7. Als Folge der eklatanten materiell-rechtlichen Verletzung der Besoldungsordnung A soll nachfolgend deren Verletzungsgrad indiziell aufgeschlossen werden, um so abwägen zu können, ob als Folge des Zusammenspiels beider Abstandsgebote und der den Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren treffenden prozeduralen Anforderungen die von ihm ins Feld geführten Neuregelungen sachgerecht sind, um die von ihm eingestandene Verletzung der Besoldungsordnung A heilen zu können. Dazu soll eine Methodik zur Betrachtung der
Mindestbesoldung herangezogen werden (vgl. BVerfGE 155, 1 <25 Rn. 49>), die im Hinblick auf die Bundesbesoldung bereits an anderer Stelle in ihrem sachlichen Gehalt und ihren weiteren Grundlagen – nicht zuletzt in der gerade genannten Verbindung der beiden Abstandsgebote und der den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen – betrachtet worden ist (vgl.
Torsten Schwan, Wahr oder nicht wahr, das ist hier die Frage – Antworten zur Gesetzesqualität der Fortschrittskoalition, S. 14 ff. unter
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/07/Referentenentwurf-des-BMI-zu-BBVAngG-Stand-v.-16.01.2023-1.pdf). Dieses Referat muss deshalb hier nicht wiederholt werden.
a) Zur Betrachtung der indiziellen Prüfkategorie der Mindestbesoldung ist ausgehend von der Höhe der Mindestalimentation deren methodisches Vorgehen umzukehren: Ausgehend von der Mindestalimentation wird zunächst die Nettobesoldung bemessen, die exakt auf Höhe der Mindestalimentation liegt, wodurch die „äquivalente Nettobesoldung zur Mindestalimentation“ oder kürzer: die „äquivalente Nettobesoldung“ betrachtet wird. Von der Mindestalimentation wird hierzu zunächst das Kindergeld abgezogen und werden dann die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung addiert.
Zur so bemessenen „äquivalenten Nettobesoldung“ ist danach mittels des Steuerrechners des Bundesfinanzministeriums die Einkommensteuerlast hinzuzurechnen, wozu zunächst die Summe aus „äquivalenter Nettobesoldung“ und Steuerlast abgeschätzt und dann anhand des Steuerrechners konkretisiert wird. Als Ergebnis der Addition wird jenes Bruttogehalt abgebildet, dessen Summe exakt auf der Höhe der Mindestalimentation liegt; es ist entsprechend als das „Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation“ bzw. kürzer: als „Besoldungsäquivalent“ zu verstehen. Zieht man von diesem Äquivalenzwert mit Ausnahme des tatsächlich gewährten Grundgehaltssatzes sämtliche weitere gewährte Komponenten der Bruttobesoldung ab, also hier die Familienzuschläge, erhält man am Ende den Betrag eines Grundgehaltssatzes, der auf Höhe der Mindestalimentation liegt, also das „Grundgehaltsäquivalent zur Mindestalimentation“ oder kürzer: das „Grundgehaltsäquivalent“.
Auf dieser Basis erhält das Prüfverfahren indiziell den absoluten und prozentuale Fehlbetrag im Sinne der Mindestbesoldung. Mittels der Grundgehaltsäquivalente lässt sich nun anhand der Grundgehaltstabelle indizieren, welche Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, sodass der Grad der Verletzung der Besoldungssystematik erkennbar wird: Die absoluten und prozentualen Fehlbeträge zeigen die indizielle Höhe des Verstoßes, und die weitere indizielle Betrachtung zeigt, welche und wie viele Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben. Da die Erstellung der Indizes und die Berechnung der Parameter möglichst einfachen und klaren Regeln folgen sollen, werden nachfolgend sämtliche Beträge auf ganze Zahlen aufgerundet, auf eventuelle „Spitzausrechnungen“ wird verzichtet.
b) Die Höhe der realitätsgerecht bemessenen Mindestalimentation beträgt im Jahr 2024 54.059,- € (vgl. oben unter 5 lit. e). Subtrahiert man von ihr das im selben Jahr gewährte Kindergeld in Höhe von 6.000,- € und addiert die Kosten für die die Beihilfeleistungen ergänzende Kranken- und Pflegeversicherung in jährlicher Höhe von 7.845,- €, erhält man die äquivalente jährliche Nettobesoldung in Höhe von 55.904,- €, die also exakt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Die anhand des Steuerrechners des Bundesfinanzministeriums mittels der oben genannten Beträge bemessene Steuerlast beträgt 7.788,- €. Das Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation weist folglich eine Höhe von 63.692,- € auf. Subtrahiert man von ihm die Steuerlast in Höhe von 7.788,- €, erhält man die äquivalente Nettobesoldung von 55.904,- €. Subtrahiert man vom Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation – dem in der Prüfung fiktiven Besoldungsniveau – sämtliche gewährte Besoldungskomponenten mit Ausnahme des Grundgehalts, erhält man die indizielle Höhe des Grundgehaltsäquivalents, das also exakt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Hierbei liegt es in Anbetracht des oben bereits dokumentierten materiell-rechtlichen Verletzungsgrads auf der Hand, dass auch die indizielle Betrachtung zu keinem anderen Ergebnis gelangen kann; nicht umsonst erweist sich die materiell-rechtliche Verletzung der Besoldungsordnung A als eklatant. So verstanden erscheint es sinnvoll, die familienbezogenen Besoldungskomponenten, die den höherwertigen Ämtern gewährt werden, heranzuziehen. Sie betragen 2024 insgesamt 5.475,- €. Im Ergebnis beträgt der Jahresbetrag des Grundgehaltsäquivalents hier folglich 58.217,- € bzw. der monatliche Betrag 4.852,- €.
Unter Betrachtung der ab März 2024 heranzuziehenden Grundgehaltstabelle, verfehlen sämtliche Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 10, die vierte Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 11 und die dritte Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 12 heute indiziell das Grundgehaltsäquivalent. Damit zeigen sich von heute aus betrachtet Ende 2024 zehn von 14 Besoldungsgruppen (71,4 %) und 71 von 112 Tabellenfelder (63,4 %) als indiziell verletzt. Die Grundbesoldung in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 3 als Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung wäre am Ende des Jahres mit 2.707,- € gegenüber dem Grundgehaltsäquivalent in Höhe von 4.852,- € indiziell um mehr als 44 % zu gering bemessen.
Der indizielle Verletzungsgrad der Besoldungsordnung A müsste sich darüber hinaus noch einmal signifikant größer darstellen, wenn nicht die deutlich höheren Grundgehaltssätze und familienbezogenen Besoldungskomponenten zum Vergleich herangezogen werden würden, die erst ab dem März 2024 gewährt werden, sondern wenn auch hier ein jeweiliger „spitz“ bemessener Durchschnittswert der über das gesamte Jahr jeweils gewährten Besoldung herangezogen werden würde. Da aber schon so die Schwere der Verletzung der Besoldungsordnung A offensichtlich ist, kann auf eine solche Differenzierung in der indizellen Betrachtung verzichtet werden.
c) Das Mindestabstandsgebot ist damit indiziell, entsprechend wie es dem Berliner Gesetzgeber unlängst vom Bundesverfassungsgericht attestiert worden ist, ebenso im Bund deutlich verletzt (BVerfGE 155, 1 <49 Rn. 100>). Wie in Berlin missachtet die Verletzung offensichtlich nicht nur „die unterste[n] Besoldungsgruppe[n]“, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf einen neuen Ausgangspunkts und eine konsistente Besoldungssystematik hervorhebt (BVerfGE 155, 1 <25 Rn. 48>). Vielmehr sind 2024 auch im Bund sämtliche Besoldungsgruppen bis weit in den gehobenen Dienst hinein als indiziell verletzt zu betrachten: Von den 24 Tabellenfeldern der Besoldungsgruppen A 10 bis A 12 zeigen sich indiziell 15, also selbst hier noch deren überwiegende Zahl, als verletzt. Eine solche Verletzung kann aber nicht ohne Folgen für das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen bleiben (vgl. im Folgenden auch
Schwan, ZBR 2023, S. 181 <182 ff.>).
Denn nicht umsonst zeigt die gerade vollzogene Betrachtung der Besoldungsordnung A eine eklatante Verletzung des Mindestabstandsgebots, die hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen auf alle Besoldungsgruppen ausstrahlen muss (BVerfGE 155, 1 <69 Rn. 163>). Entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit für eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges mitsamt der Erhöhung der Grundgehaltssätze nur umso größer ist, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt, je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen davon betroffen sind (Vgl. a. BVerfGE 155, 1 <25 f. Rn. 49>).
d) Das Ergebnis der gerade angestellten Betrachtung indiziert von daher in einem eklatanten Maße die unzureichende Ausgestaltung des Besoldungungsniveaus auch der höheren Besoldungsgruppen. Damit kann das Gewicht dieser Umstände in der Gesamtabwägung aber zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass der Gesetzgeber auch und gerade die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben hat, da sich alles andere als Folge der erdrückenden Indizienlage offensichtlich nicht sachgerecht begründen ließe. Sind doch im Gesetzgebungsverfahren sowohl die Höhe des indiziellen Fehlbetrags (die Mindestbesoldung wird am Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung indiziell um mehr als 44 % verfehlt) als auch die Anzahl der von der Verfehlung indiziell betroffenen Besoldungsgruppen (mehr als 70 % der Besoldungsgruppen und mehr als 63 % der Tabellenfelder ist von ihr betroffen) prozedural sachgerecht zu beachten, damit der Gesetzgeber sicherstellt, dass am Ende das gewährte Besoldungsniveau materiell-rechtlich eine amtsangemessene Alimentation garantiert (
Schwan, ZBR 2022, S. 154 <160>).
Diese sachgerechte Beachtung muss entsprechend die Konsequenzen des Zusammenspiels beider Abstandsgebote in Rechnung stellen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Darauf weist auch der Gesetzentwurf berechtigt hin (vgl. im Entwurf nur die S. 1 f., 53 und 56 ff.), um jedoch aus der Reproduktion der von ihm dargelegten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine hinreichenden Konsequenzen zu ziehen und also daranzugehen, die eklatant verletzte Besoldungssystematik zu heilen und eine wieder sachgerechte Besoldungsstaffelung mit einem anderen Ausgangspunkt zu vollziehen, was eben sachgerecht nicht durch die Streichung der Besoldungsgruppe A 3 und die wahllose Festlegung der fünften Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 4 als vermeintlichen Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung geschehen kann, unabhängig davon, dass sich damit wie nachfolgend gezeigt ebenfalls nicht die weiterbestehende Verletzung des Mindestabstandsgebots heilen lassen könnte.
Denn mit diesem „anderen“ Ausgangspunkt erfolgt keine sachgerechte Reaktion auf die eklatante Verletzung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG, wie sie spätestens von der gerade vollzogenen indiziellen Betrachtung offenbart wird. Entsprechend führt die mit diesem Vorgehen vollzogene „Stauchung“ der Besoldungsstaffelung zu einer offensichtlichen Verletzung des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen, wie das oben herausgestellt worden ist (vgl. oben unter 2).
Im Ergebnis postuliert der Gesetzentwurf auf evident sachwidriger Grundlage zwar materiell-rechtlich die aktuelle Verletzung der Besoldungssystematik bis in die erste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 11 (S. 57 f.); darüber hinaus ist ihm aber keine Analyse der eingestanden verfassungswidrigen Besoldungssystematik zu entnehmen, weshalb er im Ergebnis nicht beachtet, dass diesseits des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes einer Besoldung, das vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist, keine Einschnitte vorgenommen werden können und dass jenseits jenes Mindestmaßes Kürzungen oder andere Einschnitte nur durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden dürfen, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen. Zu solchen systemimmanenten Gründen können zwar finanzielle Erwägungen hinzutreten. Das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient (BVerfGE 155, 1 <47 Rn. 95>). Von daher entkräftet auch dieser nun veröffentlichte Gesetzentwurf nicht die umfassende sachliche Kritik des Deutschen Richterbunds, die dieser bereits im letzten abgebrochenen Gesetzgebungsverfahren umfassend begründet hat (vgl. die Stellungnahme Nr. 5/23 zum Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetzes (BBVAngG), Februar 2023 unter:
https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Stellungnahmen/2023/DRB_230228_Stn_ Nr_5_BBVAngG.pdf; vgl. a.
Torsten Schwan, Wahr oder nicht wahr, das ist hier die Frage – Antworten zur Gesetzesqualität der Fortschrittskoalition, S. 18 ff. unter
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/07/Referentenentwurf-des-BMI-zu-BBVAngG-Stand-v.-16.01.2023-1.pdf). Entsprechend muss auch die Kritik aufrechterhalten werden, die im letzten Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der sich von der Bundesregierung selbst gesetzten Qualitätsansprüche vorgebracht worden ist (vgl. den gerade genannten Beitrag von
Schwan, S. 24 f.)