Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 5879343 times)

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14340 am: 25.09.2024 22:47 »
@NelsonMutz,

Wenn man bei VW die Verantwortung eines A16er (= Behördenleiter) hätte, wäre man vermutlich schon in der Chef-Etage mit den Millionen-Boni. Ich finde nach wie vor, dass Beamte im gD und hD im Vergleich zu VW Mitarbeitern absolut mies besoldet sind, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Beamte keine RV- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen.

Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen,  dass VW ein seltener Fall von spätrömischer Dekadenz ist, aber wenn unsere Besoldungen ab A10 aufwärts und auch die Gehälter im TV-L ab E10 aufwärts so üppig wären, warum wollen denn so wenige junge Leute bei uns arbeiten?

Neulich hörte, ich dass eine mittelständische Firma einem Schnösel von 19 Jahren, gerade mit der Lehre fertig, 3.500 Euro plus Dienstwagen angeboten hat. Und der Schnösel sprach, das wäre ein bißchen wenig. Offenbar ist die spätrömische Dekadenz doch verbreiteter.

Papermonster

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14341 am: 25.09.2024 23:30 »
@NelsonMutz,

 Ich finde nach wie vor, dass Beamte im gD und hD im Vergleich zu VW Mitarbeitern absolut mies besoldet sind,

Hallo.

Erzähl das mal den tausenden Beamten und Soldaten im eD oder mD.
Und das mal ohne den beabsichtigten Zuschlägen für ihre kinderreiche Familie.

Gruß
Paper

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14342 am: 26.09.2024 00:02 »
OK, dann extra für dich nochmal ausführlich:

1.) Aktuelle Besoldung: Brutto 38.439 - Steuer 2.088 - PKV 7.847 + Kindergeld 6.000 = netto 34.504 €
2.) Verfassungsgemäß: Brutto 68.085 - Steuer 10.000 - PKV 7.847 + Kindergeld 6.000 = netto 56.238 €

Mit anderen Worten: Die Bruttobesoldung müsste laut DRB sogar um 77% (!) höher als heute sein.

[P.S. Die Steuer von 10.000 € ist übrigens nicht gerundet, sondern kommt laut Steuerrechner zufällig exakt so raus.]
Lustig, das einzige was mich irritierte ist, dass das Kindergeld als Besoldung tituliert wird.
Das einem jedem Beamten mit 2 Kinder und Partner mindestens im Jahr Netto 56t€ zustehen, sofern 300€ Heizkosten monatlich notwendig sind und 1600€ für die Miete benötigt wird, steht und stand für mich nie ausser Frage.
Und wie gesagt in meiner Stadt würden 12t€ netto weniger benötigt für diese Mindestalimentation.

Oder wenn wir eine bedingungslose Kindergrundsicherung einführten, dann dürften abermals locker 14t€ weniger Nettobesoldung notwendig sein, weil die Kinder ohne Famzuschläge schon versorgt ups besoldet wären.

Das Bundesverfassungsgericht betrachtet zunächst das Besoldungsniveau, hinsichtlich der Betrachtung des Mindestabstandsgebots - jenes hat, wie ich hier ja wiederkehrend hervorhebe, nichts mit der amtsangemessenen Alimentation zu tun, sondern beschreibt mit der Mindestalimentation sachlich den Betrag der zu gewährenden Nettoalimentation, der vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in den dem Besoldungsgesetzgeber deshalb keine Einschnitte gestattet sind (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 95; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html) - also neben dem Grundgehalt jene Besoldungsbestandteile, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden (Rn. 73). Im Anschluss an eine solche Bemessung ist die Steuerlast in Abzug zu bringen (Rn. 79). Dabei ist auch die nach dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung aus dem Jahr 2009 zu betrachtende steuerliche Absetzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherung zu beachten (ebd.). Im Ergebnis erhält man so die Nettobesoldung.

Um nun mit der Nettoalimentation den Betrag betrachten zu können, über den der Beamte am Ende tatsächlich verfügt - nur so kann ein sachgerechter Vergleichsgegenstand zum Grundsicherungsniveau gebildet werden -, sind weiterhin von der Nettobesoldung die Kosten abzuziehen, die dem Beamten aus seiner Pflicht erwachsen, eine Krankenversicherung abzuschließen, sofern der Dienstherr keine freie Heilfürsorge gewährleistet (Rn. 76 ff.). Darüber hinaus ist nun das Kindergeld als eine Sozialleistung zu addieren, die allen Kindern zuteil wird. Sozialleistungen wie das Kindergeld, die allen hier wesentlich Gleichen gewährt werden, dürfen, da sich so kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz erhärten lässt, auf die Besoldung und Alimentation angerechnet werden: "Die Gewährung eines allgemeinen Kindergeldes ist Bestandteil eines gesetzlichen Leistungsprogramms, das für alle Unterhaltspflichtigen - und nicht nur für die Beamten - familienbedingte Mehrbelastungen verringern soll." (BVerfGE 81, 363 <375 f.>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv081363.html#375). Entsprechend hebt der Senat in seiner Entscheidung BVerfGE 99, 300 (315) hervor: "Ob die Dienstbezüge des Beamten amtsangemessen sind, beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen. Daher steht es dem Gesetzgeber frei, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge zu erreichen, die Beamten an einem allgemein gewährten Kindergeld teilhaben zu lassen, steuerrechtlich die durch den Kindesunterhalt verminderte Leistungsfähigkeit auszugleichen oder diese Möglichkeiten miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>)." (https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv099300.html)

Nachdem also von der Nettobesoldung die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug gebracht worden sind und das Kindergeld addiert wurde (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 79), erhalten wir die Nettoalimentation. Sie ist bei der Betrachtung des Mindestabstandsgebots der Vergleichsgegenstand zur Mindestalimentation. Entsprechend führt der Senat in der Rn. 47 der aktuellen Entscheidung aus: Das "Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt".

Darüber hinaus solltet ihr euch in eurer Diskussion - auch gerne in der Betrachtung historischer Entwicklungen; das sage ich auch gerne als der Historiker, der ich hinsichtlich meines wissenschaftlichen Spezialgebiets eigentlich bin - weiterhin mit dem beschäftigen, was das Bundesverfassungsgericht sagt und nicht sagt, denke ich, um nicht hier - um's mal so auszudrücken - in gewisser Weise eher schräger Musik anheimzufallen, bei der bekanntlich ebenfalls nicht jeder Schuss ein Treffer war. Bei der Alleinverdienerannahme handelt es sich, wie das BverfGBeliever korrekt hervorhebt, ausschließlich um einen aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteten Kontrollmaßstab, mit dem der Senat kein gesellschaftliches oder politisches Leitbild erstellen oder eine Aussage über die soziale Wirklichkeit machen will, weder für die heutige Zeit noch für die Vergangenheit. Ein Kontrollmaßstab ist hingegen notwendig - so wie ich das gerade zuvor dargelegt habe -, um hinsichtlich des Mindestabstandsgebots einen sachgerechten Vergleichsgegenstand erstellen zu können (vgl. nur das letzte Zitat aus der Rn. 47). Politische oder gesellschaftliche Leitbilder sind dafür hingegen nicht notwendig.

Dabei steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, einen anderen sachgerechten Kontrollmaßstab als die Alleinverdienerannahme zur Betrachtung des Mindestabstandsgebots zu erstellen, was allerdings bislang kein Besoldungsgesetzgeber getan hat. Sie betrachten hingegen seit 2022 mit dem Ziel hoher Kosteneinsparungen gesellschaftliche oder politische Doppel- oder Mehrverdienermodelle, was ebenfalls ihr gutes Recht ist, jedoch regelmäßig den Kern der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verfehlt, der es eben - wie ausgeführt - hinsichtlich des Mindestabstandsgebots nicht um Leitbilder oder Familienmodelle geht, sondern um einen sachgerechten Kontrollmaßstab. Insofern könnten sie in ihren Gesetzesbegründungen weiterhin regelmäßig darauf verzichten, seitenlang irgendwelche sachlich unerhebliche Ausführungen über Leitbilder oder Familienmodelle zu machen, da offensichtlich ist, dass neben der Alleinverdienerfamilie, die heute in der Bundesrepublik rund ein Drittel aller Familien betrifft, ebenfalls weitere Familienmodelle wie die Doppel- oder Mehrverdienerfamilie in der Besoldungsbemessung typisiert werden dürfen. Davon braucht niemand und auch nicht das Bundesverfassungsgericht überzeugt werden, da das so banal und offensichtlich ist, dass es dafür nicht vieler Worte bräuchte.

Will man allerdings aus welchen sachlich unerklärlichen Gründen auch immer einen neuen Kontrollmaßstab in das Besoldungsrecht einführen, also bspw. eine Doppel- oder Mehrverdienerannahme, dann muss am Ende weiterhin vom Besoldungsgesetzgeber das Mindestabstandsgebot als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG als Teil des Alimentationsprinzips Beachtung finden. Worin also der Sinn einer solchen Doppel- oder Alleinverdienerannahme als Kontrollmaßstab liegen soll, bleibt wie gehabt auch weiterhin gänzlich im Dunklen und also nach wie vor das unerfindliche Geheimnis aller betreffenden Besoldungsgesetzgeber, die hingegen gerne hinsichtlich des Mindestabstandsgebots sachlich unerhebliche Familienmodelle und politische Leitbilder betrachten, was sicherlich auch Spaß oder Freude macht, weshalb man ihnen diese Freude auch weiterhin gönnen sollte, auch wenn all das Karlsruhe nicht interessieren wird, da es dem Senat bekanntlich vor allem um sachgerechte Begründungen und nicht um politische oder gesellschaftliche Leitbilder geht, die keinerlei sachlichen Nährwert in der Betrachtung eines notwendigen Kontrollmaßstabs haben.

Die diesbezüglich zentrale Ausführung findet sich in der Rn. 37 der Parelleentscheidung vom 04. Mai 2020 und lautet (der Verweis auf die Rn. 47 der aktuellen Entscheidung verweist auf die Parallelität des Kontrollmaßstabs):

"Dass bei der Berechnung des für alle Besoldungsgruppen gleich hohen Mindestmehrbetrags davon ausgegangen wird, dass der Richter oder Beamte die Familie allein unterhält, ist ein aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteter Kontrollmaßstab (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, Rn. 47). Es handelt sich nicht um ein Abbild der Wirklichkeit oder das vom Bundesverfassungsgericht befürwortete Leitbild der Beamtenbesoldung, sondern um eine Bezugsgröße, die eine spezifische Funktion bei der Bemessung der Untergrenze der Familienalimentation erfüllt (vgl. Leisner-Egensperger, NVwZ 2019, S. 777 <780>). Sie stellt sicher, dass der Familie für das dritte und jedes weitere Kind der am Grundsicherungsniveau orientierte Mindestmehrbetrag auch dann zur Verfügung steht, wenn der andere Elternteil gar nichts zum Familieneinkommen beisteuern kann, etwa weil behinderte Kinder oder betagte Großeltern dauernder Pflege bedürfen oder er selbst dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt oder gar verstorben ist. Für andere Familienformen nachteilige Auswirkungen sind damit nicht verbunden." (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html)

PS. Der im Zitat genannte instruktive Beitrag der Jenaer Hochschullehrerin Anna Leisner-Egensperger ist an dieser Stelle empfehlenswert, weshalb ihn der Senat hier hervorhebt.

MoinMoin

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14343 am: 26.09.2024 06:35 »
"Die Gewährung eines allgemeinen Kindergeldes ist Bestandteil eines gesetzlichen Leistungsprogramms, das für alle Unterhaltspflichtigen - und nicht nur für die Beamten - familienbedingte Mehrbelastungen verringern soll." (BVerfGE 81, 363 <375 f.>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv081363.html#375).
Und Wohngeld ist das nicht, korrekt?

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14344 am: 26.09.2024 06:49 »
Wohngeld wird im Gegensatz zu Kindergeld einkommensabhängig bezahlt, und wird daher nicht an allen Unterhaltsverpflichteten ausgezahlt.

Mit einer deutlichen Erhöhung des Kindergeldes kann man die Mindestalimentation auch drücken. Sie würde zudem allen Familien helfen. Ich fürchte aber, das wäre noch teurer als eine amtangemessene Alimentation.

Skywalker2000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14345 am: 26.09.2024 06:54 »
Mal ganz ehrlich in die Runde. Wer ist den als Beamter egal mD oder gD kurz vor dem verhungern??? Wieso sind da einige in einer undefinierbaren Blase gefangen?

Und wenn ich mir die Beispiele anschaue, dass Mittelständische Unternehmen viel besser bezahlen als im gD?! Wieso wechselt ihr dann nicht? Bewerben und tschüss.

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14346 am: 26.09.2024 07:04 »
Mal ganz ehrlich in die Runde. Wer ist den als Beamter egal mD oder gD kurz vor dem verhungern??? Wieso sind da einige in einer undefinierbaren Blase gefangen?

Und wenn ich mir die Beispiele anschaue, dass Mittelständische Unternehmen viel besser bezahlen als im gD?! Wieso wechselt ihr dann nicht? Bewerben und tschüss.

Darf heute ein Beamter in Deutschland der täglich seine Arbeit verrichtet und Leistung bringt nur soviel vom Dienstherrn verlangen, dass er nicht verhungert?

Und ein Beamter darf deshalb schauen wo woanders wieviel verdient wird nicht um jemand anderem sein Gehalt zu neiden, sondern weil er Anspruch an den Dienstherrn hat, dass seine Besoldung vergleichbar zu sonstigen Abschlüssen wächst.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14347 am: 26.09.2024 07:06 »
Skywalker, passiert schon längst,  viele Junge und/oder Leistungsstarke arbeiten nicht im öffentlichen Dienst. Und weil das so ist, geht es in manchen Bereichen schon jetzt nicht mehr voran,  z.B. bei Planfeststellungen.

PublicHeini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14348 am: 26.09.2024 07:33 »
Aber diese Argumentationskette mit dem Ergebnis, dass ein faktisch völlig unqualifizierter Mensch allein durch eine Verbeamtung ein Anrecht auf 56k netto im Jahr hätte, ist selbst der Richterschaft unwürdig.

Ich kann deinen Unmut sehr gut nachvollziehen.

Aber bedenke bitte auch, dass laut DRB eine vierköpfige Bürgergeld-Familie ein Anrecht auf bis zu 49k netto im Jahr hat.

Das mag korrekt (und auch kritisierbar) sein ... aber warum erlaubt sich die Bundesrepublik Deutschland, Leute, die nicht mal unfallfrei bis zehn zählen können, in ein Beamtenverhältnis zu erheben?

Das ist eine ganz ernst gemeinte Frage!

Das rechtliche Dilemma ist mir sehr wohl bewusst, aber manche(!) der hier argumentierenden Foristen haben scheinbar jedes Maß und Gefühl verloren, wenn am Ende die These entwickelt wird, dass ein A5er gefälligst mit 4k netto nach Hause zu gehen hat, während das in der pW dem Netto-Salär eines studierten Ingenieurs entspricht.

Bevor man mir hier wieder Neid vorwirft: Den wirklich größten Neid beobachte ich bei unverheirateten, kinderlosen Beamten, die auf ihre üppig mit Zulagen alimentierten Beamtenkollegen mit Kindern blicken.

Dabei wird in all dem rechtlichen Gefasel völlig verkannt, dass unsere Verfassung hier auf ein kleinbürgerliches Ideal der Kaiserzeit und dem "glorreichen" Zeitabschnitt von 33-45 referenziert, welches freilich noch bis in die 70er Jahre fortlebte. Es ist -und hier sollten wir uns ganz unabhänging von unserer Beschäftigungsituation einig sein- die Verfassung, die ein fast reaktionäres Familienbild zum Ideal hochstilisiert und im gleichen Atemzug die große Mehrheit der Kinder mit nichtverbeamteten Eltern finanziell schlecherstellt.

Am Ende ist "der Beamte" einfach nur genauso raffgierig, wie sein tarifbeschäftiger Kollege (da tun wir uns wirklich nix) - nur hat er eben das Recht und das Familienbild aus Hitlers Zeiten auf seiner Seite.

Na dann - das wird ein Spaß ;)

Ich glaube wir dürften uns alle einig sein, dass die ReferentInnen die das geschrieben haben, das nicht von sich aus die Idee hatten sondern nur Marionetten des Sts sind. Wer die besten Ideen hatten, wie am meisten eingesparen kann, wurde angehört und diese Idee weiterentwickelt. Ganz wie Grimms-Märchen. Da traut sich keiner einen Aufstand zu machen, denn die Besten Ideen waren Beförderungsgrundlage oder die nichts beitragen wollten, bekamen andere niedere Aufgaben.

So sehr wie ich an das Gute im Menschen glaube so sehr glaube ich widerum an das Böse in eine handvoll Menschen. Die die Geld einsparen können, werden gerne gesehen, ob in der Verwaltung oder in der freien Wirtschaft.

Imperator

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14349 am: 26.09.2024 07:39 »
Mal ganz ehrlich in die Runde. Wer ist den als Beamter egal mD oder gD kurz vor dem verhungern??? Wieso sind da einige in einer undefinierbaren Blase gefangen?

Und wenn ich mir die Beispiele anschaue, dass Mittelständische Unternehmen viel besser bezahlen als im gD?! Wieso wechselt ihr dann nicht? Bewerben und tschüss.

Hallo Skywalker2000,

ich muss dir hier in diesem Punkt widersprechen.
Als junger Bundesbeamte aus einer der "wohnteuersten" Städte Deutschlands (Süden) nage ich zwar nicht am Hungertuch, muss doch sagen, dass ich aus meiner Sicht deutlich unteralimentiert werde. Du kannst ja mal nachschauen wie viel man als Single in den ersten Jahren nach dem Studium im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst verdient und dann mal nachsehen, wie hoch die Lebenshaltungskosten sind. Da ich mir keine Wohnung in der Stadt leisten konnte, bin ich in eine Wohnung in den Speckgürtel der Stadt gezogen (15 KM) entfernt. Aber selbst dort sind die Preise utopisch. Nun bin ich viel im Austausch mit Kollegen oder Freunden in meiner Altersgruppe die ein kaufmännisches Studium oder Ähnliches absolviert haben, und jeder von Ihnen hat komischerweise ein Nettogehalt, das meins meistens im Bereich von 15-25% übertrifft. Nebenbei erhalten einige Weihnachtsgeld, Prämien, eine 35-37 Stundenwoche und und und.

Warum ich nicht kündige?
Da ich langfristig strategisch denke und das Beamtenverhältnis mich hält. Wir waren 10 duale Studenten die damals gemeinsam in unserer Dienststelle angefangen haben. Nach ein paar Jahren sind wir nun noch zu zweit (insbesondere zum Land gewechselt).

Aber das bedeutet ja nicht, dass eine Unteralimentation durch die Vorteile des Berufsbeamtentums begründet ist.
Gerade als junger Mensch in einer Großstadt bzw. Großstadtbereich, der vielleicht eine Familie gründen will und einmal ein eigenes Häuschen besitzen will, ist die Planung mit der Besoldung sehr schwer.


NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14351 am: 26.09.2024 08:12 »

Nochmal: Die vierköpfige Alleinverdiener-Familie ist in keiner Weise das "Leitbild der Beamtenbesoldung", sondern lediglich "eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße" (siehe z.B. die BVerfG-Entscheidung aus 2020).

Sie ist also nur ein Kontrollmaßstab, anhand dessen die Mindestbesoldung kalibriert wird (irgendeine Bezugsvariable muss man schließlich nehmen). Und wie gesagt könnte man diesen Kontrollmaßstab theoretisch auch ändern, jedoch nicht mal eben "einfach so".

Niemand hat gesagt, dass dies einfach wäre - das gleiche gilt für jene Diskussion um die Abschaffung des Ehegattensplittings. Aus einer geübten Praxis heraus jedoch eine "Ewigkeitsgarantie" abzuleiten, erscheint mir schwierig. Ich widerspreche dabei nicht einmal der juristisch hergeleiteten Verpflichtung, die gesamte Familie eines Beamten reich zu alimentieren, stelle aber die Frage, ob dieser Praxis noch eine gesellschaftliche und politische Legitimation zu Grunde liegt. Über die völlige Entkopplung von dieser gesellschaftspolitischen Realität müssen wir bei dem Beispiel in der Stellungnahme des Richterbundes wohl kaum reden.

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Nein, das lege ich nicht dar, weil ich nicht abstreite, dass auch Leute in der pW den Lebenshaltungskosten in Deutschland unangemessen niedrig bezahlt werden können. Meine These ist, es fehlt an Wohnraum. Diesen Preissteigerungen ist mit Löhnen nicht beizukommen. Aber als Beamter könnte mir das egal sein, wenn mein Dienstherr die Rechtsprechung beachten würde.

Also hier vermischt Du unzulässigerweise verschiedene Themenfelder. Die Situation auf dem Immobilienmarkt und die auf diesem Weg entstehenden Wohnoptionen für die verschiedenen Einkommenskohorten unterliegen einer marktwirtschaftlichen Dynamik, die sich für fast alle Menschen in diesem Land in den letzten Jahren negativ entwickelt hat. Wo hier für den Beamten eine Sonderrolle in Sachen Größe oder Qualität des Wohnaumes definiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zitat
Ich muss nichts gemeinsam mit dir herausfinden. In Hamburg ist kürzlich die Besoldung eines kinderlosen A15ers für verfassungswidrig erachtet worden (Beschlussvorlage durch das dortige VG) . Insofern weine du doch einfach noch eine Runde und werd grün. ;D oder lass es bleiben, denn zu ihrem Recht kommen die Beamten ja eh nicht.
...
Die Diskussion rührt daher, dass das Alleinverdienermodell noch immer eine von verschiedenen gesellschaftlichen Realitäten ist, es aber billiger wäre, ein Partnereinkommen anzunehmen und so die Besoldung absenken zu können.

Dabei belass ich es. Es ist schon schlimm wie gleichgültig die Beamtenschaft dem Thema gegenüber ist. Für Diskussionen mit TB fehlt mir die Motivation...  ;D

Das allein reicht mir als Aussage bereits, vielen Dank ;)

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@NelsonMutz,

Wenn man bei VW die Verantwortung eines A16er (= Behördenleiter) hätte, wäre man vermutlich schon in der Chef-Etage mit den Millionen-Boni. Ich finde nach wie vor, dass Beamte im gD und hD im Vergleich zu VW Mitarbeitern absolut mies besoldet sind, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Beamte keine RV- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen.

Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen,  dass VW ein seltener Fall von spätrömischer Dekadenz ist, aber wenn unsere Besoldungen ab A10 aufwärts und auch die Gehälter im TV-L ab E10 aufwärts so üppig wären, warum wollen denn so wenige junge Leute bei uns arbeiten?

Neulich hörte, ich dass eine mittelständische Firma einem Schnösel von 19 Jahren, gerade mit der Lehre fertig, 3.500 Euro plus Dienstwagen angeboten hat. Und der Schnösel sprach, das wäre ein bißchen wenig. Offenbar ist die spätrömische Dekadenz doch verbreiteter.

Ich sehe das tatsächlich etwas differenzierter - und möchte Deinen Blick hier auch mal von den großen Konzernen weg lenken. In so einem KMU mit vielleicht 500 Beschäftigten tragen die Manager die 100%ige Verantwortung für das erfolgreiche Geschätsergebnis und damit eben auch für die Gehälter aller Mitarbeiter. Der A16er Behördenleiter mag eine vergleichbare Verantwortung haben, in der finalen Konsequenz des Versagens wird jedoch kein einziger seiner ihm untergebenen Beamten (und auch er selbst nicht) vor die Tür gesetzt. Ein weiterer Unterschied ist die Defintion von "Erfolg", denn eine Behörde steht in keinerlei Wettbewerb.

Ich würde das grundsätzlich nicht vergleichen wollen, weil es sich hier um zwei völlig unterschiedliche Arten beruflicher Betätigung handelt.

Zur spätrömischen Dekadenz: Der von Dir angesprochene, 19jährige Schnösel mit Ausbildung würde immer noch weniger als die Hälfte dessen netto verdienen, was der Richterbund dem vielleicht 18jährigen A3er ohne Ausbildung zugestehen würde.

Das juristische Dilemma ist mir dabei sehr wohl bewusst, aber final muss es dazu eine auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext tragbare Lösung geben.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14352 am: 26.09.2024 08:44 »
Danke @Swen für deine wie immer sehr lesenswerten Ausführungen. Und du hast natürlich völlig Recht, in einem Punkt war der DRB (und in der Folge auch ich) sprachlich nicht ganz präzise:

1.) Das Grundgehalt plus die Familienzuschläge ergibt die Bruttobesoldung.
2.) Zieht man die Steuern ab, erhält man die Nettobesoldung (und ja, dabei hat der DRB die Abzugsfähigkeit der Basis-KV/PV vergessen, so dass die Steuern etwas niedriger sein dürften, was aber keinen großen Unterschied machen sollte).
3.) Zieht man die private Krankenversicherung ab und addiert das Kindergeld, erhält man die Nettoalimentation.

Der DRB hat in seiner Stellungnahme aufgezeigt, dass die Nettoalimentation eines A3-Beamten mit Ehepartner und zwei Kindern um gut 60% höher sein müsste, um wieder verfassungsgemäß zu sein. Per Rückwärtsindukation habe ich dargelegt, dass dies einer Erhöhung der Bruttobesoldung um rund 75% entspricht.

Und ja, natürlich dürfte es unrealistisch sein, diese Werte vollumfänglich zu erreichen. Aber es sollte offensichtlich sein, dass zur Zeit eine sehr sehr sehr große Lücke zwischen der aktuellen und einer mit dem Grundgesetz in Einklang stehenden Besoldung existiert.

Somit ist eine massive Erhöhung aller Besoldungen die einzig mögliche Lösung. Und dass dies in der Praxis vielleicht auch nicht völlig unbegründet ist, zeigen Wortmeldungen wie beispielsweise von @Imperator.


Und nochmal, das kann man selbstverständlich "doof" finden. Aber es ist nun mal Gesetz. Und zwar nicht irgendein Gesetz, sondern Artikel 33 unserer Verfassung (die man auch nicht mal eben so per Handstreich ändern kann).

Organisator

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« Antwort #14353 am: 26.09.2024 08:54 »
Nochmal: Die vierköpfige Alleinverdiener-Familie ist in keiner Weise das "Leitbild der Beamtenbesoldung", sondern lediglich "eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße" (siehe z.B. die BVerfG-Entscheidung aus 2020).

Sie ist also nur ein Kontrollmaßstab, anhand dessen die Mindestbesoldung kalibriert wird (irgendeine Bezugsvariable muss man schließlich nehmen). Und wie gesagt könnte man diesen Kontrollmaßstab theoretisch auch ändern, jedoch nicht mal eben "einfach so". Außerdem müssten natürlich sämtliche weiteren Grundsätze (Leistungsprinzip, Ämterwertigkeit, etc.) beachtet werden.

Hier sehe ich den Ansatzpunkt. Eine pauschale Erhöhung aller Besoldungsgruppen um mindestens 30 % wäre eine Möglichkeit, die verfassungsmäßige Besoldungsordnung wiederherzustellen. Dies dürfte aber politisch nicht umsetzbar sein.

Statt darauf zu beharren wäre es doch sinnvoll, alternative Besoldungsmodelle zu entwickeln, deren Umsetzung auch gesellschaftlich zustimmungsfähig ist und dennoch dem postitulierten Kontollmaßstab genügen.

MDWiesbaden

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14354 am: 26.09.2024 09:14 »
Mal ganz ehrlich in die Runde. Wer ist den als Beamter egal mD oder gD kurz vor dem verhungern??? Wieso sind da einige in einer undefinierbaren Blase gefangen?

Und wenn ich mir die Beispiele anschaue, dass Mittelständische Unternehmen viel besser bezahlen als im gD?! Wieso wechselt ihr dann nicht? Bewerben und tschüss.

Ich bin im mD und lebe mit meiner Familie (2 Kinder) in Wiesbaden, einer der zehn teuersten Städte Deutschlands.
Würde meine Frau nicht Vollzeit arbeiten, dann wäre hier aber mal ganz wenig außerhalb der Normalität möglich.
Ich finde deinen Kommentar , sagen wir mal freundlich "seltsam".