Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 203021 times)

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1905 am: 01.12.2025 05:14 »
Zum einen wird auch in den Leitsätzen Bezug zum Medianeinkommen genommen.

Es ist mir ein absolutes Rätsel, warum euch das MÄE alle so wuschig macht. In erster Linie natürlich MoinMoin, aber z.B. Nelson hatte sich ebenfalls schon gemeldet und jetzt fängst du auch noch damit an.

Das BVerfG hat lediglich die Vergleichsgröße zur Bestimmung der Mindestbesoldung "fortentwickelt" (früher 15% über Grundsicherungsniveau, jetzt 80% des MÄE). Das ist alles! Nichts anderes steht in Leitsatz 7.


Jetzt schauen wir uns mal die Familienzuschläge des Bundes, des Landes Bayern und NRW.

Aha. Jetzt also Bayern und NRW. Du scheinst ja jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben zu wollen (wie geht es eigentlich deinem "Delta"?).


Es scheint so, als wenn das Modell von NRW oder Bayern bundesweiter Vorreiter sein könnte. Es gibt bisher keine Rechtsprechung, die diese Familienzuschläge als verfassungswidrig angesehen hätte. Ganz im Gegenteil soll das BVerfG diese Modelle aus NRW und Bayern im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gelobt haben.

- Wann und wo genau hat das BVerfG dieses Lob ausgesprochen?
- Von welcher "mündlichen Verhandlung" redest du?
- Passend dazu: Wann und wo hat das BVerfG etwas in Richtung Ortszuschläge angedeutet? (eine Behauptung, die du gestern aufgestellt hast)

Nochmals meine Bitte: Aussagen solchen Kalibers bitte mit Quellenangabe!


Ich halte das Szenario, dass NRW als Vorbild genommen wird, für alles andere als abwegig.

Wie bringst du die nordrhein-westfälischen Zuschläge mit Rn. 71 und Rn. 78 in Einklang (Stichwort "alle Beamte einer Besoldungsgruppe", "unterschiedslos")?


Es wird erstmal so kommen [...]

Nochmals der Hinweis: Deine persönliche Meinung (die darüber hinaus gewissen "Schwankungen" unterworfen zu sein scheint) ist nicht zwangsläufig eine Tatsachenbehauptung.


Auch erschließt sich mir nicht, wieso für Bundesbeamte das Medianeinkommen von Bayern gelten soll. Kannst Du das näher erläutern?

Das habe ich bereits mehrfach getan. Sowohl der Deutsche Richterbund als auch Swen haben in meiner Erinnerung bei ihren letztjährigen Berechnungen zum damaligen Mindestabstandsgebot Bayern als Referenz für uns Bundesbeamte herangezogen. Entsprechend habe ich das Gleiche getan. Sollte sich im Rahmen der neuen Vorabprüfung ein anderes (oder auch mehrere) MÄE als heranzuziehende Referenz herauskristalliseren, hätte ich keinerlei Problem damit.

BVerfGBeliever

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« Antwort #1906 am: 01.12.2025 05:18 »
Ich denke halt schon weiter in die Zukunft und über das offensichtliche hinweg.
Und betrachte die Konsequenzen die mit dem Urteil einhergehen, natürlich nicht streng juristisch, sondern eher mathematisch und pragmatisch.

Und ich betrachte die unterschiedliche Leitplanken, die das Gericht vorgegeben hat, halt nicht singulär, je nach Wunschkonzert, sondern als ganzes.

Nein, das tust du nicht. Im Gegenteil: Du schnappst irgendwelche Fetzen auf, verwurstelst sie zu irgendeinem hanebüchenen Quatsch und garnierst das Ganze zum Abschluss mit deinen persönlichen Wertvorstellungen..

emdy

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« Antwort #1907 am: 01.12.2025 05:39 »
Warum explodiert dieser Thread eigentlich (stark getrieben von offensichtlichen Neulingen im Thema) so? Mit dem neuen Beschluss stehen wir materiell ungefähr da, wo wir waren und umgesetzt wird, Land auf Land ab, natürlich eh nichts. Anstatt einen Euro auszugeben hält man lieber seine Fresse in die Bild und hetzt gegen Beamte. Ich finde es auch vollkommen falsch, dass die Gewerkschaften teilweise schreiben, alle Länder hätten, im Gegensatz zum Bund, den alten Beschluss umgesetzt. Nein haben sie nicht, sonst wäre ich vielleicht schon in einem dieser tollen Länder Landesbeamter.

Prüfer SH

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1908 am: 01.12.2025 06:19 »
@BVerfGBeliever

du schreibst:

Unter der Annahme, dass das BVerfG eine massive Erhöhung des Familienzuschlags von 18,3% auf 35% (im Verhältnis zur Grundbesoldung) akzeptieren würde, hätte die Bruttobesoldung des untersten Single-Beamten entsprechend bei rund 3.700 € liegen müssen.
- Und nochmal: Das ist die einzige "Mechanik", die für die Besoldung des untersten Single-Beamten im Rahmen der Vorabprüfung relevant ist!

Ich denke:

Erst mal muss doch bis zur 4K-Familie jeder in der Lage sein, in wirtschaftlich nicht prekären Verhältnissen zu leben. Stand bisher würde bedeuten, dass dies allein nur über die Grundbesoldung ermöglicht werden kann, denn der Single bekommt eben nur diese. Insofern benötigt es bis zur 4K-Familie doch (nach jetziger Methodik) gar keine Familienzuschläge. Vielleicht wird das auch noch einigermaßen "offen" gelassen, weil der DH ja theoretisch jedem Beamten "Zuschläge" gewähren könnte, egal, ob 1K, 2K, 3K oder 4K? Das wären dann möglicherweise solche, die im Sinne der Rn. 71 jedem Beamten unterschiedslos gewährt werden würden?

Grundsätzlich verstehe ich bisher nicht, warum hier bzgl. Zuschlägen immer so viel gerechnet wird, wenn doch die Bezugsgröße in Stein gemeißelt wurde (jedenfalls für die bisherige Rechtsprechung). 



clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1909 am: 01.12.2025 06:28 »
Prüfer SH, wegen Randnr. 92.

Dort steht aber auch, dass die Besoldungsgesetzgeber nicht mit den Zuschlägen übertreiben dürfen

BVerfGBeliever

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« Antwort #1910 am: 01.12.2025 06:35 »
@Prüfer, ich bin nicht ganz sicher, ob ich deine Frage richtig verstanden habe.

Bezugsgröße für die Bemessung der Mindestbesoldung ist, zumindest bis auf Weiteres, ausschließlich der alleinverdienende 4K-Beamte. Und du hast völlig Recht, der Gesetzgeber könnte - zumindest theoretisch - komplett auf den Familienzuschlag verzichten.

Um Kosten zu sparen, darf (und ggf. muss, und zwar aus Sparsamkeitsgründen) der Gesetzgeber jedoch einen begrenzten Teil der 4K-Gesamtbesoldung als Familienzuschlag gestalten. Sollte diese Grenze beispielsweise bei 35% (der Grundbesoldung) liegen, dann hätte wie erwähnt letztes Jahr ein 4K-Beamter einen Anspruch auf eine Gesamtbesoldung von ungefähr 5.000 € gehabt, während es bei einem Single-Beamten ungefähr 3.700 € gewesen wären (jeweils unter der Annahme des bayerischen MÄE). Möglicherweise hätte der Gesetzgeber diese Werte durch weitere Maßnahmen noch ein kleines Stück weiter nach unten drücken können (Stichwort PKV-Kosten, etc.).

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1911 am: 01.12.2025 07:18 »
Hab mal ein wenig gerechnet. (Für BaWü)

Der kleinste 4K Beamte, der niemals einen Stufenaufstieg oder eine Beförderung bekommen hat (außer es fallen unten Besoldungsgruppen weg), hat in BW von 2011 bis 2024 einen (für BW bereits von mir wohlmeinenden) Fehlbetrag von insgesamt 162.219,58 € netto. (ohne Zinsen)

Wäre ich dieser kleinste Beamte, stünden mir nach den erhobenen WS in entsprechenden Jahren 61.183,35 € netto zu. Mein Netto als 1K im Gleichsatz zu 4K erhöht das ganze geringfügig auf 70.490,33 €, da ich in diesen Zeiten durch mehrere Beförderungen der "Armut" durch "Leistung" selbst entflohen bin. (Und so dem Dienstherren durch mehr Buckeln auch noch Geld gespart habe)

Interessant ist folgendes (das gilt nur für meinen Karriereweg), und darauf stützt sich BW. Die horrenden Zuschläge hätten mich als 4K Familie ab 2023 tatsächlich über die Schwelle gehoben und ein Puffer von im Schnitt 2000€ über "normal null" (MÄE 80%) hergestellt. Was aber auch nur meiner "Leistung" geschuldet war. Denn der Muster 4K hängt aktuell immernoch mit -8000€ in der Grütze trotz Zuschlagsorgie.




GoodBye

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« Antwort #1912 am: 01.12.2025 07:19 »
Ich glaube, einige gehen davon aus, dass bei der Prüfung der Mindestbesoldung eine gesonderte Prüfung für Singles erfolgt. Auch der Single muss geltend machen, dass die Mindestbesoldung nicht für eine 4K-Familie reicht.

Wir werden sowieso schwerlich dorthin gelangen, dass es für den Single nicht reicht, siehe Believer.

Böswilliger Dienstherr

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« Antwort #1913 am: 01.12.2025 07:25 »
Ich glaube, einige gehen davon aus, dass bei der Prüfung der Mindestbesoldung eine gesonderte Prüfung für Singles erfolgt. Auch der Single muss geltend machen, dass die Mindestbesoldung nicht für eine 4K-Familie reicht.

Wir werden sowieso schwerlich dorthin gelangen, dass es für den Single nicht reicht, siehe Believer.

Alle meine Berechnungen gehen von der "fiktiven" "Eckbetrachtung" 80% MÄE 4K aus. Das ist der Maßstab für mich. Der Maßstab zur Prüfung ob eine Tabelle für den Arsch ist oder nicht. Ich beanspruche natürlich in Trump'scher Maximalforderungsmanier genau die Differenzbeträge von meinem Netto zum 80% MÄE 4K obwohl ich 1K bin. Der Gerechtigkeit halber. Als 1K habe ich zwischen 120 bis 130 % des MÄE 100% netto. Insofern ist da erstmal nix gerissen. Aber ich fange gerade erst an mit der Fortschreibung zu experimentieren und nachdem die -160K in BaWü im Raume stehen, die gesamte Tabelle in allen betrachteten Jahren massiv gerissen ist (gar "erschüttert", wie in Berlin), wird das für obere BesGrp wohl kaum besser sein.

BaWü selbst hat die Warnlichter aus Karlsruhe in Stuttgart auf der Uhlandshöhe sehr wohl gesehen und sofort die negativ Bescheidung von WS für 2024/2025 gestoppt.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1914 am: 01.12.2025 09:26 »
Die Beleidigung von Politikern ist nach § 188 StGB strafbar, wenn sie sich gegen eine Person des politischen Lebens richtet, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts geschieht und geeignet ist, die Person in ihrer öffentlichen Wirkung erheblich zu behindern.

Anstatt eines solchen Gesetzes hätten wir dringend ein Gesetz benötigt, welches vorsätzlichen Verfassungsbruch durch Politiker ahndet. Ein solcher vorsätzlicher Verfassungsbruch ist für mich absolut zu verachten. Gibt es denn gar kein Mittel gegen solche Politiker und hohe Beamte strafrechtlich vorzugehen? Ich hatte schon seit langem wenig Respekt vor Politikern und ihre Glaubwürdigkeit ist bekanntlich nicht höher als die eines Gebrauchtwagenverkäufers, aber irgendwo gibt es Grenzen, die ich nicht mehr akzeptieren will und kann.

simon1979

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1915 am: 01.12.2025 09:39 »
Die Beleidigung von Politikern ist nach § 188 StGB strafbar, wenn sie sich gegen eine Person des politischen Lebens richtet, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts geschieht und geeignet ist, die Person in ihrer öffentlichen Wirkung erheblich zu behindern.

Anstatt eines solchen Gesetzes hätten wir dringend ein Gesetz benötigt, welches vorsätzlichen Verfassungsbruch durch Politiker ahndet. Ein solcher vorsätzlicher Verfassungsbruch ist für mich absolut zu verachten. Gibt es denn gar kein Mittel gegen solche Politiker und hohe Beamte strafrechtlich vorzugehen? Ich hatte schon seit langem wenig Respekt vor Politikern und ihre Glaubwürdigkeit ist bekanntlich nicht höher als die eines Gebrauchtwagenverkäufers, aber irgendwo gibt es Grenzen, die ich nicht mehr akzeptieren will und kann.

Meiner Meinung nach sollten Personalräte und Gewerkschaftsvertreter bzw. die Gewerkschaften hier wesentlich mehr Druck auf die Besoldungsgesetzgeber ausüben.

Aber wenn ich mir den Herrn Nachtigall in Bayern anschaue, der selbst CSU Stadtratsmitglied in Nürnberg ist, dann frage ich mich schon, wie er die Interessen der bayerischen Beamten z.B. in Bayern vertreten soll und diese bei Verhandlungen mit dem Ministerpräsident bzw. Innenminister durchsetzen will.

Ich denke da gibt es auf Bundesebene auch so einige, die zwischen ihrer Tätigkeit bei einer Gewerkschaft und dem Parteibuch bzw. ihrer persönlichen Interessen in Zwiespalt geraten können.

Reisinger850

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« Antwort #1916 am: 01.12.2025 09:41 »
Gewerkschafter haben doch davon nichts.
Sie wären bei den folgenden TV-L Runden obsolet und selbst bei dieser Sache hier,
Sind es Gerichte statt Gewerkschafter, die die Besoldung regeln

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1917 am: 01.12.2025 09:46 »
Hier hat Focus online die Fortschreibungspflicht erklärt. Für mich war neu, dass auch das Abstandsgebot der Fortschreibungspflicht unterliegt. Hat schon jemand geprüft, ob das seit 1996 eingehalten wurde?:
https://www.focus.de/finanzen/news/nach-urteil-bundesweit-klagen-tausende-beamte-gegen-zu-niedrige-besoldung_03d0c343-013e-4f71-afa0-85cf9e8179ed.html
    Stufe 2: Die Fortschreibungsprüfung

Es reicht aber nicht, einfach einmal eine nach Stufe 1 angemessene Besoldung festzulegen. Sie muss dann – so steht es im Grundgesetz – auch fortgeschrieben werden, sich also wie alle Löhne im Land erhöhen. Um zu beurteilen, welche Erhöhungen angemessen sind, hat das Bundesverfassungsgericht vier Parameter festgelegt: Den Tariflohnindex, den Nominallohnindex, den Verbraucherpreisindex (also die Inflationsrate) und das Abstandsgebot. Weicht eine Besoldungserhöhung um mehr als fünf Prozent von der Entwicklung eines dieser vier Parameter ab, ist das ein Indiz für einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Richter schrieben dabei fest, dass ein Verstoß gegen zwei Parameter eine zu geringe Alimentation bedeutet, und ein Verstoß gegen einen einzigen Parameter tiefer geprüft werden müsse. Landesgerichte könnten dann entscheiden, dass ein solcher Verstoß durch außergewöhnliche Umstände berechtigt sein könnte.

Verdeutlichen wir auch das wieder an einem Rechenbeispiel: Sagen wir, ein Beamte bekommt monatlich ein Nettogehalt von 3000 Euro. Zum kommenden Jahr steigen die Tariflöhne in Deutschland um durchschnittlich 4,5 Prozent, alle Löhne um 3,5 Prozent und die Inflation um 2,5 Prozent. Nun müsste ein Bundesland seine Besoldung entsprechend anheben, darf aber nicht mehr als fünf Prozent unter einer dieser drei Parameter bleiben. Das bedeutet, dass die Beamtenbesoldung um mindestens 4,275 Prozent steigen müsste, und zwar in allen Gruppen gleichmäßig, weil sonst der Parameter des Abstandsgebotes verletzt werden könnte. Der Beispielbeamte würde also nächstes Jahr mindestens 128,25 Euro mehr erhalten.

Durgi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1918 am: 01.12.2025 10:17 »
Nur als Beispiel hier ein paar aktuelle Fragen, zu denen (fundierter!) Input mehr als willkommen wäre:
- Sind etwaige Ortszuschläge im Lichte der Rn. 71 und Rn. 78 weiterhin "möglich"?
- Welches oder welche MÄE ist/sind für uns Bundesbeamte relevant?
- Was ist mit der Alimentation ab dem dritten Kind?
- usw., usf.

Die Entscheidung laesst dem Gesetzgeber formal einen Spielraum, aber materiell ist er extrem eingeschraenkt. Wer die Randnummern ernst nimmt, kommt unweigerlich zu dem Punkt, dass viele der FlexInstrumente faktisch nicht mehr in der politisch gewuenschten Form einsetzbar sind.

Bei den Ortszuschlaegen scheint die Lage auf den ersten Blick offen :) das Gericht schliesst sie nicht aus, im Gegenteil, es erkennt regionale Unterschiede ausdruecklich an. Jedoch: Der verfassungsrechtliche Maßstab verlangt eine empirisch belastbare, wiederholbar verifizierbare und methodisch konsistente (dieses Dreiergespann bitte gut merken, kommt kuenftig oefter) Ableitung. Ein politisch motivierter Pauschalansatz ist damit praktisch tot. Der Aufwand, einen verfassungskonformen Zuschlag zu entwickeln, waere enorm, denn man muesste fuer jede Region nachweisen, dass der Zuschlag tatsaechlich den notwendigen Kaufkraftausgleich bewirkt (bei den Auslandsdienstbezuegen funzt das ohne Probleme). Genau das kollidiert mit dem politischen Wunsch, ein einfaches Steuerungsinstrument zu haben. Der Gesetzgeber darf also, aber nur wenn er es richtig macht.... und genau das will er koennte sein, dass er es aus Kostengrunden vermeiden will.

beim MÄE fuer Bundesbeamte ist die Lage noch deutlicher: Entscheidend ist der Mindestabstand zur Grundsicherung, kombiniert mit dem innerdienstlichen Abstandsgebot und dem eigenstaendigen familienbezogenen Mehrbedarf. Das Gericht laesst keine Vermischung dieser Elemente zu und unterbindet explizit die Praxis, den Mehrbedarf ueber pauschale Zuschlaege oder strukturelle Verschiebungen zu nivellieren. Die datengesteutzte Herleitung des Mindestabstands ist zwingend, und jede politische Konstruktion, die versucht, die vertikalen Abstaende innerhalb der Besoldungsordnung zu glaetten, wird scheitern. Der Bund steht damit vor dem Problem, dass sein bisheriges Besoldungsmodell aus politisch gesetzten Pauschalen besteht, waehrend das Gericht eine normative, sachliche und vor allem transparente Begruendung verlangt, die bislang nicht existiert(!).

Der Zuschlag ab dem dritten Kind ist ein besonders sensibler Punkt (seit ungefaehr.....drei Monaten). Das Gericht hat wiederholt klar gemacht, dass dieser Zuschlag nicht als „Bonus“ zu verstehen ist, sondern als zwingende verfassungsrechtliche Korrektur, die den realen Mehrbedarf abbilden muss. Die Hoehe, wie sie bisher gewaehlt wurde, ist evident unzureichend und laesst sich weder methodisch noch empirisch verteidigen. Jede Loesung, die den Mindestabstand nicht dauerhaft herstellt, wird erneut verfassungswidrig sein. Politisch bedeutet das hohe Folgekosten, juristisch ist die Richtung aber Eindeutig. Dass der Bund das Thema schiebt, liegt nicht an Interpretationsspielraeumen, sondern an der fiskalischen Sprengkraft einer echten Umsetzung. (vgl. meine Aussage "2026 selbst machen oder 2027 durch Karlsruhe gemacht werden")


Nachklapp/Edit
Was viele in der Debatte konsequent übersehen: Das BVerfG prüft ausschließlich den kleinsten 4K-Beamten, weil dessen Existenzminimum den absoluten Untergrenzwert definiert. Der Single ist keine Sonderkategorie und bekommt auch keine eigene Pruefmatrix. Sein Niveau ergibt sich zwingend aus der verfassungsrechtlichen Logik, nicht aus irgendwelchen konstruierten Nebenrechnungen. Wer weiterhin mit „Single-Vergleichen“ argumentiert, operiert an der Systematik vorbei. Die Normuntergrenze wird nicht zweimal bestimmt.

Gleiches beim Thema Fortschreibungspflicht.... Rn. 92 ist kein Dekoelement, sondern der Punkt, an dem sich entscheidet, ob ein Besoldungsgesetz Bestand hat. Jedes Abweichen von Tariflohnindex, Nominallohnindex, Verbraucherpreisindex oder innerdienstlichem Abstandsgebot >5 % ist formal ein verfassungsrechtlicher Warnschuss. Das Gericht hat die Leitplanken eng gesetzt ,nicht aus Versehen, sondern weil die Praxis der letzten 20 Jahre gezeigt hat, dass ohne harte Begrenzungen kein Gesetzgeber freiwillig zu einer verfassungskonformen Alimentationsstruktur zurueckkehrt.

Wenn jemand jetzt immer noch behauptet, „hat sich ja nichts geaendert“, dann ist das kein Rechtsstandpunkt sondern schlicht ein Lesedefizit.
« Last Edit: 01.12.2025 10:29 von Durgi »

uniprof

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1919 am: 01.12.2025 11:03 »
Hier hat Focus online die Fortschreibungspflicht erklärt. Für mich war neu, dass auch das Abstandsgebot der Fortschreibungspflicht unterliegt. Hat schon jemand geprüft, ob das seit 1996 eingehalten wurde?:
https://www.focus.de/finanzen/news/nach-urteil-bundesweit-klagen-tausende-beamte-gegen-zu-niedrige-besoldung_03d0c343-013e-4f71-afa0-85cf9e8179ed.html
    Stufe 2: Die Fortschreibungsprüfung

Es reicht aber nicht, einfach einmal eine nach Stufe 1 angemessene Besoldung festzulegen. Sie muss dann – so steht es im Grundgesetz – auch fortgeschrieben werden, sich also wie alle Löhne im Land erhöhen. Um zu beurteilen, welche Erhöhungen angemessen sind, hat das Bundesverfassungsgericht vier Parameter festgelegt: Den Tariflohnindex, den Nominallohnindex, den Verbraucherpreisindex (also die Inflationsrate) und das Abstandsgebot. Weicht eine Besoldungserhöhung um mehr als fünf Prozent von der Entwicklung eines dieser vier Parameter ab, ist das ein Indiz für einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Richter schrieben dabei fest, dass ein Verstoß gegen zwei Parameter eine zu geringe Alimentation bedeutet, und ein Verstoß gegen einen einzigen Parameter tiefer geprüft werden müsse. Landesgerichte könnten dann entscheiden, dass ein solcher Verstoß durch außergewöhnliche Umstände berechtigt sein könnte.

Verdeutlichen wir auch das wieder an einem Rechenbeispiel: Sagen wir, ein Beamte bekommt monatlich ein Nettogehalt von 3000 Euro. Zum kommenden Jahr steigen die Tariflöhne in Deutschland um durchschnittlich 4,5 Prozent, alle Löhne um 3,5 Prozent und die Inflation um 2,5 Prozent. Nun müsste ein Bundesland seine Besoldung entsprechend anheben, darf aber nicht mehr als fünf Prozent unter einer dieser drei Parameter bleiben. Das bedeutet, dass die Beamtenbesoldung um mindestens 4,275 Prozent steigen müsste, und zwar in allen Gruppen gleichmäßig, weil sonst der Parameter des Abstandsgebotes verletzt werden könnte. Der Beispielbeamte würde also nächstes Jahr mindestens 128,25 Euro mehr erhalten.

Ich denke, so streng ist das 5%-Kriterium nicht gemeint. Wenn etwa die Inflation um 4.5 Prozent steigt, die Besoldung aber konstant bleibt, dann würde das Kriterium nicht gerissen. Denn der Vergleichsindex wäre dann 104.5, und der (unveränderte) Besoldungsindex immer noch 100, und die Differenz 4.5 Prozent, also kleiner als 5 Prozent. Es wird doch immer auf Basis von 1996 verglichen, und erst wenn der Index im Jahr x vom Besoldungsindex im Jahr x, immer bezogen auf 1996, sich um 5% unterscheidet, ist das Kriterium auf rot.


Oder sehe ich das falsch?