Du hast die journalistischen Mängel korrekt und umfassend dargestellt. Es fehlt nur noch die Schlussfolgerung. Es kann sich eigentlich nur um bewusste Propaganda handeln. Man muss sich weiter fragen, was ihn (den Journalisten) dazu bewogen hat. Ist es auf seinem eigenen Mist gewachsen, oder steht eine höhere Agenda, eine andere Institution dahinter.
"Propaganda ist die Wissenschaft der Überzeugung, die häufig die rationalen Überlegungen des Einzelnen umgeht und stattdessen die unbewusste Gruppenpsychologie anspricht. Das Bewusstsein neigt zwar zur Rationalisierung, doch menschliches Verhalten und Handeln werden weitgehend vom Unbewussten, den Urinstinkten und Emotionen geprägt. Selbst der rationale Einzelne verspürt einen starken Impuls, sich der Gruppe anzupassen. Daher zielt Propaganda darauf ab, die irrationale Gruppenpsychologie zu beeinflussen.
Dieses Vorgehen folgt dem Prinzip der Glaubwürdigkeit der Quelle: Propaganda ist wirksamer, wenn Menschen der Quelle, aus der sie stammt, vertrauen – und sich nicht bewusst sind, dass es sich um Propaganda handelt."
Der Autor war früher Chefökonom der Wirtschaftswoche - ich denke, das, was er schreibt, ist seine je eigene Sichtweise. Das Hauptproblem dürfte sein, dass er - wie der größte Teil Deutschlands - keine Ahnung vom öffentlichen Dienstrecht hat und gleichzeitig davon überzeugt sein dürfte, zu verstehen, wovon er spricht, ohne je etwas von einem Sonderstatusrecht gehört zu haben. Deswegen u.a. auch die Auffassung, Beamte seien privilegiert. Ein weiteres Problem ist, dass er - bei einem qualifizierten Ökonom eher ungewöhnlich - ebenfalls keine Ahnung vom bundesdeutschen Tarifrecht zu haben scheint, also nicht weiß - oder es, aus welchen Gründen auch immer, beim Schreiben gerade vergessen hatte -, dass es in Deutschland eine Tarifautonomie gibt, dass also den Tarifparteien im öffentlichen Dienst nicht per Gesetz vorgeschrieben werden kann, auf welche Tarifabschlüsse sie sich zu einigen haben. Entsprechend purzelt bei ihm halt alles so durcheinander, wie es ihm eben gerade in Kram passt oder es passt ihm in den Kram, wie ihm halt alles durcheinander purzelt.
Genau deswegen nenne ich ihn unseriös, eben weil sein diesbezügliches Schreiben auf Ideologie basiert und nicht auf den Tatsachen. Paradebeispiel ist die Wendung der Arbeitsproduktivität, wie ich das in meinem polemischen Beitrag nachzeichne. Denn das ist eben ein Paradebeispiel ideologischen Schreibens: Erst wird hervorgehoben, dass man einen bestimmten Sachverhalt nicht beweisen könne (hier: die Arbeitsproduktivität im öffentlichen Dienst); dann wird eine - hier prinzipiell - nicht beweisbare These in den Raum gestellt (hier: dass die Arbeitsproduktivität im öffentlichen Dienst geringer als in der Privatwirtschaft ausfallen dürfe); und diese wird am Ende wie eine Realität behandelt (hier: die Arbeitskräfte in Unternehmen seien im Schnitt produktiver als beim Staat).
Diese typisch ideologische Methodik, die beim flüchtigen Lesen sicherlich verfangen kann, nämlich die abschließende Botschaft beim flüchtig Lesenden zurücklässt, kann man als Framing lesen und entsprechend ebenso als Propaganda. Entsprechend betrachte ich den Autor als unseriös, eben weil sich das, was er behauptet, nicht beweisen lässt, er sich dessen offensichtlich bewusst ist, um es am Ende als Tatsache dem Leser andrehen zu wollen. Entsprechend wird dieser nicht als solcher gekennzeichnete Kommentar - der schon als Kommentar ob der von mir dargelegten Methodik unseriös ist - dann wie eine Nachricht verkauft, wobei zugleich schon die Überschrift weitgehend darauf verweist, dass hier keine Nachricht formuliert wird, sondern eine Meinung, nämlich indem bereits sie suggeriert, dass es eine bessere Lösung als einen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst geben würde.
Eine solche Überschrift wäre eine Nachricht, wenn nun im Text der Inhalt um eine solche Nachricht kreisen würde. Eine solche Nachricht gibt es im Text aber nicht, sondern nur die entsprechende Meinung des Autors. Im Ergebnis wird so ein - sachlich unseriöser, weil auf ideologischer Basis fußender - Kommentar als Nachricht verkauft, was den Text nur noch unseriöser macht.
Ergo: Der Text ist weder für die nzz noch für deren Autor ein Ruhmesblatt. Man kann der Ansicht sein, dass durch Bürokratieabbau die Wirtschaftskraft in der Bundesrepublik gestärkt werden würde - nur sollte man das dann auch anhand einer seriösen Berichterstattung zu erhärten versuchen. Wenn man nicht mehr als ideologischen Ramsch anzubieten hat, sagt man vor allem eines aus: dass man offensichtlich keine besseren Argumente hat. Das kann man machen - nur sollte man sich dann darüber im Klaren sein, dass man, sofern man entsprechend regelmäßiger so vorgeht, nach und nach jeden Kredit verspielt und also nach und nach nur immer weniger ernstgenommen werden kann. Unsere schwierige Zeit braucht keine Clownerie, sondern sachlich schlüssige Argumente. Wer offensichtlich noch immer im Projekt 18 lebt, sollte ggf. darüber nachdenken, ob er noch die Zeichen der Zeit versteht. Und eigentlich sollte man mit 62 noch nicht so alt sein, dass es nurmehr für die Mottenkiste reichte.