[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

Begonnen von SwenTanortsch, 28.07.2020 14:39

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cyrix42

Zitat von: clarion am Heute um 12:05Und dass Ergänzungszuschläge nicht bei der Berechnung der aA zu berücksichtigen sind, geht aus dem Urteil hervor. Daher ist das fiktive Partnereinkommen sowas von tot, lebt leider aber als Zombi weiter, zumindest in Bayern.

Das aktuelle Urteil bezieht sich nur auf die Vergangenheit, bei der das BVerfG davon ausgeht, dass die beklagte Berliner Besoldungsgesetzgeberin von einer 4K-Alleinverdiener-Ehe ausgegangen ist, weil sie in der Gesetzgebung erst danach davon abgewichen ist. Inwiefern hier jetzt Ergänzungszuschläge im Falle einer Mehrverdiener-Ehe als Ausgangspunkt für nicht arbeitende Ehepartner nun möglich oder ausgeschlossen sind, wurde explizit nicht addressiert.

Wenn also nun ein Besoldungsgesetzgeber für ein neues Besoldungsgesetz ab 2026 sich auf eben jene Position zurückzieht, dass jetzt wohlbegründet, man den Ausgangspunkt anders wählt, dann wären Ergänzungszuschläge für nicht arbeitende Ehepartner genauso denkbar wie für das dritte und weitere Kind(er). (Ob diese je nach Besoldungsgruppe/ Stufe nach oben hin abschmelzend sein dürfen, wäre eine weitere Frage, die zu klären ist.)

BVerfGBeliever

Du hast insofern Recht, dass in Rn. 70 in der Tat das bislang gewählte Besoldungsmodell erwähnt wird.

Aber wie gesagt: Zumindest nach meinem Verständnis ist Leitsatz 7 allgemeiner gefasst. Egal welche (hypothetischen) Besoldungsmodelle sich die Gesetzgeber für die Zukunft ausdenken, die Besoldung (und nicht die Besoldung zuzüglich irgendwelcher Ergänzungszuschläge, die nicht "unterschiedslos" gezahlt werden) muss nach meiner Interpretation alle Beamtenfamilien vor einem realen Armutsrisiko schützen.

[P.S. Und dass die bayerische Voodoo-Rechnung mit fiktiver "heißer Luft" in keinem aller denkbaren Szenarien mit Art. 33 GG in Einklang zu bringen sein wird, da sind wir uns hoffentlich einig.]

Ryan

Zitat von: cyrix42 am Heute um 15:35Wenn also nun ein Besoldungsgesetzgeber für ein neues Besoldungsgesetz ab 2026 sich auf eben jene Position zurückzieht, dass jetzt wohlbegründet, man den Ausgangspunkt anders wählt, dann wären Ergänzungszuschläge für nicht arbeitende Ehepartner genauso denkbar wie für das dritte und weitere Kind(er). (Ob diese je nach Besoldungsgruppe/ Stufe nach oben hin abschmelzend sein dürfen, wäre eine weitere Frage, die zu klären ist.)

Im Unterschied zum aktuellen bayrischen Modell scheint die von Dir skizzierte Variante nicht von vorneherein ausgeschlossen zu sein. Rechtlich und politisch ist das allerdings ein Minenfeld.

Es läuft dann ja letztlich auf das hinaus, was manche auch als "Herdprämie" bezeichnen würden. Die Probleme die so etwas mit sich bringt, wurden hier im Forum ja schon diskutiert. Es ist paradox, aber die Idee der modernen Mehrverdienerfamlilie bringt es im Kontext der Besoldung mit sich, dass das vermeintlich veraltete Familienbild begünstigt bzw. gefördert wird.

Und in diesem Kontext stellt sich nicht mehr die Frage, wieviel Geld denn ein Ehepartner mitbringt um den Besoldungsgesetzgeber zu entlasten, sondern wieviel der Besoldungsgesetzgeber denn für den nicht arbeitenden Partner locker machen möchte. Fraglich, ob Bayern dann auch mal eben 20.000 Euro in die Waagschale werfen würde.

Versuch

Zitat von: cyrix42 am Heute um 09:49
Zitat von: Dogmatikus am Gestern um 01:28Wie BVErfGBeliever korrekt sagt: Die Musik spielt beim Partnereinkommen. Ob monatlich am Ende 1.200€ oder 1.300€ netto/Monat mehr gezahlt werden müssen, ist doch fast nur noch eine Detailfrage vor dem Hintergrund, dass die Länder weiterhin mit aller Macht versuchen werden, exakt 0,00 € mehr zu zahlen, weil der Partner / der Hund / der imaginäre Jugendfreund ja angeblich auch was zum Einkommen beiträgt.

Natürlich ist das reine Polemik; ich will den Punkt aber trotzdem richtig stellen: Es geht den Ländern mit der Berücksichtigung des Partnereinkommens ja offensichtlich nicht um die Besoldung des Beamten selbst, sondern um die die Frage, in welchem Umfang weitere Familienmitglieder zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beitragen und wie viel also vom Dienstherrn diese über die Besoldung, die der Beamte qua Amt für sich beanspruchen muss, hinaus zu alimentieren sind. Der Hund oder imaginäre Jugendfreund sind auch bisher nicht zu alimentieren, sodass deren Einkommen offensichtlich irrelevant wäre. Wenn aber ein Ehegatte mitfinanziert werden muss, dann wird hier schon berechtigt die Frage gestellt, warum dieser alimentiert werden muss, wenn er sich durch eigene Erwerbstätigkeit auch selbst finanzieren kann. Wenn der Gesetzgeber von einer Mehrverdiener-Ehe ausgehen kann (und damit ein fiktives Partnereinkommen ansetzen darf), dann wäre es töricht und unwirtschaftlich — also vor allen Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen — dies nicht zu tun: Warum sollten nicht notwendige Ausgaben getätigt werden, ohne, dass es einen politischen Willen, hier Beamte überzuversorgen, dazu gibt?

Natürlich steht und fällt diese Argumentationslinie mit der Frage, ob ein Wechsel zu einem Mehrverdiener-Modell juristisch abgedeckt und möglich ist. Die Meinung im Forum ist da ja weitgehend einhellig, dass dem nicht so sei. Das BVerfG hat sich dazu jedenfalls explizit noch nicht geäußert. Man mag sich dies aus dem Urteil irgendwie zusammenreimen, aber faktisch und glasklar ausgeschlossen ist es derzeit jedenfalls nicht.

Entsprechend ist es mehr als nur nachvollziehbar, wenn die verschiedenen Besoldungsgesetzgeber jetzt diesen Weg gehen — bis sie durch die nächste Leitplanke des BVerfGs weiter in ihrer Gesetzesausgestaltung eingeschränkt werden. Bis dahin sind sie aber quasi auch gezwungen, den kosteneffizientesten Weg zu gehen.

Die Lösung ist für mich hier eindeutig:
Nicht ein Partnereinkommen, sondern anstatt dem Faktor 2,3 würd der Ehepartner rausgerechnet und nur mit 1,8 gerechnet.

Das wäre wahrscheinlich irgendwie zu begründen.

BVerfGBeliever

Zitat von: Versuch am Heute um 19:50Die Lösung ist für mich hier eindeutig:
Nicht ein Partnereinkommen, sondern anstatt dem Faktor 2,3 würd der Ehepartner rausgerechnet und nur mit 1,8 gerechnet.

Auch diese "Lösung" stünde nach meinem Verständnis mutmaßlich in Widerspruch zu den Leitsätzen 2 und 7 des BVerfG-Beschlusses.