Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 291541 times)

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2310 am: 06.12.2025 09:48 »
Moin,

mich verwirrt Swens Schreiben auch mehr als es mir bei der Interpretation geholfen haben. Er deutet versteckte Botschaften an, die sich erst nach langen und mehrmaligen langen Nachdenken enthüllen. Warum sollte das BVerfG so etwas tun? Wichtig ist m.E. dass halbwegs leicht beschaffbare Kennzahlen benutzt werden.


Ich weiß auch nicht, was das soll. Ist aber auch nicht wichtig, der Beschluss ist relativ klar. Swen kann prinzipiell seine bisherigen Erfahrungen und Kenntnisse in die Tonne kloppen und neu am Beschluss und der Fortschreibung orientieren. :)

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist durch diesen Beschluss die Alimentation vereinfacht worden, auch wenn dies hier nicht geglaubt wird. Es geht aber nicht um Glauben, sondern um Rechtswissenschaft.

So sieht es aus, zumindest bis zur Prüfung der Stufe 2. Und wenn man das ganze prozessual betrachtet, wird man allein aus anwaltlicher Vorsicht hierzu, egal wie die Vorabprüfung und die Prüfung auf Stufe 1 ausfällt, umfassend vortragen müssen.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2311 am: 06.12.2025 09:52 »
Es gibt nur einen plausiblen und dennoch offensichtlichen Grund dafür, dass dieser vermeintliche Widerspruch in den niedrigsten Besoldungsgruppen zwischen der Vorabprüfung und der Fortschreibung auftauchen.

Die traurige Wahrheit ist leider, dass alle Gruppen mit den Jahren annähernd mit den volkswirtschaftlichen Parametern in der Fortschreibungprüfung seit 1996 vergleichbar mitgewachsen sind (bis auf ein paar Ausreißer).

Der offensichtliche Grund, warum dennoch bei der Vorabprüfung heutzutage hohe Nachzahlungen errechnet werden ist:

AUCH 1996 haben die unteren Gruppen der A-Besoldung keine amtsangemessene Alimenatation erhalten. Die Bereiche des hören Dienstes lagen damals allerdings schon oberhalb der notwendigen Mindestbesoldung, weshalb es dort heutzutage bei vergleichbaren Wachstum mit den volkswirtschaftlichen Parametern, auch keine Probleme gibt.

…das heutige Problem war also schon immer da…

Also Team 1

Würde ich so nicht behaupten. Wenn alle eine lineare Steigerung durchlaufen, aber die Basis in der Vergangenheit nicht passt, ist doch klar was passiert: eigentlich hätten damals schon die unteren Gruppen mehr bekommen müssen und die oberen dementsprechend auch.

Wenn man die Basis bei der Vorabprüfung außer Acht lässt, zählt nur die heutige Mindestalimentation. Es erfolgt kein Blick in die Vergangenheit, um zu prüfen ob und falls ja, wann es das letzte Mal so war. Somit kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass die unteren Gruppen alle unteralimentiert sind (ohne zu hinterfragen wann sie es überhaupt mal waren)

Wenn die Basis nunmehr falsch ist, aber dennoch die Besoldung im hD 1996 oberhalb der Mindestalimentation lag und sich seitdem mit den volkswirtschaftlichen Parametern mitentwickelt hat, ist auch nachvollziehbar, warum keiner dieser Parameter gerissen wird. Am Ende steht nur ein „mittelbarer“ Verstoß gegen das Abstandsgebot, was laut Urteil alleine nicht ausreichend ist (was ich zutiefst befremdlich finde!!!)

Ich sehe mich nicht fest im Team 1 verankert, sondern hinterfrage gerne auch die Themen aus Team 2…

Auf dieser Sichtweise wie auch auf der von Dir vorhin geäußerten lässt sich systematisch aufbauen - Du bist eindeutig Team 2, ParagraphenReiter. Verfolg mal diesen Strang Deiner Gedankenführung weiter, dann sind schon einmal grundlegende Problematiken in den Blick genommen, die ich nicht mehr aus dem Blick verlieren würden, wenn man das Thema tatsächlich voranbringen will. Im Januar werden die sich hier zeigenden drei fünfzehnjährige Betrachtungszeiträume in den Blick genommen werden (die als solche heute obsolet sind, da es nun keine fünfzehnjährige Betrachtungsräume im bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenheft" mehr gibt, was allerdings nicht zu erahnen war, als der Beitrag geschrieben wurde): 1980 bis 1994, 1995 bis 2009, 2010 bis 2024 (Abb. 4 unter: https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2025/Schriftliche_Zusammenfassung_Teilnehmerunterlagen.pdf). Darüber dürfte dann ggf. zu diskutieren sein - und je früher das hier geschieht, desto ggf. besser für alle (schätze ich, ohne über eine Glaskugel zu verfügen).

@ Michael

Und auch das, was Du schreibst, ist ein guter Anfang, von dem aus man nun voranschreiten kann.



Soviel von mir, bevor ich hier nun in meinem Elfenbeinturm die Kerze für heute auspuste und für ein paar Tage das Forum wieder Forum sein lassen muss.

Es gilt, was ich vorhin geschrieben habe: Ihr habt hier so viel Sachverstand, dass ihr gemeinsam grundlegende Antworten auf grundlegende Probleme finden werdet. Der Anfang aller Erkenntnis ist regelmäßig die Verunsicherung. Ich hoffe, dass ich jene mit meinen beiden letzten Beiträgen habe auslösen können - falls nicht, nehm' ich's auf meine Kappe.

Ich hatte gerade beim Kaffeemachen so einen Gedanken: Wir haben ja keinen Index vom Medianäquivalenzeinkommen ab 1996. Wahrscheinlich ist dieser Index wesentlich höher als die anderen Indexe. Das könnte damit zusammenhängen, dass, soviel ich weiß, im Medianäquivalenzeinkommen eben andere Einkommensarten enthalten sind, wie z.B. Mieteinnahmen und Zinserträge, und diese eben schneller gestiegen sind, als andere Einkommen und die Inflation.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2312 am: 06.12.2025 10:17 »
Es gibt nur einen plausiblen und dennoch offensichtlichen Grund dafür, dass dieser vermeintliche Widerspruch in den niedrigsten Besoldungsgruppen zwischen der Vorabprüfung und der Fortschreibung auftauchen.

Die traurige Wahrheit ist leider, dass alle Gruppen mit den Jahren annähernd mit den volkswirtschaftlichen Parametern in der Fortschreibungprüfung seit 1996 vergleichbar mitgewachsen sind (bis auf ein paar Ausreißer).

Der offensichtliche Grund, warum dennoch bei der Vorabprüfung heutzutage hohe Nachzahlungen errechnet werden ist:

AUCH 1996 haben die unteren Gruppen der A-Besoldung keine amtsangemessene Alimenatation erhalten. Die Bereiche des hören Dienstes lagen damals allerdings schon oberhalb der notwendigen Mindestbesoldung, weshalb es dort heutzutage bei vergleichbaren Wachstum mit den volkswirtschaftlichen Parametern, auch keine Probleme gibt.

…das heutige Problem war also schon immer da…

Also Team 1

Würde ich so nicht behaupten. Wenn alle eine lineare Steigerung durchlaufen, aber die Basis in der Vergangenheit nicht passt, ist doch klar was passiert: eigentlich hätten damals schon die unteren Gruppen mehr bekommen müssen und die oberen dementsprechend auch.

Wenn man die Basis bei der Vorabprüfung außer Acht lässt, zählt nur die heutige Mindestalimentation. Es erfolgt kein Blick in die Vergangenheit, um zu prüfen ob und falls ja, wann es das letzte Mal so war. Somit kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass die unteren Gruppen alle unteralimentiert sind (ohne zu hinterfragen wann sie es überhaupt mal waren)

Wenn die Basis nunmehr falsch ist, aber dennoch die Besoldung im hD 1996 oberhalb der Mindestalimentation lag und sich seitdem mit den volkswirtschaftlichen Parametern mitentwickelt hat, ist auch nachvollziehbar, warum keiner dieser Parameter gerissen wird. Am Ende steht nur ein „mittelbarer“ Verstoß gegen das Abstandsgebot, was laut Urteil alleine nicht ausreichend ist (was ich zutiefst befremdlich finde!!!)

Ich sehe mich nicht fest im Team 1 verankert, sondern hinterfrage gerne auch die Themen aus Team 2…

Auf dieser Sichtweise wie auch auf der von Dir vorhin geäußerten lässt sich systematisch aufbauen - Du bist eindeutig Team 2, ParagraphenReiter. Verfolg mal diesen Strang Deiner Gedankenführung weiter, dann sind schon einmal grundlegende Problematiken in den Blick genommen, die ich nicht mehr aus dem Blick verlieren würden, wenn man das Thema tatsächlich voranbringen will. Im Januar werden die sich hier zeigenden drei fünfzehnjährige Betrachtungszeiträume in den Blick genommen werden (die als solche heute obsolet sind, da es nun keine fünfzehnjährige Betrachtungsräume im bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenheft" mehr gibt, was allerdings nicht zu erahnen war, als der Beitrag geschrieben wurde): 1980 bis 1994, 1995 bis 2009, 2010 bis 2024 (Abb. 4 unter: https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2025/Schriftliche_Zusammenfassung_Teilnehmerunterlagen.pdf). Darüber dürfte dann ggf. zu diskutieren sein - und je früher das hier geschieht, desto ggf. besser für alle (schätze ich, ohne über eine Glaskugel zu verfügen).

@ Michael

Und auch das, was Du schreibst, ist ein guter Anfang, von dem aus man nun voranschreiten kann.



Soviel von mir, bevor ich hier nun in meinem Elfenbeinturm die Kerze für heute auspuste und für ein paar Tage das Forum wieder Forum sein lassen muss.

Es gilt, was ich vorhin geschrieben habe: Ihr habt hier so viel Sachverstand, dass ihr gemeinsam grundlegende Antworten auf grundlegende Probleme finden werdet. Der Anfang aller Erkenntnis ist regelmäßig die Verunsicherung. Ich hoffe, dass ich jene mit meinen beiden letzten Beiträgen habe auslösen können - falls nicht, nehm' ich's auf meine Kappe.

Ich hatte gerade beim Kaffeemachen so einen Gedanken: Wir haben ja keinen Index vom Medianäquivalenzeinkommen ab 1996. Wahrscheinlich ist dieser Index wesentlich höher als die anderen Indexe. Das könnte damit zusammenhängen, dass, soviel ich weiß, im Medianäquivalenzeinkommen eben andere Einkommensarten enthalten sind, wie z.B. Mieteinnahmen und Zinserträge, und diese eben schneller gestiegen sind, als andere Einkommen und die Inflation.

Quelle Wikipedia:

Äquivalenzeinkommen
Netto in Deutschland
in Euro pro Jahr
Jahr   Median   Mittelwert   
1995   13.439   15.035   [5]
1996   14.523   16.060   [5]
1997   14.769   16.289   [5]
1998   14.393   15.918   [5]
1999   14.603   16.366   [5]
2000   15.339   17.167   [5]
2001   15.758   17.742   [5]
2003   16.500   18.492   [6]
2004   16.327   18.113   [7]
2005   15.617   17.227   [7]
2005   16.393   18.214   [8]
2006   15.663   17.283   [8]
2006   17.777   20.270   [9]
2007   17.777   20.270   [8]
2008   18.309   21.086   [8][10]
2009   18.586   21.223   [8][11]
2010   18.797   21.470   [8]
2011   19.043   21.549   [5]
2012   19.595   22.022   [5]
2013   19.582   22.471   [12]
2014   19.733   22.537   [12]
2015   20.668   23.499   [12]
2016   21.275   24.020   [3]
2017   21.920   24.780   [3]
2018   22.713   25.882   [3]
2019   23.514   26.105   [13]
2020   23.460   27.520   [14]
2021   24.946   29.106   [14]
2022   24.925   28.569   [14]
2023   26.274   30.308   [14]

https://tinyurl.com/yhupk27k

michaeltimmer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2313 am: 06.12.2025 10:20 »
Es gibt nur einen plausiblen und dennoch offensichtlichen Grund dafür, dass dieser vermeintliche Widerspruch in den niedrigsten Besoldungsgruppen zwischen der Vorabprüfung und der Fortschreibung auftauchen.

Die traurige Wahrheit ist leider, dass alle Gruppen mit den Jahren annähernd mit den volkswirtschaftlichen Parametern in der Fortschreibungprüfung seit 1996 vergleichbar mitgewachsen sind (bis auf ein paar Ausreißer).

Der offensichtliche Grund, warum dennoch bei der Vorabprüfung heutzutage hohe Nachzahlungen errechnet werden ist:

AUCH 1996 haben die unteren Gruppen der A-Besoldung keine amtsangemessene Alimenatation erhalten. Die Bereiche des hören Dienstes lagen damals allerdings schon oberhalb der notwendigen Mindestbesoldung, weshalb es dort heutzutage bei vergleichbaren Wachstum mit den volkswirtschaftlichen Parametern, auch keine Probleme gibt.

…das heutige Problem war also schon immer da…

Also Team 1

Würde ich so nicht behaupten. Wenn alle eine lineare Steigerung durchlaufen, aber die Basis in der Vergangenheit nicht passt, ist doch klar was passiert: eigentlich hätten damals schon die unteren Gruppen mehr bekommen müssen und die oberen dementsprechend auch.

Wenn man die Basis bei der Vorabprüfung außer Acht lässt, zählt nur die heutige Mindestalimentation. Es erfolgt kein Blick in die Vergangenheit, um zu prüfen ob und falls ja, wann es das letzte Mal so war. Somit kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass die unteren Gruppen alle unteralimentiert sind (ohne zu hinterfragen wann sie es überhaupt mal waren)

Wenn die Basis nunmehr falsch ist, aber dennoch die Besoldung im hD 1996 oberhalb der Mindestalimentation lag und sich seitdem mit den volkswirtschaftlichen Parametern mitentwickelt hat, ist auch nachvollziehbar, warum keiner dieser Parameter gerissen wird. Am Ende steht nur ein „mittelbarer“ Verstoß gegen das Abstandsgebot, was laut Urteil alleine nicht ausreichend ist (was ich zutiefst befremdlich finde!!!)

Ich sehe mich nicht fest im Team 1 verankert, sondern hinterfrage gerne auch die Themen aus Team 2…

Auf dieser Sichtweise wie auch auf der von Dir vorhin geäußerten lässt sich systematisch aufbauen - Du bist eindeutig Team 2, ParagraphenReiter. Verfolg mal diesen Strang Deiner Gedankenführung weiter, dann sind schon einmal grundlegende Problematiken in den Blick genommen, die ich nicht mehr aus dem Blick verlieren würden, wenn man das Thema tatsächlich voranbringen will. Im Januar werden die sich hier zeigenden drei fünfzehnjährige Betrachtungszeiträume in den Blick genommen werden (die als solche heute obsolet sind, da es nun keine fünfzehnjährige Betrachtungsräume im bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenheft" mehr gibt, was allerdings nicht zu erahnen war, als der Beitrag geschrieben wurde): 1980 bis 1994, 1995 bis 2009, 2010 bis 2024 (Abb. 4 unter: https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2025/Schriftliche_Zusammenfassung_Teilnehmerunterlagen.pdf). Darüber dürfte dann ggf. zu diskutieren sein - und je früher das hier geschieht, desto ggf. besser für alle (schätze ich, ohne über eine Glaskugel zu verfügen).

@ Michael

Und auch das, was Du schreibst, ist ein guter Anfang, von dem aus man nun voranschreiten kann.



Soviel von mir, bevor ich hier nun in meinem Elfenbeinturm die Kerze für heute auspuste und für ein paar Tage das Forum wieder Forum sein lassen muss.

Es gilt, was ich vorhin geschrieben habe: Ihr habt hier so viel Sachverstand, dass ihr gemeinsam grundlegende Antworten auf grundlegende Probleme finden werdet. Der Anfang aller Erkenntnis ist regelmäßig die Verunsicherung. Ich hoffe, dass ich jene mit meinen beiden letzten Beiträgen habe auslösen können - falls nicht, nehm' ich's auf meine Kappe.

Ich hatte gerade beim Kaffeemachen so einen Gedanken: Wir haben ja keinen Index vom Medianäquivalenzeinkommen ab 1996. Wahrscheinlich ist dieser Index wesentlich höher als die anderen Indexe. Das könnte damit zusammenhängen, dass, soviel ich weiß, im Medianäquivalenzeinkommen eben andere Einkommensarten enthalten sind, wie z.B. Mieteinnahmen und Zinserträge, und diese eben schneller gestiegen sind, als andere Einkommen und die Inflation.

Wenn das Medianäquivalenzeinkommen seit 1996 deutlich stärker gestiegen ist als die klassischen Parameter, dann ist die „Unauffälligkeit“ der Fortschreibungsprüfung kein Ergebnis, sondern einfach ein methodischer Blindflug.
Dann hätte das System seit fast 30 Jahren an der falschen Vergleichsgröße gemessen.
Die Vorabprüfung zeigt heute nur das, was die Parameterprüfung all die Jahre übersehen hat.
Falls das stimmt, stehen wir nicht vor einem Widerspruch. Es ist dann ein Rechenfehler mit historischer Dimension.


michaeltimmer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2314 am: 06.12.2025 10:33 »
@Swen

Verstehe ich es richtig oder habe ich ein Nagel im Kopf: Die gesamte deutsche Besoldungsentwicklung seit 1996 war falsch justiert. Und das BVerfG hat nun ungewollt (oder gewollt) das Licht darauf gerichtet.

cyrix42

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2315 am: 06.12.2025 10:40 »
1996 bekam der 4K-A4-Beamte (niedrigstes Amt, dass im BVerfG-Urteil aufgeführt wird) in Stufe 1 laut des Rechners dieser Seite auf Brutto-Bezüge in Höhe von 41687.96 DM bzw. 21314€. Darauf wären nach Rechner des BMF dann 2563€ Einkommensteuer bezahlt (tatsächlich wohl etwas weniger, da die KV nicht zum Abzug gebracht wurde); verblieben noch ca. 18750€. Kindergeld gab es jeweils 200 DM pro Kind und Monat, also 2454€ im gesamten Jahr für beide Kinder; in Summe also ca. 21.200 € Nettoeinkünfte abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung. Aber selbst dies wären weniger als 1,6 MÄE, sprich weit weniger als die 2,3*0,8=1,84...


Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2316 am: 06.12.2025 10:50 »
@Swen

Verstehe ich es richtig oder habe ich ein Nagel im Kopf: Die gesamte deutsche Besoldungsentwicklung seit 1996 war falsch justiert. Und das BVerfG hat nun ungewollt (oder gewollt) das Licht darauf gerichtet.

KI-TEXT (weil ich selbst dort schon recherchiert habe)

Ab Mitte der 1990er Jahre kam es zu mehreren Einschnitten, die man zusammengefasst als Bruch der bisherigen Besoldungssystematik bezeichnen kann. Zum 1. Januar 1996 wurde der Familienleistungsausgleich im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1996 neu geordnet. Das Kindergeld wurde steuerlich neu verankert und stärker mit Kinderfreibeträgen verzahnt, gleichzeitig wurden für den öffentlichen Dienst besondere Übergangsregelungen geschaffen, weil Familienzuschlag und Kindergeld bis dahin eng aufeinander abgestimmt waren. Damit begann der Staat, kindbezogene Leistungen teilweise aus dem klassischen Besoldungsrecht „herauszulösen“ und stärker ins allgemeine Steuer- und Sozialrecht zu verlagern, statt den Mehrbedarf für Kinder fast vollständig über Familienzuschlag/Ortszuschlag und ein ergänzendes Kindergeld innerhalb der Besoldungslogik zu regeln.

Parallel dazu endet 1996 die Zeitspanne, für die das Bundesverfassungsgericht später in seiner Entscheidung von 1999 (BVerfGE 99, 300) festgestellt hat, dass die Besoldung kinderreicher Beamter in den Jahren 1988 bis 1996 verfassungswidrig zu niedrig war.

Hinzu kommt das Dienstrechtsreformgesetz 1997, das zum 1. Juli 1997 in Kraft trat und das Beamtenrecht insgesamt modernisieren sollte. Es bereitete den Weg für Leistungsprämien und -zulagen und griff in die Struktur der Besoldungstabellen ein (Stufenlogik, Erfahrungsbezug usw.). Damit begann eine langsame Abkehr von einem rein status- und dienstaltersorientierten System hin zu stärker differenzierten, leistungs- und erfahrungsbezogenen Elementen. Zusammengenommen – der Systemwechsel beim Familienleistungsausgleich 1996, das BVerfG-Urteil mit Blick auf die alte Logik bis 1996 und die strukturellen Änderungen durch das Dienstrechtsreformgesetz 1997 – ergibt sich genau jene Bruchstelle 1996/1997, auf die du dich beziehst.

Mein Text:

Wenn also Karlsruhe 1996 als Startpunkt wählt sagt es meiner Ansicht nach folgendes:

- Alles mit Kinderkram bitte separat! Eher über Grundgehalt und Steuern verbessern/integrieren.
- Für Kinder gab es damals schon zu wenig! Muss also auch (anm. von mir: im Grundgehalt) berücksichtigt werden
- 1997 -> Anstatt Status und Dienstalter: Leistung und Erfahrung

Was haben wir aber im spätestens letzten Jahrzehnt gesehen?
Familie bildet Besoldung. Anstatt Amt, Leistung und Erfahrung bildet Besoldung. Vergoldete Kinder.

Meine bescheidenen Ansicht nach sieht Karlsruhe die Welt in Ordnung. Und wie hier bereits erwähnt wurde, werde ich mich, wenn ich die Zeit auch finde, gerne mal nach dem Prekariat in 1996 umschauen, falls ich die daten bekomme.

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2317 am: 06.12.2025 10:51 »
1996 bekam der 4K-A4-Beamte (niedrigstes Amt, dass im BVerfG-Urteil aufgeführt wird) in Stufe 1 laut des Rechners dieser Seite auf Brutto-Bezüge in Höhe von 41687.96 DM bzw. 21314€. Darauf wären nach Rechner des BMF dann 2563€ Einkommensteuer bezahlt (tatsächlich wohl etwas weniger, da die KV nicht zum Abzug gebracht wurde); verblieben noch ca. 18750€. Kindergeld gab es jeweils 200 DM pro Kind und Monat, also 2454€ im gesamten Jahr für beide Kinder; in Summe also ca. 21.200 € Nettoeinkünfte abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung. Aber selbst dies wären weniger als 1,6 MÄE, sprich weit weniger als die 2,3*0,8=1,84...

uuund da hat schon jemand überschlagen :D

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2318 am: 06.12.2025 10:59 »
Es wird ja demnächst ein Aufsatz erscheinen, der darlegt, dass die Abkopplung bereits früher stattgefunden hat. Für die Fortschreibungsprüfung hat das BVerfG zunächst aber mal 1996 als Startpunkt gesetzt.

Ich wäre dafür, dass wir uns mehr auf die Stufe 2 konzentrieren, da m.E. Vorabprüfung und Stufe 1 bereits „feststehen“, da sie vor allem zur Verfahrensvereinfachung beitragen sollen.

Böswilliger Dienstherr

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« Antwort #2319 am: 06.12.2025 11:07 »
Es wird ja demnächst ein Aufsatz erscheinen, der darlegt, dass die Abkopplung bereits früher stattgefunden hat. Für die Fortschreibungsprüfung hat das BVerfG zunächst aber mal 1996 als Startpunkt gesetzt.

Ich wäre dafür, dass wir uns mehr auf die Stufe 2 konzentrieren, da m.E. Vorabprüfung und Stufe 1 bereits „feststehen“, da sie vor allem zur Verfahrensvereinfachung beitragen sollen.

Die Fortschreibungsprüfung beschäftigt mich schon länger, da ich zumindest relativ spitz zielgenau die Beträge (für BaWü) treffen möchte. ich RE-Indexiere auch die Indizes deren unterschiedliche 100-Setzung in anderen Jahren haben. Es ist wirklich brutalst aufwändig zumal insbesondere in BaWü noch dazu kommt, dass mehrere Besoldungstabellen sich nicht nur in Jahren anteilig überschneiden sondern auch nach Besoldungsgruppen unterschiedliche Gülrigkeits- und Anpassungszeiträume haben. Es ist ein wahres Flickwerk, weil die Zulagen und FamZulagen EBENSO auch unterschiedliche Geltungs- und Anpassungszeiträume stellenweise aufweisen. Kein wunder Brauchen die alle so lange zum Rechnen. Ich hab nichtmal alle Daten zusammen, die teilweise händisch hier rein müssen. Die Prekaritätsschwelle habe ich auch Spitz für die untersten ausgerechnet, aber das war ein Kinderspiel gegen das was gerade vor mir liegt. Zumal ja ALLE Besoldungsgruppen in ALLEN Zeiträumen betrachtet werden sollen wenn ich eine Tabelle wie das BVerfG vorlegen will. (was nichtig passieren wird, weil ich die Daten von Fr. Färber nicht habe, hier also näherungsweise fingieren muss anstatt hinreichend bestimmen zu können.)

Alexander79

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« Antwort #2320 am: 06.12.2025 11:14 »
Über die Fortschreibungsprüfung bin ich im Gegensatz zu dir bereits hinaus. Wenn du dir ebenfalls Gedanken zur Stufe 2 machen möchtest, diskutiere ich gerne weiter mit dir. Falls du an den Punkt gelangen solltest, dir diese Nicklichkeiten zukünftig zu sparen.
Die Wertigkeit der Ämter, was du mit deinem A15 und hunderten Beschäftigen und X Millionen ansprichst setzt das BVerfG noch auf Stufe 1.

vgl

Zitat RN 82:"(1) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von den Tarifergebnissen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im betroffenen Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene (Tariflohnindex) von mindestens 5 % ist ein wichtiges Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (vgl. BVerfGE 155, 1 <19 Rn. 34>; erster Parameter). "

BVerfGBeliever

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« Antwort #2321 am: 06.12.2025 11:21 »
Ich glaube, man muss noch einmal betonen, dass als Ergebnis der 1. Stufe zunächst eine Vermutung besteht, die sowohl erhärtet als auch widerlegt werden kann. Das heißt, wir dürfen uns dann doch von den Zahlen der ersten drei Prüfparameter lösen, die uns eine Scheingewissheit vorgaukeln. Sie dienen nur der Vereinfachung des Prozesses, so auch ausdrücklich genannt.

Auch, wenn die eigene Besoldungsgruppe keine der Parameter reißt, steht stets der weitere Weg offen. Er ist dann nur beschwerlicher, da man erheblich vortragen muss als Kläger. Für mich sind die Rn. 95ff. eigentlich die Wichtigsten, da hier die wesentlichen Prinzipien angewandt werden müssen. Aufgrund des Spielraums des Gesetzgebers ist dies aber natürlich mit Unsicherheiten für beide Seiten verbunden. Hat denn wirklich jemand erwartet, dass es an diesem Punkt einfacher wird und genaue Vorgaben kommen?!

Es ist doch schon schön, dass wir überhaupt mal zu diesen Punkten kommen, ich nenne sie mal Amtsangemessenheit im eigentlichen Sinne.

Vielleicht muss dann mal vorgetragen werden, dass in der Gruppe A15 vorgesehen ist, dass man Ämter bekleidet, die die Personalführung von ein paarhundert Mitarbeitern oder Budgetverantwortlichkeit von ein paarhundert Millionen beinhalten und dafür 4500 netto nach Abzug PKV wohl ein bisschen wenig sind.

Du hast völlig Recht. So muss sich bekanntermaßen "in der Höhe der Besoldung die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln" (Rn. 99). Entsprechendes gilt für "die weiteren alimentationsrelevanten Kriterien der von einem Amtsinhaber geforderten Ausbildung und Beanspruchung sowie der Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte" (Rn. 100).
 
Zum Glück hat uns Durgi (der deutlich näher an den entscheidungsrelevanten Stellen sitzen dürfte als die allermeisten von uns!) ja schon mehrfach "Mut gemacht", unter anderem hier: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,126915.msg431556/topicseen.html#msg431556.
 
 
Und zu deiner obigen (von mir unterstrichenen) Frage: Ob ich es unbedingt erwartet habe, weiß ich nicht, aber zumindest gewünscht hätte ich mir durchaus ein paar eindeutigere Vorgaben, beispielsweise zu den folgenden beiden Punkten:

1.) den "Grenzen [des Familienzuschlags], die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend konkretisiert worden sind" (Rn. 92)
2.) den "Anforderungen an die gesetzgeberische Reaktion auf mittelbare Verstöße gegen das Abstandsgebot" (Rn. 93)

Aber zum Glück wird der aktuelle Beschluss ja auch nicht der letzte zu unserem Thema gewesen sein..

BVerfGBeliever

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« Antwort #2322 am: 06.12.2025 11:24 »
Moin,

mich verwirrt Swens Schreiben auch mehr als es mir bei der Interpretation geholfen haben. Er deutet versteckte Botschaften an, die sich erst nach langen und mehrmaligen langen Nachdenken enthüllen. Warum sollte das BVerfG so etwas tun? Wichtig ist m.E. dass halbwegs leicht beschaffbare Kennzahlen benutzt werden.

Warum das  BVerfG das Jahr 1996 als Basis genommen hat, ist leider nicht begründet. Es kann aber nicht sein, dass man die Besoldung zementiert, in dem man als Basisjahr unendlich zurück geht. Wie auch immer, das BVerfG hat das Jahr 1996 festgelegt und wir müssen damit leben egal, ob es passt oder nicht. Man kann auch über die gewählten Indizes streiten, ob diese v.a. für den hD passend sind, oder nicht, aber dieser Zug ebenfalls abgefahren.  Das BVerfG hat gesprochen. Das müssen wir akzeptieren.

Mich würde eine erkleckliche Nachzahlung für 9 Jahre Widerspruch freuen, aber ob diese eher 25 oder 25.000 Euro ausmacht darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Für die Zukunft rechne ich aber schon damit,  dass alle besser besoldet werde, auch Kinderlose.

Hallo clarion,

nochmals der kurze Hinweis: Ein Basisjahr 1979 würde eine signifikant andere (und für uns deutlich vorteilhaftere) Fortschreibungsprüfung implizieren. Das ergibt sich zwingend und unmittelbar aus der von Swen erwähnten Abbildung 4 (https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2025/Schriftliche_Zusammenfassung_Teilnehmerunterlagen.pdf). Natürlich unter der Annahme, dass unser "Herbergsvater" (kleiner Scherz am Rande) korrekt gerechnet hat, aber davon gehe ich selbstredend aus.

Und ja, du hast natürlich völlig Recht, im Urteil steht stattdessen "1996", wozu ich ja auch schon den Eiche/Wildsau-Spruch zitiert hatte.



JEDOCH: Möglicherweise (*) könnte man als Kläger hingehen und substantiiert vortragen, zu welchen Ergebnissen eine Fortschreibungsprüfung seit 1979 führen würde. Denn die Anforderung an den Gesetzgeber, "über die Jahre hinweg der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards hinreichend Rechnung zu tragen" (Leitsatz acht), dürfte ja mutmaßlich nicht erst seit dem Jahr 1996 Gültigkeit besitzen.
 
(*): Als Nicht-Jurist habe ich allerdings keine Ahnung, ob man sich damit eventuell höchstens der Lächerlichkeit preisgeben würde. Das müssen die "Profis" hier beantworten.. :)

Prüfer SH

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2323 am: 06.12.2025 11:36 »
Es wäre schon echt dramatisch, wenn die Methodik des BVerfG falsch oder zumindest ungeeignet wäre und sie damit nicht primär den Zweck erfüllt, für den sie bestimmt war. Wenn ich Swens Beiträge vorsichtig zu interpretieren versuche, habe ich das Gefühl, da könnte noch mehr im Argen liegen, ohne dass ich das an dieser Stelle näher begründen könnte. Vielleicht sollte man da noch mal genauer schauen...

Was könnten die Konsequenzen sein?

BeuteZoellner

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2324 am: 06.12.2025 11:41 »
https://www.dpolg-bundespolizei.de/aktuelles/news/keine-antragstellung-notwenig/

"Das BMI prüft derzeit, ob dieses Urteil Auswirkungen auf einen Entwurf zur Besoldungskorrektur hat, welcher sich noch in der Resortabstimmung zwischen BMI und Bundesfinanzministerium (BMF) befindet. Wir gehen davon aus, dass der Deutsche Beamtenbund in Kürze einen abgestimmten Referentenentwurf zugeleitet bekommt. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Verbändebeteiligung werden wir hierzu Stellung nehmen und entsprechend informieren."