Es dürfte sicherlich von Interesse sein, noch einmal öffentlich festzuhalten, was vonseiten des wissenschaftlichen Diensts eingangs hinsichtlich des sog. Familienergänzungszuschlags dargelegt worden ist und wie darauf von den Ausschussmitgliedern reagiert wurde:
Der wissenschaftliche Dienst führt eingangs hinsichtlich des Familienergänzungszuschlags aus, dass er, sofern er entsprechend wie geplant eingeführt werden würde, den 115 %igen Abstand zum Grundsicherungsniveau gewährleisten müsse. Dies sei durch ihn allerdings nicht gewährleistet. Denn die Konstruktion verstoße gegen das Mindstabstandsgebot. Auch sei die geplante Modifikation nicht durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt. Die Abkehr von der Alleinverdienerfamilie müsse, sofern sie vollzogen werde, verfassungsrechtlich auf alle Beamte und ihre Familien übertragen werden und könne nicht auf nur einen Teil beschränkt bleiben. Der Familienergänzungszuschlag würde insbesondere teilzeitbeschäftigte Ehefrauen von Beamten negativ treffen; dabei sei kein belastbarer sachlicher Grund für die geplante Regelung gegeben. Auch seien die aus § 2 Abs. 3 EStG folgenden Konsequenzen unklar ausgestaltet. Am Ende sei mit der Regelung ebenso das systeminterne Abstandsgebot kaum zu gewährleisten, was zu einem späteren Zeitpunkt der Sitzung ebenfalls inhaltlich schlüssig anhand der Ungleichbehandlung des Besoldungsgruppen A 9 und A 10 konkretisiert worden ist.
Nach der Stellungnahme des wissenschaftlichen Diensts hat die Ministerin nach mehreren Darlegungen am Ende festgehalten, ihre Empfehlung sei, so wie vorgeschlagen zu verfahren, was vonseiten des Justitiariats des Ministeriums wiederkehrend unterstützt worden ist, wobei dessen Ausführungen wiederholt sachlich falsch blieben, unter anderem auch deshalb, weil von ihm keine trennscharfe Unterscheidung der aus den beiden aktuellen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen resultierenden Folgen vollzogen wurde, was sicherlich auch daran gelegen haben mag, dass er mit der Feststellung schloss, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Unterkunftskosten jeglicher Bezug zur Realität fehle. Denn auch darin spiegelt sich offensichtlich der Blick auf das Verfassungsrecht, wie er sich ebenso wiederkehrend in dem vom Finanzministerium vorgelegten Gesetzentwurf offenbart.
Eines der beiden Ausschussmitglieder der SPD hat hervorgehoben, dass das Gutachten des wissenschaftlichen Diensts und dessen gerade vollzogene Stellungnahme ihre Sicht bestätigt habe, und wiederholt auf die vielfachen Problematiken des Entwurfs hingewiesen. Das Mitglied des SSW hat eingangs seiner Feststellung, dass er nicht für einen Gesetzentwurf stimmen werde, der verfassungsrechtlich keinen Bestand haben könne, im Anschluss zwei sachliche Fragen gestellt, die vonseiten des Justitiariats des Finanzministeriums unklar, hinsichtlich des wissenschaftlichen Diensts präziser - wenn auch ggf. für nicht mit der Materie Vertraute eventuell nicht weiterführend - beantwortet worden ist. Ein Ausschussmitglied der CDU führte nach dem Konstatieren der Komplexität der Materie aus, dass das geplante Gesetz erhebliche Verbesserungen schaffe und dass die für die nächste Sitzung geplante weitere Herleitung des Finanzministeriums hoffentlich helfen werde. Ein weiteres Mitglied der CDU hob in einer kurzen wie sachlich verkürzenden Darlegung seine Befürwortung des Entwurfs hervor. Inhaltliche Stellungnahmen weiterer Ausschussmitglieder - insbesondere vonseiten der Bündnisgrünen und der Freidemokraten - erfolgten nicht; ihre Ausschussmitglieder leisteten keine Wortbeiträge. Am Ende der Sitzung wurde auf Nachfrage festgehalten, dass das Finanzministerium in seiner Sitzung am 17.03. gezielt auf das Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Diensts eingehen solle.
Es wird sich nun zeigen, was von dessen Seite zu jenem Termin präsentiert werden wird. Es dürfte sich darüber hinaus weiterhin zeigen, ob und ggf. wie nun die Gewerkschaften und Verbände in Schlewsig-Holstein mit dem Ergebnis der Sitzung umgehen werden. Bislang habe ich diesbezüglich noch keine öffentlichen Darlegungen gefunden. Da sich insbesondere das Justitiariat des Finanzministeriums in der Sitzung über weite Strecken sachlich eher wirr eingelassen hat - also die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung in seinem inhaltlichen Gehalt relativierend, Dilemmata konstruierend, die sachlich nicht gegeben sind, mit Zahlen operierend, die abermals inhaltlich verkürzend nur einen kleinen Ausschnitt der Besoldungswirklichkeit betrachteten usw. -, dürfte auf Grundlage des offensichtlich maßgeblich von ihm mitzuverantworteten Entwurfs kaum zu erwarten sein, dass sich dessen kreative Rechtsideen bis zum 17.03. ändern dürften. Denn dazu ist ja bereits der Gesetzentwurf in seinen verfassungwidrigen Rechtskreationen allzu deutlich geworden.
Ich gehe davon aus, dass in Schleswig-Holstein genauso wie auch in NRW die Wahlkreisabgeordneten hinsichtlich der anstehenden Landtagswahl für jede interessierte und sachliche Rückfrage vonseiten ihrer potenziellen Wählerinnen und Wähler dankbar sein werden - und sicherlich besonders, wenn diese Rückfragen von Beamtinnen und Beamten kommen, die ja ein wichtiges Rückgrat unserer staatlichen Ordnung sind. Solche Fragen könnten zum Beispiel sein:
- Halten Sie den derzeitigen Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern (LT-Drs. 19/3428) für verfassungskonform?
- Wie beurteilen Sie die Stellungnahme des wissenschaftlichen Diensts vom 02.03.2022 (Umdruck 19/7271)? Sehen Sie es genauso wie diese Stellungnahme, dass "die vorliegende Regelung zum 'bedarfsorientierten
Familienergänzungszuschlag' die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen nicht" erfüllt (vgl. ebd., S. 22), also verfassungswidrig ist?
- Steht die offensichtlich Frauen diskriminierende Reglung, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht (vgl. ebd., S. 20 ff.), im Einklang mit den Sie leitenden politischen Grundvorstellungen? Und steht Ihre Partei für ein Frauen diskriminierendes Wetbild? Falls dem nicht der Fall sein sollte, werden Sie dem Gesetzentwurf dennoch zustimmen?
Ich denke, das sind wichtige Fragen - und als Wählerin und Wähler wird man sicherlich überzeugende Antworten von den Abgeordnetinnen und Abgeordneten erhalten. Zwei Monate bis zur Landtagswahl ist doch eine schöne Zeit, um in einen interessierten Austausch mit ihnen und den (Wahlkreis-)Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien zu treten.