Die Empfehlungen treffen erstaunliche Aussagen, die vor allem eines zeigen: Obgleich sich nicht wenige der SWK-Mitglieder wohl selbst in einem Beamtenverhältnis befinden, verfügen sie augenscheinlich wiederkehrend über keine hinreichenden beamtenrechtliche Kenntnisse. So führt die Stellungnahme als eine der maßgeblichen Maßnahmen aus:
"Studien zeigen, dass qualifizierte Lehrkräfte für den Lernerfolg unverzichtbar sind. Die SWK empfiehlt daher, dass sich Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel vor allem darauf konzentrieren sollten, die vorhandenen Lehrkräfte bestmöglich einzusetzen. 49 Prozent der Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit, hier liegt das größte Potenzial, Ressourcen zu erschließen. Die SWK spricht sich dafür aus, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen, die Reduktion auf unter 50 Prozent der Arbeitszeit etwa sollte nur aus besonderen Gründen möglich sein, ebenso sollten Sabbaticals befristet eingeschränkt werden." (
https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/einsatz-optimieren-bedarf-senken-swk-empfiehlt-zeitlich-befristete-notmassnahmen-zum-umgang-mit-dem.html)
Solche Aussagen kann man augenscheinlich nur tätigen, wenn man nicht weiß, dass das Hauptberuflichkeitsprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentum grundsätzlich fordert, dass der Beamte im Regelfall mit nicht weniger als 50 % der regelmäßigen Arbeitzeit seiner Beschäftigung nachgeht. Entsprechend kann man in den 17 Rechtskreisen prinzipiell keine einfachgesetzliche Regelung finden, die es gestatten sollte, seinen Dienstgeschäften als Regelfall mit einem Teilzeitfaktor unterhalb von 50 % nachzugehen. Die Forderung, "die Reduktion auf unter 50 Prozent der Arbeitszeit etwa
sollte nur aus besonderen Gründen möglich sein", ist und muss bereits in allen Rechtskreisen gelten, weil alles andere als Verstoß gegen das Hauptberuflichkeitsprinzip zu verstehen wäre. Hier wird also eine Forderung als maßgeblich gefordert, die heute bereits in allen 17 Rechtskreisen genauso geregelt sein muss, wie sie nun gefordert wird. Genauso könnte man also nach eingehender wissenschaftlicher Prüfung fordern, dass man die heute 45-minütige Schulstunde zukünftig auf 45 Minuten begrenzt. Das Ergebnis wäre das gleiche wie hier: nämlich das gleiche.
Die besonderen Gründe, von denen die Empfehlung spricht, sind heute ebenso geregelt, nämlich in den Sonderfällen von Betreuung und Pflege. Hier ist der Regelfall, dass eine Teilzeittätigkeit mit einem Minimum von 25 % der regelmäßigen Arbeitszeit gestattet werden kann. In der Regel sollte eine Genehmigungspflicht gegeben sein, wenn nicht zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen - und damit ist die Möglichkeit des Ermessens, entsprechend Anträge abzulehnen, auf das Äußerste beschränkt. Nicht umsonst führt das Bundesverwaltungsgericht aus: "Dienstliche Gründe
dieser höchsten Prioritätsstufe müssen von solchem Gewicht sein, dass ihre Berücksichtigung unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sicherzustellen. Es müssen mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit drohen." (BVerwG, Urteil vom 25.06.2009 - 2 C 74.08 -, Rn. 18; Hervorhebungen durch mich). Die Prüfung, ob solche Gründe tatsächlich vorliegen, unterliegt - bei Ablehnung entsprechender Anträge - der gerichtlichen Kontrolle. Der Nachweis, dass "zwingende dienstliche Gründe" tatsächlich gegeben sind, stellt sich - eben weil es sich hier um die höchste Prioritätsstufe handelt - entsprechend als deutlich schwierig dar (um es mal so zu formulieren). Den Dienstherrn möchte ich erleben, der entsprechende Anträge aus familiären Gründe ablehnte. Zugleich bliebe die Frage, wie man unter solchen Bedingungen wohl Nachwuchskräfte gewinnen wollte. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es hier um die Beamtenschaft als solche geht. Die jeweiligen Beamtengesetze der 17 Rechtskreise erstrecken sich zunächst einmal jeweils auf alle betroffenen Beamten gleich, sofern keine Sonderregelungen getroffen werden - Sonderregelungen hinsichtlich der Teilzeit von verbeamteten Lehrkräften kann es aber nicht geben, da es auch dafür eines sachlichen Grundes bedürfte. Dass der Dienstherr den seit vielen Jahren absehbaren Fachkräftemangel augenscheinlich nicht hinreichend beachtet hat, dürfte kaum als ein solcher sachlicher Grund zu betrachten sein, worauf am Ende mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auch die zur Prüfung angerufenen Gerichte verweisen dürften.
Das prinzipiell Gleiche gilt hinsichtlich der weiterhin aufgeführten Sabbaticals. Offensichtlich ist den Mitgliedern der SWK nicht geläufig, dass sich ein sogenanntes Freijahr ("Sabbatical") aus einem Anspar- und einem Ausgleichsgleichszeitraum zusammensetzt, d.h., der Beamte erhöht für einen Zeitraum seine Beschäftigungszeit im Verhältnis zu seinen Dienstbezügen, um nach einer gewissen Zeit des Ansparens den Ausgleich zu vollziehen. "Sabbaticals" wären also derzeit tatsächlich eine Möglichkeit, kurzfristig höhere Dienstzeiten zu generieren, die später wieder ausgeglichen werden würden - ansonsten haben sie allerdings auf die gesamte Dienstzeit eines Beamten gesehen keinen Einfluss auf die Arbeitszeit. Die geforderte Einschränkung von "Sabbaticals" hat so verstanden hinsichtlich der regelmäßigen Arbeitszeit von Beamten keinerlei Einfluss, würde aber eine kurzfristige Möglichkeit, höhere Dienstzeiten zu generieren, behindern. Die Einschränkung der Möglichkeit von "Sabbaticals" dürfte darüber hinaus allerdings Einfluss auf die Motivation von Beamten haben, die ein entsprechendes "Sabbatical" planen - und dieser Einfluss dürfte für jene Motivation eher nicht förderlich sein.
Entsprechend will man den Lösungsversuch, "dass sich Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel
vor allem darauf konzentrieren sollten, die vorhandenen Lehrkräfte bestmöglich einzusetzen", mittels Eingriffe vollziehen, die entweder bereits gegeben sind (eine Teilzeitbeschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von weniger als 50 % ist als Regelfall schon heute nicht möglich) oder letztlich nicht umsetzbar sind (eine Einschränkung der gesetzlichen Teilzeitregelungen aus familiären Gründen könnte nicht auf verbeamtete Lehrer als solche beschränkt werden und wäre rein rechtlich kaum möglich) bzw. keinerlei Effekte hätten (sog. "Sabbaticals" führen in Summe zu keiner Verringerung von Dienstzeiten). Wieso man solche Vorschläge als augenscheinlich maßgeblich betrachtet und sie dann entsprechend der Öffentlichkeit präsentiert, bleibt mir schleierhaft. Ein Ruhmesblatt wissenschaftlicher Beratung von Politik sollten solche Ideen wohl eher nicht nach sich ziehen, so gilt es zu vermuten. Denn wenn als "das größte Potenzial" gegen den Fachkräftemangel Maßnahmen vorgeschlagen werden, die zu keiner Veränderung führen, weil sie heute schon Realität sind (s. den regelmäßigen Teilzeitfaktor), oder die rechtlich kaum umsetzbar sind (s. den Teilzeitfaktor aus familiären Gründen) bzw. die hinsichtlich der Problemlage keine Auswirkungen zeitigen (s. die sog. "Sabbaticals"), dann weiß ich auch nicht weiter, was die KMK noch so umtreibt und was sie dann wohl als nächsten Vorschlag mit dem "größte[n] Potenzial" vorschlägt. Vielleicht die heutige Stundenzahl, die ein Schüler in seinem Schulleben unterrichtet wird, empfindlich zu verringern (was einem wahrlich sehr schwerfalle, wie man das die Medien schweren Herzens mitteilen muss), sodass die Stundenzahl zukünftig auf das heutige Maß begrenzt wird? Oder die heute auf neun, zehn oder dreizehn Jahre ausgedehnte Schulzeit unter schwersten Gewissensbissen (wie man den Medien verknautschten Gesichtes mitteilen muss) massivst zu kürzen, sodass zukünftig Schüler nur noch begrenzt auf neun, zehn oder auch nur dreizehn Jahre beschult werden? Oder die KMK als das wesentliche Instrument bundesdeutscher Regelungskompetenz in Schulsachen leider aufgeben zu müssen (wie den Medien in grundstürzender Eilmeldung mitgeteilt wird), um damit der KMK einen Regelungsauftrag zu erteilen, wie sie in den nächsten 15 Jahren unaufgelöst aufgelöst (und ansonst gelöst und losgelöst von Schulsachen) die bundesdeutsche Regelungskompetenz in Schulsachen löst? Vielleicht wäre dieser der zielführendste: sich selbst den Passierschein A 38 auszustellen?