Ich wollte eure Diskussion(en) nicht abwürgen. Und zugleich ist es so, wie ihr gemeinsam am Ende schreibt: Zunächst einmal sieht sich der Besoldungsgesetzgeber in der Pflicht, für eine amtsangemessene Alimentation all seiner Beamten zu sorgen. Dabei haben alle 17 Besoldungsgesetzgeber ihr - vermeintliches - Hauptproblem erkannt, nämlich das 2020 - und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch heute noch weiterhin - eklatant verletzte Mindestabstandsgebot. Seitdem suchen sie nach Mitteln und Wegen, um aus dem Blickwinkel, für ein nicht mehr verletzt erscheinendes Mindestabstandsgebot zu sorgen, das Besoldungsrecht fortzuführen bzw. neu zu bilden.
Dabei verkennen sie seitdem allerdings ihr eigentliches Hauptproblem, das eben nicht das verletzte Mindestabstandsgebot ist, sondern das sachlich nicht hinreichende Herangehen an dieses Problem, was bereits mit einer regelmäßig sachwidrigen Grundannahme beginnt, die auf zwei evident sachwidrigen Prämissen basiert, die da lauten:
- erste evident sachwidrige Prämisse: Die Mindestalimentation habe irgendetwas mit einer amtsangemessenen Alimentation zu tun. Sachlich falsch an dieser Prämisse ist, dass die Mindestalimentation letztlich nur den Betrag einer Nettoalimentation umfasst, der vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist, in den also dem Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind (vgl. die Rn. 95 der aktuellen Entscheidung unter:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).
- zweite evident sachwidrige Prämisse: Die Mindestalimentation könne als Maß gelten, um durch sie wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zu gelangen. Sachlich falsch an dieser Prämisse ist, dass die Parameter der ersten Prüfungsstufe - und nichts anderes ist zunächst einmal die Mindestalimentation - weder dazu bestimmt noch geeignet sind, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen. (Rn. 30)
Die evident sachwidrige Konklusion aus beiden Prämissen ist nun die ebenso evident sachwidrige Grundannahme, dass man nur irgendwie für ein Überschreiten der Mindestalimentation in der untersten Besoldungsgruppe sorgen müsse, um zu einer amtsangemessenen Nettoalimentation zu gelangen, womit der methodisch falsche Weg bereits in die Spur gesetzt ist.
Sinnvoll wäre es hingegen - nicht zuletzt, weil die Verwaltungsgerichte und darauf fußend dann auch wieder das Bundesverfassungsgericht als Folge der jeweiligen Richtervorlagen genau diesen Weg gehen werden -, nun tatsächlich erst einmal das Prüfverfahren ernst zu nehmen, es nach besten Wissen und Gewissen durchzuführen und so also sachgerechte Daten zu sammeln, wie es eigentlich um die Besoldungssystematik bestellt ist, also - hier durchaus über das Prüfverfahren hinausgehend - anhand der jeweiligen Parameter zu analysieren, als wie schwer sich die Besoldung und Alimentation tatsächlich verletzt zeigen. Dazu hat der ehemalige BVR Peter M. Huber in der Vorbemerkung seiner aktuellen Stellungnahme bereits alles, was notwendig ist, einleitend gesagt:
"Spätestens seit der Jahrtausendwende lässt sich eine gewisse Abkoppelung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Lohnentwicklung feststellen, die durch die Rückübertragung der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz auf die Länder im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahre 2006 und die 2009 in das Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse (Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG) weiter befördert worden ist." (S. 1 unter:
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST18-1743.pdf)
In dem Moment also, wo nun das Prüfverfahren sachgerecht vollzogen und zurück bis etwa in das Jahr 2000 vollzogen wird - jeweils für den 15-jährigen Vergleichzeitraum in Verbindung mit einer Staffelprüfung -, erhält der jeweilige Gesetzgeber eine klare Vorstellung über den tatsächlichen Verletzungsgrad der Besoldungssystematik in den verschiedenen Zeiten. Und erst jetzt läge ihm die Möglichkeit offen, zu einer sachgerechten Heilung zu schreiten, für die er ebenfalls sachgerecht auf seine weiteren verfassungsrechtlichen Pflichten - neben und in der Gewährleistung des Alimentationsprinzips - hinweisen müsste, nämlich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot, an das er sich als Haushaltsgesetzgeber gebunden sieht und dem er also allein als Folge seiner Pflicht zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin, unionsrechtlich im Art. 109 Abs. 2 GG, nicht ausweichen darf.
Auf diese Pflichten wird der Gesetzgeber seit 2015 in schöner Regelmäßigkeit vom Bundesverfassungsgericht hingewiesen - und weil man sich in allen 17 Rechtskreisen hier so hübsch
in der Unterstützung der Neugründung und Wahlkampfhilfe für die AfD und den BSW eingerichtet hat und also weiterhin alle Kräfte darauf ausrichtet, endlich für deren absolute Mehrheit zu sorgen daran interessiert zeigt, seit 2012 das, was das Bundesverfassungsgericht substanziell zum Alimentationsprinzip ausführt, gründlich zu ignorieren, bleibt einem regelmäßig nichts anderes übrig, als in schöner Regelmäßigkeit einen nur immer größeren Berg an Problemen vor sich aufzutürmen, die Vermeidung von sachlichen Problemen durch sachliche Lösungen auszuschließen und das Vertrauen in die Lösungsfähigkeit der bundesdeutschen Politik immer nachhaltiger zu untergraben und zu beschädigen.
Dahingegen könnte man auf Basis dessen, was ich im vorletzten Absatz geschrieben habe, nun daran gehen, das Problem der in allen 17 Rechtskreisen weiterhin oder genauer: seit 2020 erst wirklich durch eigene Dösigkeit richtig akut gewordenen Verletzung des Alimentationsprinzips zu heilen, also Verantwortung zu übernehmen, Dösigkeit Dösigkeit sein zu lassen, um also endlich mal das zu machen, wofür man in Gestalt der Besoldungsgesetzgeber vom Souverän gewählt worden ist: Politik.
Denn auf Basis des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungshefts wäre es tatsächlich möglich, abzuwägen, wie hoch die in allen 17 Rechtskreisen verletzten Grundgehälter angehoben werden müssen, in welcher Höhe sachgerechte familienbezogene Gehaltsbestandteile in die Besoldung eingepflegt werden können, inwiefern durch sachgerechte Ämterneubewertungen, durch damit verbundene sinnvolle leistungsbezogene Zulagen, durch einen sachgerecht vollzogenen Ortszuschlag usw. eine amtsangemessene Alimentation wieder hergestellt werden könnte, die in allen 17 Rechtskreisen deutlich mehr Haushaltsmittel beanspruchen müsste, als das in schöner Regelmäßigkeit die verfassungswidrige Besoldungspraxis der letzten mindestens rund 20 Jahre gekostet hat - die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich geringere Haushaltsmittel kosten dürften als die, die spätstens nach der übernächsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts praktisch unvermeidlich werden dürften.
Und dabei könnte man dann auch mit dem eigentlichen Problem der Besoldungsgesetzgeber aufräumen, das nicht in der Bereitstellung größerer Haushaltsmittel bzw. deren Vermeidung zu suchen ist, sondern in der politischen Faulheit, die verhindert, endlich das Problem lösen zu wollen - also das zu tun, worauf der Souverän ein Recht hat: Politik. Denn das ist das eigentliche Problem (und zwar höchstwahrscheinlich nicht nur in unserem Thema): Wenn man als etablierte Parteien endlich in großen Teilen der Bevölkerung wieder Vertrauen in das eigene Handeln zurückgewinnen will, dann sollte man Politik machen und nicht - wie in unserem Thema und wohl auch in manchem anderen - nur Politik simulieren. Denn das ist das eigentliche Demokratieproblem, in dem wir uns in Deutschland offensichtlich befinden, das also ein Problem des Vertrauensverlustes in Lösungskompetenz ist, welcher zunimmt, umso mehr politisches Handeln in dessen Vermeidung nur simuliert wird. Die Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg, wie sie spätestens in den letzten vier Jahren in unserem Thema herrscht, die Verweigerung, politisch zu handeln durch die politische Klasse, ist das eigentliche Problem und beruht auf vor allem einem: politische Faulheit, die mehr und mehr in politische Verantwortungslosigkeit ausartet oder in unserem Thema bereits ausgeartet ist. Wer die Kurve nicht kriegt, fliegt zwangsläufig irgendwann aus ihr heraus. Es kommt dann nur drauf an, wie lang und scharf die Kurve ist bzw. mit welcher Geschwindigkeit man sich in sie hineinbewegt.