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[TH] GKV wird für Beamte geöffnet
ChrBY:
--- Zitat von: Feidl am 20.03.2019 12:47 ---
--- Zitat von: Mayday am 20.03.2019 10:48 ---. Ich bezahle derzeit bei der HUK mit knapp 50 Jahren ca. 210 € (zuzüglich Pflegeversicherung).
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Etwa soviel zahl ich als knapp 30 jähriger "gesunder" Beamter auch. :o Aber wieviel macht denn die Pflegeversicherung aus? Diese ist glaub noch deutlich stärker vom Alter abhängig und wie lange man vorraussichtlich einzahlen wird. Bei mir macht die jedenfalls kaum was aus.
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Die PKV-Beiträge sind genau wie die Beiträge in der privaten Pflegeversicherung eintrittsalterabhängig, nicht jedoch abhängig vom tatsächlichen Alter des Versicherten. Und ja, in der privaten Pflegeversicherung hängen die Beiträge noch stärker vom Eintrittsalter ab als in der privaten Krankenversicherung – ganz einfach deswegen, weil Kosten bei der Pflege fast ausschließlich auf die älteren Kohorten entfallen, während junge Menschen selbstverständlich ebenso zum Arzt gehen und ab und an ins Krankenhaus müssen, wenn auch etwas seltener.
Was die GKV für Beamte betrifft: Weder glaube ich, daß die Mehrheit der neuen Beamten diese Option nutzen wird, noch wird dies zum großen Problem für die PKV werden.
Erstens: Nachdem der einfache Dienst bereits fast vollständig ausgestorben ist und der mittlere Dienst inzwischen dieser Entwicklung zu folgen scheint (siehe Abschaffung des mittleren Polizeidienstes in vielen Bundesländern), konzentriert sich die Beamtenschaft immer mehr auf den höheren Dienst. Dort ist die GKV im Regelfall trotz hälftigem Beitragszuschuß wesentlich teurer. Außerdem neigt man in diesen Besoldungsgruppen nicht dazu, am Hungertuch zu nagen, und ist nicht nur imstande, sondern auch willens, für eine etwas komfortablere Absicherung den einen oder anderen Euro aufzuwenden (was sich auch daran zeigt, daß sich die wenigsten Beamten mit der Mindestabsicherung in der PKV zufriedengeben, sondern meist unzählige – sogar oftmals vollkommen unnötige – Zusatztarife dazubuchen).
Zweitens: Diejenigen Neubeamten, welche schon jetzt oder dank Optionsmodell erst recht zukünftig in der GKV verbleiben, gehören häufig zur – und hier bin ich durchaus politisch inkorrekt – potentiellen »Problemklientel« (also zu den Kostentreibern) der PKV. Heißt: entweder Beamte mit Vorerkrankungen, bei denen die 30 % Risikozuschlag im Rahmen der Öffnungsaktion bei weitem nicht kostendeckend sind, Beamte mit vielen und dauerkränkelnden Kindern, weibliche Beamte, die statistisch mehr Kosten verursachen, von denen aber seit 2012 kein höherer Beitrag mehr verlangt werden darf, usw.
Drittens: Diejenigen Neubeamten, welche der PKV trotz Optionsmodell in jedem Fall erhalten bleiben, gehören hingegen zur »Traumklientel« der PKV, also ledige, kinderlose Männer ohne bedeutsame Vorerkrankungen – namentlich die sogenannte »Günther-Jauch-Gruppe« (= ledig, Single, keine Kinder).
Eine kurze Beispielrechnung soll illustrieren, wie sich die Situation für Beamte, die dieser Gruppe angehören, finanziell und hinsichtlich der Leistungen trotz GKV-Beitragszuschuß (sofern Bayern dies einführen sollte) darstellt:
Beispielrechnung für Bayern (Bezugsdatum: 1. Januar 2020):
Neu verbeamteter Studienrat (A13Z/5): 4930,27 Euro brutto (auch auf die Jahressonderzahlung müssen prinzipiell Beiträge geleistet werden, sofern nicht jenseits der Beitragsbemessungsgrenze)
Beitragsbemessungsgrenze 2020: 4650,00 Euro
Ermäßigter Beitrag GKV (Techniker Krankenkasse): 325,50 Euro
Beitrag gesetzliche Pflegeversicherung: 70,91 Euro
Strafbeitrag gesetzliche Pflegeversicherung für Kinderlose: 11,63 Euro
Gesamtbeitrag GKV und gesetzliche Pflegeversicherung: 408,04 Euro
Für diese 408,04 Euro hat der Beamte im höheren Dienst eine Absicherung »auf ALG-II-Niveau« – man verzeihe die an dieser Stelle etwas grobe, dafür aber sofort verständliche Wortwahl – und muß, sofern mehr gewünscht, für viel Geld weitere private Zusatzversicherungen abschließen.
Was man hingegen in der PKV für 408,04 Euro bekommt, wenn man – wie ein Beamter – nur 50 % absichern muß, dürfte bekannt sein. Und ist die Frage gestattet, wieviel PKV-Beitrag jemand voraussichtlich im Alter überhaupt noch zahlt, der mit 200 Euro Beitrag einsteigt und zusätzlich einen Beitragsentlastungstarif für 200 Euro abschließt – also ebenfalls wie in der GKV 400 Euro zahlt?
Bei mir selbst stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Verbeamtung im höheren Dienst erst mit Mitte Dreißig, daher recht hoher PKV-Beitrag von zunächst 280 Euro (vor sieben Jahren) und nun 309 Euro (heute) inkl. Pflegeversicherung; aber selbst unter diesen Voraussetzungen ist die PKV als dauerhafter Angehöriger der »Günther-Jauch-Gruppe« um ganze Größenordnungen lukrativer als jedes wie auch immer geartetes Angebot, in die GKV zu wechseln. Trotz des hohen Eintrittsalters ergibt sich im Vergleich zur GKV mit hälftigem Beitragszuschuß noch immer eine Einsparung von 100 Euro, die – sofern gut zurückgelegt – auch jedes Problem möglicher höherer Beiträge in der Zukunft in den Hintergrund treten lassen sollten, und das bei einer wesentlich besseren Absicherung, als dies die GKV jemals bieten könnte.
Karsten:
--- Zitat von: Feidl am 20.03.2019 13:44 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 20.03.2019 13:34 ---Aber ja: Andererseits spart der AG bei Familien/Kinder...und Dauerkranken
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Dauerkranke werden aber keine Beamte. Nur neue meist junge Beamte, die kaum Kosten verursachen, haben ja die Möglichkeit. Irgendwann werden die vielleicht auch mal kränker aber bis dahin muss das Land die alten kränkeren per Beihilfe stützen und gleichzeitig die jungen gesunden durch den GKV Beitrag.
Und Familien/Kinder trifft es ja auch nur, wenn diese überhaupt privat versichert sind.
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Hier liegt ein Denkfehler vor! Die Beihilfe ist langfristig deutlich teurer als ein Arbeitgeberbeitrag. Denn im Gegensatz zum Beitrag der GKV ist die Höhe der Beihilfe nicht gedeckelt. Verursacht Beispielsweise ein pensionierter Beamter im Jahr 2019 Krankenhauskosten durch eine Chemotherapie von 80.000 €, so muss die Beihilfe davon 70% (56.000€) tragen. Bei der GKV muss er Kostenunabhängig den Arbeitgeberanteil der Pension an Beitrag abführen (das sind 2019 max. 3.974,85 €).
Mit der bevorstehenden Pensionierungswelle werden die Beihilfekosten deutlich
anziehen – auch diese werden komplett steuerfinanziert, haben aber noch eine stärkere Kostendynamik
als die Pensionen. Deswegen handeln die Länder nun bereits.
Wären 2014 beispielsweise alle Beamten und Pensionäre in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen, hääten Bund und Länder 2014 bereits 3,20 Milliarden Euro gespart: Statt 12,87 Milliarden Euro für die
Beihilfe auszugeben, wären nur 9,67 Milliarden Euro für den Arbeitgeberanteil an die GKV fällig geworden, wie die Studie der Bertelsmann Stiftung ergab. Auch langfristig würden die Länder mehr profitieren. Bis 2030 addierten sich ihre jährlichen Gewinne auf 33,15 Milliarden Euro, die des Bundes auf 27,16 Milliarden Euro.
Quelle:
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/SpotGes_GKV-statt-Beihilfe_final.pdf
--- Zitat von: Mayday am 20.03.2019 10:48 ---Wie sieht die Sache denn nach der Pensionierung aus? Dann steigt die Beihilfe (zumindest in Sachsen) von 50 auf 70%, folglich müssen dann nur noch 30% privat abgesichert werden. Ist dann der Beitrag für die GKV wirklich günstiger? Für mich wäre ein Wechsel in GKV uninteressant. Ich bezahle derzeit bei der HUK mit knapp 50 Jahren ca. 210 € (zuzüglich Pflegeversicherung). Sollte es mir im Alter doch mal zu teuer werden, kann ich immer noch in den Standard- bzw. Basistarif wechseln.
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Das ist nachvollziehbar, weil ihre Altersrückstellungen über viele Jahrzehnte mit 3,5% Rechnungszins verzinst wurden und die Rücklagen eine Erhöhung der Beiträge abmildern. Durch die hohen Zinsen war es sogar möglich jungen versicherten Beamten günstige Preise anzubieten, welche nicht kostenendeckend waren, da die Zinsen dies noch ausgeglichen haben im Laufe eines Erwerbslebens.
Für einen heute jungen Beamtenanwärter kann die PKV aber keine hohen Zinseinnahmen mehr kalkulieren, deshalb müssen die Beiträge von Anfang an kostendeckend kalkuliert ggf. sogar mit Sicherheitspuffer und Risikozuschlägen. Nicht umsonst verlangt die Debeka für einen 20 jährigen aktuell 217 € monatlich. Vor 10 Jahren wären es ca. 120 € gewesen.
Ein Wechsel von bereits privat versicherten Beamten in die GKV ist gesetzlich sowieso nicht möglich und nachdem SGB V verboten. Bereits PKV versicherte Beamte können lediglich darauf hoffen, dass der Wechsel und die Portierung der Altersrückstellungen zu anderen PKV'en zukünftig einmal möglich sein wird um wenigstens etwas Wettbewerb zu haben. Es ist schon schwierig genug im hohen Alter die Vorleistungen bei Arzt zu leisten und die Kostenerstattungen jedes mal bei der PKV zu beantragen. Der GKV versicherte hält lediglich seine Karte hin.
MoinMoin:
Zunächst einmal vielen Dank für deine Ausführungen.
--- Zitat von: Karsten am 20.03.2019 15:22 --- Bereits PKV versicherte Beamte können lediglich darauf hoffen, dass der Wechsel und die Portierung der Altersrückstellungen zu anderen PKV'en zukünftig einmal möglich sein wird um wenigstens etwas Wettbewerb zu haben.
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Ja, das wäre fein, leider wagt sich ja der Gesetzgeber noch nicht daran, dass es einen echten Wettbewerb um Bestandskunden zwischen den PKVen gibt.
Feidl:
--- Zitat von: Karsten am 20.03.2019 15:22 ---
--- Zitat von: Feidl am 20.03.2019 13:44 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 20.03.2019 13:34 ---Aber ja: Andererseits spart der AG bei Familien/Kinder...und Dauerkranken
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Dauerkranke werden aber keine Beamte. Nur neue meist junge Beamte, die kaum Kosten verursachen, haben ja die Möglichkeit. Irgendwann werden die vielleicht auch mal kränker aber bis dahin muss das Land die alten kränkeren per Beihilfe stützen und gleichzeitig die jungen gesunden durch den GKV Beitrag.
Und Familien/Kinder trifft es ja auch nur, wenn diese überhaupt privat versichert sind.
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Hier liegt ein Denkfehler vor! Die Beihilfe ist langfristig deutlich teurer als ein Arbeitgeberbeitrag. Denn im Gegensatz zum Beitrag der GKV ist die Höhe der Beihilfe nicht gedeckelt. Verursacht Beispielsweise ein pensionierter Beamter im Jahr 2019 Krankenhauskosten durch eine Chemotherapie von 80.000 €, so muss die Beihilfe davon 70% (56.000€) tragen. Bei der GKV muss er Kostenunabhängig den Arbeitgeberanteil der Pension an Beitrag abführen (das sind 2019 max. 3.974,85 €).
Mit der bevorstehenden Pensionierungswelle werden die Beihilfekosten deutlich
anziehen – auch diese werden komplett steuerfinanziert, haben aber noch eine stärkere Kostendynamik
als die Pensionen. Deswegen handeln die Länder nun bereits.
Wären 2014 beispielsweise alle Beamten und Pensionäre in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen, hääten Bund und Länder 2014 bereits 3,20 Milliarden Euro gespart: Statt 12,87 Milliarden Euro für die
Beihilfe auszugeben, wären nur 9,67 Milliarden Euro für den Arbeitgeberanteil an die GKV fällig geworden, wie die Studie der Bertelsmann Stiftung ergab. Auch langfristig würden die Länder mehr profitieren. Bis 2030 addierten sich ihre jährlichen Gewinne auf 33,15 Milliarden Euro, die des Bundes auf 27,16 Milliarden Euro.
Quelle:
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/SpotGes_GKV-statt-Beihilfe_final.pdf.
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Das es wegen der Pensionierungswelle teuer wird, auch bei der Beihilfe, ist klar, wobei Thüringen als neues Bundesland noch halbwegs glimpflich davon kommen wird.
Aber wie sieht es danach aus, wenn es einen vernünftiger Altersschnitt im öD gibt?
Aktuell eine News rausgekommen: Beihilfe hat 2018 97,6 Mio. € das Land gekostet.
Und wieviel wäre es bei GKV? 2018 hat Thüringen laut Haushaltsplan 36.579 Beamte, die 1.504 Mio € an Besoldung erhalten haben. Bei 7% (+0,x für Zusatzbeitrag), die Thüringen für die GKV zahlen müsste, wären das mindestens 105,31 Mio. €, also mehr als für die Beihilfe. Deswegen halte ich die Bertelsmannstudie auch für wenig plausibel, vor allem sagt sie darin, dass es im wesentlichen ein problem der alten Länder ist, die eben die Pensionierungswelle voll trifft. Thüringen hingegen macht nicht wirklich gut mit GKV. Naja, vielleicht bei den kinderreichen Familien, dass sie nicht mehr für die Kinder aufkommen müssen.
Karsten:
--- Zitat von: Feidl am 26.03.2019 13:02 ---
Aktuell eine News rausgekommen: Beihilfe hat 2018 97,6 Mio. € das Land gekostet.
Und wieviel wäre es bei GKV? 2018 hat Thüringen laut Haushaltsplan 36.579 Beamte, die 1.504 Mio € an Besoldung erhalten haben. Bei 7% (+0,x für Zusatzbeitrag), die Thüringen für die GKV zahlen müsste, wären das mindestens 105,31 Mio. €, also mehr als für die Beihilfe. Deswegen halte ich die Bertelsmannstudie auch für wenig plausibel, vor allem sagt sie darin, dass es im wesentlichen ein problem der alten Länder ist, die eben die Pensionierungswelle voll trifft. Thüringen hingegen macht nicht wirklich gut mit GKV. Naja, vielleicht bei den kinderreichen Familien, dass sie nicht mehr für die Kinder aufkommen müssen.
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Das ist für 2018 richtig, allerdings steigen die Kosten der Beihilfe bereits deutlich schneller an und sie werden es noch schneller tun, als die Beiträge der GKV. Bereits 2020 wird die Beihilfe teurer sein. Die Beamten haben in Thüringen einen deutlich höheren Altersschnitt. Der Median des Alters aller Landesbediensteten lag schon im Jahr 2010 bei 48 Jahren und dürfte nun bei weiter über 50 Jahren liegen. Eine stark steigende Zahl der Ruheständler (erste Pensionierungswelle) erreicht Thüringen in den nächsten 3-5 Jahren. Dadurch nehmen immer mehr Beamte die ärztliche Behandlungen in Anspruch und treiben die Beihilfekosten im Vergleich zu den Arbeitgeberbeiträgen in die Höhe.
Allgemein gilt, dass Beamte bis zum ca. 50- 55 Lebensjahr günstiger sind über die Beihilfe und dann sich das Blatt zu Gunsten der Arbeitgeberbeiträge dreht. Ab der Pensionierung der Beamten ist die Beihilfe erheblich teurer, da die GKV Beiträge aus einer Bruttopension sogar niedriger sind, als während der aktiven Laufbahn.
Zur Info
Beihilfekosten Thüringen:
Auffallend ist, dass sich die Kosten verdoppelt haben, obwohl die Anzahl der Beamten nahezu gleich geblieben ist.
2006: 47,00 Mio Euro (ca. 31 075 Beamte)
2018: 97,60 Mio Euro (ca. 30.500 Beamte)
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