf amtsangemessene Alimentation aufgrund des Abstandsgebotes zur Grundsicherung, was durch das BVerfG mit 15 % definiert wurde. Diese 15% wurden zum Teil und insbesondere durch die Besoldung der Beamten der niedrigsten Besoldungsgruppen mit Familie unterschritten, weshalb die Besoldung als "verfassungswidrig" gilt.

Dass dadurch auch die höheren Besoldungsgruppen "profitieren" liegt am Abstandsgebot zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen, da man entsprechend seines Amtes angemessen zu alimentieren ist und somit eine A6 immer besser gestellt sein muss als A5, A7 als A6 usw. ...


Hinsichtlich Mindestlohn, Tarif- und Nominallohnindex ist mir bisher kein "Mindestabstand" bekannt und damit erzeugt dies keinen Anspruch auf Besoldungserhöhung. Oder wurde in dem neuen Urteil auch dazu Bezug genommen?
« Last Edit: 21.11.2025 17:16 von MasterNoname89 »

Lord of the Vast

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #62 am: 21.11.2025 19:08 »
Nach meinem Kenntnisstand erwächst der Anspruch auf amtsangemessene Alimentation aufgrund des Abstandsgebotes zur Grundsicherung, was durch das BVerfG mit 15 % definiert wurde. Diese 15% wurden zum Teil und insbesondere durch die Besoldung der Beamten der niedrigsten Besoldungsgruppen mit Familie unterschritten, weshalb die Besoldung als "verfassungswidrig" gilt.

Dass dadurch auch die höheren Besoldungsgruppen "profitieren" liegt am Abstandsgebot zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen, da man entsprechend seines Amtes angemessen zu alimentieren ist und somit eine A6 immer besser gestellt sein muss als A5, A7 als A6 usw. ...

Hinsichtlich Mindestlohn, Tarif- und Nominallohnindex ist mir bisher kein "Mindestabstand" bekannt und damit erzeugt dies keinen Anspruch auf Besoldungserhöhung. Oder wurde in dem neuen Urteil auch dazu Bezug genommen?

Die 15%-Rechtsprechung ist Geschichte.. es gibt jetzt eine ganz neue Prüfsystematik. Hier eine Zusammenfassung: https://grafkerssenbrock.com/bverfg-besoldung-der-berliner-landesbeamten-besoldungsordnung-a-im-zeitraum-2008-bis-2020-weit-ueberwiegend-verfassungswidrig

MasterNoname89

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #63 am: 21.11.2025 21:31 »
Nach dieser Übersicht (vielen Dank dafür) bin ich hin und hergerissen, ob das nun eine Verbesserung darstellt oder eher nicht?!

Das Medianäquivalenzeinkommen dürfte ja sicherlich irgendwo offiziell einsehbar sein. Die Werte die mir Google ausgespuckt hat empfinde ich als etwas niedrig, wenn man davon noch 20% abziehen muss ???

Weiterhin finde ich es fragwürdig, wenn dadurch regionale Unterschiede entstehen, die vermutlich nicht unerheblich ausfallen. Immerhin macht Beamter A in Bundesland XY das selbe wie Beamter B in WZ, allerdings sind die Einkommen in XY aufgrund Großindustrie usw. deutlich höher als in WZ was auch Auswirkungen auf den dortigen Median hat. Daraus resultiert, dass A erheblich besser gestellt wird als B, wobei B dieselben Risiken auf sich nehmen muss wie A z.B. Polizei, Feuerwehr, etc.

Wie verhält es sich dann mit den Bundesbeamten, die theoretisch sowohl in XY als auch in WZ beschäftigt werden können? Es wird ja nicht 16 Bundesbesoldungstabellen geben werden.

Hat jemand schon einmal Vergleichswerte für 80% Median und GS + 15% irgendwo ausgerechnet und aufgelistet?

ultranoob

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #64 am: 21.11.2025 22:27 »
Böswilliger Dienstherr hat es sehr schön runtergebrochen:

Ermittlung der Bezugsgröße, abgeleitet aus dem Beschluss des BVerfG.

Vorabprüfung: Mindesbesoldung (Prekaritätsschwelle)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/ls20250917_2bvl002017.html

Das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit einer Modellfamilie, um zu prüfen, ob das Gehalt eines Beamten verfassungsgemäß ist. 4-Personen-Haushalt mit zwei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen. Diese Konstellation ist bewusst gewählt, weil das klassische Leitbild des Besoldungsrechts war: Ein Beamter in der Eingangsstufe soll als Alleinverdiener eine vierköpfige Familie eigenständig amtsangemessen ernähren können.

-   Beamter (Alleinverdiener)
-   Ehepartner ohne eigenes Einkommen
-   1 Kind unter 14
-   1 Kind ab 14

Wie daraus die „Bezugsgröße“ entsteht (Äquivalenzskala):
https://de.wikipedia.org/wiki/OECD-Skala

Damit man Haushalte vergleichen kann, arbeitet man mit der modifizierten OECD-Äquivalenzskala. Die setzt jedem Haushaltsmitglied ein „Gewicht“ zu:

   •   1. erwachsene Person: 1,0
   •   jede weitere erwachsene Person oder Person ab 14: 0,5
   •   jedes Kind unter 14: 0,3

Für unsere 4-K-Beamtenfamilie heißt das:

   •   Beamter: 1,0
   •   Ehepartner: 0,5
   •   Kind unter 14: 0,3
   •   Kind ab 14: 0,5

Gesamtgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3

Wie die 80-%-Schwelle (Mindestniveau) berechnet wird
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9

Man nimmt das Median-Äquivalenzeinkommen pro Kopf aus der Statistik und multipliziert es mit 2,3, um das Median-Einkommen für genau diese Familienkonstellation zu bekommen.

1.   Aus dem Mikrozensus / den amtlichen Daten wird das → Median-Äquivalenzeinkommen pro Äquivalenzeinheit genommen.
2.   Dieses wird mit dem Faktor 2,3 multipliziert → ergibt das Median-Nettoeinkommen für eine Familie: Beamter + Partner + 1 Kind <14 + 1 Kind ≥14.
3.   Dann zieht Karlsruhe die Prekaritätsgrenze bei 80 % dieses Wertes: → Median (Familie) × 0,8 = Mindest-Nettoeinkommen

Das ist die unterste Grenze, unter der das Gehalt dieser Modellfamilie nicht mehr verfassungsgemäß ist.

Was auf der Beamtenseite gerechnet wird
Auf der anderen Seite wird berechnet, was bei dieser Beamtenfamilie tatsächlich unterm Strich ankommt:

Bruttogehalt (unterste Stufe der Besoldungsgruppe)
+ Familienzuschlag (Ehepartner + Kind <14 + Kind ≥14)
 – Steuern (Lohnsteuer, Soli, Kirche)
 – Beiträge für private Kranken- und Pflegeversicherung (AN Anteil PKV, PPV)
 + Kindergeld für 2 Kinder

Ergebnis: Nettoeinkommen der 4-K-Beamtenfamilie.

Dann wird verglichen:
Liegt dieses Netto mindestens bei 80 % des gesellschaftlichen Medianwerts (für so eine 4-K-Familie)? Wenn nein → Gebot der Mindestbesoldung verletzt → Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Gilt das auch für Single-Beamte?
Ja – aber nicht als eigene, getrennte Rechnung, sondern über das System:
-   Das Gericht prüft die unterste Besoldungsgruppe an der 4-K-Familie.
-   Wenn diese Modellfamilie unter die 80-%-Schwelle fällt, ist die Besoldung dieser gesamten Gruppe verfassungswidrig zu niedrig.
-   Wird korrigiert, profitieren alle in dieser Besoldungsgruppe – also auch der Single-Beamte.

(Ein Single hätte nach der Äquivalenzskala nur Gewicht 1,0 statt 2,3.)

Kurz:
•   Die Rechnerei läuft mit der 4-K-Familie (1 Kind <14, 1 Kind ≥14).
•   Das verfassungsrechtliche Schutzniveau, das Karlsruhe daraus ableitet, gilt für alle Beamten – auch für Singles.

Berechnungen:

Vorabprüfung Mindestbesoldung
((Äquivalenzfaktor für o.g. vierköpfige Familie: s = 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3))
((Median-Äquivalenzeinkommen für o.g. vierköpfige Familie:
M4P = M (Median) x s (Äquivalenzfaktor) = M x 2,3))
((Prekariatsschwelle 80%: 0,8 x M4P)) (Als Faktor: 0,8 * 2,3 = 1,84 * M)
((Jahresbruttobesoldung: Bnetto = Bbrutto – Steuern – KV/PPV + Kindergeld))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto <= Schwelle -> verfassungswidrig))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto >= Schwelle -> Fortschreibungsprüfung)) !!!
((Relative Anzeige Prekariatsschwelle: (Bnetto – Schwelle) / Schwelle * 100))

Die Fortschreibungsprüfung findet dann statt, wenn die Schwelle nicht unterschritten ist.

Fortschreibungsprüfung
Die Vorabprüfung mit der 4-K-Familie beantwortet nur eine „Unterkante“-Frage:
Reicht die Besoldung in diesem Jahr für eine typische Beamtenfamilie aus – ja oder nein? Die Fortschreibungsprüfung denkt weiter: Wie hat sich die Besoldung über die Jahre hinweg im Vergleich zur Umwelt entwickelt? Also: Nicht nur „springst du über die 80 %-Latte“, sondern auch:

-   Läufst du im Langstreckenlauf mit den Tarifbeschäftigten,
-   den Nominallöhnen insgesamt
-   und den Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisen) mit?
-   Bleiben Abstände zwischen Besoldungsgruppen gewahrt?

Dafür arbeitet Karlsruhe mit Indizes und vier Parametern:

(B) Besoldungsindex (Beamtenbesoldungsentwicklung)
(T) Tariflohnindex (TVöD/TV-L-Entgeltentwicklung)
(N) Nominallohnindex (Entwicklung der Löhne/Gehälter in der Gesamtwirtschaft)
(V) Verbraucherpreisindex (Entwicklung der Verbraucherpreise (Inflation))

T, N, V = Parameter 1-3 !

Damit man Entwicklungen über Jahrzehnte vergleichen kann, wird alles auf ein gemeinsames Basisjahr (1996) gesetzt. Grundidee Indexrechnung: Basisjahr 1996 wird auf 100 Punkte gesetzt. Wenn die Größe später steigt, steigt der Index; wenn sie fällt, fällt der Index.

Formel: Index = 100 x (Wert /Wert 1996) (Wert von heute in % im Vergleich zu 1996)

Bildung der Indizes:

Besoldungsindex
Jahresbruttobesoldung im Jahr (t):
(Grundgehalt (Endstufe) + allgemeine Zulagen (keine funktionszulagen)) / Jahresbruttobesoldung 1996 in dieser Gruppe * 100

Tariflohnindex
Jahresvergütung aus einer vergleichbaren TV-Gruppe (wieder Endstufe), formel wie bei Besoldungsindex.

Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex genauso, jeweils mit den gesamtwirtschaftlichen Preis-Daten aus der Statistik. Ergibt vier Kurven auf einer Zeitachse, alle bei „Basis 100“ startend.
Wie stark hinkt die Besoldung hinterher?

Beispielhaft Formeln:

Abweichung Tariflohn = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100
Abweichung Nominallohn = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100
Abweichung Verbraucherpreisindex = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100

1.   Differenz Bilden: Wie viele Indexpunkte liegt die Besoldung hinter dem Tariflohn zurück?
2.   Wie groß ist diese Lücke im Verhältnis zum Tarifindex?
3.   In Prozent ausdrücken.

Interpretation:

Positiver Wert: Besoldung < Vergleichsindex → Besoldung hinkt hinterher.
0 %: Besoldung entwickelt sich exakt wie Vergleichsindex.
Negativer Wert: Besoldung läuft besser als Vergleichsindex.

Die 5% Schwelle

Das Bundesverfassungsgericht zieht eine Toleranzgrenze: Wenn die Besoldung leicht hinterherläuft, ist das noch kein Verfassungsverstoß. Schwelle: Wenn die Besoldung mindestens 5 % hinter einer Vergleichsgröße zurückbleibt, gilt der Parameter als „gerissen“.

Rechnerisch:
Abweichung jeweils >= 5%

Dann sagt Karlsruhe sinngemäß:„Hier ist über einen langen Zeitraum systematisch zu wenig getan worden.“ Jeder dieser drei Fälle ist dann ein eigener Alarm-Parameter.

Abstandsgebot

Der vierte Parameter (Abstandsgebot) ist etwas „weicher“, aber inhaltlich klar: Bleiben die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen gewahrt? Rechnerisch prüfst du nicht mehr „Index vs. Index“, sondern: Wie groß ist z.B. das Grundgehaltsplus von A 9 zu A 10 im Jahr 1996? Und wie sieht derselbe Abstand 2010, 2015, 2020 aus? Wenn sich die Abstände deutlich verengen oder verdrehen (untere Gruppen holen fast auf, mittlere geraten unter Druck, obere werden „ausgedünnt“), kann das ein Verstoß gegen das Abstandsgebot sein.

Zusätzlich:
Wenn unten eine Besoldungsgruppe schon die Mindestbesoldung reißt,
aber oben nichts passiert, kann das mittelbar auch das Abstandsgebot verletzen,
weil die gesamte Struktur nach unten gedrückt wird. Das Gericht formuliert hierfür keine „5-%-Formel“, sondern nutzt dieses Kriterium bewertend als 4. Parameter.

Gesamtschau

Wenn du die vier Parameter geprüft hast, kommt die Entscheidungslogik:

Mindestens 2 Parameter gerissen
→ starke Vermutung für verfassungswidrige Unteralimentation in diesem Jahr / dieser BesGr.

0 Parameter gerissen
→ Vermutung, dass die Besoldung verfassungsgemäß ist.

Genau 1 Parameter gerissen
→ „Grauzone“ → Vertiefte wertende Prüfung (Haushaltslage, Attraktivität des Dienstes, Sonderzulagen etc.).

Damit verbindet Karlsruhe die rechnerische Seite (Indizes, 5-%-Grenze) mit einer juristischen Wertung.

Berechnungen: Fortschreibungsprüfung

Indizes:
((Besoldungsindex: B(t) = 100 * Besoldung(t) / Besoldung(1996)))
((Tariflohnindex: T(t) = 100 * Tariflohn(t) / Tariflohn(1996)))
((Nominallohnindex: N(t) = 100 * Nominallohn(t) / Nominallohn(1996)))
((Verbraucherpreisindex: V(t) = 100 * Verbraucherpreise(t) / Verbraucherpreise(1996)))

Abweichungen:
((Abweichung Tariflohn: Abw_T(t) = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100))
((Abweichung Nominallohn: Abw_N(t) = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100))
((Abweichung Verbraucherpreise: Abw_V(t) = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100))

5-%-Kriterium:
((Parameter 1 erfüllt: Abw_T(t) >= 5))
((Parameter 2 erfüllt: Abw_N(t) >= 5))
((Parameter 3 erfüllt: Abw_V(t) >= 5))

4. Parameter (Abstandsgebot):
((Parameter 4 erfüllt, wenn:
– Abstände zwischen BesGr im Zeitverlauf deutlich schrumpfen oder
– Mindestbesoldung in unteren Gruppen unterschritten wird und oben nichts nachgezogen wird))

Gesamtschau:
((Wenn mind. 2 Parameter erfüllt → Vermutung Unteralimentation))
((Wenn 0 Parameter erfüllt → Vermutung Verfassungsgemäßheit))
((Wenn genau 1 Parameter erfüllt → vertiefte wertende Prüfung))

DIESE AUFSTELLUNG IST NICHT ABSCHLIEßEND, HAT KEIN ANSPRUCH AUF RICHTIGKEIT UND UNTERLIEGT DER FORTLAUFENDEN KORREKTUR NACH HINWEISEN!!

LG

BÖSWILLIGER DIENSTHERR

Folgt man dem, ergibt sich für 2024 in NRW Folgendes:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 2,3 x 80 % = 3.956 Euro (netto!) für einen A5 Beamten in Steuerklasse 3

(Natürlich müsste noch PKV und Kindergeld gegengerechnet werden; wird der Einfachheit halber jedoch weggelassen.)

Aktuell liegt der Nettobetrag für einen Single-A5-Beamten in NRW bei hypothetischer Steuerklasse 3 bei knapp 2.900 Euro, also knapp 1.000 Euro unter den oben errechneten 3.956 Euro. (Wobei ich auch hier wieder die PKV nicht berücksichtigt habe.) Ein A5-Beamter mit Frau und zwei Kindern in Mietstufe 1 bekommt gegenwärtig netto knapp 3.400 raus, also auch noch 500 Euro weniger.
« Last Edit: 21.11.2025 22:35 von ultranoob »

Reisinger850

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #65 am: 22.11.2025 11:05 »
Hier bleibt die Frage, ob diese 500€ (angenommen auch für die letzten Jahre) für alle nachgezahlt werden oder ob in jener Besoldungsgruppe einfach mit den Nachzahlungen gestoppt wird, wo diese 80% erreicht werden.

Um das Abstandsgebot nicht zu verletzten, müssten in einer gerechten Beamtenwelt doch alle 500 netto monatlich nachgezahlt bekommen...die 500€ netto für A5 sind als Fehlbetrag doch durchaus realistisch.

MasterNoname89

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #66 am: 22.11.2025 11:08 »
Danke für die Übersicht.

Okay, also scheint die Besoldung rückwirkend betrachtet ja überall nicht amtsangemessen gewesen zu sein. Wenn man bedenkt, dass die 80 % des Medians für eine 4-Köpfige Familie herangezogen wird und dabei der Vergleich zum Beamten der niedrigsten Besoldungsgruppe stattfindet.

Zumindest komme ich bei einer groben Berechnung ohne PKV und Kindergeld in Sachsen in den letzten Jahren darauf, dass da ein Unterschied von mehreren hundert Euro vorliegt.

Da wird es ja spannend, auch in Bezug auf die aktuellen Haushalte länderübergreifend.

WikingerBrot

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #67 am: 22.11.2025 15:49 »
Böswilliger Dienstherr hat es sehr schön runtergebrochen:

Ermittlung der Bezugsgröße, abgeleitet aus dem Beschluss des BVerfG.

Vorabprüfung: Mindesbesoldung (Prekaritätsschwelle)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/ls20250917_2bvl002017.html

Das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit einer Modellfamilie, um zu prüfen, ob das Gehalt eines Beamten verfassungsgemäß ist. 4-Personen-Haushalt mit zwei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen. Diese Konstellation ist bewusst gewählt, weil das klassische Leitbild des Besoldungsrechts war: Ein Beamter in der Eingangsstufe soll als Alleinverdiener eine vierköpfige Familie eigenständig amtsangemessen ernähren können.

-   Beamter (Alleinverdiener)
-   Ehepartner ohne eigenes Einkommen
-   1 Kind unter 14
-   1 Kind ab 14

Wie daraus die „Bezugsgröße“ entsteht (Äquivalenzskala):
https://de.wikipedia.org/wiki/OECD-Skala

Damit man Haushalte vergleichen kann, arbeitet man mit der modifizierten OECD-Äquivalenzskala. Die setzt jedem Haushaltsmitglied ein „Gewicht“ zu:

   •   1. erwachsene Person: 1,0
   •   jede weitere erwachsene Person oder Person ab 14: 0,5
   •   jedes Kind unter 14: 0,3

Für unsere 4-K-Beamtenfamilie heißt das:

   •   Beamter: 1,0
   •   Ehepartner: 0,5
   •   Kind unter 14: 0,3
   •   Kind ab 14: 0,5

Gesamtgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3

Wie die 80-%-Schwelle (Mindestniveau) berechnet wird
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9

Man nimmt das Median-Äquivalenzeinkommen pro Kopf aus der Statistik und multipliziert es mit 2,3, um das Median-Einkommen für genau diese Familienkonstellation zu bekommen.

1.   Aus dem Mikrozensus / den amtlichen Daten wird das → Median-Äquivalenzeinkommen pro Äquivalenzeinheit genommen.
2.   Dieses wird mit dem Faktor 2,3 multipliziert → ergibt das Median-Nettoeinkommen für eine Familie: Beamter + Partner + 1 Kind <14 + 1 Kind ≥14.
3.   Dann zieht Karlsruhe die Prekaritätsgrenze bei 80 % dieses Wertes: → Median (Familie) × 0,8 = Mindest-Nettoeinkommen

Das ist die unterste Grenze, unter der das Gehalt dieser Modellfamilie nicht mehr verfassungsgemäß ist.

Was auf der Beamtenseite gerechnet wird
Auf der anderen Seite wird berechnet, was bei dieser Beamtenfamilie tatsächlich unterm Strich ankommt:

Bruttogehalt (unterste Stufe der Besoldungsgruppe)
+ Familienzuschlag (Ehepartner + Kind <14 + Kind ≥14)
 – Steuern (Lohnsteuer, Soli, Kirche)
 – Beiträge für private Kranken- und Pflegeversicherung (AN Anteil PKV, PPV)
 + Kindergeld für 2 Kinder

Ergebnis: Nettoeinkommen der 4-K-Beamtenfamilie.

Dann wird verglichen:
Liegt dieses Netto mindestens bei 80 % des gesellschaftlichen Medianwerts (für so eine 4-K-Familie)? Wenn nein → Gebot der Mindestbesoldung verletzt → Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Gilt das auch für Single-Beamte?
Ja – aber nicht als eigene, getrennte Rechnung, sondern über das System:
-   Das Gericht prüft die unterste Besoldungsgruppe an der 4-K-Familie.
-   Wenn diese Modellfamilie unter die 80-%-Schwelle fällt, ist die Besoldung dieser gesamten Gruppe verfassungswidrig zu niedrig.
-   Wird korrigiert, profitieren alle in dieser Besoldungsgruppe – also auch der Single-Beamte.

(Ein Single hätte nach der Äquivalenzskala nur Gewicht 1,0 statt 2,3.)

Kurz:
•   Die Rechnerei läuft mit der 4-K-Familie (1 Kind <14, 1 Kind ≥14).
•   Das verfassungsrechtliche Schutzniveau, das Karlsruhe daraus ableitet, gilt für alle Beamten – auch für Singles.

Berechnungen:

Vorabprüfung Mindestbesoldung
((Äquivalenzfaktor für o.g. vierköpfige Familie: s = 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3))
((Median-Äquivalenzeinkommen für o.g. vierköpfige Familie:
M4P = M (Median) x s (Äquivalenzfaktor) = M x 2,3))
((Prekariatsschwelle 80%: 0,8 x M4P)) (Als Faktor: 0,8 * 2,3 = 1,84 * M)
((Jahresbruttobesoldung: Bnetto = Bbrutto – Steuern – KV/PPV + Kindergeld))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto <= Schwelle -> verfassungswidrig))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto >= Schwelle -> Fortschreibungsprüfung)) !!!
((Relative Anzeige Prekariatsschwelle: (Bnetto – Schwelle) / Schwelle * 100))

Die Fortschreibungsprüfung findet dann statt, wenn die Schwelle nicht unterschritten ist.

Fortschreibungsprüfung
Die Vorabprüfung mit der 4-K-Familie beantwortet nur eine „Unterkante“-Frage:
Reicht die Besoldung in diesem Jahr für eine typische Beamtenfamilie aus – ja oder nein? Die Fortschreibungsprüfung denkt weiter: Wie hat sich die Besoldung über die Jahre hinweg im Vergleich zur Umwelt entwickelt? Also: Nicht nur „springst du über die 80 %-Latte“, sondern auch:

-   Läufst du im Langstreckenlauf mit den Tarifbeschäftigten,
-   den Nominallöhnen insgesamt
-   und den Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisen) mit?
-   Bleiben Abstände zwischen Besoldungsgruppen gewahrt?

Dafür arbeitet Karlsruhe mit Indizes und vier Parametern:

(B) Besoldungsindex (Beamtenbesoldungsentwicklung)
(T) Tariflohnindex (TVöD/TV-L-Entgeltentwicklung)
(N) Nominallohnindex (Entwicklung der Löhne/Gehälter in der Gesamtwirtschaft)
(V) Verbraucherpreisindex (Entwicklung der Verbraucherpreise (Inflation))

T, N, V = Parameter 1-3 !

Damit man Entwicklungen über Jahrzehnte vergleichen kann, wird alles auf ein gemeinsames Basisjahr (1996) gesetzt. Grundidee Indexrechnung: Basisjahr 1996 wird auf 100 Punkte gesetzt. Wenn die Größe später steigt, steigt der Index; wenn sie fällt, fällt der Index.

Formel: Index = 100 x (Wert /Wert 1996) (Wert von heute in % im Vergleich zu 1996)

Bildung der Indizes:

Besoldungsindex
Jahresbruttobesoldung im Jahr (t):
(Grundgehalt (Endstufe) + allgemeine Zulagen (keine funktionszulagen)) / Jahresbruttobesoldung 1996 in dieser Gruppe * 100

Tariflohnindex
Jahresvergütung aus einer vergleichbaren TV-Gruppe (wieder Endstufe), formel wie bei Besoldungsindex.

Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex genauso, jeweils mit den gesamtwirtschaftlichen Preis-Daten aus der Statistik. Ergibt vier Kurven auf einer Zeitachse, alle bei „Basis 100“ startend.
Wie stark hinkt die Besoldung hinterher?

Beispielhaft Formeln:

Abweichung Tariflohn = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100
Abweichung Nominallohn = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100
Abweichung Verbraucherpreisindex = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100

1.   Differenz Bilden: Wie viele Indexpunkte liegt die Besoldung hinter dem Tariflohn zurück?
2.   Wie groß ist diese Lücke im Verhältnis zum Tarifindex?
3.   In Prozent ausdrücken.

Interpretation:

Positiver Wert: Besoldung < Vergleichsindex → Besoldung hinkt hinterher.
0 %: Besoldung entwickelt sich exakt wie Vergleichsindex.
Negativer Wert: Besoldung läuft besser als Vergleichsindex.

Die 5% Schwelle

Das Bundesverfassungsgericht zieht eine Toleranzgrenze: Wenn die Besoldung leicht hinterherläuft, ist das noch kein Verfassungsverstoß. Schwelle: Wenn die Besoldung mindestens 5 % hinter einer Vergleichsgröße zurückbleibt, gilt der Parameter als „gerissen“.

Rechnerisch:
Abweichung jeweils >= 5%

Dann sagt Karlsruhe sinngemäß:„Hier ist über einen langen Zeitraum systematisch zu wenig getan worden.“ Jeder dieser drei Fälle ist dann ein eigener Alarm-Parameter.

Abstandsgebot

Der vierte Parameter (Abstandsgebot) ist etwas „weicher“, aber inhaltlich klar: Bleiben die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen gewahrt? Rechnerisch prüfst du nicht mehr „Index vs. Index“, sondern: Wie groß ist z.B. das Grundgehaltsplus von A 9 zu A 10 im Jahr 1996? Und wie sieht derselbe Abstand 2010, 2015, 2020 aus? Wenn sich die Abstände deutlich verengen oder verdrehen (untere Gruppen holen fast auf, mittlere geraten unter Druck, obere werden „ausgedünnt“), kann das ein Verstoß gegen das Abstandsgebot sein.

Zusätzlich:
Wenn unten eine Besoldungsgruppe schon die Mindestbesoldung reißt,
aber oben nichts passiert, kann das mittelbar auch das Abstandsgebot verletzen,
weil die gesamte Struktur nach unten gedrückt wird. Das Gericht formuliert hierfür keine „5-%-Formel“, sondern nutzt dieses Kriterium bewertend als 4. Parameter.

Gesamtschau

Wenn du die vier Parameter geprüft hast, kommt die Entscheidungslogik:

Mindestens 2 Parameter gerissen
→ starke Vermutung für verfassungswidrige Unteralimentation in diesem Jahr / dieser BesGr.

0 Parameter gerissen
→ Vermutung, dass die Besoldung verfassungsgemäß ist.

Genau 1 Parameter gerissen
→ „Grauzone“ → Vertiefte wertende Prüfung (Haushaltslage, Attraktivität des Dienstes, Sonderzulagen etc.).

Damit verbindet Karlsruhe die rechnerische Seite (Indizes, 5-%-Grenze) mit einer juristischen Wertung.

Berechnungen: Fortschreibungsprüfung

Indizes:
((Besoldungsindex: B(t) = 100 * Besoldung(t) / Besoldung(1996)))
((Tariflohnindex: T(t) = 100 * Tariflohn(t) / Tariflohn(1996)))
((Nominallohnindex: N(t) = 100 * Nominallohn(t) / Nominallohn(1996)))
((Verbraucherpreisindex: V(t) = 100 * Verbraucherpreise(t) / Verbraucherpreise(1996)))

Abweichungen:
((Abweichung Tariflohn: Abw_T(t) = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100))
((Abweichung Nominallohn: Abw_N(t) = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100))
((Abweichung Verbraucherpreise: Abw_V(t) = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100))

5-%-Kriterium:
((Parameter 1 erfüllt: Abw_T(t) >= 5))
((Parameter 2 erfüllt: Abw_N(t) >= 5))
((Parameter 3 erfüllt: Abw_V(t) >= 5))

4. Parameter (Abstandsgebot):
((Parameter 4 erfüllt, wenn:
– Abstände zwischen BesGr im Zeitverlauf deutlich schrumpfen oder
– Mindestbesoldung in unteren Gruppen unterschritten wird und oben nichts nachgezogen wird))

Gesamtschau:
((Wenn mind. 2 Parameter erfüllt → Vermutung Unteralimentation))
((Wenn 0 Parameter erfüllt → Vermutung Verfassungsgemäßheit))
((Wenn genau 1 Parameter erfüllt → vertiefte wertende Prüfung))

DIESE AUFSTELLUNG IST NICHT ABSCHLIEßEND, HAT KEIN ANSPRUCH AUF RICHTIGKEIT UND UNTERLIEGT DER FORTLAUFENDEN KORREKTUR NACH HINWEISEN!!

LG

BÖSWILLIGER DIENSTHERR

Folgt man dem, ergibt sich für 2024 in NRW Folgendes:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 2,3 x 80 % = 3.956 Euro (netto!) für einen A5 Beamten in Steuerklasse 3

(Natürlich müsste noch PKV und Kindergeld gegengerechnet werden; wird der Einfachheit halber jedoch weggelassen.)

Aktuell liegt der Nettobetrag für einen Single-A5-Beamten in NRW bei hypothetischer Steuerklasse 3 bei knapp 2.900 Euro, also knapp 1.000 Euro unter den oben errechneten 3.956 Euro. (Wobei ich auch hier wieder die PKV nicht berücksichtigt habe.) Ein A5-Beamter mit Frau und zwei Kindern in Mietstufe 1 bekommt gegenwärtig netto knapp 3.400 raus, also auch noch 500 Euro weniger.

Also wenn wir von 3956 Euro ausgehen bei diesem Beispiel, wie muss man dann die PKV und das Kindergeld gegenrechnen? Von der Summe 3956 Ezro abziehen oder hinzurechnen? Danke im vorraus!

MasterNoname89

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #68 am: 22.11.2025 19:23 »
Entsprechend der 'Wirkung' ... d.h. das Kindergeld zur tataächlichen Besoldung hinzurechnen und die PKV (da werden vermutlich dann durchschnittswerte angenommen) davon abziehen ... das wäre dann das tatsächliche Netto, was mit dem Median verglichen werden muss.

was_guckst_du

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Gruß aus "Tief im Westen"

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IchLiebeBeamtentum

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #70 am: 23.11.2025 09:02 »
Urteil zur Beamtenbesoldung - Folgen für NRW?

https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/wdr-urteil-zur-beamtenbesoldung-folgen-fuer-nrw-100.html?at_medium=tagesschau&at_campaign=DeviceSharing&at_content=SiteSharing

Muss das Bundesverfassungsgericht nicht für jedes einzelne Bundesland entscheiden?
Oder ist Berlin jetzt ein Präzedenzfall?

InternetistNeuland

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #71 am: 23.11.2025 09:35 »
Urteil zur Beamtenbesoldung - Folgen für NRW?

https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/wdr-urteil-zur-beamtenbesoldung-folgen-fuer-nrw-100.html?at_medium=tagesschau&at_campaign=DeviceSharing&at_content=SiteSharing

Muss das Bundesverfassungsgericht nicht für jedes einzelne Bundesland entscheiden?
Oder ist Berlin jetzt ein Präzedenzfall?

Ja und Ja.

Zu fast jedem Besoldungskreis liegen Verfahren beim Verfassungsgericht. Die jetzt entwickelte Methodik zur Berechnung gilt allerdings Bundesweit um die Untergrenze zu ermitteln.

WikingerBrot

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #72 am: 24.11.2025 10:51 »
Böswilliger Dienstherr hat es sehr schön runtergebrochen:

Ermittlung der Bezugsgröße, abgeleitet aus dem Beschluss des BVerfG.

Vorabprüfung: Mindesbesoldung (Prekaritätsschwelle)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/ls20250917_2bvl002017.html

Das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit einer Modellfamilie, um zu prüfen, ob das Gehalt eines Beamten verfassungsgemäß ist. 4-Personen-Haushalt mit zwei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen. Diese Konstellation ist bewusst gewählt, weil das klassische Leitbild des Besoldungsrechts war: Ein Beamter in der Eingangsstufe soll als Alleinverdiener eine vierköpfige Familie eigenständig amtsangemessen ernähren können.

-   Beamter (Alleinverdiener)
-   Ehepartner ohne eigenes Einkommen
-   1 Kind unter 14
-   1 Kind ab 14

Wie daraus die „Bezugsgröße“ entsteht (Äquivalenzskala):
https://de.wikipedia.org/wiki/OECD-Skala

Damit man Haushalte vergleichen kann, arbeitet man mit der modifizierten OECD-Äquivalenzskala. Die setzt jedem Haushaltsmitglied ein „Gewicht“ zu:

   •   1. erwachsene Person: 1,0
   •   jede weitere erwachsene Person oder Person ab 14: 0,5
   •   jedes Kind unter 14: 0,3

Für unsere 4-K-Beamtenfamilie heißt das:

   •   Beamter: 1,0
   •   Ehepartner: 0,5
   •   Kind unter 14: 0,3
   •   Kind ab 14: 0,5

Gesamtgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3

Wie die 80-%-Schwelle (Mindestniveau) berechnet wird
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9

Man nimmt das Median-Äquivalenzeinkommen pro Kopf aus der Statistik und multipliziert es mit 2,3, um das Median-Einkommen für genau diese Familienkonstellation zu bekommen.

1.   Aus dem Mikrozensus / den amtlichen Daten wird das → Median-Äquivalenzeinkommen pro Äquivalenzeinheit genommen.
2.   Dieses wird mit dem Faktor 2,3 multipliziert → ergibt das Median-Nettoeinkommen für eine Familie: Beamter + Partner + 1 Kind <14 + 1 Kind ≥14.
3.   Dann zieht Karlsruhe die Prekaritätsgrenze bei 80 % dieses Wertes: → Median (Familie) × 0,8 = Mindest-Nettoeinkommen

Das ist die unterste Grenze, unter der das Gehalt dieser Modellfamilie nicht mehr verfassungsgemäß ist.

Was auf der Beamtenseite gerechnet wird
Auf der anderen Seite wird berechnet, was bei dieser Beamtenfamilie tatsächlich unterm Strich ankommt:

Bruttogehalt (unterste Stufe der Besoldungsgruppe)
+ Familienzuschlag (Ehepartner + Kind <14 + Kind ≥14)
 – Steuern (Lohnsteuer, Soli, Kirche)
 – Beiträge für private Kranken- und Pflegeversicherung (AN Anteil PKV, PPV)
 + Kindergeld für 2 Kinder

Ergebnis: Nettoeinkommen der 4-K-Beamtenfamilie.

Dann wird verglichen:
Liegt dieses Netto mindestens bei 80 % des gesellschaftlichen Medianwerts (für so eine 4-K-Familie)? Wenn nein → Gebot der Mindestbesoldung verletzt → Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Gilt das auch für Single-Beamte?
Ja – aber nicht als eigene, getrennte Rechnung, sondern über das System:
-   Das Gericht prüft die unterste Besoldungsgruppe an der 4-K-Familie.
-   Wenn diese Modellfamilie unter die 80-%-Schwelle fällt, ist die Besoldung dieser gesamten Gruppe verfassungswidrig zu niedrig.
-   Wird korrigiert, profitieren alle in dieser Besoldungsgruppe – also auch der Single-Beamte.

(Ein Single hätte nach der Äquivalenzskala nur Gewicht 1,0 statt 2,3.)

Kurz:
•   Die Rechnerei läuft mit der 4-K-Familie (1 Kind <14, 1 Kind ≥14).
•   Das verfassungsrechtliche Schutzniveau, das Karlsruhe daraus ableitet, gilt für alle Beamten – auch für Singles.

Berechnungen:

Vorabprüfung Mindestbesoldung
((Äquivalenzfaktor für o.g. vierköpfige Familie: s = 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3))
((Median-Äquivalenzeinkommen für o.g. vierköpfige Familie:
M4P = M (Median) x s (Äquivalenzfaktor) = M x 2,3))
((Prekariatsschwelle 80%: 0,8 x M4P)) (Als Faktor: 0,8 * 2,3 = 1,84 * M)
((Jahresbruttobesoldung: Bnetto = Bbrutto – Steuern – KV/PPV + Kindergeld))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto <= Schwelle -> verfassungswidrig))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto >= Schwelle -> Fortschreibungsprüfung)) !!!
((Relative Anzeige Prekariatsschwelle: (Bnetto – Schwelle) / Schwelle * 100))

Die Fortschreibungsprüfung findet dann statt, wenn die Schwelle nicht unterschritten ist.

Fortschreibungsprüfung
Die Vorabprüfung mit der 4-K-Familie beantwortet nur eine „Unterkante“-Frage:
Reicht die Besoldung in diesem Jahr für eine typische Beamtenfamilie aus – ja oder nein? Die Fortschreibungsprüfung denkt weiter: Wie hat sich die Besoldung über die Jahre hinweg im Vergleich zur Umwelt entwickelt? Also: Nicht nur „springst du über die 80 %-Latte“, sondern auch:

-   Läufst du im Langstreckenlauf mit den Tarifbeschäftigten,
-   den Nominallöhnen insgesamt
-   und den Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisen) mit?
-   Bleiben Abstände zwischen Besoldungsgruppen gewahrt?

Dafür arbeitet Karlsruhe mit Indizes und vier Parametern:

(B) Besoldungsindex (Beamtenbesoldungsentwicklung)
(T) Tariflohnindex (TVöD/TV-L-Entgeltentwicklung)
(N) Nominallohnindex (Entwicklung der Löhne/Gehälter in der Gesamtwirtschaft)
(V) Verbraucherpreisindex (Entwicklung der Verbraucherpreise (Inflation))

T, N, V = Parameter 1-3 !

Damit man Entwicklungen über Jahrzehnte vergleichen kann, wird alles auf ein gemeinsames Basisjahr (1996) gesetzt. Grundidee Indexrechnung: Basisjahr 1996 wird auf 100 Punkte gesetzt. Wenn die Größe später steigt, steigt der Index; wenn sie fällt, fällt der Index.

Formel: Index = 100 x (Wert /Wert 1996) (Wert von heute in % im Vergleich zu 1996)

Bildung der Indizes:

Besoldungsindex
Jahresbruttobesoldung im Jahr (t):
(Grundgehalt (Endstufe) + allgemeine Zulagen (keine funktionszulagen)) / Jahresbruttobesoldung 1996 in dieser Gruppe * 100

Tariflohnindex
Jahresvergütung aus einer vergleichbaren TV-Gruppe (wieder Endstufe), formel wie bei Besoldungsindex.

Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex genauso, jeweils mit den gesamtwirtschaftlichen Preis-Daten aus der Statistik. Ergibt vier Kurven auf einer Zeitachse, alle bei „Basis 100“ startend.
Wie stark hinkt die Besoldung hinterher?

Beispielhaft Formeln:

Abweichung Tariflohn = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100
Abweichung Nominallohn = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100
Abweichung Verbraucherpreisindex = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100

1.   Differenz Bilden: Wie viele Indexpunkte liegt die Besoldung hinter dem Tariflohn zurück?
2.   Wie groß ist diese Lücke im Verhältnis zum Tarifindex?
3.   In Prozent ausdrücken.

Interpretation:

Positiver Wert: Besoldung < Vergleichsindex → Besoldung hinkt hinterher.
0 %: Besoldung entwickelt sich exakt wie Vergleichsindex.
Negativer Wert: Besoldung läuft besser als Vergleichsindex.

Die 5% Schwelle

Das Bundesverfassungsgericht zieht eine Toleranzgrenze: Wenn die Besoldung leicht hinterherläuft, ist das noch kein Verfassungsverstoß. Schwelle: Wenn die Besoldung mindestens 5 % hinter einer Vergleichsgröße zurückbleibt, gilt der Parameter als „gerissen“.

Rechnerisch:
Abweichung jeweils >= 5%

Dann sagt Karlsruhe sinngemäß:„Hier ist über einen langen Zeitraum systematisch zu wenig getan worden.“ Jeder dieser drei Fälle ist dann ein eigener Alarm-Parameter.

Abstandsgebot

Der vierte Parameter (Abstandsgebot) ist etwas „weicher“, aber inhaltlich klar: Bleiben die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen gewahrt? Rechnerisch prüfst du nicht mehr „Index vs. Index“, sondern: Wie groß ist z.B. das Grundgehaltsplus von A 9 zu A 10 im Jahr 1996? Und wie sieht derselbe Abstand 2010, 2015, 2020 aus? Wenn sich die Abstände deutlich verengen oder verdrehen (untere Gruppen holen fast auf, mittlere geraten unter Druck, obere werden „ausgedünnt“), kann das ein Verstoß gegen das Abstandsgebot sein.

Zusätzlich:
Wenn unten eine Besoldungsgruppe schon die Mindestbesoldung reißt,
aber oben nichts passiert, kann das mittelbar auch das Abstandsgebot verletzen,
weil die gesamte Struktur nach unten gedrückt wird. Das Gericht formuliert hierfür keine „5-%-Formel“, sondern nutzt dieses Kriterium bewertend als 4. Parameter.

Gesamtschau

Wenn du die vier Parameter geprüft hast, kommt die Entscheidungslogik:

Mindestens 2 Parameter gerissen
→ starke Vermutung für verfassungswidrige Unteralimentation in diesem Jahr / dieser BesGr.

0 Parameter gerissen
→ Vermutung, dass die Besoldung verfassungsgemäß ist.

Genau 1 Parameter gerissen
→ „Grauzone“ → Vertiefte wertende Prüfung (Haushaltslage, Attraktivität des Dienstes, Sonderzulagen etc.).

Damit verbindet Karlsruhe die rechnerische Seite (Indizes, 5-%-Grenze) mit einer juristischen Wertung.

Berechnungen: Fortschreibungsprüfung

Indizes:
((Besoldungsindex: B(t) = 100 * Besoldung(t) / Besoldung(1996)))
((Tariflohnindex: T(t) = 100 * Tariflohn(t) / Tariflohn(1996)))
((Nominallohnindex: N(t) = 100 * Nominallohn(t) / Nominallohn(1996)))
((Verbraucherpreisindex: V(t) = 100 * Verbraucherpreise(t) / Verbraucherpreise(1996)))

Abweichungen:
((Abweichung Tariflohn: Abw_T(t) = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100))
((Abweichung Nominallohn: Abw_N(t) = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100))
((Abweichung Verbraucherpreise: Abw_V(t) = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100))

5-%-Kriterium:
((Parameter 1 erfüllt: Abw_T(t) >= 5))
((Parameter 2 erfüllt: Abw_N(t) >= 5))
((Parameter 3 erfüllt: Abw_V(t) >= 5))

4. Parameter (Abstandsgebot):
((Parameter 4 erfüllt, wenn:
– Abstände zwischen BesGr im Zeitverlauf deutlich schrumpfen oder
– Mindestbesoldung in unteren Gruppen unterschritten wird und oben nichts nachgezogen wird))

Gesamtschau:
((Wenn mind. 2 Parameter erfüllt → Vermutung Unteralimentation))
((Wenn 0 Parameter erfüllt → Vermutung Verfassungsgemäßheit))
((Wenn genau 1 Parameter erfüllt → vertiefte wertende Prüfung))

DIESE AUFSTELLUNG IST NICHT ABSCHLIEßEND, HAT KEIN ANSPRUCH AUF RICHTIGKEIT UND UNTERLIEGT DER FORTLAUFENDEN KORREKTUR NACH HINWEISEN!!

LG

BÖSWILLIGER DIENSTHERR

Folgt man dem, ergibt sich für 2024 in NRW Folgendes:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 2,3 x 80 % = 3.956 Euro (netto!) für einen A5 Beamten in Steuerklasse 3

(Natürlich müsste noch PKV und Kindergeld gegengerechnet werden; wird der Einfachheit halber jedoch weggelassen.)

Aktuell liegt der Nettobetrag für einen Single-A5-Beamten in NRW bei hypothetischer Steuerklasse 3 bei knapp 2.900 Euro, also knapp 1.000 Euro unter den oben errechneten 3.956 Euro. (Wobei ich auch hier wieder die PKV nicht berücksichtigt habe.) Ein A5-Beamter mit Frau und zwei Kindern in Mietstufe 1 bekommt gegenwärtig netto knapp 3.400 raus, also auch noch 500 Euro weniger.

Noch eine weitere Frage, wieso wird hier bei dem Single Beamten der Faktor 2,3 genommen?
Es müsste doch sein:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 1,0 x 80 % = 1720 Euro

Falls dieser Beamte heiratet/oder eine Familie hat wird dies sicherlich über die Zuschläge (zukünftigen Zuschläge) ergänzt, also wieso sollte generell ein Single Beamter mehr Geld bekommen, wenn er rein rechnerisch wie von mir jetzt beschrieben mehr hat? Oder ist meine Rechnung falsch?

Schnarchnase81

  • Gast
Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #73 am: 24.11.2025 11:49 »
Böswilliger Dienstherr hat es sehr schön runtergebrochen:

Ermittlung der Bezugsgröße, abgeleitet aus dem Beschluss des BVerfG.

Vorabprüfung: Mindesbesoldung (Prekaritätsschwelle)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/ls20250917_2bvl002017.html

Das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit einer Modellfamilie, um zu prüfen, ob das Gehalt eines Beamten verfassungsgemäß ist. 4-Personen-Haushalt mit zwei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen. Diese Konstellation ist bewusst gewählt, weil das klassische Leitbild des Besoldungsrechts war: Ein Beamter in der Eingangsstufe soll als Alleinverdiener eine vierköpfige Familie eigenständig amtsangemessen ernähren können.

-   Beamter (Alleinverdiener)
-   Ehepartner ohne eigenes Einkommen
-   1 Kind unter 14
-   1 Kind ab 14

Wie daraus die „Bezugsgröße“ entsteht (Äquivalenzskala):
https://de.wikipedia.org/wiki/OECD-Skala

Damit man Haushalte vergleichen kann, arbeitet man mit der modifizierten OECD-Äquivalenzskala. Die setzt jedem Haushaltsmitglied ein „Gewicht“ zu:

   •   1. erwachsene Person: 1,0
   •   jede weitere erwachsene Person oder Person ab 14: 0,5
   •   jedes Kind unter 14: 0,3

Für unsere 4-K-Beamtenfamilie heißt das:

   •   Beamter: 1,0
   •   Ehepartner: 0,5
   •   Kind unter 14: 0,3
   •   Kind ab 14: 0,5

Gesamtgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3

Wie die 80-%-Schwelle (Mindestniveau) berechnet wird
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9

Man nimmt das Median-Äquivalenzeinkommen pro Kopf aus der Statistik und multipliziert es mit 2,3, um das Median-Einkommen für genau diese Familienkonstellation zu bekommen.

1.   Aus dem Mikrozensus / den amtlichen Daten wird das → Median-Äquivalenzeinkommen pro Äquivalenzeinheit genommen.
2.   Dieses wird mit dem Faktor 2,3 multipliziert → ergibt das Median-Nettoeinkommen für eine Familie: Beamter + Partner + 1 Kind <14 + 1 Kind ≥14.
3.   Dann zieht Karlsruhe die Prekaritätsgrenze bei 80 % dieses Wertes: → Median (Familie) × 0,8 = Mindest-Nettoeinkommen

Das ist die unterste Grenze, unter der das Gehalt dieser Modellfamilie nicht mehr verfassungsgemäß ist.

Was auf der Beamtenseite gerechnet wird
Auf der anderen Seite wird berechnet, was bei dieser Beamtenfamilie tatsächlich unterm Strich ankommt:

Bruttogehalt (unterste Stufe der Besoldungsgruppe)
+ Familienzuschlag (Ehepartner + Kind <14 + Kind ≥14)
 – Steuern (Lohnsteuer, Soli, Kirche)
 – Beiträge für private Kranken- und Pflegeversicherung (AN Anteil PKV, PPV)
 + Kindergeld für 2 Kinder

Ergebnis: Nettoeinkommen der 4-K-Beamtenfamilie.

Dann wird verglichen:
Liegt dieses Netto mindestens bei 80 % des gesellschaftlichen Medianwerts (für so eine 4-K-Familie)? Wenn nein → Gebot der Mindestbesoldung verletzt → Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Gilt das auch für Single-Beamte?
Ja – aber nicht als eigene, getrennte Rechnung, sondern über das System:
-   Das Gericht prüft die unterste Besoldungsgruppe an der 4-K-Familie.
-   Wenn diese Modellfamilie unter die 80-%-Schwelle fällt, ist die Besoldung dieser gesamten Gruppe verfassungswidrig zu niedrig.
-   Wird korrigiert, profitieren alle in dieser Besoldungsgruppe – also auch der Single-Beamte.

(Ein Single hätte nach der Äquivalenzskala nur Gewicht 1,0 statt 2,3.)

Kurz:
•   Die Rechnerei läuft mit der 4-K-Familie (1 Kind <14, 1 Kind ≥14).
•   Das verfassungsrechtliche Schutzniveau, das Karlsruhe daraus ableitet, gilt für alle Beamten – auch für Singles.

Berechnungen:

Vorabprüfung Mindestbesoldung
((Äquivalenzfaktor für o.g. vierköpfige Familie: s = 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3))
((Median-Äquivalenzeinkommen für o.g. vierköpfige Familie:
M4P = M (Median) x s (Äquivalenzfaktor) = M x 2,3))
((Prekariatsschwelle 80%: 0,8 x M4P)) (Als Faktor: 0,8 * 2,3 = 1,84 * M)
((Jahresbruttobesoldung: Bnetto = Bbrutto – Steuern – KV/PPV + Kindergeld))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto <= Schwelle -> verfassungswidrig))
((Prüfung Prekariatsschwelle: Bnetto >= Schwelle -> Fortschreibungsprüfung)) !!!
((Relative Anzeige Prekariatsschwelle: (Bnetto – Schwelle) / Schwelle * 100))

Die Fortschreibungsprüfung findet dann statt, wenn die Schwelle nicht unterschritten ist.

Fortschreibungsprüfung
Die Vorabprüfung mit der 4-K-Familie beantwortet nur eine „Unterkante“-Frage:
Reicht die Besoldung in diesem Jahr für eine typische Beamtenfamilie aus – ja oder nein? Die Fortschreibungsprüfung denkt weiter: Wie hat sich die Besoldung über die Jahre hinweg im Vergleich zur Umwelt entwickelt? Also: Nicht nur „springst du über die 80 %-Latte“, sondern auch:

-   Läufst du im Langstreckenlauf mit den Tarifbeschäftigten,
-   den Nominallöhnen insgesamt
-   und den Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisen) mit?
-   Bleiben Abstände zwischen Besoldungsgruppen gewahrt?

Dafür arbeitet Karlsruhe mit Indizes und vier Parametern:

(B) Besoldungsindex (Beamtenbesoldungsentwicklung)
(T) Tariflohnindex (TVöD/TV-L-Entgeltentwicklung)
(N) Nominallohnindex (Entwicklung der Löhne/Gehälter in der Gesamtwirtschaft)
(V) Verbraucherpreisindex (Entwicklung der Verbraucherpreise (Inflation))

T, N, V = Parameter 1-3 !

Damit man Entwicklungen über Jahrzehnte vergleichen kann, wird alles auf ein gemeinsames Basisjahr (1996) gesetzt. Grundidee Indexrechnung: Basisjahr 1996 wird auf 100 Punkte gesetzt. Wenn die Größe später steigt, steigt der Index; wenn sie fällt, fällt der Index.

Formel: Index = 100 x (Wert /Wert 1996) (Wert von heute in % im Vergleich zu 1996)

Bildung der Indizes:

Besoldungsindex
Jahresbruttobesoldung im Jahr (t):
(Grundgehalt (Endstufe) + allgemeine Zulagen (keine funktionszulagen)) / Jahresbruttobesoldung 1996 in dieser Gruppe * 100

Tariflohnindex
Jahresvergütung aus einer vergleichbaren TV-Gruppe (wieder Endstufe), formel wie bei Besoldungsindex.

Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex genauso, jeweils mit den gesamtwirtschaftlichen Preis-Daten aus der Statistik. Ergibt vier Kurven auf einer Zeitachse, alle bei „Basis 100“ startend.
Wie stark hinkt die Besoldung hinterher?

Beispielhaft Formeln:

Abweichung Tariflohn = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100
Abweichung Nominallohn = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100
Abweichung Verbraucherpreisindex = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100

1.   Differenz Bilden: Wie viele Indexpunkte liegt die Besoldung hinter dem Tariflohn zurück?
2.   Wie groß ist diese Lücke im Verhältnis zum Tarifindex?
3.   In Prozent ausdrücken.

Interpretation:

Positiver Wert: Besoldung < Vergleichsindex → Besoldung hinkt hinterher.
0 %: Besoldung entwickelt sich exakt wie Vergleichsindex.
Negativer Wert: Besoldung läuft besser als Vergleichsindex.

Die 5% Schwelle

Das Bundesverfassungsgericht zieht eine Toleranzgrenze: Wenn die Besoldung leicht hinterherläuft, ist das noch kein Verfassungsverstoß. Schwelle: Wenn die Besoldung mindestens 5 % hinter einer Vergleichsgröße zurückbleibt, gilt der Parameter als „gerissen“.

Rechnerisch:
Abweichung jeweils >= 5%

Dann sagt Karlsruhe sinngemäß:„Hier ist über einen langen Zeitraum systematisch zu wenig getan worden.“ Jeder dieser drei Fälle ist dann ein eigener Alarm-Parameter.

Abstandsgebot

Der vierte Parameter (Abstandsgebot) ist etwas „weicher“, aber inhaltlich klar: Bleiben die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen gewahrt? Rechnerisch prüfst du nicht mehr „Index vs. Index“, sondern: Wie groß ist z.B. das Grundgehaltsplus von A 9 zu A 10 im Jahr 1996? Und wie sieht derselbe Abstand 2010, 2015, 2020 aus? Wenn sich die Abstände deutlich verengen oder verdrehen (untere Gruppen holen fast auf, mittlere geraten unter Druck, obere werden „ausgedünnt“), kann das ein Verstoß gegen das Abstandsgebot sein.

Zusätzlich:
Wenn unten eine Besoldungsgruppe schon die Mindestbesoldung reißt,
aber oben nichts passiert, kann das mittelbar auch das Abstandsgebot verletzen,
weil die gesamte Struktur nach unten gedrückt wird. Das Gericht formuliert hierfür keine „5-%-Formel“, sondern nutzt dieses Kriterium bewertend als 4. Parameter.

Gesamtschau

Wenn du die vier Parameter geprüft hast, kommt die Entscheidungslogik:

Mindestens 2 Parameter gerissen
→ starke Vermutung für verfassungswidrige Unteralimentation in diesem Jahr / dieser BesGr.

0 Parameter gerissen
→ Vermutung, dass die Besoldung verfassungsgemäß ist.

Genau 1 Parameter gerissen
→ „Grauzone“ → Vertiefte wertende Prüfung (Haushaltslage, Attraktivität des Dienstes, Sonderzulagen etc.).

Damit verbindet Karlsruhe die rechnerische Seite (Indizes, 5-%-Grenze) mit einer juristischen Wertung.

Berechnungen: Fortschreibungsprüfung

Indizes:
((Besoldungsindex: B(t) = 100 * Besoldung(t) / Besoldung(1996)))
((Tariflohnindex: T(t) = 100 * Tariflohn(t) / Tariflohn(1996)))
((Nominallohnindex: N(t) = 100 * Nominallohn(t) / Nominallohn(1996)))
((Verbraucherpreisindex: V(t) = 100 * Verbraucherpreise(t) / Verbraucherpreise(1996)))

Abweichungen:
((Abweichung Tariflohn: Abw_T(t) = (T(t) – B(t)) / T(t) * 100))
((Abweichung Nominallohn: Abw_N(t) = (N(t) – B(t)) / N(t) * 100))
((Abweichung Verbraucherpreise: Abw_V(t) = (V(t) – B(t)) / V(t) * 100))

5-%-Kriterium:
((Parameter 1 erfüllt: Abw_T(t) >= 5))
((Parameter 2 erfüllt: Abw_N(t) >= 5))
((Parameter 3 erfüllt: Abw_V(t) >= 5))

4. Parameter (Abstandsgebot):
((Parameter 4 erfüllt, wenn:
– Abstände zwischen BesGr im Zeitverlauf deutlich schrumpfen oder
– Mindestbesoldung in unteren Gruppen unterschritten wird und oben nichts nachgezogen wird))

Gesamtschau:
((Wenn mind. 2 Parameter erfüllt → Vermutung Unteralimentation))
((Wenn 0 Parameter erfüllt → Vermutung Verfassungsgemäßheit))
((Wenn genau 1 Parameter erfüllt → vertiefte wertende Prüfung))

DIESE AUFSTELLUNG IST NICHT ABSCHLIEßEND, HAT KEIN ANSPRUCH AUF RICHTIGKEIT UND UNTERLIEGT DER FORTLAUFENDEN KORREKTUR NACH HINWEISEN!!

LG

BÖSWILLIGER DIENSTHERR

Folgt man dem, ergibt sich für 2024 in NRW Folgendes:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 2,3 x 80 % = 3.956 Euro (netto!) für einen A5 Beamten in Steuerklasse 3

(Natürlich müsste noch PKV und Kindergeld gegengerechnet werden; wird der Einfachheit halber jedoch weggelassen.)

Aktuell liegt der Nettobetrag für einen Single-A5-Beamten in NRW bei hypothetischer Steuerklasse 3 bei knapp 2.900 Euro, also knapp 1.000 Euro unter den oben errechneten 3.956 Euro. (Wobei ich auch hier wieder die PKV nicht berücksichtigt habe.) Ein A5-Beamter mit Frau und zwei Kindern in Mietstufe 1 bekommt gegenwärtig netto knapp 3.400 raus, also auch noch 500 Euro weniger.

Noch eine weitere Frage, wieso wird hier bei dem Single Beamten der Faktor 2,3 genommen?
Es müsste doch sein:

MÄE = 2.150 Euro

2.150 x 1,0 x 80 % = 1720 Euro

Falls dieser Beamte heiratet/oder eine Familie hat wird dies sicherlich über die Zuschläge (zukünftigen Zuschläge) ergänzt, also wieso sollte generell ein Single Beamter mehr Geld bekommen, wenn er rein rechnerisch wie von mir jetzt beschrieben mehr hat? Oder ist meine Rechnung falsch?

Der Beamte soll laut Bundesverfassungsgericht seine Familie (bis inkl. 2 Kinder) weitgehend aus der Grundbesoldung ernähren und unterhalten können und das als Alleinverdiener. Nun können und werden natürlich Familienzuschläge bezahlt, nur haben die halt ihre Grenzen, denn der Beamte soll nach Leistung, Eignung und Befähigung bezahlt werden. Daher bleibt nur der Weg, die Grundbesoldung zu erhöhen und die ist innerhalb einer Besoldungs-  und Erfahrungsstufe immer gleich, egal ob Single oder Familienvater. Daher kann man die Untergrenze für die Familie mit 2 Kinder auch als Untergrenze für den Single ansehen.

ExponentialFud

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Antw:[TV-L] Tarifrunde der Länder
« Antwort #74 am: 24.11.2025 11:56 »
Zitat

Daher kann man die Untergrenze für die Familie mit 2 Kinder auch als Untergrenze für den Single ansehen.


Natürlich abzüglich der Familienzuschläge, die der Single nicht erhält.