Ob nun der Schlichterspruch so am Ende angenommen wird oder nicht, wird sich zeigen. Darüber hinaus ist's - wie die hier geführte Diskussion ein weiteres Mal zeigt -, eine Sache der Perspektive, ob sich der Schlichterspruch als "gut" oder "nicht gut" darstellt. Insofern will ich mich an dieser Diskussion nicht beteiligen, sondern wie meistens mal wieder die verfassungsrechtliche Dimension betrachten und also von dem Fall ausgehen, dass der Schlichterspruch angenommen und genauso übertragen werden würde (was hinsichtlich der Jahressonderzahlung so eher nicht kommen würde, worauf ich hier ja unlängst erst hingewiesen habe - diesen Teil klammere ich aus, auch weil er die nachfolgend dargestellte Problematik noch einmal vergrößern würden, wenn er so kommen würde; jener Teil des Schlichterspruchs könnte also, sofern eine entsprechende Einigung kommen und sie auf die Bundesbeamten übertragen werden würde, nicht Teil der Lösung der dargestellten Problematik sein, weil er dann vielmehr ein weiterer Teil des Problems wäre).
Zum 29.02.2024 betrug der Grundgehaltssatz in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 3 2.370,74 € und in der ersten Erfahrungsstufe A 16 6.368,18 € (vgl. die Tabelle unter:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/2022?id=beamte-bund-2022&matrix=1). Im Zuge der Übertragung des TVöD 2023 auf die Bundesbeamten ist ein Sockelbetrag von 200,- € mitsamt einer sich daran anschließenden Erhöhung der Grundgehaltssätze um 5,3 % vollzogen worden. Zum 01.03.2024 wurden in den beiden genannten Besoldungsgruppen nun Grundgehaltssätze von 2.706,99 € und 6.916,26 € gewährt. Sie sind damit um 14,18 % und 8,61 % angehoben worden. Damit finden wir ein signifikante Ugleichbehandlung, die verfassungsrechtlich zu betrachten ist. Erfolgte nun mit der Übertragung des ggf. angenommenen Schlichterspruch die nächste soziale Komponente, also eine allgemeine Anpassung um drei %, jedoch eine Mindesterhöhung von 110,- € (
https://www.dbb.de/artikel/einigungsempfehlung-nach-der-schlichtung-liegt-vor.html), dann würden sich die genannten Grundgehaltssätze zum April diesen Jahres auf 2.816,99 € und 7.123,75 erhöhen. Gegenüber dem 29.02.2024 wären so die Grundgehaltssätze um 18,82 % und 11,86 % angehoben worden.
Der Dienstherr dürfte daran durchaus ein nicht geringes Interesse haben, da ja die Dienstherrn generell - und damit ebenso der Bundesgesetzgeber - spätestens seit 2020 ihre gesamte Besoldungsgesetzgebung vor allem um das Mindestabstandsgebot kreisen lassen, weil sie kurzfristig Personalkosten sparen wollen, wissend, dass das auch mittelfristig günstiger sein wird, da ein zu geringer Teil der Beamtenschaft keinen Widerspruch einlegt, sodass er, jener Teil, am Ende hinsichtlich von Nachzahlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über Gebühr zu gering bedacht oder gar ganz leer ausgehen könnte, und darüber hinaus das, wofür sie ebenfalls gewählt werden, nämlich das Land gut zu regieren, was bedeutet, nachhaltig zu regieren, von ihnen hinsichtlich der Besoldungsthematik ausgeklammert wird, nämlich die demokratietheoretischen Folgekosten, die die regelmäßigen "Hybridbildungen" im Besoldungsrecht kosten. Denn das dicke Ende kommt bekanntlich zum Schluss, was in allen 17 Rechtskreisen wissentlich und willentlich ausgeklammert wird, nämlich dass es am Ende eine Rechtsprechung gibt, an die sie sich über kurz oder lang gebunden sehen werden - und es kommt darüber nicht erst zum Schluss, wie es die Diskussion der letzten Tage um "Bummelstreiks" ein weiteres Mal gezeigt hat. Die wissentlich und willentlich fortgesetzte verfassungswidrige Unteralimentierung der Bundesbeamten bleibt schon heute sicherlich nicht ohne Folgen.
Dabei wird die wiederkehrende höhere Anhebung unterer Besoldungsgruppen als Folge der Übertragung der Tarifeinigung auf die Beamtenschaft - an dieser besonderen Anhebung unterer Tarifgruppen haben verschiedene Gewerkschaften eine maßgebliches Interesse, da es hier insbesondere um ihre Mitglieder geht - zwar nicht das verletzte Mindestabstandsgebot heilen. Die Verletzung kann so aber einfacher kaschiert werden, da entsprechend der Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation verringert wird. Daran wiederum haben die Dienstherrn ein nicht unerhebliches Interesse.
Aber zurück zur verfassungsrechtlichen Perspektive:
Der Zweite Senat hebt auch in seiner Rechtsprechung zum Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen das hervor, was er seit den 1950er Jahren hervorhebt. So führt er in der Rn. 68 seiner hinsichtlich des Abstandsgebots grundlegenden Entscheidung vom 23. Mai 2017 (BVerfGE 145, 304;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html) aus:
"Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen nur in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme ausweislich einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist. Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften."
Entsprechend führt der Senat weiterhin in der systeminternen Prüfung anhand des vierten Parameters in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17. November 2015 = BVerfGE 140, 240, mit der das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft" auf die Beamtenbesoldung übertragen wurde, in der Rn. 91 aus (Hervorhebungen durch ST.):
"Verfassungsrechtlich bedenklich ist im Lichte des Abstandsgebots auch eine alimentationsbezogene Schlechterstellung höherer Besoldungsgruppen durch eine zeitversetzte und/oder gestufte Inkraftsetzung der Besoldungserhöhung für Angehörige dieser Besoldungsgruppen als Ausdruck einer
sozialen Staffelung. Der Besoldungsgesetzgeber entfernt sich dabei regelmäßig von der verfassungsrechtlichen Vorgabe, die Bemessung der Alimentation - für alle Beamten - an der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und dem allgemeinen Lebensstandard zu orientieren. Die von Verfassungs wegen geschuldete Alimentierung ist nicht eine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den 'wirtschaftlichen Möglichkeiten' der öffentlichen Hand oder nach den politischen Dringlichkeitsbewertungen hinsichtlich der verschiedenen vom Staat zu erfüllenden Aufgaben oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt (vgl. BVerfGE 44, 249 <264>)."
Ein entsprechendes Indiz für einer sachwidrige Unteralimentation der jeweilig höheren Besoldungsgruppe im Gefolge eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot sieht der Senat dann als gegeben an, wenn eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen vollzogen wird. Ein Verstoß liegt in der Regel vor bei einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens 10 v.H. in den zurückliegenden fünf Jahren. (Rn. 92).
In der Rn. 76 der Entscheidung vom 23. mai 2017 hebt er entsprechend hervor:
"Das Abstandsgebot gebietet dabei nicht allein, dass die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter im Hinblick auf die Endstufen zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist es erforderlich, dass zur Wahrung der Stringenz des gesamten Besoldungssystems die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter auch in sämtlichen einander entsprechenden (Erfahrungs-)Stufen abgebildet wird."
Diese Direktive ist nun die sachliche Rechtfertigung dafür, dass ich in diesem Text die jeweilige Eingangsstufe der Besoldungsgruppen A 3 und A 16 miteinander vergleiche.
Die Abstände der Grundgehälter zwischen ihnen haben sich seit dem 01.03.2018 wie folgt entwickelt:
A 3/1 (€) A 16/1 (€) Abstand (%) Differenz (%P) Abschmelzung (%P)
2018 2.127,35 5.933,22 178,90 --- ---
2019 2.193,09 6.116,56 178,90 0 0
2020 2.301,21 6.181,40 168,62 10,28 10,28
2021 2.328,82 6.255,58 168,62 0 10,28
2022 2.370,74 6.368,18 168,62 0 10,28
2023 2.370,74 6.368,18 168,62 0 10,28
2024 2.706,99 6.916,29 155,55 13,07 23,35
2025 2.816,99 7.123,75 152,29 3,26 26,61
Von 2019 nach 2020 sind die Abstände zwischen den beiden Besoldungsgruppen um 10,28 %P abgeschmolzen worden, was - da in den Jahren ab 2015 keine Sockelbeträge in das Besoldungsrecht eingeführt worden sind - für sich genommen die Verletzung des Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen indiziert. 2024 erfolgte dann eine weitere Abschmelzung, dieses Mal um 13,07 %P, was ebenfalls eine entsprechende Verletzung indiziert. Sofern sich nun auf den Schlichterspruch verständigt werden würde und eine entsprechende Übertragung auf die Beamten erfolgte, würde eine erneute Abschmelzung von Besoldungsabständen vollzogen werden, dieses Mal um 3,26 %P.
Ob nun eine Annahme des Schlicherspruchs kommen wird und wie am Ende die Übertragung der Tarifeinigung auf die Bundesbeamten ausschauen wird, steht weiterhin in den Sternen.Schon heute finden wir allerdings gegenüber dem 29.02.2020 eine Abschmelzung um 23,35 %P im Zeitraum von fünf Jahren vor, die in einem so starken Maße die Verletzung des Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen in der Besoldungsgruppe A 16 indiziert, dass es m.E. kaum vorstellbar sein sollte, dass die entsprechenden Regelungen vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben sollten.
Nicht umsonst hebt der Senat in der genannten Entscheidung aus dem Jahr 2017 in der Rn. 78 hervor:
"Da bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, dürfen sie allerdings nicht infolge von Einzelmaßnahmen – etwa die zeitversetzte und/oder gestufte Inkraftsetzung von Besoldungserhöhungen für Angehörige bestimmter Besoldungsgruppen (vgl. BVerfGE 140, 240 <285 f. Rn. 91>) – nach und nach eingeebnet werden (vgl. auch Urteile des BVerwG vom 12. Dezember 2013 – 2 C 24.12 und 2 C 26.12 –, juris, Rn. 17). Es besteht also ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände, welche außerhalb der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung stattfinden (vgl. zur „Salami-Taktik“ im Besoldungsrecht BVerfGE 139, 64 <123 Rn. 122>; 140, 240 <292 Rn. 105>)."