Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 203022 times)

Hobbyjurist

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1920 am: 01.12.2025 11:14 »
Nein, du siehst das genau richtig: 4,5 von 104,5 ist weniger als 5 %. Den Unsinn, auf die nur 95%-ige Übernahme von Tariferhöhungen einen weiteren Abschlag um 5 Prozentpunkte (!) draufzusatteln, hatte ich schon hier angeprangert: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,127191.msg431323.html#msg431323

simon1979

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1921 am: 01.12.2025 11:59 »
Nur als Beispiel hier ein paar aktuelle Fragen, zu denen (fundierter!) Input mehr als willkommen wäre:
- Sind etwaige Ortszuschläge im Lichte der Rn. 71 und Rn. 78 weiterhin "möglich"?
- Welches oder welche MÄE ist/sind für uns Bundesbeamte relevant?
- Was ist mit der Alimentation ab dem dritten Kind?
- usw., usf.

Die Entscheidung laesst dem Gesetzgeber formal einen Spielraum, aber materiell ist er extrem eingeschraenkt. Wer die Randnummern ernst nimmt, kommt unweigerlich zu dem Punkt, dass viele der FlexInstrumente faktisch nicht mehr in der politisch gewuenschten Form einsetzbar sind.

Bei den Ortszuschlaegen scheint die Lage auf den ersten Blick offen :) das Gericht schliesst sie nicht aus, im Gegenteil, es erkennt regionale Unterschiede ausdruecklich an. Jedoch: Der verfassungsrechtliche Maßstab verlangt eine empirisch belastbare, wiederholbar verifizierbare und methodisch konsistente (dieses Dreiergespann bitte gut merken, kommt kuenftig oefter) Ableitung. Ein politisch motivierter Pauschalansatz ist damit praktisch tot. Der Aufwand, einen verfassungskonformen Zuschlag zu entwickeln, waere enorm, denn man muesste fuer jede Region nachweisen, dass der Zuschlag tatsaechlich den notwendigen Kaufkraftausgleich bewirkt (bei den Auslandsdienstbezuegen funzt das ohne Probleme). Genau das kollidiert mit dem politischen Wunsch, ein einfaches Steuerungsinstrument zu haben. Der Gesetzgeber darf also, aber nur wenn er es richtig macht.... und genau das will er koennte sein, dass er es aus Kostengrunden vermeiden will.

beim MÄE fuer Bundesbeamte ist die Lage noch deutlicher: Entscheidend ist der Mindestabstand zur Grundsicherung, kombiniert mit dem innerdienstlichen Abstandsgebot und dem eigenstaendigen familienbezogenen Mehrbedarf. Das Gericht laesst keine Vermischung dieser Elemente zu und unterbindet explizit die Praxis, den Mehrbedarf ueber pauschale Zuschlaege oder strukturelle Verschiebungen zu nivellieren. Die datengesteutzte Herleitung des Mindestabstands ist zwingend, und jede politische Konstruktion, die versucht, die vertikalen Abstaende innerhalb der Besoldungsordnung zu glaetten, wird scheitern. Der Bund steht damit vor dem Problem, dass sein bisheriges Besoldungsmodell aus politisch gesetzten Pauschalen besteht, waehrend das Gericht eine normative, sachliche und vor allem transparente Begruendung verlangt, die bislang nicht existiert(!).

Der Zuschlag ab dem dritten Kind ist ein besonders sensibler Punkt (seit ungefaehr.....drei Monaten). Das Gericht hat wiederholt klar gemacht, dass dieser Zuschlag nicht als „Bonus“ zu verstehen ist, sondern als zwingende verfassungsrechtliche Korrektur, die den realen Mehrbedarf abbilden muss. Die Hoehe, wie sie bisher gewaehlt wurde, ist evident unzureichend und laesst sich weder methodisch noch empirisch verteidigen. Jede Loesung, die den Mindestabstand nicht dauerhaft herstellt, wird erneut verfassungswidrig sein. Politisch bedeutet das hohe Folgekosten, juristisch ist die Richtung aber Eindeutig. Dass der Bund das Thema schiebt, liegt nicht an Interpretationsspielraeumen, sondern an der fiskalischen Sprengkraft einer echten Umsetzung. (vgl. meine Aussage "2026 selbst machen oder 2027 durch Karlsruhe gemacht werden")


Nachklapp/Edit
Was viele in der Debatte konsequent übersehen: Das BVerfG prüft ausschließlich den kleinsten 4K-Beamten, weil dessen Existenzminimum den absoluten Untergrenzwert definiert. Der Single ist keine Sonderkategorie und bekommt auch keine eigene Pruefmatrix. Sein Niveau ergibt sich zwingend aus der verfassungsrechtlichen Logik, nicht aus irgendwelchen konstruierten Nebenrechnungen. Wer weiterhin mit „Single-Vergleichen“ argumentiert, operiert an der Systematik vorbei. Die Normuntergrenze wird nicht zweimal bestimmt.

Gleiches beim Thema Fortschreibungspflicht.... Rn. 92 ist kein Dekoelement, sondern der Punkt, an dem sich entscheidet, ob ein Besoldungsgesetz Bestand hat. Jedes Abweichen von Tariflohnindex, Nominallohnindex, Verbraucherpreisindex oder innerdienstlichem Abstandsgebot >5 % ist formal ein verfassungsrechtlicher Warnschuss. Das Gericht hat die Leitplanken eng gesetzt ,nicht aus Versehen, sondern weil die Praxis der letzten 20 Jahre gezeigt hat, dass ohne harte Begrenzungen kein Gesetzgeber freiwillig zu einer verfassungskonformen Alimentationsstruktur zurueckkehrt.

Wenn jemand jetzt immer noch behauptet, „hat sich ja nichts geaendert“, dann ist das kein Rechtsstandpunkt sondern schlicht ein Lesedefizit.

Erstmal danke für deine ganzen detaillierten Ausführungen.

Was ich und wahrscheinlich noch ein paar andere nicht verstehen ist die Herangehensweise an die Kritik des Gerichts und ziehen dann den Vergleich beim niedrigsten Beamten, nehmen wir mal an A5, als Single und als Alleinverdiener in einer 4K Familie.

Einerseits verstehe ich es so, dass der 4K Beamte in A5 die Basis von Allem ist. Aber gibt es dann in Zukunft überhaupt noch einen Unterschied zwischen dem 1K Beamten in A5 und dem 2K, 3K oder 4K Beamten oder nicht.

Das will mir nach dutzenden von Beiträgen immer noch nicht in den Kopf.


Illunis

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1922 am: 01.12.2025 12:49 »
Ich denke, so streng ist das 5%-Kriterium nicht gemeint. Wenn etwa die Inflation um 4.5 Prozent steigt, die Besoldung aber konstant bleibt, dann würde das Kriterium nicht gerissen. Denn der Vergleichsindex wäre dann 104.5, und der (unveränderte) Besoldungsindex immer noch 100, und die Differenz 4.5 Prozent, also kleiner als 5 Prozent. Es wird doch immer auf Basis von 1996 verglichen, und erst wenn der Index im Jahr x vom Besoldungsindex im Jahr x, immer bezogen auf 1996, sich um 5% unterscheidet, ist das Kriterium auf rot.


Oder sehe ich das falsch?

Ich hoffe doch! Wenn es immer nur von Jahr zu Jahr wäre könnte Jahrzehnte lang sowohl der Lohnindex als auch die Inflation steigen ohne das eine Besoldungsanpassung notwendig wäre solang es unter 5% bleibt.

MentorGAF

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1923 am: 01.12.2025 13:05 »
Nein, wenn ich nächsten Jahr dann wieder 4,5% Inflation vorliegen steigt der Vergleichsindex von 104,5 auf 109,2 (104,5 +4,5%) und ist damit vom Besoldungsindex, der ja noch bei 100 steht über 5% entfernt. Dann müsste ein Anpassung vorgenommen werden.

Staatsdiener1969

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1924 am: 01.12.2025 13:20 »
Zum einen wird auch in den Leitsätzen Bezug zum Medianeinkommen genommen.

Es ist mir ein absolutes Rätsel, warum euch das MÄE alle so wuschig macht. In erster Linie natürlich MoinMoin, aber z.B. Nelson hatte sich ebenfalls schon gemeldet und jetzt fängst du auch noch damit an.

Das BVerfG hat lediglich die Vergleichsgröße zur Bestimmung der Mindestbesoldung "fortentwickelt" (früher 15% über Grundsicherungsniveau, jetzt 80% des MÄE). Das ist alles! Nichts anderes steht in Leitsatz 7.


Jetzt schauen wir uns mal die Familienzuschläge des Bundes, des Landes Bayern und NRW.

Aha. Jetzt also Bayern und NRW. Du scheinst ja jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben zu wollen (wie geht es eigentlich deinem "Delta"?).


Es scheint so, als wenn das Modell von NRW oder Bayern bundesweiter Vorreiter sein könnte. Es gibt bisher keine Rechtsprechung, die diese Familienzuschläge als verfassungswidrig angesehen hätte. Ganz im Gegenteil soll das BVerfG diese Modelle aus NRW und Bayern im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gelobt haben.

- Wann und wo genau hat das BVerfG dieses Lob ausgesprochen?
- Von welcher "mündlichen Verhandlung" redest du?
- Passend dazu: Wann und wo hat das BVerfG etwas in Richtung Ortszuschläge angedeutet? (eine Behauptung, die du gestern aufgestellt hast)

Nochmals meine Bitte: Aussagen solchen Kalibers bitte mit Quellenangabe!


Ich halte das Szenario, dass NRW als Vorbild genommen wird, für alles andere als abwegig.

Wie bringst du die nordrhein-westfälischen Zuschläge mit Rn. 71 und Rn. 78 in Einklang (Stichwort "alle Beamte einer Besoldungsgruppe", "unterschiedslos")?


Es wird erstmal so kommen [...]

Nochmals der Hinweis: Deine persönliche Meinung (die darüber hinaus gewissen "Schwankungen" unterworfen zu sein scheint) ist nicht zwangsläufig eine Tatsachenbehauptung.


Auch erschließt sich mir nicht, wieso für Bundesbeamte das Medianeinkommen von Bayern gelten soll. Kannst Du das näher erläutern?

Das habe ich bereits mehrfach getan. Sowohl der Deutsche Richterbund als auch Swen haben in meiner Erinnerung bei ihren letztjährigen Berechnungen zum damaligen Mindestabstandsgebot Bayern als Referenz für uns Bundesbeamte herangezogen. Entsprechend habe ich das Gleiche getan. Sollte sich im Rahmen der neuen Vorabprüfung ein anderes (oder auch mehrere) MÄE als heranzuziehende Referenz herauskristalliseren, hätte ich keinerlei Problem damit.

Ich hatte unterschiedslos so verstanden, dass sie jeder bekommen kann bzw. bekommt. Sprich wenn er heiratet bekommt er auch den Verheiratetenzuschlag oder eben den für Kinder. Während Zuschläge wie Wechselschicht oder Polizeizulage nicht jeder in der gleichen Besoldungsgruppe bekommen kann da es dies beim Finanzamt nicht gibt oder man nicht vollzugsdiensttauglich ist. Deshalb habe ich gedacht Polizeizulage zählt nicht aber Zuschläge für Verheiratete Kinder oder auch Wohnort kann jeder bekommen wenn er die Voraussetzungen erfüllt.

Hobbyjurist

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1925 am: 01.12.2025 13:22 »
Nein, wenn ich nächsten Jahr dann wieder 4,5% Inflation vorliegen steigt der Vergleichsindex von 104,5 auf 109,2 (104,5 +4,5%) und ist damit vom Besoldungsindex, der ja noch bei 100 steht über 5% entfernt. Dann müsste ein Anpassung vorgenommen werden.

Ganz genau. Nach 2 Tariferhöhungen um je 4,5 % (gesamt 9,2025 %) ist der Tariflohnindex auf 109,2025 gestiegen. Mathematisch vernünftig wäre, eine Besoldungserhöhung um 9,2025 % * 95 % = 8,742375 % zu fordern, jedoch würde dem BVerfG völlig unsinnig auch 3,742375 % genügen, also 5 Prozentpunkte weniger, da

(109,2025 - 103,742375) / 109,2025 * 100 = 5

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1926 am: 01.12.2025 14:17 »
@simon1979.

Für die Bemessung der Mindestbesoldung gilt der Herr/Frau Musterbeamter mit der Musterfamilie bestehend aus ihr/ihm selbst, Partner*in und zwei Kinder, eines u14, eines ü14. Her/ Frau Muestbeamter hat die niedrigste Besoldungsgruppe in der niedrigsten Stufe.

Bei der Fortschreibungsprüfung wird der Single in der jeweils höchste  Stufe genommen. Damit wird erreicht,  dass in der Fortschreibungsprüfung die Grundbesoldung maßgeblich ist

Streber22

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« Antwort #1927 am: 01.12.2025 14:26 »
Ist Stand jetzt eher davon auszugehen, dass im kommenden Jahr lediglich ein Gesetz kommt bzgl. der Übertragung aus den Tarifverhandlungen ohne aA?

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1928 am: 01.12.2025 15:03 »

Auch das fiktive Partnereinkommen ist Geschichte.


Eine steile These. Worauf stützt Du die? Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes steht das so jedenfalls nicht. Vielmehr heißt es dort (vgl. Rn. 115):
"Über die Verfassungsmäßigkeit dieser konzeptionellen Änderung (Abkehr vom Alleinverdienerprinzip) ist im vorliegenden Verfahren indes nicht zu entscheiden."


Maximus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #1929 am: 01.12.2025 15:11 »
Ist Stand jetzt eher davon auszugehen, dass im kommenden Jahr lediglich ein Gesetz kommt bzgl. der Übertragung aus den Tarifverhandlungen ohne aA?

Der Bund könnte ja auch Abschlagszahlungen hinsichtlich der aA zahlen (z.B. die bereits eingeplanten 1,2 Mrd) - das wäre zumindest mal ein positives Signal. Zumindest der Kinderzuschlag ab dem dritten Kind könnte vorab erhöht und später dann verrechnet werden.