Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2089592 times)

BRUBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6795 am: 23.08.2023 08:51 »
Du gehst ein weiteres Mal von falschen Voraussetzungen aus, Alexander, weil Du nicht die unterschiedlichen Rechtsinstitute unterscheidest.
Das war nur Beispielhaft.
Aber bleiben wir mal bei der Beispielrechnung aus dem Referentenentwurf.
Dort wird eine Mindesbesoldung von 3788,91€ angeben, um das 115% Ziel zu erreichen.
Nun müsste im Umkehrschluss ja die niedrigste Besoldungsstufe in der niedrigsten Erfahrungsstufe mit diesen 3.788,91€ ja beginnen. Da das BVerfG ja selbst sagt, Familienplanung korelliert nicht mit der Erfahrungsstufe.
Also wenn ein A4 Stufe 1 schon 3.788,91€ verdient.

Sorry, ja ich will amtsangmessen besoldet sein.
Aber selbst ein wirklich guter Beamter der meint er arbeitet wie Gott, kann eine solche Besoldungstabelle ja wohl niemand mehr mit guten Gewissen rechtfertigen.
Denn die 849€ AEZ aus dem Entwurf wäre eine Steigerung um 32% durchgehend für alle Beamten.

Warum denn nicht?
Mal abgesehen von den Zahlen ob die stimmen oder nicht. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass Bearbeiter vom BMI sich hier anmelden um Ihren Schwachsinn (meine Meinung) zu verteidigen.

By the way - WasDennNun schreibt übrigens fast identisch wie Alexander79

Powernapster

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6796 am: 23.08.2023 08:56 »
Wer hier schreibt, dass es ja wohl nicht sein kann, dass man 30-40% höher alimentiert werden müsste, dem sage ich: Doch. Das ist ja genau die aufsummierte Folge dessen, dass seit über einem Jahrzehnt gekürzt und den realen Entwicklungen nicht Rechnung getragen wird. Das ist ja auch genau das, was der Richterbund usw. sehr ausführlich darlegen. Es ist wie immer im Leben: Was man zu lange aufschiebt, wird am Ende immer schlimmer.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6797 am: 23.08.2023 09:10 »
@ Dunkelbunter

Es lohnt sich nicht, sich mit dem sachlichen Unsinn weitergehend zu beschäftigen, den der Gesetzgeber weiterhin plant, da er trotz aller weiterer Beschäftigung sachlicher Unsinn bleibt. Man kann auch versuchen, mit einem Zollstock die Zeit eines 100 m-Laufs zu messen und dann überlegen, ob das, wenn's schon nicht zur Zeitmessung von 100 Metern ausreichte, wenigstens für 30 oder 40 Meter reichte. Der prinzipiell sachlich nicht sachgerechte Ansatz des Gesetzentwurfs macht eine sachliche Beschäftigung mit ihm unmöglich - außer dass man nachweist, dass er nicht sachgerecht ist. Insofern ist es m.E. völlig unerheblich, ob die Beträge hinsichtlich des alimentativen Mehrbedarfs sachgerecht wären. Zunächst einmal ist eine amtsangemessene Alimentation zu gewährleisten, denn diese benötigen auch fünf- und mehrköpfige Beamtenfamilien notwendigerweise. Was nützt ihr, wenn für das dritte Kind der hinreichende alimentative Mehrbedarf gedeckt werden würde, die anderen vier Familienmitglieder und damit auch das dritte Kind hinsichtlich ihrer grundlegenden Bedarfe aber nicht amtsangemessen alimentiert werden?

@ Alexander

Wie Du hier nachlesen kannst, ist die Alimentation in dem von Dir genannten Bereich und auch noch darüber hinaus materiell zu gering bemessen, denn der Grundgehaltssatz erweist sich indiziell um mehr als 40 % zu gering: https://www.berliner-besoldung.de/fortschritt-durch-verschleierung-der-entwurf-eines-bundesbesoldungs-und-versorgungsangemessenheitsgesetzes-und-seine-folgen/ Das kann man als gut oder schlecht, schön oder hässlich betrachten - aber man kann den Fehlbetrag damit nicht aus der Welt schaffen; denn das geht nur, indem man ihn sachlich behebt. Alles andere ist verfassungsrechtlich nicht möglich.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6798 am: 23.08.2023 09:39 »

By the way - WasDennNun schreibt übrigens fast identisch wie Alexander79

Der heist aktuell "MoinMoin".

BRUBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6799 am: 23.08.2023 10:26 »

By the way - WasDennNun schreibt übrigens fast identisch wie Alexander79

Der heist aktuell "MoinMoin".

Wer es braucht!

Gruß

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6800 am: 23.08.2023 10:33 »
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass Bearbeiter vom BMI sich hier anmelden um Ihren Schwachsinn (meine Meinung) zu verteidigen.

By the way - WasDennNun schreibt übrigens fast identisch wie Alexander79
Kannst gerne nach Ingolstadt kommen, dann zeig ich dir mein DA und beweise dir das ich nicht vom BMI bin.  ;)

Wie Du hier nachlesen kannst, ist die Alimentation in dem von Dir genannten Bereich und auch noch darüber hinaus materiell zu gering bemessen, denn der Grundgehaltssatz erweist sich indiziell um mehr als 40 % zu gering: https://www.berliner-besoldung.de/fortschritt-durch-verschleierung-der-entwurf-eines-bundesbesoldungs-und-versorgungsangemessenheitsgesetzes-und-seine-folgen/ Das kann man als gut oder schlecht, schön oder hässlich betrachten - aber man kann den Fehlbetrag damit nicht aus der Welt schaffen; denn das geht nur, indem man ihn sachlich behebt. Alles andere ist verfassungsrechtlich nicht möglich.
Naja, auch in dem Link, sehr interessanter Artikel übrigens, wird von 32% gesprochen, so wie ich auch, nur er eben von min. 32%.

Für mich zeigt das Ganze aber eines hauptsächlich, das die Besoldung grundsätzlich zu niedrig ist, aber was viel schlimmer ist, das die Grundsicherung viel zu hoch ist.

Denn wenn ich mich dem Handwerk oder Industrie vergleiche, gebe ich ehrlich gesagt zu, bin ich zufrieden mit meinem Gehalt.

Und hier sehe ich eigentlich weniger das Problem der Politik mit der Besoldung, sondern eher in den Gewerkschaften, denn hätten diese in den letzten 20 Jahren für ordentliche Lohnabschlüsse gestreikt, sehe dieses massive Ungleichgewicht ganz anders aus.
Und man hat es ja auch wieder bei der aktuellen Tarifrunde gesehen, im Vergleich zur Inflation ist der Tarifabschluss ein Witz, oder besser gesagt eine bodenlose Frechheit.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6801 am: 23.08.2023 10:37 »

Denn wenn ich mich dem Handwerk oder Industrie vergleiche, gebe ich ehrlich gesagt zu, bin ich zufrieden mit meinem Gehalt.


Industrie hat bei uns <40 oder 41h/woche und ca. 13-14 Monatsgehälter/Jahr. Da lachen sich Bachelorabsolventen über A9/A10 schlapp.

Und mit Handwerksklitschen  vergleiche ich uns bestimmt nicht.

BRUBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6802 am: 23.08.2023 10:47 »

Denn wenn ich mich dem Handwerk oder Industrie vergleiche, gebe ich ehrlich gesagt zu, bin ich zufrieden mit meinem Gehalt.


Industrie hat bei uns <40 oder 41h/woche und ca. 13-14 Monatsgehälter/Jahr. Da lachen sich Bachelorabsolventen über A9/A10 schlapp.

Und mit Handwerksklitschen  vergleiche ich uns bestimmt nicht.

Im Grunde nach ist es auch unerheblich ob Alexander79, wir oder wer auch immer zufrieden/unzufrieden sind. Es ändert ja nichts am unterschreiten der Mindesalimentation für bestimmte Besoldungsstufen und der damit verbundenen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der geplanten Maßnahmen seitens des Gesetgebers.

Es ist auch schön zu lesen, dass jemand wie Alexander scheinbar zufrieden ist, wenn es sich mit anderen in seiner Ausbildungshöhe vergleicht.

DeepBlue

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6803 am: 23.08.2023 11:05 »
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass Bearbeiter vom BMI sich hier anmelden um Ihren Schwachsinn (meine Meinung) zu verteidigen.

By the way - WasDennNun schreibt übrigens fast identisch wie Alexander79
Kannst gerne nach Ingolstadt kommen, dann zeig ich dir mein DA und beweise dir das ich nicht vom BMI bin.  ;)

Wie Du hier nachlesen kannst, ist die Alimentation in dem von Dir genannten Bereich und auch noch darüber hinaus materiell zu gering bemessen, denn der Grundgehaltssatz erweist sich indiziell um mehr als 40 % zu gering: https://www.berliner-besoldung.de/fortschritt-durch-verschleierung-der-entwurf-eines-bundesbesoldungs-und-versorgungsangemessenheitsgesetzes-und-seine-folgen/ Das kann man als gut oder schlecht, schön oder hässlich betrachten - aber man kann den Fehlbetrag damit nicht aus der Welt schaffen; denn das geht nur, indem man ihn sachlich behebt. Alles andere ist verfassungsrechtlich nicht möglich.
Naja, auch in dem Link, sehr interessanter Artikel übrigens, wird von 32% gesprochen, so wie ich auch, nur er eben von min. 32%.

Für mich zeigt das Ganze aber eines hauptsächlich, das die Besoldung grundsätzlich zu niedrig ist, aber was viel schlimmer ist, das die Grundsicherung viel zu hoch ist.

Denn wenn ich mich dem Handwerk oder Industrie vergleiche, gebe ich ehrlich gesagt zu, bin ich zufrieden mit meinem Gehalt.

Und hier sehe ich eigentlich weniger das Problem der Politik mit der Besoldung, sondern eher in den Gewerkschaften, denn hätten diese in den letzten 20 Jahren für ordentliche Lohnabschlüsse gestreikt, sehe dieses massive Ungleichgewicht ganz anders aus.
Und man hat es ja auch wieder bei der aktuellen Tarifrunde gesehen, im Vergleich zur Inflation ist der Tarifabschluss ein Witz, oder besser gesagt eine bodenlose Frechheit.

Mal die Diagramme betrachten und bei Bund staunen oder heulen, wie es genehm ist:

https://oeffentlicher-dienst.info/vergleich/laender/

Nur weil Sie persönlich sich überbezahlt fühlen macht es das aktuelle System doch nicht gerechter? Und es wird immer einen geben der die gleiche Arbeit noch billiger macht und trotzdem zufrieden ist! Kann das die Ausrede ein?
Nein das Bürgergeld ist nicht zu hoch, es sind einfach die Lebenskosten in Deutschland die viel zu hoch sind und noch weiter steigen werden! Im Grunde ist die Inflation der letzten Monate eine glückliche Fügung, jetzt sieht man erstmal wie kaputt unser System ist und auch dem letzten fällt es endlich mal auf! Viel zu Hohe Steuerlasten für die Mittelschicht, ausufernde Energiepreise und lustige Gebühren (CO2-Abgabe) und Steuern die jetzt mal hinterfragt werden, da vielen Leuten durch die Inflation das letzte bisschen Reserve aufgefressen wird!

Im zivilen gibt es viele mit 35h Woche plus 13-14 Monatsgehälter, Dienstwagen/Dienstrad und was weiß ich noch. Da kann der Staat gar nicht soviele neue Besoldungsgesetze erlassen wie notwendig wäre nur um auf den gleichen Stand zu kommen, davon abgesehen das man ehr noch eine Schippe drauflegen müsste um überhaupt mal wieder attraktiv zu werden.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6804 am: 23.08.2023 11:12 »
Hinsichtlich der Aussage, das Grundsicherungsniveau sei zu hoch, ist das ebenfalls eine (oder Deine) subjektive Empfindung, die aber rechtlich nicht haltbar ist, Alexander. Zunächst einmal folgt aus dem Sozialstaatsprinzip gemeinsam mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich, dass der Mensch auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland ein Anrecht auf staatliche Unterstützung zur Gewährleistung eines menschwürdigen Unterhalts hat. Daraus folgt, dass ihm in unserem Land kein Lebenszuschnitt unterhalb des Existenzminimums zugemutet wird - um das moralisch zu greifen, eine der großen Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats, der neben der Minderung individuellen Leids eine beträchtliche befriedende gesellschaftliche Wirkung hat. Der Betrag zur Deckung des Existenzminimums ist zugleich steuerrechtlich der von der steuerlichen Belastung freigestellte Teil einer über diesen Freibetrag hinausgehenden Entlohnung. Das Grundsicherungsniveau geht nun vielfach über jenen Betrag des Existenzminimums hinaus, da insbesondere aus dem Sozialstaatsprinzip folgt, dass der Grundsicherungsempfänger ein Anrecht auf die Gewährung von tatsächlichen Aufwendungen hat, sofern diese zur Deckung von Kosten notwendig sind, die über den Betrag zur Sicherung des steuerlich freigestellten Existenzminimums hinausreichen, und insofern sie angemessen sind. Diese zusätzlichen Leistungen machen überwiegend und also in ihrem Gros zusätzliche Wohn- und Heizkosten aus. So verstanden ist also das Grundsicherungsniveau ggf. nur deshalb "zu hoch", da insbesondere die Wohn- und Heizkosten in Deutschland in den letzten Jahren massiv gestiegen sind. Tatsächlich dürfte allerdings der Schuh politisch - und hier nicht rechtlich - eher andersherum daraus werden: Nicht das Niveau der Grundsicherungsleistungen ist zu hoch, sondern die Löhne und Gehälter haben selbst in den wirtschaftlich prosperierenden Jahren insbesondere im sogenannten Niedriglohnbereich nicht die Anpassungen erfahren, die notwendig wären, damit sich Arbeit wieder lohnte (um einen Schlagwort der langjährigen Regierungspartei anzuführen), oder aber die steuerliche Veranlagung dürfte zu überdenken sein, ggf. insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen, um so das Schlagwort tatsächlich mit Leben zu erfüllen und es also aus dem Halbschatten der politischen Werbung herauszuheben. Davon unabhängig zu betrachten, ist die, auf's Ganze gesehen, geringe Zahl an Grundsicherungsempfängern, die wünschenswerterweise für alle Beteiligten noch geringer sein dürfte, es aber aus vielfältigen gesellschaftlichen und individuellen Gründen jedoch weiterhin es nicht ist.

Und um es hinsichtlich der zu gewährenden amtsangemessenen Alimentation (verfassungs-)rechtlich auf den Punkt zu bringen: Sie hat rein gar nichts mit dem Grundsicherungsniveau zu tun. Die 15 % oberhalb des Grundsicherungsniveau liegende Mindestalimentation bildet nur den Teil der zu gewährenden Alimentation ab, der vom absoluten Normenbestandschutz umfasst ist und in den also keine Einschnitte vorgenommen werden kann. Wenn die Dienstherrn das in schöner Regelmäßigkeit anders darstellen und diesbezüglich irgendwelche hier ebenfalls gänzlich krause Zusammenhänge konstruieren, dann ist das ihre Sache. Mit einer sachgerechten Betrachtung der amtsangemessenen Alimentation haben aber solch sachlicher Unsinn und sachliche Verirrungen, die sie sich nicht enthalten können, unters Volk zu streuen, um das dann als eine Gesetzesbegründung verkaufen zu wollen, weiterhin nichts zu tun.

Und PS. Wie ich gerade lese, hat es DeepBlue gerade gleichfalls, während ich hier geschrieben habe, auf den Punkt gebracht.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6805 am: 23.08.2023 11:17 »
Hallo,

ich komme persönlich mit meiner Besoldung aus, sehr bequem sogar.

Aber ich möchte mich nicht unter Wert verkaufen und wenn ich sehe, was nicht verbeamtete Kommilitonen in der PW heute verdienen, dann muss ich feststellen, dass ich mich trotz Vollzeitstelle eher unterhalb des Medians wieder finde. Die Kommilitonen mit Führungsverantwortung liegen in der Bezahlung im Übrigen deutlich über mir, und haben zusätzlich noch Benefits wie einen Firmenwagen zur privaten Mitbenutzung.

Wenn die Rechtsprechung sagen würde, dass die Besoldung amtsangemessen wäre, hätte ich kein Problem, da ich mit dem Geld auskomme. Aber mich macht dieser fortgesetzte Verfasssungsbruch fassungslos. Ich habe in meinem Amtseid geschworen:
Zitat
Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Niedersächsische Verfassung und die in der
Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.
Ich erfülle meine Verpflichtungen und was tut der Besoldungsgesetzgeber mit seinen Verpflichtungen mir gegenüber?

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6806 am: 23.08.2023 11:35 »
Hinsichtlich der Aussage, das Grundsicherungsniveau sei zu hoch, ist das ebenfalls eine (oder Deine) subjektive Empfindung, die aber rechtlich nicht haltbar ist, Alexander. Zunächst einmal folgt aus dem Sozialstaatsprinzip gemeinsam mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich, dass der Mensch auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland ein Anrecht auf staatliche Unterstützung zur Gewährleistung eines menschwürdigen Unterhalts hat. Daraus folgt, dass ihm in unserem Land kein Lebenszuschnitt unterhalb des Existenzminimums zugemutet wird - um das moralisch zu greifen, eine der großen Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats, der neben der Minderung individuellen Leids eine beträchtliche befriedende gesellschaftliche Wirkung hat.
Deswegen sagte ich ja auch das die Gewerkschaften hier in meinen Augen die letzten 20 Jahren den "großen Bock" geschossen haben.
Eigentlich hätten alle durch die Bank im Schnitt Gehaltserhöhungen von 5-10% gebraucht, wenn die Grundsicherung auf dem jetzigen Niveau ist.
Eben das sich Arbeit auch wieder lohnt.

Und um es hinsichtlich der zu gewährenden amtsangemessenen Alimentation (verfassungs-)rechtlich auf den Punkt zu bringen: Sie hat rein gar nichts mit dem Grundsicherungsniveau zu tun. Die 15 % oberhalb des Grundsicherungsniveau liegende Mindestalimentation bildet nur den Teil der zu gewährenden Alimentation ab, der vom absoluten Normenbestandschutz umfasst ist und in den also keine Einschnitte vorgenommen werden kann.
Dann frage ich mich aber ehrlich gesagt, wann gab es die amtsangemessene Alimentation denn jemals?
Denn wenn ich die aktuelle Rechtssprechung, die ja eigentlich jetzt nur im Urteil verbrieft, was schon immer galt, war sie auch vor 25 Jahren schon verfassungswidrig.
Ich hebe ja alles auf.  8)
So und meine erste Gehaltsabrechnung die ich im ÖD für den 01.05.1998 bekam, stand ein Brutto von 2444,66 DM.
Selbst da war das Sozialhilfeniveau für eine vierköpfige Familie mit Wohngeld und Heizkosten sicherlich schon höher.

Ich sage es ganz ehrlich ...
Sicherlich würde ich mich freuen, wenn ich 30-40% "einfach so" mehr Gehalt bekommen würde.
Ich streite auch nicht ab das du und die anderen die hier die gleiche Meinung vertreten nicht zu 1.000% recht habt und das die 30-40% auch gerechtfertig wären, aber ich bezweifel nur das es jemals so kommen wird.

Da traue ich eher jeder Regierung zu, das sie alle weiterhin einen fortlaufenden Verfassungsbruch begehen und das BVerfG weiterhin missachten.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6807 am: 23.08.2023 11:44 »
Hallo,

ich habe gerade gegoogelt. Eine vierköpfige Familie bekam 1998 ca. 1600 - 1700 DM, das war nach Alter der Kinder gestaffelt. Wenn ich mich richtig erinnere, musste Miete und Nebenkosten damals von der Sozialhilfe bezahlt werden, weswegen viele Vermieter nur dann Wohnungen vermietete, wenn sie Abtretungserklärungen der Sozialhilfeberechtigten bekamen, dass die Miete direkt vom Sozialamt überweisen wurde.


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6809 am: 23.08.2023 12:06 »
Jetzt widerspreche ich Dir noch einmal, und dann ist aber auch gut, insbesondere, weil mein Widerspruch kein rechtlicher, sondern ein politischer ist: Ich kann bei aller Kritik im einzelnen nicht erkennen, wieso die Gewerkschaften in den letzten 20 Jahren einen "großen Bock" geschossen haben. Vielmehr ist deren Macht, Arbeitskämpfe zu führen, bis vor geraumer Zeit immer weiter zurückgegangen: Die Anzahl an Mitgliedern ist seit den endenden 1980er Jahren bis vor kurzer Zeit recht deutlich gesunken. Zugleich hat sich die Zahl an tarifgebundenen Beschäftigten in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten immer weiter reduziert; auch das beschneidet Gewerkschaften in den Möglichkeiten, ihre jeweilige Macht auszuspielen oder sie zumindest zu erhöhen. Darüber hinaus sind es meines Wissens nach nicht die Gewerkschaften, die Löhne und Gehälter zahlen, sondern es sind das die Arbeitgeber. Wenn also jemand hier einen "großen Bock" geschossen hat, dann sind es offensichtlich sie - was nachvollziehbarerweise geschehen ist, da der einzelne Unternehmer aus nachvollziehbaren Gründen i.d.R. auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist.

Letztlich haben wir es offensichtlich mit einem typischen Phänomen des Übergangs von einer Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft zu tun: In einer Industriegesellschaft fällt es Gewerkschaften prinzipiell leichter, Mitglieder zu werben und Tarifbindungen mit durchzusetzen. In einer Dienstleistungsgesellschaft mit der mit ihr einhergehenden Segmentierung von Lebenswelten ist das offensichtlich deutlich schwieriger. Umso mehr stehen Deutschland ggf. erst jetzt grundlegende ökonomische Wandlungen bevor, da unsere auf Export getrimmte Wirtschaft mitsamt eines starken Maschinenbaus und einer großen Autoindustrie ggf. mehr und mehr unter Duck geraten wird, sodass sich bei uns der Wandel von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft - nicht zuletzt im Zuge der Demographie - ggf. noch einmal deutlich beschleunigen wird. Die Folge dürfte - sofern es so kommt - eher eine weitere Absenkung der Lohnniveaus insbesondere in den unteren Segmenten sein.

Und nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Alimentation in allen Rechtskreisen nachgewiesenermaßen seit 2008 nicht mehr amtsangemessen. Es darf davon ausgegangen werden, dass das auch schon geraume Zeit zuvor, als es eine noch bundeseinheitliche Besoldungspraxis gegeben hat, so war. Allerdings wird diese Kontinuität in absehbarer Zeit gebrochen werden - wenn das auch nicht ohne weiteren Widerstand vonseiten der Besoldungsgesetzgeber geschehen wird. Warten wir mal die angekündigten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab. Deren Begründungen werden uns konkret schlauer machen, inwiefern sich der Druck auf die Dienstherrn erhöht. Hätte man darüber hinaus irgendwem von uns im Frühsommer 2020 erklärt, dass die Dienstherrn ab Anfang 2021 "freiwillig" massive Erhöhungen familienbezogener Besoldungsbestandteile vornehmen würden, hätte wir alle gesagt: Never, never, never. Genau das ist aber "freiwllig" geschehen, womit in einem ersten Schritt anerkannt worden ist, dass das vormalige Besoldungsniveau nicht mehr hinreichend und also materiell unzureichend gewesen ist. Diese Kröte haben mittlerweile alle Besoldungsgesetzgeber brav geschluckt, wenn sie auch weiterhin gezeigt haben, dass sie nicht über die mathematische Fähigkeiten eines fortgeschrittenen Grundschülers verfügen, soll heißen, ihre Bemessungen stecken voller einfacher Fehler hinsichtlich der Grundrechenarten. Sofern das Bundesverfassungsgericht, das bislang ja keinen nennenswerten Druck auf die Besoldungsgesetzgeber ausgeübt hat, allerdings einen nennenswerten Druck ausüben wird, werden die verhinderten Mathematiker in die Nachhilfe gehen und an der Übewindung ihrer Defizite arbeiten. Das Besoldungsniveau wird dann in den hinreichenden Bereich hineinwachsen - und auch die Umwandlung der exorbitant hohen familienbezogenen Besoldungskomponenten auf ein angemessenes Maß wird in dem Moment geschehen, wo diese Komponenten in ihrem sachlichen Gehalt und in ihrer Höhe vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig betrachtet werden werden. Je mehr scheinbare Schlupflöcher geschlossen werden, desto wahrscheinlicher ist die Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation. Was bliebe ihnen anderes übrig? Je nachdem, wie die aktuelle Entscheidung ausfallen wird, sind wir in drei bis sechs Jahren wieder bei einer amtsangemessenen Alimentation angekommen. Aber wie gesagt: Nach den angekündigten Entscheidungen werden wir manches klarer sehen können.