@ Bundi
Ich bin wie Du skeptisch, dass die anstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sachlich zu irgendeiner sich ändernden
Sichtweise bei den 17 Dienstherrn führen wird. Insbesonder die Nordländer werden nun, da sich auch Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern anschicken, die sachlich nicht zu rechtfertigenden hohen familienbezogenen Besoldungskomponenten durch ein Doppelverdienermodell rechtfertigen zu wollen, die auch in einem solchen Modell sachlich nicht zu rechtfertigen sind, in offensichtlicher Absprache eine im Detail unterschiedliche, jedoch von der Rechtfertigungsstruktur ähnliche Besoldungssystematik aufweisen, was dazu führen muss, dass sich diese Struktur verfestigt. Denn ein einzelnes Ausscheren aus der gerade erst verabschiedeten bzw. zu verabschiedenden neuen Struktur wird von den anderen Ländern nicht goutiert werden.
Auf der anderen Seite lässt - wie hier schon mehrfach sachlich begründet - die aktuelle und seitdem auf Grundlage weiterer Entscheidungen erwartbare Verschärfung der anstehenden Entscheidungen begründet vermuten, dass Karlsruhe das Druckpotenzial insbesondere auf Niedersachsen recht deutlich erhöhen wird. Neben Niedersachsen dürften mindestens Sachsen und Berlin damit rechnen dürfen, dass sie mit der übernächsten Entscheidung von einer Vollstreckunganordnung für einzelne Jahre belangt werden könnten. Die geringen Verbesserungen, die Berlin plant, reichten dabei nicht aus, um über eine sachlich unbedeutende Symbolpolitik hinauszukommen. Sachsen, das seit 2015 bereits zweimal freundlich von Karlsruhe betrachtet worden ist, macht darüber hinaus nicht einmal eine symbolische Anstrengung, was es ggf. ganz nach vorn in der Reihe derer bringt, die sich Karlsruhe beim nächsten Mal anschaut.
Letztlich darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermutet werden, dass das Tarifergebnis und seine danach wie auch immer erfolgende Übertragung auf die Besoldung zu keinen signifikanten Schritten hin zu einer Veränderung der bestehenden Lage führen wird. Auch das wird man in Karlsruhe zur Kenntnis nehmen, so wie man dort aufmerksam nicht nur die rechtswissenschaftliche Literatur und die weiteren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, sondern auch die Stellungnahmen in den einzelnen Gesetzgebungsverfahren aufmerksam lesen und aus allem zusammen seine Schlüsse ziehen wird.
Insofern wird vonseiten des Bundesverfassungsgerichts mit der anstehenden Entscheidung absehbar der unmittelbare Druck auf Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein erhöht werden und werden darüber hinaus auch den weiteren Besoldungsgesetzgebern mittelbar die Instrumente vorgeführt werden, dessen darf man sich sicher sein, da alles andere ein Bruch der seit 2012 einstimmig vollzogenen Besoldungsrechtsprechung darstellen würde, für den es weiterhin keinen Anhaltspunkt gibt.
In diesem Kontext wird also die weitere Politik gestaltet werden - je nachdem, wie schwer der Druck auf einzelne Dienstherrn nach der anstehenden Entscheidung lasten wird, insbesondere auf Niedersachsen, werden die sich daran anschließenden politischen Maßnahmen ausfallen. Da das Thema "Besoldung und Alimentation" heute auf eine andere mediale Situation trifft als 2020, darf man davon ausgehen, dass die politischen Prozesse nach der Veröffentlichung der angekündigten Entscheidungen in einem komlexeren Rahmen vollzogen werden werden als 2020 und vielfach bis heute. Meines Erachtens wird sich nach der Veröffentlichung der angekündigten Entscheidungen ein zähes politisches Ringen in verschiedenen Rechtskreisen auftun, und zwar in Abhängigkeit von dem sich dann konkret einstellenden medialen und öffentlichen Interesse, andere Rechtskreise, und zwar deren Mehrheit, werden höchstwahrscheinlich erst einmal weitermachen als wie zuvor.
Eine Änderung dieser Gesamtlage wird erst geschehen, wenn in einem Rechtskreis substanzielle Veränderungen erfolgen oder sich anbahnen werden. Dann dürften die heute schon im Einzelnen bestehenden Risse im Verhältnis verschiedener Dienstherrn zueinander, kaum geringer werden. Insofern besteht politisch erst einmal nicht viel Hoffnung darauf, dass sich sogleich nach den anstehenden Entscheidungen eine Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation auftut - es darf aber in Abhängigkeit von dem tatsächlichen Druck, der von jenen Entscheidungen ausgehen wird und hinsichtlich dahin, ob sich ein "verfassungsrechtliches Faustpfand" erkennen lassen wird, eine andere Lage gegeben sein als heute. In diesem Sinne habe ich in der Vergangenheit wiederholt auch hier geschrieben, dass wir uns die Begründung der angekündigten Entscheidungen genau werden anschauen müssen, um dann begründetere Prognosen zum zukünftigen politischen Prozess machen zu können.
Die Verantwortung für den aus den angekündigten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen resultierenden politischen Prozess werden dabei weiterhin ausschließlich die Besoldungsgesetzgeber behalten, da nur sie die Gesetzeslage tatsächlich ändern können. Denn das Bundesverfassungsgericht wird auch in den anstehenden Entscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch keine Vollstreckunganordnung erlassen. Am Ende dürfte es also eine Frist bis zur Behebung des jeweiligen verfassungswidrigen Zustands erlassen und das jeweils betreffende Gesetz selbst nicht aufheben.
Das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten hinsichtlich der letzten hessischen Novelle des Besoldungsgesetzes zeigte sich übrigens wie folgt (vgl. die S. 7313 unter
https://starweb.hessen.de/cache/PLPR/20/0/00090.pdf):
"Tagesordnungspunkt 16, zweite Lesung des Dringlichen
Gesetzentwurfs von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN, Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hes-
sen, Drucks. 20/6813 zu Drucks. 20/6690. Hierzu liegt ein
Änderungsantrag vor, er ist von den Fraktionen der CDU
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 20/6917.
Ich lasse jetzt zuerst über den Änderungsantrag abstim-
men. Wer stimmt dem Änderungsantrag von CDU und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu? – Die AfD, der frakti-
onslose Abg. Kahnt, die CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das ist die
Fraktion der FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Die
Fraktion der SPD. Damit ist der Änderungsantrag ange-
nommen.
Ich lasse nun abstimmen über den Dringlichen Gesetzent-
wurf in der soeben durch die Annahme des Änderungsan-
trags geänderten Fassung. Wer stimmt dieser jetzt geänder-
ten Fassung zu? – Das sind die Fraktion der AfD, die Frak-
tion der FDP, der fraktionslose Abg. Kahnt, die CDU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die SPD und die Fraktion
DIE LINKE. Gibt es jemanden, der dagegen ist oder sich
enthält? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Dringliche
Gesetzentwurf in der soeben geänderten Fassung ange-
nommen."
Die Abstimmung erfolgt am 08.12.2021, am selben Tag ist Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt worden, sodass die heutige Bundesinnenministerin zu jener Zeit schon nicht mehr Oppositionsführerin gewesen ist, aber sicherlich zuvor nicht gänzlich unbeteiligt am Wahlverhalten auch ihrer Partei gewesen sein dürfte.
Die vorherige Novelle ist am 18.06.2019 - noch vor der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - verabschiedet worden. Das Abstimmungsverhalten zeigte sich dort wie folgt (S. 1084 unter
https://starweb.hessen.de/cache/PLPR/20/5/00015.pdf):
"Meine Damen und Herren, ich versuche mich jetzt noch
einmal an die Einmütigkeit der Beschlussempfehlung zu
erinnern und hoffe, dass ich aufgrund dieser Einmütigkeit
davon ausgehen darf, dass wir heute diesen Gesetzentwurf
abstimmen können und damit auf eine Fristeneinrede ver-
zichten. – Das ist offensichtlich der Fall. Ansonsten müss-
ten wir noch bis 24 Uhr debattieren.
Wir sind am Ende der zweiten Lesung angelangt, und ich
stelle diesen Gesetzentwurf zur Anpassung der Besoldung
jetzt zur Abstimmung. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um
das Handzeichen. – Das sieht mir nach dem gesamten
Haus aus. Ich frage trotzdem: Gibt es Gegenstimmen? –
Gibt es Enthaltungen? – Damit hat dieser Entwurf eine
Mehrheit gefunden und wird zum Gesetz erhoben."