Ich denke ebenfalls, dass den meisten Abgeordneten die verfassungs- und beamtenrechtlichen Probleme nicht im Detail klar sein dürften, NordWest. Sicherlich klar sind sie den allermeisten Mitglieder des jeweils federführenden Ausschusses sowie zumindest des zumeist beteiligten Rechtsausschusses, die sich mit ihren weiteren Abgeordnetenkollegen in einem regen Austausch befinden.
Darüber hinaus ist es mit Ausnahme der beiden deutschlandweit bekannten Abgeordneten Robinson C. und Chuck N., die allerdings in den letzten Monaten (glaube ich) seltener im jeweiligen Parlament gesehen wart (ich kann mich jedenfalls an keinen Redebeitrag von ihnen aus der aktuellen Legislaturperiode erinnern), ausnahmslos jedem Abgeordneten bekannt, dass das jeweils geltende Besoldungsgesetz nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist, weshalb sie an dessen Verabschiedung wissentlich beteiligt waren. Dieses Wissen wird bei nicht wenigen Abgeordneten nicht differenziert sein. Da aber im Verlauf der letzten Abstimmungsverfahren in allen Rechtskreisen ausnahmslos - und zwischenzeitlich auch nicht selten in den Medien - vor, während und nach den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren umfassend über die jeweiligen Problematiken gesprochen und zugleich die Prozesse zum konzertierten Verfassungsbruch über den einzelnen Rechtskreis hinaus vollzogen worden sind (was ebenfalls ausnahmslos in den Fraktionen bekannt ist), gibt es außer den beiden genannten keinen anderen Abgeordneten, der keine Ahnung von dem hat, wofür die 17 Besoldungsgesetzgeber qua Mandat die Verantwortung tragen.
Da der einzelne Abgeordnete darüber hinaus seine Hand freiwillig zur Zustimmung oder Enthaltung gehoben hat, wenn er nicht dagegen gestimmt haben (was weiterhin in den 17 Rechtskreisen eher die Ausnahme ist), muss darüber hinaus davon ausgegangen werden, denke ich, dass ihr entsprechendes Absrtimmungsverhalten willentlich geschehen ist.
Als Ergebnis muss von einem regelmäßig wissentlich und willentlich vollzogenen Verfassungsbruch im Besoldungsrecht ausgegangen werden, was ich für mich zunächst einmal nicht moralisch, sondern als eine Tatsachen
behauptung verstanden wissen möchte. Moralisch will ich das für mich nicht werten, da ich davon ausgehe, dass ich mir nicht sicher wäre, wie ich handeln würde, wäre ich Abgeordneter einer Regierungsfraktion in einem Parlament, und weil ich über mich als Einzelfall hinausgehend davon ausgehe, dass das auch den meisten anderen der hier Lesenden und Schreibenden so gehen dürfte, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind. Wir Helden der Wahrscheinlichkeit dürften moralisch ebenfalls kaum besser oder schlechter als der durchschnittliche Abgeordnete sein, befürchte ich. Das macht aber weder in meinem noch in jedem anderen Fall das eigene Handeln nicht besser, denke ich. Denn die Verfassung beansprucht Gütigkeit über die Moral jedes einzelnen hinweg.
Entsprechend weiß auch jeder Abgeordnete - der eine detailierter als der andere - um das Kartenhaus, das spätestens in den letzten Jahren regelmäßig im Besoldungsrecht des jeweiligen Rechtskreises errichtet worden ist. Dass sicherlich ein nicht geringer Prozentsatz von ihnen davon nicht wissen
will und also vor den von ihm spezifisch mit vollzogenen Problemen, für die er also moralisch entsprechend Mitverantwortung trägt, die Augen verschließt, ist ebenfalls menschlich - ändert aber nichts daran, dass auf den Gängen, Fluren und Büros sowie im weiteren geselligen Beisammensein von Abgeordneten die Frage im Raum stehen dürfte, was in Anbetracht der Haushaltslage zu machen sein sollte, falls alsbald die 64 Vorlagen aus 12 Bundesländer schneller als bislang einer rechtskräftigen Entscheidung zugeführt werden sollten, und zwar mit dem Ergebnis, das auch für die Abgeordneten in der Regel erwartbar ist.
Entsprechend sollte sich ihr Blick - mal mehr und mal weniger häufig, mal detaillierter und mal weniger detailliert wissend, aber insgesamt - gespannt gen Karlsruhe richten, und zwar gespannt nicht zuletzt deshalb, weil sich ebenfalls mehr und mehr in Abgeordnetenkreisen herumspricht, dass ggf. eine Vollstreckungsanordnung im Raum stehen könnte, sodass die Frage auch für die 16 anderen Rechtskreise im Raum steht, was nun daraus folgen dürfte - und dabei sollte allerdings noch kaum diskutiert worden sein, was aus dem zwischenzeitlich verkündeten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 93 und 94) vom 20. Dezember 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 439;
https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/439/VO) in den nächsten Jahren für das Besoldungsrecht folgen könnte, da Karlsruhe ja nun als einziges Verfassungsorgan dazu ermächtigt ist, rechtskräftig auszulegen, was Art. 94. Abs. 5 GG eigentlich aussagt (vgl., was ich am 19.12. im Parallelforum dazu geschrieben habe
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.6870.html). Aber auch diese Diskussionen dürften in der mittelfristigen Zukunft dann auch nicht nur im geselligen Verkehr der Abgeordneten ihren Platz finden, ist zu vermuten.