Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 405409 times)

Besoldungswiderspruch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3045 am: 16.12.2025 08:43 »
Die Prekaritätsschwelle zielt stärker auf die Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe als die bloße Existenzsicherung und liegt damit deutlich höher als 15 % über dem Grundsicherungsniveau.
https://verfassungsblog.de/berliner-beamte-bverfg-besoldung/

Stimmt die Behauptung? Haben die Damen und Herren derZahlen das schon einmal nachgeprüft?

Der Kommentar ist lesenswert.


(K)ein Befreiungsschlag im Besoldungsrecht
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Berliner Beamtenbesoldung

https://verfassungsblog.de/berliner-beamte-bverfg-besoldung/

,,Inwieweit schließlich die prinzipielle Einführung eines Leitbildes der Mehrverdienerfamilie mit den neuen Maßstäben des BVerfG vereinbar ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung durch die Gesetzgeber ab. Die neue Prekaritätsschwelle, die auf die Vergleichbarkeit des Haushaltseinkommens abstellt, mag hierfür Ansätze bieten. Doch bleibt Skepsis angebracht, wenn die bilaterale Natur des Dienstverhältnisses dadurch gebrochen wird, dass das Partnereinkommen miteinbezogen wird. Über die Entwicklungsoffenheit des Besoldungsrechts wird auch das BVerfG daher erneut nachdenken müssen. Im Zuge dessen muss es außerdem berücksichtigen, dass die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit des Beamten, gemeinsam mit seinem Ehegatten oder Lebenspartner frei über ihr Familienmodell zu entscheiden, nicht durch die Art der Besoldung beeinträchtigt werden darf. Im Sinne des Schutz- und Förderauftrags des Art. 6 Abs. 1 GG dürfen sich Ehe und Familie nicht zu Lasten des Beamten auswirken.

Der Arbeitsaufwand für Gesetzgeber und Verfassungsgerichte wird weiter hoch bleiben. Auf den Befreiungsschlag zur Berliner A-Besoldung werden noch weitere folgen müssen."

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3046 am: 16.12.2025 08:51 »
Aber da die Preissteigerungen in allen Bereichen enorm sind, die Bezüge aber nicht mitwachsen

Da hast du das Problem und die Lösung.
Inflationsausgleich gehört zur aA.

NATÜRLICH!!! (Fett, groß und unterstrichen für die Dienstherren) MUSS die Inflation ausgeglichen werden im Rahmen der Alimentation INSBESONDERE in Bezug auf die Pension die ja ALLE drei Säulen (Rente, Betrieb, Privat) VEREINEN SOLL. Oder man lässt halt die Pension weg und gibt den Beamten einfach 2-3 Millionen € um sich damit ein Kapitalertragseinkommen, welches mit der Inflation schritt hält (mehr oder weniger, persönliches Risiko, persönliches Pech).

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3047 am: 16.12.2025 08:53 »
Guten Morgen,

die Sache mit dem Partnereinkommen ist doch meistens die:

Wenn wir amtsangemessen alimentiert würden, bräuchte Mann/Frau nicht zusätzlich arbeiten gehen - ein zusätzliches Partnereinkommen wäre nicht notwendig.
Aber da die Preissteigerungen in allen Bereichen enorm sind, die Bezüge aber nicht mitwachsen, bleibt nichts anderes übrig, als dem Partner einen (Mini-)Job zu suchen, sonst käme man nicht mehr über die Runden!
Warum ist das kein Argument gegen das fiktive Partnereinkommen?

Leitsatz Nummer 7 muss wieder zum Einsatz kommen:

"Eine die Unabhängigkeit des Beamten sichernde Freiheit von existenziellen finanziellen
Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hin-
reichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicher-
stellt. Dies ist nur der Fall, wenn das Einkommen die Prekaritätsschwelle von 80 % des Me-
dian-Äquivalenzeinkommens erreicht (Gebot der Mindestbesoldung). Die in der Senats-
rechtsprechung bisher vorgenommene Prüfung am Maßstab des Grundsicherungsniveaus
wird insoweit fortentwickelt. Wird die Mindestbesoldung unterschritten, liegt allein
hierin ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip; einer Fortschreibungsprüfung bedarf
es in diesem Fall nicht."

Da steht nix von Frau verdient mit (zumindest für die Vergangenheit nicht). Der DH darf sich aber gern noch eine Schelle abholen.

HumanMechanic

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3048 am: 16.12.2025 08:57 »
Sehr interessanter Artikel. Auch in Bezug auf Partnereinkommen, Familienzuschlägen etc. Quellen direkt verlinkt.

https://verfassungsblog.de/berliner-beamte-bverfg-besoldung/

Edit: zu langsam…

Glinzo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3049 am: 16.12.2025 09:04 »

Es sind stellenweise 33 % wie rechnest du? Aber gut. Spekuliert wurde hier schon viel darüber wieviel die FamZ sein dürfen. Aber 25% +X halte ich für Zuviel wenn das BVerfG schon früher verlautbart hat die ersten beiden Kinder müssen „im wesentlichen“ aus dem Grundgehalt gestemmt werden und weiterhin das LEISTUNGSPRINZIP gilt

Wie sähe denn eine Lösung aus, ohne dass hier ab einer bestimmten Anzahl Kinder eine gewisse prozentuale Grenze nicht gerissen wird?

Eine andere Frage, die sich mir stellt, lautet auch: Muss/soll/kann die Besoldung, bei egal wie vielen Kindern, immer über der Prekariatsgrenze liegen?

Hier mal mein "persönliches Prekariat":

MÄE BY 2024: 2328,00 EUR
Faktoren: 1,0 + 0,5 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,3 + 0,3 = 3,2
3,2 x 0,8 = 2,56
Prekariatsgrenze: 5959,68 EUR (signifikant höher als in der Realität)
« Last Edit: 16.12.2025 09:18 von Glinzo »

Paterlexx

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3050 am: 16.12.2025 09:19 »
@Glinzo

Eine praktikable Lösung wäre nur über die Besoldungsstrukturgesetze denkbar, etwa durch eine pauschale Zahlung von rund 670 € netto pro Kind. Das ist derzeit faktisch der einzige Weg, mit dem sich der Gesetzgeber noch halbwegs herausreden könnte.

Das strukturelle Problem bleibt jedoch bestehen: Ist ein Ehepartner Beamter und der andere nicht erwerbstätig, fällt dieser vollständig aus allen sozialstaatlichen Sicherungssystemen heraus. Es besteht weder ein Anspruch auf Sozialhilfe noch eine echte Kompensation über die Besoldung.

Genau hier zeigt sich die Schieflage des Systems: Die Alimentationspflicht wird formal behauptet, praktisch aber auf den privaten Familienverbund verlagert – entgegen der bisherigen verfassungsrechtlichen Leitlinien.

Dunkelbunter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3051 am: 16.12.2025 09:23 »
Sehr interessanter Artikel. Auch in Bezug auf Partnereinkommen, Familienzuschlägen etc. Quellen direkt verlinkt.

https://verfassungsblog.de/berliner-beamte-bverfg-besoldung/

Edit: zu langsam…

Die Frage welche sich sich mir nach dem Artikel stellt, ob ein Streikverbot durch Untätigkeit des DH hinfällig ist/wird.
Da wäre aber eher meines Erachtens die Gewerkschaften in der Pflicht, so nach dem Motto:
"Entweder bis zu dem Datum legt Ihr endlich mal was vor, oder wir fordern zu Streiks auf bzw. lassen dass durch EUGH prüfen".

Das Streikverbot gehört lt. EUGH zur Dienst- und Treuepflicht des Beamten.
Jedoch gehört zur  Dienst- und Treuepflicht auch das Alimentationsprinzip. Wenn dies verletzt ist, könnte auch das Streikverbot kippen.
« Last Edit: 16.12.2025 09:31 von Dunkelbunter »

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3052 am: 16.12.2025 09:25 »

Eine andere Frage, die sich mir stellt, lautet auch: Muss/soll/kann die Besoldung, bei egal wie vielen Kindern, immer über der Prekariatsgrenze liegen?

Hier mal mein "persönliches Prekariat":

MÄE BY 2024: 2328,00 EUR
Faktoren: 1,0 + 0,5 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,3 + 0,3 = 3,2
3,2 x 0,8 = 2,56
Prekariatsgrenze: 5959,68 EUR (signifikant höher als in der Realität)

Einfache Antwort: ja, die Schwelle muss immer übersprungen werden, egal wie viele Kinder der Beamte hat. Für Beamte darf die Familie kein Armutsrisiko darstellen. Das ist der große, verfassungsrechtliche Unterscheid zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Und zu den Zuschlägen und dem Abstandsgebot: bisherige Rechtsprechung war, dass ab dem dritten Kind die Bedarfe nicht mehr aus dem Grundgehalt zu stemmen sein müssen. Damit ist klar, dass dann auch das Abstandgebot zu einem ranghöheren Beamten mit weniger Kindern oder ohne selbige überschritten werden darf.

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3053 am: 16.12.2025 09:42 »

Es sind stellenweise 33 % wie rechnest du? Aber gut. Spekuliert wurde hier schon viel darüber wieviel die FamZ sein dürfen. Aber 25% +X halte ich für Zuviel wenn das BVerfG schon früher verlautbart hat die ersten beiden Kinder müssen „im wesentlichen“ aus dem Grundgehalt gestemmt werden und weiterhin das LEISTUNGSPRINZIP gilt

Wie sähe denn eine Lösung aus, ohne dass hier ab einer bestimmten Anzahl Kinder eine gewisse prozentuale Grenze nicht gerissen wird?

Ab einer bestimmten Anzahl wird es gar nicht anders gehen können. Ich betrachte diese Anzahl aber beginnend ab dem 3. und nicht einschneidend in die (4K) Grundbesoldung (welche auch für Singles gilt!!!) ab dem 1. Also die ersten beiden Kinder und Frau gedeckt vom Grundeinkommen. Zusatzbedarfe von mir aus mit Familienzuschlägen, dass die Ohren schlackern, ist mir egal. Aber die Basis ist nicht anzutasten aufgrund persönlicher Lebensentscheidungen anderer. Die Basis muss bereits für eine 4K-Familie gesetzt sein. Darüber hinaus ist meinetwegen nach oben offen. (Nach unten niemals)

Es geht mir hier strikt um die Aussage des BVerfG und meine obigen aussagen bauen darauf auf und leiten davon her: (wer dagegen argumentiert, darf auch gegen das BVerfG seit 1977 argumentieren, ist mir ziemlich gleich)

BVerfG-Beschluss vom 30. März 1977 (2 BvR 1039/75, 2 BvR 1045/75) – Alimentationsprinzip-Grundsatz
„...dass der Kindesunterhalt für das erste und zweite Kind ganz überwiegend aus den allgemeinen (familienneutralen) Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten.“

BVerfG-Beschluss vom 22. März 1990 (2 BvL 1/86) – Bestätigung der Familienbetrachtung
„...dass … überwiegend davon eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann“
„...diejenigen Zuschläge, einschließlich des Kindergeldes, um die sich die Bezüge … beim ersten und zweiten Kind erhöhen, sind nicht geeignet, den zusätzlichen Bedarf … auszugleichen“

Die ersten beiden Kinder werden im Wesentlichen aus dem Grundgehalt mitversorgt; kinderlose Kolleg*innen haben daher mehr frei verfügbares Einkommen. (Fundstelle: BVerfGE 81, 363)

BVerfG-Beschluss vom 24. November 1998 (2 BvL 26/91 u. a.) – Mindestbetrag ab dem dritten Kind
„...für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind … familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes..."
„...dennoch möglich, … sich neben den Grundbedürfnissen auch ein ‘Minimum an Lebenskomfort’ leisten zu können und gleichzeitig die Unterhaltspflicht gegenüber der Familie zu erfüllen.“

Beschluss vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18)
"...das Grundgehalt von vornherein so bemessen ist, dass eine bis zu vierköpfige Familie angemessen unterhalten werden kann, und dass eine gesonderte Prüfung der Besoldung im Hinblick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind erforderlich wird"

Beschluss vom 19.11.2025 (2 BvL 05/18 u.a.)
"Die Freiheit des im aktiven Dienst befindlichen Beamten von existenziellen finanziel-
len Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen
hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko
sicherstellt. Ein solcher Abstand ist nach Erkenntnissen der Armutsforschung nur gewahrt,
wenn das Einkommen die sogenannte Prekaritätsschwelle von 80 % des Median-Äquiva-
lenzeinkommens erreicht, im Falle der an Art. 33 Abs. 5 GG zu messenden Beamtenbesol-
dung nach dem gesetzgeberischen Modell für den hier relevanten Prüfungszeitraum bezo-
gen auf das Median-Äquivalenzeinkommen einer vierköpfigen Familie"

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3054 am: 16.12.2025 09:46 »

Eine andere Frage, die sich mir stellt, lautet auch: Muss/soll/kann die Besoldung, bei egal wie vielen Kindern, immer über der Prekariatsgrenze liegen?

Hier mal mein "persönliches Prekariat":

MÄE BY 2024: 2328,00 EUR
Faktoren: 1,0 + 0,5 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,3 + 0,3 = 3,2
3,2 x 0,8 = 2,56
Prekariatsgrenze: 5959,68 EUR (signifikant höher als in der Realität)

Einfache Antwort: ja, die Schwelle muss immer übersprungen werden, egal wie viele Kinder der Beamte hat. Für Beamte darf die Familie kein Armutsrisiko darstellen. Das ist der große, verfassungsrechtliche Unterscheid zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Und zu den Zuschlägen und dem Abstandsgebot: bisherige Rechtsprechung war, dass ab dem dritten Kind die Bedarfe nicht mehr aus dem Grundgehalt zu stemmen sein müssen. Damit ist klar, dass dann auch das Abstandgebot zu einem ranghöheren Beamten mit weniger Kindern oder ohne selbige überschritten werden darf.

Dieses und nichts anderes

Durgi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3055 am: 16.12.2025 09:55 »
edit-Vorwort:
Zwei Lesarten - ein Beschluss
Vielleicht erklaert sich ein Teil der aktuellen Missverstaendnisse dadurch, dass derselbe Beschluss mit sehr unterschiedlichen Erwartungshorizonten gelesen wird.

Die allgemeine Forumslesart ist nachvollziehbar normativ gepraegt: Man liest das Urteil als Fortschreibung verfassungsrechtlicher Massstaebe und fragt primaer danach, "Wat nu, Gesetzgeber? Was musst du tun?". In dieser Perspektive erscheint die neue Prekaritaetsschwelle als klare Anhebung der Untergrenze, das Thema Partnereinkommen als weitgehend erledigt und der Beschluss insgesamt als ein weiterer Schritt hin zu einer materiell spuerbaren Verbesserung der Alimentation.

Die Lesart eines Grundsaetzers ist strukturell eine andere. Dort wird ein solcher Beschluss weniger als Handlungsanweisung, sondern als neuer Rahmen mit definierten Bindungen und verbleibenden Spielraeumen gelesen. Die zentrale Frage lautet nicht, was rechtspolitisch wuenschenswert waere, sondern wo die verfassungsrechtlichen Leitplanken verlaufen und wie sich innerhalb dieser noch steuerungsfaehige Modelle begruenden lassen.
Bei einer Tagung in Bad Godesberg sagte einer aus dem BMF mal zu mir:
Urteile beenden keine ministeriellen Prozesse...sie strukturieren den naechsten Durchgang
find ich nach wie vor nach all den Jahren klasse :)

Trennung.

@alle Verfassungsblogleser hier im Forum
Der verlinkte Beitrag trifft einen wichtigen Punkt, allerdings weniger dort, wo viele jetzt reflexartig hinschauen. Entscheidend ist nicht die bloße Feststellung, dass die Prekaritaetsschwelle hoeher liegt als fruehere Mindestabstaende...denn das ist letztlich nur die rechnerische Konsequenz.
Spannend ist vielmehr, welche Denkrichtung das Gericht damit vorgibt und welche es bewusst offenlaesst :)

Die neue Schwelle zwingt den Gesetzgeber, sich nicht mehr hinter Existenzsicherungsargumenten zu verstecken. Gesellschaftliche Teilhabe als Massstab ist qualitativ etwas anderes und bislang ausschliesslich Lagerfeuerromantik. Gleichzeitig laesst das Gericht aber Raum fuer Typisierung, Vergleichsbetrachtungen und modellhafte Annahmen. Genau in dieser Spannung zwischen erhoehtem Anspruch und offener Ausgestaltung liegt der Kern des Problems und der Grund, warum von einem Befreiungsschlag keine Rede sein kann.

Das gilt insbesondere fuer die Frage des Partnereinkommens. Dass das BVerfG hier Entwicklungsoffenheit signalisiert, ist kein Freibrief, sondern eher eine Warnung: Wer versucht, die neue Schwelle ueber Haushaltsbetrachtungen „einzufangen“, bewegt sich sehr schnell an der Grenze zur Aufloesung der bilateralen Struktur des Dienstverhaeltnisses. Ob und wie weit das verfassungsrechtlich traegt, ist gerade nicht entschieden ...sondern vertagt.

Insofern wuerde ich den Beschluss weniger als Richtungsentscheidung im Detail lesen, sondern als Verschiebung der Argumentationslast. Der Gesetzgeber kann nicht mehr mit Minimalabstaenden operieren, er muss seine Modelle jetzt substantiell rechtfertigen. Dass er dabei versuchen wird, fiskalische Steuerungslogik, Typisierung und zeitliche Streckung weiterhin maximal auszureizen, ist keine Unterstellung, sondern Erfahrung.

Das Urteil macht es dem Gesetzgeber schwerer, aber nicht unmoeglich. Es erhoeht den Preis fuer schlechte Gesetze, garantiert aber keine guten. Unterschaetzt bitte nicht die Beharrungskraefte im Besoldungsrecht.

Um es mit Helmut Schmidt's Worten zu sagen:
"...denn das Grundgesetz erlaubt sowohl schlechte Politik als auch gute Politik.
Schlechte Politik ist nicht grundgesetzwidrig, die ist bloß schlecht."
« Last Edit: 16.12.2025 10:14 von Durgi »

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3056 am: 16.12.2025 10:14 »
Ich frage mich noch, welchen Spielraum der DH für ein Reparaturgesetz für die Vergangenheit hat. Ein Partnereinkommen ist, zumindest für die Vergangenheit, selbst für den böswilligsten Dienstherren ausgeschlossen.

a) Er kann den Beihilfesatz für den Beamten und die Familie erhöhen (Hier aber Gegensatz Fürsorge / Alimentation).
b) Er kann das Grundgehalt erhöhen.
c) Er kann die Familienzuschläge erhöhen.

Das sind die Stellschrauben, die der DH hat, oder übersehe ich da was? Natürlich wird er a) und c) bis zum Maximum aufdrehen um das Grundgehalt möglichst wenig anzufassen.

Lichtstifter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3057 am: 16.12.2025 10:20 »
Zitat
Damit ist klar, dass dann auch das Abstandgebot zu einem ranghöheren Beamten mit weniger Kindern oder ohne selbige überschritten werden darf.

Und das ist ja auch nur folgerichtig.

Kinder sind ja nun keine Swarovski-Figürchen, die man sich bloß in die Vitrine stellt und gelegentlich entstaubt. Die kosten, Geld, Zeit & vor allem Nerven.

Es werden gerne Extrembeispiele herangezogen wie die A3-Familie mit 10 Kindern, die sich einfach so die Luxusvilla finanziert mit dem A16 Single-Beamten in München, der neben seinen 50 Wochenstunden abends noch Pfandflaschen sammeln geht. Wie hoch soll denn der Abstand zwischen den Gruppen ausfallen, damit Kinder die Grundbesoldung nicht tangieren?

Betrachtet man dann aber den Regelfall (und darauf sollten die Gesetze auch abzielen) dürften die meisten Pärchen ein Kind haben, viele vielleicht gerade noch zwei und die 5K-Familie ist wohl nicht mehr so häufig vertreten. Und betrachtet man diese Konstellationen mit dem Single-Beamten sind die finanziellen Unterschiede auch nicht signifikant.

Wenn das in der Welt so weitergeht wird das Kinderlos-Pärchen sowieso der neue Standard, über den es zu urteilen gilt. Mit allen seinen Verwerfungen für die Gesellschaft.
« Last Edit: 16.12.2025 10:31 von Lichtstifter »
Prekariatsbeamter

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #3058 am: 16.12.2025 10:43 »
Hat jemand zufällig einen Text, der das neue Urteil des BVerfG mit in den Widerspruch vom letzten Jahr, nur aktualisiert auf dieses Jahr mit einfließen lässt?


Kreidefresser

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« Antwort #3059 am: 16.12.2025 11:20 »
Wäre nicht die elegantere und auch nachvollziehbarere Lösung sich von der Zwei-Kind Familie zu verabschieden? In der Besoldung zukünftig die 3K Familie anzunehmen und weitere Kinder über höhere Kinderzuschläge zu lösen?