Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube ...
Ich stimme Dir leider unumwunden zu, Rheini: Wenn der Zweite Senat seine nun offensichtlich gefällte Entscheidung veröffentlichen wird, wird er hinreichende Vorsorge getroffen haben müssen, dass es ihr in Berlin nicht so geht wie der letzten, dass nämlich am Ende der heutige Finanzsenator sagen wird, was er in der Gestalt seines Vorgängers am 13.01.2023 gesagt hat, nämlich dass er am Liebsten - in meinen Worten formuliert, aus denen seines Vorgängers und seinem eigenen Handeln allerdings abgeleitet - bis zum St. Nimmerleinstag würde warten wollen, bis er die eindeutigen Forderungen als solche können verstehen wollen, oder eben in den Worten seines Vorgängers:
"Meine bereits in der HA-Sitzung geäußerte Auffassung, dass es im Interesse des Landes Berlin als auch der betroffenen beamteten Dienstkräfte ist, die noch ausstehende Entscheidung [des Bundesverfassungsgerichts über die A-Besoldung im Land Berlin; ST.] abzuwarten, möchte ich bekräftigen. Es ist zu erwarten, dass das BVerfG sehr genaue Vorgaben auch bezüglich der zu berücksichtigenden Daten und Berechnungen macht, wie ein Reparaturgesetz zur A-Besoldung aussehen muss. Würde bereits auf Grundlage der Entscheidung zur R-Besoldung ein Reparaturgesetz zur A-Besoldung auf den Weg gebracht werden, besteht das Risiko, dass dieses gewisse Aspekte nicht auf die Weise auslegt und berücksichtigt, wie es das BVerfG in seiner noch vorzunehmenden Entscheidungsfindung tun würde. In der Konsequenz könnte dies bedeuten, dass dann ein erneutes Gesetzgebungsverfahren erfolgen müsste, um den Vorgaben des BVerfG Genüge zu tun. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, sind Gesetzgebungsverfahren jedoch sehr zeitintensiv und binden personelle Ressourcen. Auch vor dem Hintergrund, dass das entsprechende Fachreferat in meinem Haus mit zahlreichen weiteren, sehr wichtigen besoldungs- und versorgungsrechtlichen Gesetz- und Verordnungsgebungsverfahren befasst ist, ist ein solches Vorgehen nicht zu rechtfertigen. Ich baue insofern auf Ihr Verständnis, dass nicht voreilig ein Gesetz vorbereitet wird, welches möglicherweise den Anforderungen des BVerfG nicht genügt." (vgl. die Antwort auf die Fragen 1, 2, 5, 11, 12 und 22 unter:
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/01/Antwortschreiben_SenFin.pdf)
Diese klare Antwort, die also besagt, dass er lieber weiterhin (in meinen Worten: am Liebsten bis zum Sankt Nimmerleinstag) eine gezielt verfassungswidrige Unteralimentation der Berliner Beamten in Kauf nehmen wollte, als das zu tun, wozu er sich als vereidigter Amtsträger verpflichtet sieht, nämlich sein Amt getreu der Verfassung auszuüben und also sein Fachreferat dazu anzuweisen, wofür es da ist, also einen sachgerechten Gesetzentwurf zu erstellen, hat dem Nachfolger des ehemaligen Berliner Finanzsenators die Möglichkeit beschert, eine Stellungnahme an das Bundesverfassungsgerichts versenden zu dürfen und darin seine Entscheidung zu erläutern (vgl. auch S. 3 unter:
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2024/01/Stellungnahme-fuer-DIE-UNABHAeNGIGEN-29.01.24.pdf).
Ergo: Da zu erwarten ist, dass auch der heutige Berliner Finanzsenator sich hinsichtlich des Besoldungsrechts nicht voreilig an die Verfassung halten wollte - denn hätte er das bislang gewollt, hätte er seit Amtübernahme sicherlich entsprechend voreilig gehandelt, was allerdings bislang auch hier nicht zu erkennen gewesen und so absehbar auch zukünftig kaum zu erwarten wäre -, wird sich jetzt der Zweite Senat veranlasst gesehen haben, geeignete Maßnahmen in seiner Entscheidung zu ergreifen, solcherart Handeln in Berlin nun weiterhin auszuschließen, was bedeuten sollte, dass sich der Berliner Finanzsenator mitsamt des weiteren Kabinetts und des seit Jahr und Tag gezielt verfassungswidrige Besoldungsgesetze erlassenen Abgeordnetenhauses in absehbarer Zeit einer anderen staatlichen Gewalt unterworfen sehen sollte, sofern letzteres weiterhin nicht fristgerecht handeln wollte, um sich dann eben nach jener absehbarer Zeit ggf. mit Freude der Vollstreckung auszusetzen.
Oder um es volkstümlich zu sagen: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Diesen volkstümlichen Ausspruch sachgerecht in Juristendeutsch umgewandelt, sollte nun das sein, was der Zweite Senat entschieden habe. Ansonsten würde auch mir der Glaube fehlen, dass sich alsbald irgendwas in Berlin und dem Rest der Republik änderte.
@ Internet
Ich weiß doch wie wir alle nicht, was mir die Zukunft beschert. Ich gehe aber davon aus, dass - trotz oder gerade wegen der von mir erwarteten Vollstreckungsanordnung - uns danach ein komplexer politischer Weg ins Haus steht, den ich dann gerne weiter begleiten wollte, weil das durchaus reizvoll sein dürfte.
Darüber hinaus - das hört sich vielleicht etwas grotesk an - ist es mir thematisch (nicht menschlich) ziemlich egal, was denn nun das Land Niedersachsen macht, da mich eben das Thema interessiert, was - von heute aus betrachtet - kaum anders sein sollte, wenn auch das Land Niedersachsen wieder verfassungskonform besolden sollte.
Schließlich gehe ich davon aus, dass es meine Expertise nicht mehr brauchen wird, wenn Niedersachsen wieder amtsangemessen besolden wird, da dann zwangsläufig auch alle anderen Rechtskreise wieder eine amtsangemessene Alimentation gewähren werden.
Der langen Rede kurzer Sinn: Meine Sichtweise bleibt bis auf Weiteres die ewig gleiche - sobald es dem Bundesverfassungsgericht gelingt, einen Dienstherrn aus dem Reigen des konzertierten Verfassungsbruchs herauszubrechen, wird unser Thema eine Dynamik entwickeln, die komplexe Folgen für dessen Nachbarländer und so auch spätestens über kurz oder lang deren Nachbarländer - also daraufhin über kurz oder lang für alle - nach sich ziehen dürften.
Sollte also der Zweite Senat mit der meiner Meinung nach zwischenzeitlich ergangenen "Pilotentscheidung" über die Berliner Besoldung seinen bisherigen Weg konsequent fortgeschritten sein, stehen uns mit deren Veröffentlichung politisch und gesellschaftlich Diskussionen in Haus, die auf Jahre nicht mehr abbrechen werden, eben weil es dann auch im nächsten und im übernächsten und ebenso im überübernächsten Jahr usw. regelmäßig weitere Entscheidungen aus Karlsruhe zur Abarbeitung der heute über 70 anhängigen Verfahren geben wird, deren Zahl auch im überübernächsten Jahr noch immer sehr hoch bleiben dürfte, da ja dann in den kommenden Jahren eine nicht geringe Zahl an weiteren Vorlagebeschlüssen hinzukommen werden.
Was mich dabei wirklich sehr freut und auch beruhigt, ist, dass nun mit Ann-Katrin Kaufhold eine Schülerin Andreas Voßkuhles Vizepräsidentin ist, von der also anzunehmen sein wird, dass seine tiefschürfende Arbeit auch unter ihrer Vize- und ab Ende 2030 Präsidentschaft des Bundesverfassungsgerichts klug fortgeführt werden wird.
Aber wie gesagt: Jetzt warten wir erst einmal ab, was wir alsbald konkret zu lesen bekommen werden. Danach werden wir - so gilt es zu vermuten - deutlich klarer Prognosen begründen können als heute, denke ich.