Im Ergebnis sieht Di Fabio auch "ein Strukturproblem mit der - vom Bund bestimmten - mittlerweile erheblichen Höhe der sozialrechtlichen Grundsicherung".
Ich denke deshalb, die neue Regierung wird versuchen die Grundsicherung abzusenken. Das wäre für den neuen FMin eine Win-Win-Situation, Einsparungen bei der Grundsicherung und bei der Beamtenbesoldung. Mir ist bewusst, dass die Grundsicherung durch das Existenzminimum begrenzt ist. Trotzdem bin bei diesem Punkt froh, dass die SPD sehr wahrscheinlich Teil der Regierung wird.
Wenn man das gesamte Zitat in seinem Kontext betrachtet, sagt Udo Di Fabio nicht, dass die erhebliche Höhe der sozialrechtlichen Grundsicherung ein Problem sei, sondern nur, dass durch die mittelbare Bindung der Mindestalimentation an das Grundsicherungsniveau - die Mindestalimentation stellt sich als um 15 vom Hundert erhöhtes Grundsicherungsniveau dar; darin liegt der mittelbare Bezug - für die Besoldungsgesetzgeber ein strukturelles Problem entstehen würde, eben weil das Mindestabstandsgebot ausnahmslos Geltung beansprucht, sodass es von ihnen nicht unterlaufen werden kann. Entsprechend folgert er sowohl in der einleitenden Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse als auch am Ende des Rechtsgutachtens (S. 8 und 65): "Aufgrund des Abstandsgebots und des steigenden Gehaltsniveaus wird ein Volumeneffekt für die Haushalte der Länder bewirkt. Dieser Effekt verlangt aus haushälterischer Sicht nach einer Dämpfung der fiskalischen Folgen einer amtsangemessenen Alimentation." Dass diese "Dämpfung" nicht allein aus fiskalischen Gründen erfolgen kann, ist nicht erst in der vorhin von mir genannten Entscheidung so vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dort aber in der heute weitgehend regelmäßigen Form formuliert worden (vgl. dort die Rn. 58). So schließt sich der Kreis. Denn an jener Entscheidung war Udo Di Fabio maßgeblich beteiligt.
Darüber hinaus kann das Grundsicherungsniveau nicht so stark abgesenkt werden, als dass damit das Strukturproblem für die Besoldungsgesetzgeber gelöst werden könnte, wie sich als Extrembeispiel am Fall Bayern zeigen lässt: In dem Moment, wo sich ein Doppel- oder Hinzuverdienermodell nicht so rechtfertigen lassen wird, dass damit Bruttoeinsparungen von mehr 20.000,- € jährlich eingespart werden können, müsste das entsprechende Grundsicherungsniveau in Bayern um über 12.700,- € sinken, um keine höhere Besoldung als heute gewähren zu müssen, wenn man allein das Mindestabstandsgebot als Maßstab heranziehen wollte (was methodisch nicht ginge; aber das ist nun zunächst einmal ein Problem der Verfassungsrechtsprechung). Eine solche Absenkung ist aber ausgeschlossen. Selbst, wenn es also gelingen sollte, das Grundsicherungsniveau insgesamt leicht abszusenken - mir ist allerdings weiterhin nicht klar, an welcher Stelle das geschehen sollte, um weiterhin realitätsgerecht zu bleiben -, bleibt das beschriebene Strukturproblem bestehen, womit wir bei der regelmäßigen Erkenntnis sind, die unser Thema bietet: In Deutschland ist nicht das Grundsicherungsniveau zu hoch, sondern ist die Besoldung in allen Rechtskreisen im erheblichen Maße zu niedrig.
Dieser zu niedrige Gehalt der Gehälter von Bediensteten dürfte darüber hinaus mindestens bis zu einem gewissen Grad zu der Frage hinführen, ob sich das Lohnniveau in Deutschland nicht ebenfalls zumindest in Teilen in einer gewissen Schieflage befindet. Die Zahlen, die ich gestern hinsichtlich des Wohngeld-Plus dargestellt haben, dürften zu einem nicht geringen Teil nur deshalb so hoch sein, weil die Entlohnung nicht geringer Teile der Bevölkerung zu gering ist, worauf auch emdy gerade berechtigt hinweist. Insofern kann man wiederkehrend gerne plaktieren, dass sich Leistung wieder lohnen müsse. Solange man nicht mit dafür sorgt, dass dem so wieder komme, bleibt es das, was es ist wiederkehrend ist und war: so plakatiert wie plakativ.
Wer den Sozialetat entlasten möchte, sollte als Politik mit dafür sorgen, dass sich Arbeit wieder lohnt. Der Erfolg oder Misserfolg der sich abzeichnenden neuen Regierung wird sich zu einem nicht geringen Teil auch an dieser Frage messen lassen müssen. Wenn es ihr nicht gelingt, mit Sorge dafür zu tragen, dass die in den letzten Jahren stark gestiegenen Lebenshaltungskosten von der Bevölkerung so geschultert werden können, dass sich das in einer größeren Zufriedenheit mit der regierenden Politik niederschlägt, wird diese über kurz oder lang ganz ähnliche Probleme erfahren wie die letzte. Gute Worte ersetzen keine zu hinreichenden Ergebnissen führende Politik. Das hat das Scheitern der Ampelregierung unlängst eindrücklich bewiesen.