Hey lieber Harry und alle weiteren Leser und Schreiber,
zunächst einmal liegt ein Missverständnis vor, wenn man aus dem, was ich schreibe, lesen würde, dass das Rundschreiben nicht gelten würde - es gilt sicherlich bestimmt, entfaltet allerdings nur im Rahmen der von ihm vorgenommenen Regelung seine Wirkung.
Diese Wirkung ist eine ausschließlich interne Empfehlung, wie die jeweilig nachgeordneten Dienststellen handeln können. Damit liegt hier kein Verwaltungsakt vor, da eben wie dargestellt mit dem Rundschreiben keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gegeben ist. Wer also keinen Widerspruch einlegt, hat keine Berechtigung darauf, dass ihm eine Bescheidung eines Widerspruchs gegeben werden muss; eine solche Bescheidung ist aber ein Verwaltungsakt, da hier nun Entscheidung vorliegt, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Damit ist mit einer negativen Bescheidung, die nichts anderes sagt, als dass der Adressat des Widerspruchs diesen geprüft hat und zu der Feststellung gelangt, dass er im Rahmen der Gesetzeslage sachgerecht gehandelt habe, sodass der Widerspruch nach seiner Ansicht unbegründet und damit nicht statthaft ist, der Weg zur gerichtlichen Kontrolle geöffnet. Denn gegen diese negative Bescheidung kann der Widerspruchsführer nun eine Feststellungklage führen, in der das Gericht dann ggf. feststellt, dass die Gesetzeslage nicht mit dem Verfassungsrecht in Einklang steht, um damit eine Richtervorlage zu formulieren, die das Bundesverfassungsgericht in einem konkreten Normenkontrollverfahren prüft.
All jene, die also keinen Widerspruch einglegt haben, können also keine Bescheidung einfordern, sondern allenfalls darauf bauen, dass der Dienstherr ihnen keine Steine in den Weg legt, sofern sie für die Jahre ab 2021 gegen die ihnen gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze Klage führen wollen. Da es den Verwaltungsgerichten nur gestattet ist, im Rahmen des formellen Rechts, das sie nicht ändern können, Entscheidungen zu treffen, können sie nur dann über eine Feststellungsklage befinden, sofern ein statthafter Rechtsbehelf, der negativ beschieden worden ist, vorliegt oder sich der Beklagte auf die Klage einlässt.
Insofern begeben sich all jene, die keinen Widerspruch mit den statthaften Rechtsbehelfen einlegen, in die Hand des Dienstherrn, sodass das, was Knecht schreibt, offensichtlich empfehlenswert ist: Mit einem Widerspruch, der einen statthafter Rechtsbehelf ist, hält sich der Widerspruchsführer ohne, dass er auf Dritte angewiesen wäre, das Recht offen, nach dessen negativer Bescheidung eine Feststellungsklage führen zu können. Der Weg für einen entsprechenden Widerspruch ist mit einem zeitlichen Aufwand von vielleicht einer Viertelstunde verbunden und dürfte Kosten von wohl unter zwei € nach sich ziehen.
Darüber hinaus sagt mir, lieber Harry, mein gesunder Menschenverstand genau das, was Dir Deiner sagt, nämlich dass es doch nicht sein könnte, dass ein Rundschreiben des BMI wie das vorliegende zu keinem anderen Ergebnis führen sollte wie dem, von dem Du ausgehst, dass es der Fall sein muss - aber unser beider gesunder Menschenverstand hat leider im Besoldungsrecht keine Relevanz. Wer also an unserer beiden gesunden Menschenverstand glauben sollte, sollte sich mit dem Hamburger Fall beschäftigen, also was dort passiert ist und weiterhin passiert, nachdem sich Ende 2020 das VG Hamburg von der verfassungswidrigen Besoldung der Hamburger Landesbeamten im Zeitraum von 2011 bis 2019 überzeugt gezeigt hat, um entsprechende Richtervorlagen zu formulieren, wie also der hamburgische Dienstherr nun mit seinen ähnlichen Zusagen aus der Zeit von 2011/12, wie sie sich auch aus dem BMI-Rundschreiben von 2021 für den Bund entnehmen lassen, umgegangen ist, nachdem ihm klar war, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Karlsruhe attestiert bekommen wird, dass er ab 2011 verfassungswidrig besoldet hat.
https://www.dbb-hamburg.de/aktuelles/news/beamtenbezahlung-in-hamburg-seit-2011-verfassungswidrig/https://www.komba-hamburg.de/wichtige-information-fuer-alle-beamtinnen-und-beamten-sowie-versorgungsempfaenger/https://nord.dgb.de/ueber-uns/oeffentlicher-dienst/++co++26872a42-75e7-11eb-8f1d-001a4a160123https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/dokumente/antrag-auf-wiedereinsatzung-in-den-vorigen-stand.pdfDer langen Rede kurzer Sinn: Die Widerspruchsführer, die 2011/12 Widerspruch eingelegt und danach im Vertrauen keinen weiteren Widerspruch eingelegt haben, kämpfen nun darum, dass ihr ursprünglicher Widerspruch sich auch auf die Jahre nach 2012 bezieht; wenn ich es richtig sehe, ist hier der Ausgang offen. Die Kollegen, die im Vertrauen auf die Zusage keinen Widerspruch eingelegt haben - nicht zuletzt, weil sie erst nach 2012 als Landesbeamte in den öffentlichen Dienst des Landes eingetreten sind -, dürften offensichtlich bereits zwangsläufig jeden Anspruch bis zum Jahr 2019 verwirkt haben, da sie bis dahin zu keiner Zeit einen Widerspruch geführt haben. Erst mit dem dann gegen die im Jahr 2020 gewährte Besoldung gestellten Widerspruch sollten sich entsprechende Ansprüche für sie nun gerichtlich durchsetzen lassen.
Unser gesunder Menschenverstand reicht also ggf. nur bis zur Haustür zum Eintritt in die Politik; danach gilt die Heisenbergsche Unschärferelation, die er in seinem juristischen Standardwerk, "Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Besoldung und Alimentation" bereits 1927 formuliert hat und die sich in etwas so formulieren lässt:
Es ist quantentheoretisch unmöglich, gleichzeitig die Höhe der amtsangemessenen Alimentation und den Ort, wo sie sich befindet, hinreichend genau zu bestimmen. Vielmehr kann man nur zweierlei feststellen, nämlich dass, sofern der Ort der amtsangemessenen Alimentation sich hinreichend genau messen lässt, ihre sachgerechte Höhe sich nicht hinreichend bemessen lässt, während es aber, sofern sich eine amtsangemessene Alimentation hinreichend genau messen lässt, faktisch ausgeschlossen ist, den Ort, wo sie sich befindet, hinreichend genau zu bemessen.
Das kann man bedauern, aber wer bedauert schon Naturgesetze?
Ergo: Es ist nur jedem das zu empfehlen, was Maximus vorhin zitiert hat: Legt Widerspruch ein, um Herr oder Frau über eure eigene Lage zu bleiben.