Autor Thema: Was bedeuten die Klagen der Beamten für den Tarifvertrag?  (Read 3081 times)

Philipp

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Aktuell hat das VG Schleswig geurteilt, dass die Besoldung von Beamten Verfassungswidrig sei. Die bekannten Dinge wie Abstandsgebot zur Grundsicherung und auch zu geringe Stufenunterschiede, was dem Leistungsprinzig zuwider laufe. Das Ergebnis der Entscheidung führt darauf hinaus, dass Beamte höhere Bezüge erhalten müssen.
Die weitere Entscheidung liegt jetzt in Karlsruhe, da dafür das Besoldungsgesetz für verfassungswidrig erklärt werden muss (das kann ein VG nicht).

Was würde eine Entscheidung für den Tarifvertrag bedeuten?
Exerziert man das weiter durch, müssten Beamten per Gesetz eine deutlich höhere Besoldung erhalten. Dort wo Beamte mit Tarifangestellten etwa gleiche Tätigkeiten ausführen würde dies zu erheblichen Missstände führen.
Kann die Gewerkschaft auf so etwas reagieren? Muss sie reagieren? Gibt es da irgendwelche Automatismen, dass die Gehälter nicht zu weit auseinander klaffen?

clarion

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Automatismen gibt es keine!

Auch bei uns würde es Probleme geben, da die Verbeamtungen abhängig vom Eintrittjahr uneinheitlich behandelt wurden. Den älteren Mitarbeiter hat man überwiegend keine Gelegenheit gegeben, verbeamtet zu werden, den jüngeren u40 schon, wobei nicht alle das Angebot angenommen haben.

Ich glaube, dass es zu einer Entkopplung zwischen Tariflohn und Besoldung kommen wird. Die Gewerkschaften hätten allerdings ein Argument mehr, bessere Ergebnisse zu verhandeln.

Aber mal abwarten wieviele Jahre die verfassungsgemäße Besoldung noch braucht.

MoinMoin

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Was würde eine Entscheidung für den Tarifvertrag bedeuten?
Rein gar nichts!
Es wäre nur für die Verhandlungen gute Munition, mehr nicht.

Rheini

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Ausser Unfrieden in der Behörde, bringt es nichts.

Ich vermute das je nach Erhöhung nach einem BVerfG Beschluß und der Drehung des Arbeitsmarktes von einem Arbeitnehmermarkt, auf einen Arbeitgebermarkt, die Verbeamtungen stark nachlassen wird und man die höheren Besoldungsgruppeninhaber in die Pension treiben möchte.

Aber das sagt nur meine Glaskugel.

JahrhundertwerkTVÖD

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Da Verdi den sozialistischen Gedanken präferiert und mit ihrer Tarifpolitik hauptverantwortlich die Stauchung der Tabelle im Angestelltenbereich vorantrieb, wird das Urteil nichts ändern.

Es kommt nur zu weiteren Missständen und Zwistigkeiten innerhalb der gleichen Behörde.

Wenn jetzt dazu auch noch wie angekündigt die Kranken-/Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge deutlich steigen, wird die (Netto) Zweiklassengesellschaft noch offensichtlicher.

BAT

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Man könnte ja auch die Grundsicherung(en) kürzen und es gibt gar keine Änderung.  ;)

KlammeKassen

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Was würde eine Entscheidung für den Tarifvertrag bedeuten?
Rein gar nichts!
Es wäre nur für die Verhandlungen gute Munition, mehr nicht.

Wenn dann aber nach wie vor eine "Inhalts- und zeitgleiche Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten" gefordert wird, bleibt es bei den Abständen  :P.
Und der DBB hat stets betont, dass diese Forderung ein zentrales Anliegen ist, ohne dessen Erfüllung ein Tarifabschluss nicht zustimmungsfähig sei.

KlammeKassen

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Da Verdi den sozialistischen Gedanken präferiert und mit ihrer Tarifpolitik hauptverantwortlich die Stauchung der Tabelle im Angestelltenbereich vorantrieb, wird das Urteil nichts ändern.

Es kommt nur zu weiteren Missständen und Zwistigkeiten innerhalb der gleichen Behörde.

Wenn jetzt dazu auch noch wie angekündigt die Kranken-/Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge deutlich steigen, wird die (Netto) Zweiklassengesellschaft noch offensichtlicher.

Dürfte nahezu so ablaufen.... ab 2028 geht es hoch mit den Beiträgen. Mal sehen, ob die Krankenkasse sogar schon vor der Rentenversicherung die 20 % knacken wird

Aleksandra

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Bei den Beamten geht es ja auch um das Lohnabstandgebot zwischen den EG. Da wissen wir, dass das auch jetzt schon und seit langer Zeit beim TVÖD keine Relevanz hat und niemanden interessiert. Denn immerhin ist zwischen EG12 und 13 ja auch kein nennenswerter Unterschied.
Ich hoffe natürlich, dass die Änderungen für die Beamten auch eine positive Wirkung auf die Angestellten haben wird. Immerhin hieß es ja sonst auch immer, dass man aus Solidarität auch die Bezüge der Beamten an die Erhöhungen der Angestellten anpassen will. Aber ich habe da so die Befürchtung, dass es sich bei dieser Solidarität lediglich um eine Einbahnstraße handeln wird. Aber mal schauen. Ich lasse mich da sehr gerne eines besseren belehren.
Reallohnverlust seit Dienstantritt: 2,33%
2022: Inflation 6,9% - Verdi 1,8%
2023: Inflation 5,9% - Verdi 0%
2024: Inflation 2,2% - Verdi 9,03%
2025: Inflation 2,4% - Verdi 3,00%
2026/7: Inflation 2,75% - Verdi 3,99%

JahrhundertwerkTVÖD

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Ich wiederhole mich.
Verdi hat kein Interesse an Lohnabstände zwischen den Gruppen.
Im Gegenteil, es wird die Meinung vertreten die Oberen bekommen eh schon zu viel

TVOEDAnwender

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Im Arbeits- und Tarifrecht existieren weder ein Alimentationsprinzip noch ein Abstandsgebot. Die einzige gesetzlich geregelte Untergrenze ist der Mindestlohn. Wie die Entgelttabellen ausgestaltet werden, also ob Tabellen vorgesehen sind und welche Abstände zwischen den einzelnen Entgeltgruppen und Stufen gelten, entscheiden allein die Tarifvertragsparteien im Rahmen des freien Spiels der Kräfte.

Klagen im Beamtenbereich haben daher keinerlei Auswirkungen auf die Tabellen des TVöD oder des TV-L. Die einzigen Faktoren, die mittelbar Einfluss auf die Tarifentgelttabellen haben können, sind Anpassungen des gesetzlichen Mindestlohns sowie des Mindestlohns in der Pflege.

KlammeKassen

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Ich wiederhole mich.
Verdi hat kein Interesse an Lohnabstände zwischen den Gruppen.
Im Gegenteil, es wird die Meinung vertreten die Oberen bekommen eh schon zu viel

Da damit die "armen" unteren Besoldungsgruppen keine Chance haben, höher an die oberen heranzurücken (was natürlich sozial unfair ist), sollten sich die Tarifangestellten wenigstens solidarisch zeigen und daher noch mehr für die unteren Entgeltgruppen hergeben (quasi noch das mitkompensieren, was wegen der vorgeschriebenen Beamtenbesoldungsabstände nicht möglich ist) - das wird eher noch ein verdi Argument sein.


JahrhundertwerkTVÖD

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Im Arbeits- und Tarifrecht existieren weder ein Alimentationsprinzip noch ein Abstandsgebot. Die einzige gesetzlich geregelte Untergrenze ist der Mindestlohn. Wie die Entgelttabellen ausgestaltet werden, also ob Tabellen vorgesehen sind und welche Abstände zwischen den einzelnen Entgeltgruppen und Stufen gelten, entscheiden allein die Tarifvertragsparteien im Rahmen des freien Spiels der Kräfte.

Klagen im Beamtenbereich haben daher keinerlei Auswirkungen auf die Tabellen des TVöD oder des TV-L. Die einzigen Faktoren, die mittelbar Einfluss auf die Tarifentgelttabellen haben können, sind Anpassungen des gesetzlichen Mindestlohns sowie des Mindestlohns in der Pflege.

Alles Richtig.
Trotzdem sind die Auswirkungen dieser Tarifpolitik vor allem ab E9 offensichtlich.
Dafür ist die Tarifpolitik der letzten Jahrzehnten (mit deutlichen Kürzungen ab E9 zu Gunsten der unteren Gruppen) hauptverantwortlich

KlammeKassen

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Im Arbeits- und Tarifrecht existieren weder ein Alimentationsprinzip noch ein Abstandsgebot. Die einzige gesetzlich geregelte Untergrenze ist der Mindestlohn. Wie die Entgelttabellen ausgestaltet werden, also ob Tabellen vorgesehen sind und welche Abstände zwischen den einzelnen Entgeltgruppen und Stufen gelten, entscheiden allein die Tarifvertragsparteien im Rahmen des freien Spiels der Kräfte.

Klagen im Beamtenbereich haben daher keinerlei Auswirkungen auf die Tabellen des TVöD oder des TV-L. Die einzigen Faktoren, die mittelbar Einfluss auf die Tarifentgelttabellen haben können, sind Anpassungen des gesetzlichen Mindestlohns sowie des Mindestlohns in der Pflege.

Naja, es steht auch in keinem GESETZ, dass Beamtenbesoldungen nach Tariferhöhungen auszurichten sind. Trotzdem wird dies immer gefordert. Dementsprechend könnte man nun auch fordern, dass die Tarifangestellten für die gleiche Arbeit, die sie verrichten, nicht wesentlich schlechter bezahlt werden sollten (gibt ja eh schon Nachteile wie GKV, "nur" 6 Wochen volles Entgelt weiter bei Krankheit, Rente vs. Pension).
Aber sorum greifen die Gewerkschaften das natürlich nicht auf.

Selbst wenn die Beamten nun 10 % mehr bekommen, würde aber bei der nächsten Tarifrunde selbstverständlich wieder die Erhöhungen auf die Beamten inhalts- und zeitgleich übertragen werden müssen.

DBB und verdi sehen da eine Gruppe klar als Premiumelite an. Das ist jedoch merkwürdig, weil diese diesen relativ wenig bringt.... der einzige Druck, der gemacht werden kann, ist Streik. Und da sind die raus.

TVOEDAnwender

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Zitat
Naja, es steht auch in keinem GESETZ, dass Beamtenbesoldungen nach Tariferhöhungen auszurichten sind. Trotzdem wird dies immer gefordert.

Aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt sich die Pflicht zur periodischen Anpassung der Beamtenbesoldung.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber hierfür Vergleichsparameter zur  heranziehen muss, u. a.:

- Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst

- allgemeine Lohnentwicklung

- Verbraucherpreisindex

Du hast also recht: Die Tarifabschlüsse sind nicht bindend, aber ein maßgeblicher Vergleichswert zur Anpassung der Beamtenbesoldung.