Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7253771 times)

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18330 am: 12.09.2025 11:36 »
Von den Regelungskontexten

"(a) Absenkung Berechnungsgrundlage Bürgergeld (oder wie auch immer das künftig heißen mag); (b) Einführung ortsgebundener Zuschläge; (c) Erhöhung kinderbezogener Zuschläge, (d) moderate(!) Erhöhung der Bezüge; (e) Streichung von unteren Besoldungsgruppen, (f) Einberechnung eines fiktiven Partnereinkommens"

sind die Möglichkeiten (a) und (f) dem Besoldungsgesetzgeber verboten; anderes kann der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht weiterhin nicht entnommen werden. Zu (b) gibt es bereits eine vollständig ausgeführte Rechtsprechung, sodass dieser Teil des Besoldungsrechts, der keiner des Alimentationsprinzips ist, ausgeurteilt ist. Die bayerische und nordrhein-westfälische ist nicht mit dieser Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Die Alternative (c) ist in den meisten Rechtskreisen bereits vollzogen worden und sollte sich weit überwiegend sachlich nicht vor der bisherigen Senats rechtfertigen lassen, insbesondere weil wir uns auch hier außerhalb des Alimentationsprinzips befinden. Ebenso ist bereits die Alternative (e) bereits ausnahmslos seit 2008 so vollzogen worden, was dem Besoldungsgesetzgeber gestattet ist, solange er die damit einhergehende Stauchung der Besoldungsstaffelung hinreichend beachtet, die insbesondere bei der Betrachtung des Mindestabstandsgebots nicht ausgeklammert werden kann. Auch das lässt sich der bisherigen Rechtsprechung des Senats entnehmen. Die entsprechende Rechtsprechung dürfte die meisten Besoldungsgesetzgeber alsbald vor einige Probleme stellen.

Sehr schön. Und bei (d) streichen wir noch schnell das Wort "moderat" und machen uns dann alle gemeinsam auf die (lange) Wanderung zurück zu einer verfassungsgemäßen Besoldung.

Und falls unser Besoldungsgesetzgeber weiterhin partout nicht mitwandern möchte, hat @PolareuD heute früh die entsprechende alternative Route genannt, die wir auch ohne ihn nehmen können.. ;)

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18331 am: 12.09.2025 13:36 »
Bis der in erster Instanz obsiegende Kollege sein Urteil rechtskräftig hat, ist er vermutlich Großvater...

https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/id_100910950/vaterschaftsurlaub-beamte-haben-anspruch-angestellte-gehen-leer-aus.html


BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18332 am: 12.09.2025 13:41 »
Vielen Dank einmal für die sehr lesenswerten Beiträge der letzten Tage! Und zwar die von beiden Lagern, den „unverbesserlichen“ Optimisten, zu denen ich mich noch zähle und den über die vielen Jahre ernüchterten Pessimisten.

Noch glaube ich an ein BVerfG, dass sich - anders als der zu Tode politisierte Supreme Court in den USA- alleine an der Verfassungslage orientiert und nicht an haushaltspolitischen Machbarkeitserwägungen, wie der Hinweis von Swen auf die Entscheidung zum Coronahilfsfonds aus 2023 zeigt.

Das BVerfG hat schliesslich bereits in seiner Entscheidung aus 2015 auf der 3. Stufe mit Verweis auf die verfassungsrechtlich abgesicherte Schuldenbremse einen finanziellen „Sichelschnitt“ für alle als ultima ratio statt eines Sonderopfers nur für Beamte aufgezeigt. Sollte der Gesetzgeber also trotz aller Sondervermögen darlegen können, dass schlicht kein Geld mehr für eine auf den Stufen 1 und 2 eigentlich erforderliche massive Anhebung der Besoldung übrig wäre, könnte er schon jetzt massive finanzielle Opfer für alle durchsetzen. Da muss das BVerfG ihm gar nicht aus irgendeiner Patsche helfen.

Das wäre allerdings der vollständige haushaltspolitische Offenbarungseid a la Griechenland 2014/2015, wo plötzlich einfach mal alle Pensionen um 1/3 gekürzt wurden. Da sehe ich uns dann doch noch nicht.
« Last Edit: 12.09.2025 13:52 von BerndStromberg »

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18333 am: 12.09.2025 14:30 »
Das ist denke ich auch der Grund, warum man nun hört, dass die Besoldung für alle in irgendeiner Form angehoben werden soll. In einem Haushalt, der "freiwillige" Ausgaben wie eine Mütterrente oder eine Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie vorsieht, ist ein Sonderopfer der Beamten nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht zulässig - und wäre auch moralisch echt ein Offenbarungseid, was die Fürsorgepflicht und das besondere Dienst- und Treueverhältnis angeht.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18334 am: 12.09.2025 14:59 »
Völlig richtig. Und auch auf der Einnahmenseite gäbe es natürlich im Zweifel Optionen. Man denke z.B. nur an die "Verschonungsbedarfsprüfung" (§ 28a ErbStG) sowie weitere absurde Regelungen bei der Erbschaftssteuer..

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18335 am: 12.09.2025 17:11 »
Wie schlecht kann es einem Land finanziell gehen, das es sich leisten kann Steuererhöhungen kategorisch auszuschließen? Und wenn es dann nächstes Jahr zu einer kleinen Erhöhung der gesamten Tabelle kommt, nimmt man das mit. Die Klage vor dem VG läuft sowieso.

Schönes Wochenende.

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18336 am: 12.09.2025 17:15 »
Wie schlecht kann es einem Land finanziell gehen, das es sich leisten kann Steuererhöhungen kategorisch auszuschließen?

Weil der Staat schon heute sehr ineffektiv mit seinen Steuereinnahmen umgeht und das bei einer Staatsquote von fast 50%.
Die Schweiz schafft es mit 30-35% und das bei Abschaffung des Beamtenstatus seit 2000.  8)

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18337 am: 12.09.2025 17:23 »
Wie schlecht kann es einem Land finanziell gehen, das es sich leisten kann Steuererhöhungen kategorisch auszuschließen?

Weil der Staat schon heute sehr ineffektiv mit seinen Steuereinnahmen umgeht und das bei einer Staatsquote von fast 50%.
Die Schweiz schafft es mit 30-35% und das bei Abschaffung des Beamtenstatus seit 2000.  8)

Wobei ich gelegentlich der schweizer Presse entnehme, ob man nicht in der Schweiz zum Beamtentum zurückgekehren möchte, da die Angestellten im öD so teuer sind.  ;D :o ::)

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18338 am: 12.09.2025 17:55 »
Das Grundübel war, anzunehmen, Deutschland sei ein reiches Land, lasst es uns umgestalten, so wie es uns gefällt, und das ohne Hirn und Verstand, als gäbe es kein Morgen, und ginge es ewig so weiter. Hinzu kam die "Friedensdividente" und die ultraniedrigen Zinsen, die man Jahrzehntelang verprasste. Viele Ökonomen haben immer wieder auf die verdeckten Schulden hingewiesen, die jetzt langsam reale Schulden werden. Jetzt platzt auch noch die "Beamtendividente", die man anhand der langsamen Arbeitsweise des BVerfG auch jahrzehntelang verprassen konnte.

emdy

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« Antwort #18339 am: 12.09.2025 17:57 »
"Beamtendividende", mein Wort des Jahres.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18340 am: 12.09.2025 17:57 »
Das Grundübel war, anzunehmen, Deutschland sei ein reiches Land, lasst es uns umgestalten, so wie es uns gefällt, und das ohne Hirn und Verstand, als gäbe es kein Morgen, und ginge es ewig so weiter. Hinzu kam die "Friedensdividente" und die ultraniedrigen Zinsen, die man Jahrzehntelang verprasste. Viele Ökonomen haben immer wieder auf die verdeckten Schulden hingewiesen, die jetzt langsam reale Schulden werden. Jetzt platzt auch noch die "Beamtendividente", die man anhand der langsamen Arbeitsweise des BVerfG auch jahrzehntelang verprassen konnte.

Hatte man trotz der ganzen Prasserei nicht auch die Schulden auf 1.6 Billionen runter gebracht? Aber Mama Merkel meinte ja die Welt retten zu müssen und Corona gab uns den Rest. Und der neue Lügenkanzler im roten Mäntelchen macht weiter.

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18341 am: 12.09.2025 18:04 »
"Beamtendividende", mein Wort des Jahres.
Das trifft es sehr gut  ;D

emdy

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« Antwort #18342 am: 12.09.2025 18:15 »
Und Ozymandias empfehle ich einen Urlaub in Somalia, dem Jemen oder Turkmenistan. Die haben alle eine vorbildlich niedrige Staatsquote.

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18343 am: 12.09.2025 18:24 »
Und Ozymandias empfehle ich einen Urlaub in Somalia, dem Jemen oder Turkmenistan. Die haben alle eine vorbildlich niedrige Staatsquote.

Somalia hat mindestens 3 Staaten eher 6, nein Danke.  8)
Frankreich mit seinen 60% Staatsquote entwickelt sich gerade auch fast zum failed state.

xap

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« Antwort #18344 am: 12.09.2025 18:49 »
Staatsquote ist nicht gleich Staatsquote. Wenn man nach Nordeuropa schaut ist diese viel höher, allerdings auch deutlich breiter aufgestellt als Deutschland mit seinen Privatisierungsorgien. Und trotzdem funktioniert die Daseinsvorsorge dort und das deutlich besser als hier, man schaue nur in den Gesundheitssektor.
« Last Edit: 12.09.2025 18:59 von xap »