[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

Begonnen von SwenTanortsch, 28.07.2020 14:39

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Ryan

Volle Zustimmung.
Das ergibt sich ja schon allein daraus, dass das vom BVerfG angesprochene Problem (Korruptionsgefahr etc.) dadurch nicht geheilt werden kann. Vielmehr verbirgt sich dahinter nur die Behauptung, dass das Problem tatsächlich nicht existiert (= Stinkefinger in Richtung Karlsruhe).

Ozymandias

Wenn man das fiktive Partnereinkommen abzieht, dann landet man jedenfalls unterhalb der Grundsicherung.
Dafür rennt man dann den ganzen Tag durch die Gegend.
Muss man halt einem Gericht vorrechnen und hoffen, dass es kurzen Prozess macht.

BVerfGBeliever

Völlig richtig. Die tatsächliche Nettoalimentation (also ohne irgendwelche virtuelle "heiße Luft") des kleinsten bayerischen 4K-Beamten lag letztes Jahr bei gerade einmal 38.017 €.

Also nicht mal annähernd dort, wo sie eigentlich hätte sein müssen (völlig egal, ob man die alte 115%-Grundsicherungs- oder die neue 184%-MÄE-Schwelle als Maßstab nimmt).

BVerfGBeliever

P.S. Und den genannten Wert gab es natürlich nur in der Ortsklasse VII. Woanders war es entsprechend sogar noch weniger..

Goldene Vier

Neue Presse Hannover.
Müssen die rund 142.000 Beamten des Landes um ihre Sonderzahlung für 2025 bangen? Oder muss das Land am Ende gar mehr berappen, als die geplanten 500 bis 800 Euro pro Person. Fakt ist: Der in dieser Woche vom Kabinett vorgelegte Gesetzentwurf kann so nicht im Landtag beschlossen werden, weil er nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht.
Der Gesetzentwurf von Finanzminister Gerald Heere (Grüne) sah vor, dass aktive Beamte und Richter die Sonderzahlung erhalten. Beamte in den Besoldungsgruppen A5 bis A8 einmalig 800 Euro, die übrigen Besoldungsgruppen, also auch Spitzenverdiener, 500 Euro. Beamtenvertreter hatten ein deutlich höheres Grundgehalt gefordert und sich dabei auf ein aktuelles Gerichtsurteil berufen. Sie dürften sich jetzt bestätigt sehen.

Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass die Besoldung der Berliner Landesbeamten im Zeitraum 2008 bis 2020 überwiegend verfassungswidrig war. Die Entscheidung enthält neue Maßstäbe zur Prüfung von Mindestbesoldung und fortlaufender Anpassung an wirtschaftliche Verhältnisse.

Das Urteil wurde bereits Mitte November veröffentlicht. Laut Finanzministerium konnte es wegen der laufenden Verbandsbeteiligung nicht berücksichtigt werden. ,,Deshalb wird eine Auseinandersetzung mit möglichen Auswirkungen auf das laufende Gesetzgebungsverfahren voraussichtlich im parlamentarischen Verfahren erfolgen", sagte Ministeriumssprecher Johannes Pepping. Das Finanzministerium berechne die möglichen Auswirkungen.

Die Opposition sieht allerdings die Landesregierung in der Verantwortung und nicht die Fraktionen. ,,Wir sind irritiert darüber, dass ein Gesetzentwurf, der gerade erst das Kabinett verlassen hat, jetzt schon wieder korrigiert werden muss", sagte der CDU-Finanzpolitiker Ulf Thiele. Ausgerechnet bei der Bezahlung der Landesbediensteten, die ohnehin gerade verfassungsrechtlich angegriffen werde, stärke das nicht das Vertrauen in die Arbeit des Finanzministers.

Gewerkschaften beklagen, dass die Besoldung in Niedersachsen weiterhin nicht angemessen sei und fordern ein 13. Monatsgehalt. Solange der garantierte Abstand zwischen Grundsicherung und Besoldung sowie Abstände zwischen den Besoldungsstufen ,,nicht zu 100 Prozent eingehalten werden, besteht akuter Handlungsbedarf", sagte der Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, Kevin Komolka.

Dogmatikus

Jetzt schmeißt der nächste Gewerkschafter ein 13. Monatsgehalt in den Ring... Können die nicht einfach mal ruhig sein und richtig rechnen sowie die wirklich wichtigen Punkte angehen? Was bringt ein 13. Monatsgehalt, wenn man damit immer noch weit weg ist von der Mindestbesoldung? So ein Käse.

Wie BVErfGBeliever korrekt sagt: Die Musik spielt beim Partnereinkommen. Ob monatlich am Ende 1.200€ oder 1.300€ netto/Monat mehr gezahlt werden müssen, ist doch fast nur noch eine Detailfrage vor dem Hintergrund, dass die Länder weiterhin mit aller Macht versuchen werden, exakt 0,00 € mehr zu zahlen, weil der Partner / der Hund / der imaginäre Jugendfreund ja angeblich auch was zum Einkommen beiträgt.

Als Jurist stellen sich mir daher seit langem alle Nackenhaare auf, wenn ich über die Besoldung nachdenke. Ich habe den aktuellen Beschluss jetzt mehrfach in verschiedenen Gemütszuständen gelesen, damit ich mir sicher bin, die Kernaussagen weitgehend verstanden zu haben. Und ich komme auch nach dem aktuellen Beschluss zu kaum anderen Zahlen als vorher

Für mich ist weiterhin sowie nunmehr weiter ergänzt klar:

  • Die Mindestbesoldung liegt in allen Ländern irgendwo rund um die 50k € netto / Jahr.
  • Die Abstände zwischen den Gruppen müssen bestehen bleiben.
  • Es ist eine Fortschreibungspflicht durchzuführen.
  • Bei den Besoldungsordnungen R und W sind zusätzlich die Gehaltsentwicklungen vergleichbarer Berufsgruppen (bspw. Anwälte in Kanzleien, die ebenfalls um die Bestenauslese kämpfen) zu betrachten.
  • Zuschläge wie Familienzuschläge sind erlaubt, dürfen aber nur genau das sein: Zuschläge.

Das BVerfG muss aber noch in aller Deutlichkeit und hoffentlich sehr sehr schnell klarstellen,

  • welchen Anteil die Zuschläge ausmachen können, und
  • dass das unsägliche Partnereinkommen nichts anderes ist als ein plumper Versuch, einfach jegliche Vorgaben der Verfassung und des BVerfG zu ignorieren, indem man einfach beliebige Zahlen aus der Luft greift, die dann zum Erreichen der amtsangemessenen Alimentation ausreichen.

Gerade das letztere Verhalten könnte man nach der Logik des Gesetzgebers auf die Spitze treiben und direkt sagen, dass eigentlich jeder Beamte einen Partner hat, der super verdient, nämlich ca. 50k € / Jahr, sodass man den Beamten eigentlich gar nichts mehr zahlen muss. Ginge das wenigstens als Stärkung des Ehrenamts durch?

Interessant finde ich auch, dass ich vor einigen Monaten hier geschrieben habe, dass die Berechnungsmethode ja nicht in Stein gemeißelt ist und man nicht zwingend von der 115%-Grenze ausgehen muss. Ich habe damals als mögliche Alternative sogar ausdrücklich das Median-Einkommen als Orientierung vorgeschlagen und wurde von einigen hier dafür durch den Kakao gezogen. Ein paar Monate später ist nun genau diese Orientierung der neue Maßstab... Ich will da aber gar nichts groß draus ableiten, außer: So ganz falsch scheinen meine bisherigen Überlegungen nicht gewesen zu sein.

Ich bin ja noch in meinen 30ern. Vielleicht lebe ich also noch, wenn endlich das erste Mal amtsangemessen alimentiert wird...

Quasselstrippe

Zitat von: Dogmatikus am 20.12.2025 01:28

Ich bin ja noch in meinen 30ern. Vielleicht lebe ich also noch, wenn endlich das erste Mal amtsangemessen alimentiert wird...

ich würde ja dagegen wetten... aber wenn Du in 50 Jahren unteralimentiert stirbst, bin ich A selbst schon lange unteralimentiert gestorben und B, von wem sollte ich dann den Wettgewinn einstreichen :-)
da kann man nur verlieren, wenn man Recht hat...


Paterlexx

Ich würde ein 13tes und ein 14tes Monats Gehalt nehmen und für den steuerlichen Ausgleich das 15te. Dann würde die aA auch passen. Hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist.

P33t

Zitat von: Paterlexx am 20.12.2025 21:02Ich würde ein 13tes und ein 14tes Monats Gehalt nehmen und für den steuerlichen Ausgleich das 15te. Dann würde die aA auch passen. Hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist.

Anders lässt sich, bei den aktuellen Gehältern, auch nicht die aA erreichen. Entweder massiv rauf in den 12 Monaten oder ein 13., 14. und 15. ;D

cyrix42

Zitat von: Dogmatikus am 20.12.2025 01:28Wie BVErfGBeliever korrekt sagt: Die Musik spielt beim Partnereinkommen. Ob monatlich am Ende 1.200€ oder 1.300€ netto/Monat mehr gezahlt werden müssen, ist doch fast nur noch eine Detailfrage vor dem Hintergrund, dass die Länder weiterhin mit aller Macht versuchen werden, exakt 0,00 € mehr zu zahlen, weil der Partner / der Hund / der imaginäre Jugendfreund ja angeblich auch was zum Einkommen beiträgt.

Natürlich ist das reine Polemik; ich will den Punkt aber trotzdem richtig stellen: Es geht den Ländern mit der Berücksichtigung des Partnereinkommens ja offensichtlich nicht um die Besoldung des Beamten selbst, sondern um die die Frage, in welchem Umfang weitere Familienmitglieder zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beitragen und wie viel also vom Dienstherrn diese über die Besoldung, die der Beamte qua Amt für sich beanspruchen muss, hinaus zu alimentieren sind. Der Hund oder imaginäre Jugendfreund sind auch bisher nicht zu alimentieren, sodass deren Einkommen offensichtlich irrelevant wäre. Wenn aber ein Ehegatte mitfinanziert werden muss, dann wird hier schon berechtigt die Frage gestellt, warum dieser alimentiert werden muss, wenn er sich durch eigene Erwerbstätigkeit auch selbst finanzieren kann. Wenn der Gesetzgeber von einer Mehrverdiener-Ehe ausgehen kann (und damit ein fiktives Partnereinkommen ansetzen darf), dann wäre es töricht und unwirtschaftlich — also vor allen Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen — dies nicht zu tun: Warum sollten nicht notwendige Ausgaben getätigt werden, ohne, dass es einen politischen Willen, hier Beamte überzuversorgen, dazu gibt?

Natürlich steht und fällt diese Argumentationslinie mit der Frage, ob ein Wechsel zu einem Mehrverdiener-Modell juristisch abgedeckt und möglich ist. Die Meinung im Forum ist da ja weitgehend einhellig, dass dem nicht so sei. Das BVerfG hat sich dazu jedenfalls explizit noch nicht geäußert. Man mag sich dies aus dem Urteil irgendwie zusammenreimen, aber faktisch und glasklar ausgeschlossen ist es derzeit jedenfalls nicht.

Entsprechend ist es mehr als nur nachvollziehbar, wenn die verschiedenen Besoldungsgesetzgeber jetzt diesen Weg gehen — bis sie durch die nächste Leitplanke des BVerfGs weiter in ihrer Gesetzesausgestaltung eingeschränkt werden. Bis dahin sind sie aber quasi auch gezwungen, den kosteneffizientesten Weg zu gehen.