AltStrG: Soweit der Eindruck entstanden sein sollte, ich wolle dich persönlich angreifen, bedaure ich das. Das war nicht meine Absicht, mir geht es eher um die Sache.
Ich hatte vermutet, dass du einen juristischen Hintergrund hast. Dennoch hat nicht nur Swen, sondern auch einige andere von uns, aus reinem Eigennutz die Urteile des zweiten Senats über Jahrzehnte gelesen, ausgewertet, eine Meinung gebildet um dann doch wieder festzustellen, dass der Dienstherr es anders liest, weil er es auch manchmal anders lesen durfte und konnte. In der Vergangenheit haben die Besoldungsgesetzgeber wiederholt und nachhaltig bewiesen, dass sie sich bei allen möglichen Lesarten stets für die kostengünstigste entschieden haben.
Ich finde ich es sehr gut, dass Du Dich in das sehr komplexe Thema einarbeiten möchtest und kann Deine Sicht auf die Dinge sehr gut nachvollziehen. Auch empfinde ich Deine Post als ernsthaften Versuch, uns zu helfen. Allerdings bin ich, und ich denke, da bin ich nicht alleine, aufgrund der bisherigen Erfahrung lediglich vorsichtig optimistisch und möchte mich für den Fall gedanklich wappnen, dass die Lesart in Bund und Ländern so ist, wie ich sie verstehe. Somit kann ein Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand oder Alleinkläger möglicherweise in seinem Bestreben, eine amtsangemessen Besoldung zu erstreiten, auf unsere Überlegungen zurück greifen wollen oder müssen. Insofern kann ein Forum mit dem hier über Jahre gewonnenen Schwarmwissen hilfreich sein.
Wir mussten in der Vergangenheit auf die harte Tour lernen, dass nicht alles, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sein könnte, nicht doch unsere Besoldungsgesetzgeber versuchen, zu umgehen oder es nicht zumindest in dem Wissen versuchen, dass eben nicht jeder Beamte fristgerecht Widerspruch gegen seine Besoldung einlegt und so doch Gelder eingespart werden können.
Dennoch möchte ich Dich bitten, mal über folgende Gedankenbrücke zu gehen:
Hat das BVerfG dem Land Berlin nicht vorgeworfen, gar keine ernsthaften Bemühungen gemacht zu haben, das Mehrverdienermodell oder Hinzuverdienermodell zumindest bis 2022 auch in einem sachgerechten Besoldungsgesetz unter Beachtung der Besonderheiten des Berufsbeamtentums umzusetzen sondern lediglich ein solches Modell alleine wegen der Haushaltskonsolidierung ins Leben gerufen?
Hat es dann nicht so verstanden gesagt, dass solange es keine anderen Anhaltspunkte gibt das BVerfG weiterhin davon ausgehen kann, dass die Besoldung so bemessen sein, dass der Beamte als Alleinverdiener mit seiner Familie mit 2 Kindern nicht prekär besoldet werden darf?
Warum hat es, wenn es schon auf die Mehrverdiener- oder Hinzuverdienerfamilie ausdrücklich hinweist, nicht die Möglichkeit des Orbiter Dictum genutzt?
Warum schreibt es in diesem und übrigens weitestgehend allen vorherigen Urteilen, dass das 4K Familienmodell lediglich die Bezugsgröße der Prüfung der amtsangemessenen Alimentation ist?
Wieso sollte das BVerfG das Recht (und die Pflicht) haben, den Gesetzgeber in seinem Gestaltungsspielraum derart einzuschränken, dass er nie wieder von dem 4K Modell abrücken darf und er so in seinem Recht und vielleicht auch seiner Pflicht, die Regelungen des Berufsbeamtentums zukünftig fortzuentwickeln, beschneiden?
Hier empfehle ich übrigens das Gutachten von Udo di Fabio, dass er zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Partnereinkommens für den DBB NRW verfasst hat:
https://www.inlibra.com/de/document/view/detail/uuid/8fcf36df-040a-364b-8abe-3cb0ff961cb1Dieses Gutachten ist nicht von vorneherein obsolet aufgrund der neueren Rechtsprechung. Aus meiner Sicht ist vor allem das interessant, was Udo di Fabio (als ehemaliger Richter des BVerfG, der dürfte ja dann im Gegensatz zu Swen Volljurist sein) auf Seite 25 geschrieben hat:
„Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300<315 f.>).
Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>).
Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
Die Motivation für diese Rechtsprechung ist vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzenden des Zweiten Senats, der an der Rechtsprechung beteiligt war, dahingehend beschrieben worden,
dass das Alimentationsprinzip gestärkt und gegen Ansprüche zur Haushaltskonsolidierung abgeschirmt werden sollte.
Solange also die Reform offen oder versteckt alleine der Haushaltskonsolidierung dient, hat das BVerfG dem in aller Deutlichkeit mit dem hier diskutierten Urteil den Riegel vorgeschoben. Eine Betrachtung, die das Partnereinkommen als gestorben ansieht, ist aufgrund des Urteils nachvollziehbar, allerdings weder offensichtlich noch zwingend, weil es eben an dem Orbiter Dictum fehlt und in der Randnummer, in der das BVerfG dazu was hätte sagen können, es doch eben offen gelassen hat.
Allerdings wird dieses Partnereinkommen in einigen (Muster-)verfahren in den Ländern zur Sprache kommen, eben weil es im Land Berlin und anderswo seit 2022 bittere Realität ist, und da kann jede Argumentation helfen, die das Partnereinkommen als verfassungswidrig betrachtet.
Wenn Du dazu Ideen hast, immer her damit. Aus pragmatischer Sicht zu glauben, die Besoldungsgesetzgeber würden jetzt aber bei allen Verfahren seit 2022 die weiße Fahne hissen oder das die Gerichte automatisch alleine aufgrund des Urteils alle Verfahren zugunsten der Kläger durchwinken, dürfe aus meiner Sicht und Erfahrung realitätsfern sein. Politiker denken und ticken hin und wieder anders, als man es von dem vernünftigen Kaufman erwarten dürfte. Und wenn es denn dann doch so kommt, wie Juristen wie Du es vorhersehen konnten, dann wirkt die Politik immer maximal betrübt und überrascht (das Video wurde ja bereits verlinkt)
Daher kann eine rechtswissenschaftliche Herleitung, gerne auch aus dem Urteil, sicherlich helfen, die die Rechtsmeinung, das Partnereinkommen sei gestorben, die ich im Übrigen aus anderen Gründen weitestgehend teile, in eine gerichtsverwertbare Stellungnahme gießt, in den laufenden Klageverfahren mehr als helfen. Wenn Du Dich dazu in der Lage siehst, und das auch pro bono machen würdest, wird Dir der ewige Dank des Forums sicher sein.
Auf nicht mehr, aber auch nicht weniger, wollen Dich einige Foristen und auch ich hinweisen.