Über den Punkt hatte ich schon mal vor geraumer Zeit einen Austausch mit Swen.
Nach meinem Verständnis rückt das BVerfG mit seiner jüngeren Rechtsprechung von dem Existenzminimumsbericht der Regierung ab, weil das soziale Existenzminimum aus der Grundsicherung realitätsnäher ist, und legt daher bei seinen Berechnungen eben dieses soziale Existenzminimum zu Grunde.
Daher erscheint es aus meiner Sicht inkonsistent, wenn man sich bei der Frage der zulässigen Höhe des Familienzuschlages nicht an dem objektiven Bedarf des Kindes, sondern an einer Orientierungshilfe der Gerichte zur Bemessung des Kindesunterhaltes orientieren würde. Am Ende geht es doch aus meiner Sicht darum, dass der Dienstherr dem Beamten mit zwei Kindern den Lebensunterhalt für sich und seine Kinder amtsangemessen sicher stellen muss. Dabei geht es doch dabei um eine realitätsnahe Betrachtung.
Ich verstehe daher nicht, wie eine Tabelle, die nicht den notwendigen Lebensunterhalt abbildet, sondern lediglich eine Orientierungshilfe zur Bemessung eines Unterhaltsanspruches bei getrennt lebenden Eltern ist, bei dieser Frage eine realitätsnahe Abbildung darstellen sollte.
Mich würde es daher nicht überraschen, wenn das BVerfG auch in dieser Frage zukünftig nicht mehr auf die Düsseldorfer Tabelle, sondern auf die realitätsnähere Berechnungsgrundlage der Grundsicherung zurück greifen würde.
Vielleicht werden wir in dem Maidowski Beschluss auch dazu etwas finden.
Es ist tatsächlich so, dass der Zweite Senat in seiner aktuellen Entscheidung eine in jeder Hinsicht realitätsgerechte Bemessung des Grundsicherungsniveau fordert, sofern das von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, sodass nur die Regelsätze als Pauschalbetrag, den auch der Existenzminimumbericht der Bundesregierung zugrunde legt, nicht an tatsächlichen Bedarfen orientiert sind. Dahingegen liegt dem 95 %-Perzentil der kalten Unterkunftskosten eine an tatsächlichen Bedarfen orientierte Methodik zugrunde. Denn hier finden wir - vereinfacht ausgedrückt - den Betrag aller sachgerecht möglichen Wohnungsmieten am Punkt von 95 % der maximalen Kosten als Grundlage und damit also keinen Pauschalbetrag, da alle 100 % betrachteten Wohnungsmieten tatsächlichen Verhältnissen entspringen. Ebenso ist das mit den Heizkosten, die sich ebenfalls - solange kein regionaler oder lokaler qualifizierter Heizspiegel vorliegt - anhand von realitätsgerechten (Höchst-)Werten ermitteln lassen, also an tatsächlichen Verhältnissen orientiert sind. Schließlich können auch die Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe und den monetären Gegenwert der "Sozialtarife" nicht pauschal ermittelt, sondern nur an tatsächlichen Bedarfen orientiert werden, um realitätsgerecht zu sein. Damit wäre am Ende ein realitätsgerechter Grundsicherungsbedarf unmittelbar am Sozialrecht bemessen.
Und finden wir also mit der um 15 % erhöhten Mindestalimentation die mittelbar am Sozialrecht bemessene Grenze zur Unteralimentation - die mittelbare sozialrechtliche Schranke -, die also den Betrag der gewährten Nettoalimentation umfasst, in den dem Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind.
Und das war's. Denn mehr lässt sich hier nun nicht mehr sagen.
Was sich also sagen lässt, ist, dass mit der mittelbar am Sozialrecht bemessenen Grenze zur Unteralimentation allein keinerlei Aussage zur amtsangemessenen Alimentation möglich ist. Entsprechend ist diese so bemessene Grenze zur Unteralimentation - die mittelbare sozialrechtliche Schranke - auch gänzlich untauglich, um aus ihr nun irgendwelche Aussagen zum sachgerechten Grundgehalt oder zur sachgerechten Bemessung sozialer Besoldungskomponenten machen zu wollen. Das wollen zwar wiederkehrend die allermeisten Besoldungsgesetzgeber und tun das auch irgendwie. All das ist sachlich aber gar nicht möglich, weshalb ich wiederkehrend hervorheben, dass die Verhexung des Verstands durch die Mittel unserer Sprache, der alle 17 Besoldungsgesetzgeber seit 2020 unterliegen, nicht auch unseren Funken Verstand verhexen sollte.
Denn ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot - also ein Einschnitt in den Betrag der gewährten Nettoalimentation, der von der Mindestalimentation umfasst ist - sagt aus, dass sich diese Nettoalimentation als unmittelbar verletzt darstellt und damit verfassungswidrig ist. So wie das bspw. gestern das VG Schleswig für die Besoldungsgruppen bis A 11 einschließlich festgestellt hat, sodass sich hier jede weitere Prüfung erübrigt hat.
Allerdings kann man eben nicht daraus schließen, dass - sofern eine gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation übersteigt - diese Nettoalimentation automatisch verfassungskonform wäre. Denn dann wäre heute automatisch alle einem in der Besoldungsgruppe A 16 eingruppierten Beamten gewährte Nettoalimentation amtsangemessen. Denn sie überschreiten heute noch alle aunahmslos die Mindestalimentation.
Der langen Rede kurzer Sinn: Es ist gänzlich unerheblich, aus welchen konkreten Posten und Beträgen sich am Ende die sachgerechte Mindestalimentation zusammensetzt - am Ende ist nur erheblich, dass sie - falls das entscheidungserheblich ist - realitätsgerecht bemessen ist und dass, sofern die gewährte Nettoalimentation sie unterschreitet, wir für diese Besoldungsgruppe ein unmittelbar verletztes Mindestabstandsgebot vorfinden, das hier zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt.
Eine Ableitung daraus, was das für die Höhe sachgerechter Grundgehaltssätze oder Familienzuschläge hieße, ist daraus aber nicht möglich - so wie aus einem für die Besoldungsgruppe A 16 nicht unmittelbar verletzten Mindestabstandsgebot keine sachgerechten Folgerungen über die hier sachgerechten Grundgehaltssätze oder die hier zu gewährenden Familienzuschläge gezogen werden könnten. Denn die eine realitätsgerechte Mindestalimentation bleibt als Grenze zur Unteralimentation für alle Besoldungsgruppen gleich, denn ihr Betrag ändert sich nicht - aber die Beträge der Grundgehaltssätze (und ggf., sofern sich das sachgerecht begründen ließe, der Familienzuschläge) sind für alle Besoldungsgruppen unterschiedlich (und könnten das eben - recht kompliziert zu begründen - auch für die Familienzuschläge sein).
Ergo: Die Mindestalimentation als mittelbar sozialrechtliche Schranke hat an keiner Stelle irgendeinen Berühungspunkt mit der amtsangemessenen Alimentation, sie hat nur einen Berühungspunkt mit der nicht amtsangemessenen Alimentation, nämlich sofern eine gewährte Nettoalimentation sie unterschreitet, was unmittelbar zur Verfassungswidrigkeit der in dieser Besoldungsgruppe gewährten Nettoalimentation führt (diese Folge des letzten Halbsatzes ist der einzige Berühungspunkt).
Wer sich also seinen Verstand nicht verhexen lassen möchte, sollte seinen Blick von der Mindestalimentation weglenken, sofern er eine sachgerechte Besoldungsbemessung vollziehen wollte. Denn man schaut auch nur dann den Kopf der Medusa an, wenn man danach etwas in Stein gemeißelt vorfinden wollte, was man wohl eher nicht in Stein gemeißelt vorfinden wollte (schätze ich).