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Dienstgang - Arbeitszeit, JA oder NEIN?

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MoinMoin:

--- Zitat von: sebbo83 am 04.01.2024 09:44 ---Grundsätzlich ist Reisezeit als Dienstzeit zu bewerten, egal ob Seminar, Außeneinsatz oder Fachmeeting. Selbst wenn man mit dem Zug von Hannover nach Oldenburg fährt.

--- End quote ---
Quelle?

2strong:
Was erzählt Ihr hier von Grundsätzen?! Grundsätzlich regelt es der Tarif Dich genau anders und eindeutig: Danach sind Reisezeiten eben grundsätzlich keine Arbeitszeit.

sebbo83:

[/quote]Quelle?
[/quote]

Juris:

I. Arbeitsvertragsrechtlich ist die Dienstreise eine Tätigkeit auf Weisung und im Interesse des Arbeitgebers, für die eine Vergütung nach inzwischen entwickelter Rechtsprechung des 5. Senats des BAG grds. erwartet werden kann (Vgl. BAG, Urt. v. 17.10.2018 - 5 AZR 553/17 Rn. 11 ff.). Es kommt nicht auf das Vorliegen zusätzlicher Belastungen oder das Erbringen zusätzlicher Leistungen an, da zu den versprochenen Diensten i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB (jetzt: § 611a Abs. 1 BGB) nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme gehört, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.

II. In arbeitszeitrechtlicher Hinsicht genügt zur Einordnung der Dienstreise als Arbeitszeit, selbst unter Aufrechterhaltung der (unionsrechtswidrigen) Belastungsthese des BAG, der Hinweis, dass eine unfreiwillige Reise in einem beliebigen Verkehrsmittel keinerlei Erholungswert mit sich bringt, sondern der Gesundheit eher noch abträglich ist. Allein die Freizeitbeschränkung als solche ist belastend (So auch, allerdings im Kontext der Vergütung, Staack/Sparchholz, AiB 2013, 99, 101.). [...] Das Vorliegen zusätzlicher Belastungen oder Arbeitsleistungen ist nicht erforderlich; ausreichend ist die vom Arbeitgeber veranlasste räumliche Einschränkung des Arbeitnehmers (EuGH, Urt. v. 21.02.2018 - C-518/15 - „Matzak“). [...] Wer von Düsseldorf nach Berlin und zurück mit Zug oder Personalkraftwagen zu einem dreistündigen Termin reist, ist mindestens 13 Stunden unterwegs. Jedenfalls nach deutschem Arbeitszeitrecht wäre dies unzulässig (gem. § 3 ArbzG liegt die Grenze bei acht bzw. zehn Stunden). Im europäischen Arbeitszeitrecht würde die maßgebliche Grenze von elf Stunden Ruhezeit gerade noch gewahrt (Art. 3 RL 2003/88/EG). Zur Vermeidung derartiger Widersprüche hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, Höchstarbeitszeiten zu modifizieren. Speziell für die Frage der Dienstreise findet sich eine Öffnungsklausel in Art. 17 Abs. 3 Buchst. a) RL 2003/88/EG. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich als Zulässigkeitsvoraussetzung für alle Abweichungen, dass Art und Umfang der Abweichung unbedingt erforderlich sein müssen, sodass bloße Praktikabilitätserwägungen nicht ausreichen dürften (Ulber in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 7 Rn. 7.223.) Entsprechend der Anforderungen des Art. 17 Abs. 2 RL 2003/88/EG muss die Abweichungsregelung einen gleichwertigen Ausgleichsruhezeitraum vorsehen, der grds. aus einer Anzahl zusammenhängender Stunden entsprechend der vorgenommenen Kürzung bestehen und vor Beginn der folgenden Arbeitsperiode gewährt werden muss (EuGH, Urt. v. 23.12.2015 - C-180/14 Rn. 52 f.; Ulber in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 7 Rn. 7.240 f).



MoinMoin:
Das ist doch "nur" eine Rechtsmeinung Dr. Ulrich Preis, oder?

Denn wie er auch ausführt: Dienstreisen ins ferne Ausland wären dann nicht mehr möglich, da ein Flug dahin schon
nicht ohne Verstoß gegen die Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts zu machen ist.  8)
Bzw. man am Folgetag zunächst einen Ausgleichstag nehmen müsste, der aber nicht genommen werden kann da man auf Dienstreise ist hihi, man also die DR unterbrechen muss, damit man ihn nehmen kann. Na das wird ein Spaß....

Für mich ist daher noch etwas unklar wie die EuGh und BAG Urteilslage nun wirklich zu verstehen ist.

Öffdler:
vlt verstehe ich das gerade auch einfach falsch, aber ich sehe da keinen Widerspruch zwischen der Rechtsquelle und dem TV-L hinsichtlich . Reisezeit ist Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne ohne jetzt die Problematik hinsichtlich Auslandsdienstreisen u. ä. vertiefen zu wollen. Die vergütungsrechtliche Seite regelt der TV-L als Tarifvertrag.

Zur Unterscheidung zwischen Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen und im vergütungsrechtlichen Sinne hat sich das BAG in seiner bereits zitierten Entscheidung auch geäußert:


16

    2. Unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten ist deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG (vgl. dazu etwa ErfK/Wank 18. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 17 u. ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 516g f.; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 72 ff.; Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 41 ff., jeweils mwN). Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 355/12 – Rn. 16 mwN; 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16 – Rn. 30, BAGE 157, 347). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten besonderen Falls des bezahlten Jahresurlaubs keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet (EuGH 21. Februar 2018 – C-518/15 – [Matzak] Rn. 49 ff. mwN).

17

    3. Erforderliche Reisezeiten sind mit der für die eigentliche Tätigkeit vereinbarten Vergütung zu bezahlen, sofern nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung hierfür eingreift. Das ist vorliegend nicht der Fall.

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