Wie gezeigt, lässt bei nüchterner Betrachtung, die ich zumeist für am meisten zielführend erachte, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Dienstherrn und öffentlichen Arbeitgebern einen großen Spielraum hinsichtlich der Frage, ob Lehrkräfte verbeamtet oder angestellt werden sollten. Sie müssen nur sicherstellen, dass am Ende eine genügend große Zahl an Funktionsstellen mit Beamten besetzt ist. Daraus folgt, dass Stand heute in den meisten Bundesländern eine deutlich größere Zahl an Neueinstellungen im Angestelltenverhältnis erfolgen könnte - soweit die Verfassungstheorie.
In der gesellschaftlichen Wirklichkeit sehen wir in offensichtlich allen Rechtskreisen der Länder eine generelle Unterdeckung an Lehrkräften, die insgesamt noch nach Lehrämtern zu differenzieren wäre; so sieht bspw. die Unterdeckung im Berufsschulwesen i.d.R. noch einmal deutlich anders aus als an den Gymnasien. Darüber hinaus wird der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbeschulung ab 2026 in den folgenden zehn Jahren den zusätzlichen Bedarf an weiteren Lehrkräften der allgemeinbildendenden Schule Jahr für Jahr hochwachsen lassen. In diesem Zeitraum steht darüber hinaus die weitere Pensionierungswelle ins Haus, nämlich dieses Mal meiner Generation. Diese Welle wird flacher ausfallen als die letzte, aber nichtsdestotrotz nicht unerheblich sein.
Zugleich konkurriert die freie Wirtschaft schon heute zunehmend mit dem staatlichen Schulwesen um qualifizertes Personal, sodass offensichtlich zunehmend Kolleginnen und Kollegen mit zwei Staatsexamen attraktive Angebote aus der freien Wirtschaft finden und wir offensichtlich prognostizieren können, dass dieser Trend in Anbetracht der demographischen Entwicklung zukünftig eher noch zunehmen dürfte.
Die Beschäftigung im Beamtenverhältnis ist schließlich ein Distinktionsmerkmal; darüber hinaus bietet es Beschäftigten Planungssicherheit. Auch deshalb ist Sachsen in Anbetracht der von mir dargestellten Prozesse Ende der 2010er Jahre dahin umgeschwenkt, zunehmend wieder zu verbeamten (vgl. nur ab S. 15 unter:
https://www.rechnungshof.sachsen.de/Sonderbericht_Lehrerverbeamtung.pdf).
Der langen Rede kurzer Sinn: Ausgangsfrage unser Diskussion hier war, ob Lehrkräfte verbeamtet werden müssten. Diese Frage lässt sich sachlich in drei Schritten beantworten, wenn man also von der wiederkehrend typischen Emotionalisierung absieht, die gesellschaftlich in Fragen des Berufsbeamtentums im Allgemeinen und von Lehrkräftethemen im Besonderen zu beobachten ist:
1. Eine nicht unerhebliche Zahl an Lehrkräften muss unter den heutigen Bedingungen verfassungsrechtlich verbeamtet werden, um einen hinreichend großen Bestand an verbeamteten Lehrkräften zu sichern, aus deren Zahl gleichheitsgerecht Funktionsstellen besetzt werden können. Eine nicht sachgerecht hohe Zahl an mit Angestellten besetzten Funktionsstellen stellt sich als verfassungsrechtlich problematisch dar, da sie den Bildungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG ggf. nicht hinreichend gewährleisten könnte.
2. Schon heute finden wir eine gehörige Unterdeckung an Personal an den öffentlichen Schulen. Die Anstellung in einem Beamtenverhältnis wird von Lehrkräften darüber hinaus weit überwiegend als attraktiver wahrgenommen. Entsprechend hat sich auch Sachsen als das Land, das bis dahin im am weitgehendsten Maße auf angestellte Lehrkräfte gesetzt hat, Ende der 2010er Jahre veranlasst gesehen, ebenfalls wieder zu einer deutlich größeren Verbeamtungspraxis umzuschwenken. Realistisch betrachtet, wird sich dieser Trend bis mindestens zur Mitte der 2030er Jahre unter heutigen Bedingungen nicht wieder umkehren, weder in Sachsen noch im Rest der Republik.
3. Es dürfte verfassungsrechtlch möglich sein, ein umfassend neues System an schulischer Führung zu etablieren, indem man bspw. einen grundlegend neuen Studiengang "Schulmangement" entwickelte (entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen für grundständige Lehrkräfte, die in die Schulleitung aufsteigen wollen, werden heute zunehmend obligatorisch) und ihn also - das wäre der Systemwechsel - vom Lehramtsstudium abkoppelte und mit einem eigenen Vorbereitungsdienst austattete, und der es so ermöglichte, im Extremfall alle entsprechend nötigen Funktionsstellen aus diesem Kreis zu besetzen, indem die Zugangsberechtigung zukünftig an ein entsprechendes Studium und Vorbereitungsdienst gekoppelt werden würde. Als Folge sollte es über kurz oder lang verfassungsrechtlich gestattet sein, nur noch entsprechend qualifizierte Führungskräfte mit den Funktionsstellen zu bestallen, um dann vor allem diese zu verbeamten; denn so ließe sich im Streikfall die hinreichende Organisation des Schulalltags gewährleisten und wäre Art. 7 Abs. 1 GG Genüge getan, wenn die ansonsten in hoher Zahl angestellten Lehrkräften ggf. über Wochen streikten.
In der Realität würde ein solches Ansinnen allerdings schon daran scheitern, dass ein solcher Systemwechsel zunächst geplant und initiiert werden müsste und dass die Absolventen darüber hinaus dann erst in einigen Jahren vorhanden wären, ohne dass deren Zahl dann auch nur entfernt ausreichen könnte, um alle Funktionsstellen, die besetzt werden müssen, zu besetzen. Ein entsprechender Systemwechsel hätte also - unabhängig von der Frage, ob er sinnvoll gewesen wäre - schon vor langer Zeit in Angriff genommen werden müssen, um heute und zukünftig Wirkung entfalten zu müssen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ich sehe weiterhin kein Sachargument, das dafür sprechen könnte, dass Lehrkräfte zukünftig im deutlich stärkeren Maße als heute nicht mehr zu verbeamten wären. Verfassungsrechtlich wäre das möglich, wenn auch nicht uneingeschränkt; in Anbetracht des deutlich zu knappen Gutes an Lehrkräften sollte sich eine solche Politik allerdings als kontraproduktiv erweisen. Ebenso ist es sachlich nur möglich, die Besoldung von verbeamteten Lehrkräften abzusenken, indem man das formale Qualifikationsniveau signifikant senken würde. Entsprechend müssten insbesondere Studienzeiten abgesenkt und der Vorbereitungsdienst verkürzt werden, um formal entsprechende Absenkungen begründen zu können, die dann wegen des Bestandsschutzes ausschließlich Neueinstellungen betreffen könnten. Folge dürfte sein, dass die Zahl an möglichen Absolventen eher nicht steigen dürfte, da davon ausgegangen werden kann, dass eine entsprechend geringere Besoldung kaum dazu führte, dass die einzelne Lehrkraft ein Tagespensum mit geringerer Aufgabenbreite und geringerem Zeitaufwand vorfände. Ebenso darf man davon ausgehen, dass eine entsprechende Absenkung von Studienzeiten und des Vorbereitungsdiensts zu einem geringeren Qualifikationsniveau führen müsste, das ja das Ziel einer solchen Maßnahme wäre: Denn ansonsten ließe sich ein geringeres Besoldungsniveau ja sachlich nicht rechtfertigen. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass auch solche Maßnahmen gesellschaftlich nicht mehrheitsfähig sein dürften.
Ergo: Die These, Lehrkräfte bräuchten oder sollten nicht verbeamtet werden, ist gesellschaftlich populär - sie ist es aber genauso wie die These, dass wir keine Beamten bräuchten, nur solange, wie es verbeamtete Lehrkräfte (und allgemein: Beamte) gibt. Sobald es sie nicht mehr geben würde - was wie gezeigt verfassungsrechtlich nicht möglich wäre -, würden sie recht schnell recht deutlich gefordert werden. Insofern zeigt sich im populäre Gehalt des Themas eine weitgehend populistische Tendenz, die ggf. nachvollziehbar ist, jedoch sachlich entsprechend zumeist substanzlos bleibt. Die Forderung zeigt dahingegen regelmäßig eine eher emotionale Qualität, die - dafür ist Schule da, also um das beizubringen - im Dreiklang: Beschreibung, Begründung, Bewertung aus der Welt geschafft werden kann. Es sollte möglich sein, sachlich über verbeamtete Lehrkräfte zu sprechen - jedenfalls immer: bis zum Beweis des Gegenteils.