Autor Thema: Entwurf zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG  (Read 63072 times)

lotsch

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Nicht zu vergessen, die Hinzuverdienstmöglichkeiten.


Eukaryot

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Zusammengefasst geht es hier also darum, eine minimale „Zwischentariferhöhung“ vor den regulären Tarifverhandlungen zu verhindern, weil sie ihrem behaupteten Zweck, eine amtsangemessene Alimentation herbeizuführen, nach den Vorgaben des BVerfG nicht gerecht wird?

Pendler1

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" ...Er stellt also am Ende der Anhörung ab 1:46:30 zunächst einmal klar, dass nach seiner Ansicht der Besoldungsgesetzgeber dazu berechtigt sei, nicht nur die aktiven Einkünfte des Ehepartners eines Beamten, also seine sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden, sondern ebenso auch die passiven wie bspw. Kapitalerträge zu betrachten, sofern - hier erfolgt wiederum eine vage Ausführung, die m.E. im Kontext dessen zu verstehen ist, was ich gerade geschrieben habe - das Ergebnis stimme. ..."

Tut mit leid, aber das Ganze ist doch nur noch zu blöde!

Das sage ich zwar als Beamter, aber Technischer Bundesbeamter (Ingenieur), der dazu noch ca. 20 Jahre als "dienstüberlassener Beamter des Bundes" bei der privat organisierten "Deutschen Flugsicherung GmbH" gearbeitet hat.

Dieser ganze Alimentations-Mumpitz ist anscheinen am Ende seiner Entwicklung angelangt. Verstehen anscheinend nur noch Top-Juristen. Da dürfte nur noch ein Neustart weiterhelfen.

Schönen Tag noch.

PolareuD

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Zusammengefasst geht es hier also darum, eine minimale „Zwischentariferhöhung“ vor den regulären Tarifverhandlungen zu verhindern, weil sie ihrem behaupteten Zweck, eine amtsangemessene Alimentation herbeizuführen, nach den Vorgaben des BVerfG nicht gerecht wird?
Es geht um die Einhaltung von Recht und Ordnung analog zur Rechtsprechung des BVerfG und nicht um das was die Politik sich einbildet mit fadenscheinigen Begründungen für verfassungskonform zu deklarieren. Auch dem Bundestag und dem Bundesrat ist es nicht gestattet Gesetze zu verabschieden, die offensichtlich nicht vereinbar sind mit dem Grundgesetz. Das die amtsangemessene Alimentation nicht zum Minimalpreis zu bekommen ist, sollte inzwischen auch dem Letzten klar geworden sein. Sofern das BBVAngG mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, hätte auch niemand hier ein Problem damit.
« Last Edit: 08.09.2024 12:36 von PolareuD »

Pendler1

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Nachtrag zu meinem Post #258

Da werden in einigen Postings falsche Berechnungen des BMI angemahnt:

... Klassenfahrten, Mittagessen usw.

Vielleicht werden für die zukünftige Alimentation noch die Toilettenpapier-Rollen herangezogen. Ist ja ein nicht unerheblicher Mehrverbrauch bei z.B. einer 5-köpfigen Familie?

Daher mein ceterum censeo zu dem aktuellen Entwurf: Für den Orkus. Das ist Bürokratie-Wahnsinn in Höchstform.

Und das in einer Zeit, in der angeblich entbürokratisiert werden soll.

Oder arbeiten da insgeheim die Totengräber des Berufsbeamtentums???

Man weiß es nicht.





SwenTanortsch

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Vielen Dank für deine sachlichen Ausführungen, Swen. Wenn man das liest, kommt man wieder ein wenig runter, aber nur ein wenig

Ich kann die Irritation, die Du beschreibst, lotsch, und die sich sicherlich bei vielen während des ersten Hörens der Darlegungen des ehemaligen BVR eingestellt hat, gut nachvollziehen. Auch ich musste erst einmal verstehen, was er eigentlich sagt, obgleich das ja tatsächlich auf der Hand liegt. Denn letztlich folgt er in seinen Darlegungen nur – wie bislang gezeigt – der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, macht also verfassungsrechtliche Aussagen unter der Prämisse, dass die vom Entwurf herangezogenen Daten stimmten (was wiederkehrend nicht der Fall ist und was er offensichtlich auch weiß, wie sich das an mindestens einer Stelle seiner Ausführungen zeigt und wie er das an mehreren weiteren Stellen durchscheinen lässt; hierauf komme ich im Folgenden zurück).

So verstanden möchte ich nach der bereits erfolgten Interpretation seiner ersten Darlegung ab Min. 12:30 und der letzten ab Std. 1:46:30 ebenso die beiden mittleren ab der Min. 52:10 und Std. 1:32:56 interpretieren, um so eine Gesamtinterpretation seiner Darlegungen zu vollziehen. Aus Platz- und Zeitgründen betrachte ich zunächst die zeitlich recht lange der beiden mittleren Darlegungen und unterteile ich sie in Anbetracht des Umfangs auch der nachfolgenden Darlegung in zwei Abschnitte, um im Anschluss dann den zweiten der beiden mittleren Beiträge zu betrachten.

Nachdem die jeweiligen Vertreter der Gewerkschaften und Verbände sowie der ehemalige BVR zunächst Gelegenheit gehabt hatten, das vorzutragen, was sie zur Anhörung bringen wollten, hat der stellvertretende Vorsitzende des Haushalts- und Finanzausschusses den Ausschussmitgliedern Gelegenheit gegeben, erstere zu befragen. Im Rahmen dessen kam es ebenso zu einigen Fragen an den ehemaligen BVR. Da diese Fragen unterschiedlicher Abgeordneter zwangsläufig verschiedene Themengebiete umfassen, ist hier keine aufeinander aufbauende Ausführung zu erwarten; vielmehr werden so nacheinander verschiedene Zusammenhänge getrennt voneinander betrachtet. Seine entsprechenden Darlegungen werde ich nachfolgend ebenfalls interpretieren.


1. Zum Verhältnis von Dienst- und Tarifbeschäftigung im öffentlichen Dienst

Eingangs hebt der ehemalige BVR ab Min. 52:10 zunächst den verfassungsrechtlichen Unterschied zwischen dem Dienst- und Tarifbeschäftigtenverhältnis im öffentlichen Dienst hervor – dieser ergibt sich, ohne dass er das weiter ausführt, aus Art. 33 Abs. 4 GG, der festlegt, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, was für Tarifbeschäftigte nicht gilt, die als solche keinem Dienst und Treueverhältnis unterstehen, sodass das Beschäftigungsverhältnis der Tarifbeschäftigung nicht als Regelfall zu begreifen ist –, um anhand der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe des bundesverfassungsgerichtlichen „Pflichtenhefts“ darauf hinzuweisen, dass hier nur der erste Parameter einen Vergleich zwischen beiden Beschäftigungsverhältnissen im öffentlichen Dienst betrachtet, dass also deshalb ein gewisser Gleichklang zwischen der Tariflohnentwicklung und der Entwicklung der Beamtenbesoldung indiziell zu erwarten wäre, da ein wiederkehrendes Zurückbleiben der Erhöhung der Beamtenbesoldung hinter der der Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst regelmäßig als Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation zu bewerten wäre.

Darüber hinaus würden allerdings die vier weiteren Parameter der ersten Prüfungsstufe – der Vergleich der Besoldungs- mit der Nominallohn- und der Verbrauchpreisentwicklung im entsprechenden Rechtskreis, die Betrachtung der beiden Abstandsgebote sowie der Vergleich mit der Besoldungsentwicklung in allen anderen Rechtskreisen – keinen Bezug zur Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst herstellen. Zwar habe sich in der Vergangenheit – als Folge der in der Regel vollzogenen Übertragung der in der jeweiligen Tarifeinigung festgelegten Prozentwerte auf die Beamtenbesoldung – in der Praxis ein gewisser Gleichlauf zwischen beiden Vergütungssystemen entwickelt, wegen des verfassungsrechtlichen Unterschieds zwischen ihnen sei ein solcher Gleichlauf aber nicht nur nicht zwangsläufig, sondern könne es ihn tatsächlich auf Dauer nicht geben, da der Nominallohn- und Verbraucherpreisindex als indizieller Vergleichsgegenstand der Besoldungsentwicklung zum Auseinanderlaufen der Tariflohnentwicklung und der Entwicklung der Besoldungserhöhungen zwinge. Damit führt er also aus, dass der allgemeine Lebensstandard von Beamten nicht allein von der Entwicklung der Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst abhängig gemacht werden kann, da so kein hinreichender Bezug der Besoldung zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung hergestellt werden könnte.


2. Zum Antragswesen des neu geplanten Ergänzungszuschlags

Im Anschluss beantwortet der ehemalige BVR eine weitere der vielen klugen Fragen des Abgeordneten Witzel. In der Beantwortung wird erneut deutlich, dass er auch hier dem folgt, was er zuvor klargestellt hat, nämlich dass er nicht geprüft habe, ob die vom Entwurf herangezogenen Daten stimmten, sondern dass er deren Richtigkeit voraussetze, wobei in der Beantwortung der Frage nun offensichtlich wird, dass dem ehemaligen BVR klar sein muss, dass die Daten hier an einer – darüber hinaus entscheidenden – Stelle nicht stimmen können. Denn da zugleich die Diskrepanz zwischen dem, was der Gesetzentwurf ausführt, und der sozialen Wirklichkeit der nordrhein-westfälischen Gesellschaft, die vom Besoldungsgesetzgeber zu betrachten ist, so eindeutig ist, wird spätestens hier offensichtlich, dass auch der ehemalige BVR davon ausgehen muss, dass der Entwurf, sofern er in der vorliegenden Form Gesetzeskraft erlangte, mitsamt seiner geplanten Regelung des § 71b keine Chance hat, vor dem Bundesverfassungsgericht zu bestehen.

Da er sich aber – wie oben dargelegt nicht zuletzt wegen des von mir hervorgehobenen nicht rechtlich bindenden Kodex – Urteilen über den Gesetzentwurf nach Möglichkeit generell enthält, referiert er auch hier nur die Sachlage, ohne die offensichtliche Problematik des zentralen Details seines Referats weiterhin zu betrachten, stellt er also – wie gleichfalls oben als allgemeines Phänomen seiner Darlegungen herausgestellt – in diesem politisch ein grundlegendes Interesse des Besoldungsgesetzgebers betreffenden Regelungskontext keinen Transfer her. Die Betrachtung eines Transfers überlässt er vielmehr einmal mehr dem Zuhörer – und also an dieser Stelle folglich mir. Schauen wir also mal, was der BVR als nächstes ausgeführt hat.

Als diesen nächsten Punkt beantwortet der ehemalige BVR die Frage nach den Konsequenzen, wie die in den Besoldungsgruppen A 5, A 6 und A 7 eingruppierten Beamten von ihrer Anspruchsberechtigung auf einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag erfahren sollten. Hierbei weist er – unabhängig davon, wie er ausführt, dass sicherlich ebenfalls die Gewerkschaften ihre Mitglieder entsprechend informieren würden – auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn hin. Der Dienstherr werde verpflichtet sein, den Beamten, für die die Einhaltung des Mindestabstandsgebot zweifelhaft sei, selbstständig entsprechende Auskünfte zu erteilen bzw. den betreffenden Beamten Mitteilungen zu machen, dass sie einen entsprechenden Antrag stellen könnten. Das Antragsverfahren würde dabei als „Bürokratiemonster“ zu einer Einzelfallbetrachtung von tausenden von Fällen führen müssen, die die nordrhein-westfälische Verwaltung zukünftig beschäftigen und lähmen würden. Das führe allerdings nicht zur Verfassungswidrigkeit, sei nur vielleicht nicht sinnvoll oder sei vielleicht untunlich.

Mit seinen Darlegungen führt der ehemalige BVR aus, dass mit dem Antragsverfahren ein offensichtlich wenig sinnvolles oder vielleicht untunliches „Bürokratiemonster“ geschaffen werde. Eine solche Entscheidung sei aber weder gesetzlich untersagt noch verfassungswidrig. Mit dieser Darlegung betrachtet er das Antragswesen augenscheinlich als in nicht geringem Maße dysfunktional. Dysfunktionalität, solange sie nicht zu grundlegender Einschränkung von Grundrechten führt und darüber hinaus weder mit der Verfassung noch mit einfachgesetzlichen Regelungen im Konflikt steht, ist nun aber nichts, was für sich allein der Betrachtung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt. Solange gesetzliche Regelungen im Rahmen der Verfassung und damit ebenso hinreichend widerspruchsfrei, normenklar und bestimmt in das Normengefüge eingeführt werden sowie dabei trotz eines nicht unerheblichen Grads an mit ihnen einhergehender Dysfunktionalität von der Verwaltung so umgesetzt werden können, dass damit nicht grundlegende Grundrechtseinschränkungen der Normunterworfene verbunden sind, dürfte ein solches Vorgehen sicherlich als politisch wenig klug bewertet werden können oder müssen; eine solche Regelung unterliegt aber als solche so ebenfalls dem weiten Entscheidungsspielraum, über den der Gesetzgeber verfügt. Entsprechend scheint es, als führe der ehemalige BVR mit seiner Darlegung sachlich etwas aus, was das Bundesverfassungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu interessieren bräuchte – wäre da allerdings nicht die von ihm zugrunde gelegte Zahl von tausenden von Fällen, die es in einer Einzelfallbetrachtung nach seiner Ansicht zu prüfen gelte. Denn in dieser Zahl laufen nun zwei Problematiken zusammen:

1. In den von ihm genannten Besoldungsgruppen A 5, A 6 und A 7 gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum tausende verheiratete alleinverdienende Beamten bzw. verheiratete Beamte, deren Ehepartner einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, die als solche also einen entsprechenden Antrag stellen könnten. Entsprechend sollte es nicht unwahrscheinlich sein, dass der ehemalige BVR unter einer realitätsgerechten Betrachtung des Mindestabstandsgebots davon ausgehen könnte – ohne dass er das ausführte; mit der Ausführung würde er sich offensichtlich ein Urteil erlauben –, dass sich die Verletzung der Besoldungssystematik in der Besoldungsordnung A gleichfalls noch über die genannten Besoldungsgruppen hinaus erstrecken sollte. Denn nicht umsonst ist das offensichtlich tatsächlich der Fall, wird sich die Antragsberechtigung nicht allein nur auf diese drei Besoldungsgruppen erstrecken können. Denn in Anbetracht des aktuell nicht gering verletzten Mindestabstandsgebots sollten spätestens unter einer realitätsgerechten Betrachtung der Mindest- und gewährten Nettoalimentation weitere Beamte als nur die in den genannten drei Besoldungsgruppen hervorgehobenen tatsächlich als antragsberechtigt zu betrachten sein. Der Entwurf nimmt solche Bemessungen jedoch nicht vor, präsentiert also auch hier keine sachgerechten Daten.

2. Sofern nun aber tausende von Fällen in einer Einzelfallbetrachtung zu prüfen sein sollten, wovon der ehemalige BVR explizit ausgeht, liegt es auch der Hand, dass im Ergebnis dann kaum nur wenige Einzelfälle am Ende tatsächlich anspruchsberechtigt sein sollten. In dem Moment, aber wo hier nicht mehr nur einige wenige Einzelfälle zu betrachten wären, die allein also anspruchsberechtigt wären, läge hier keine Regelung für atypische Sonderfälle mehr vor, die als solche einer salvatorischen Klausel unterfallen könnten, sondern vielmehr wären hier viele tatsächlich zu typisierte Regelfälle zu betrachten, weshalb sich ohne hinreichende Begründung für eine salvatorische Klausel die Regelung des § 71b mitsamt seines Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag als der Rechentrick entpuppte, der verfassungsrechtlich nicht mit Art. 33 Abs. 5 in Einklang zu bringen ist, sodass sich diese Regelung als verfassungswidrig offenbarte, wie ich das vorgestern auf Grundlage der Ausführungen des ehemaligen BVR gezeigt habe.

Im Ergebnis lässt sich also feststellen, dass der BVR hier davon ausgehen muss, dass es hinsichtlich des § 71b nicht um einige wenige atypische Sonderfälle geht, die alleine eine salvatorische Klausel sachlich rechtfertigen könnten, sondern dass hier in der tatsächlichen gesellschaftlichen Gefasstheit des Landes Nordrhein-Westfalen tatsächlich eine hohe Zahl an zu typisierene Regelfälle zu betrachten wäre, die damit aber verfassungsrechtlich nicht einer salvatorischen Klausel unterworfen werden dürften, sodass sich die Regelung des Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag sachlich nicht rechtfertigen lässt, sich die Regelung also als nicht rechtfertigungsfähiger Rechtentrick erweist, der als solcher verfassungswidrig ist (vgl. über die hier gemachten Ausführungen hinaus die Ausführungen zum hamburgischen Rechtskreis auf den S. 70 ff. unter https://bdr-hamburg.de/wp-content/uploads/Gutachterliche-Stellungnahme-Besoldungsstrukturgesetz-Drs.-22-1272.pdf; die dort hervorgehobenen Argumente sollte auch hinsichtlich des Landes Nordrhein-Westfalen im Grunde gelten, dabei sollte in Rechnung zu stellen sein, dass Hamburg zurzeit rund 1,9 Mio. Einwohner hat – https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155147/umfrage/entwicklung-der-bevoelkerung-von-hamburg-seit-1961/ –, Nordrhein-Westfalen allerdings mit rund 18,1 Mio. Einwohnern – https://www.it.nrw/nrw-einwohnerzahl-im-ersten-halbjahr-2023 – eine weit mehr als neunmal größere Einwohnerzahl aufweist. Entsprechend stehen den rund 45.700 Richtern, Beamten und Hochschullehrern in Hamburg – S 18 in https://www.hamburg.de/resource/blob/216268/35c3fc1a6c5e92143abb90f8661c4dc3/pb-2023-personalbericht-tabellenanhang-data.pdf – rund 273.000 in Nordrhein-Westfalen entgegen – https://www.it.nrw/im-oeffentlichen-dienst-des-landes-nrw-sind-fast-eine-halbe-million-personen-beschaeftigt-mehr-als).


3. Zur vergleichsweise sehr niedrigen Richterbesoldung in Deutschland

Im Gefolge betrachtet der ehemalige BVR den nicht zuletzt wiederkehrend nicht nur von der EU-Kommission in seinem Rechtsstaatsbericht gerügten Sachverhalt, dass die Richterbesoldung in Deutschland zu niedrig sei, wodurch Richter in Deutschland als Konsequenz von der EU-Kommission als korruptionsanfällig betrachtet werden würden. Entsprechend fasst der ehemalige BVR zusammen, dass die Richterbesoldung in Deutschland im europäischen Vergleich tatsächlich sehr niedrig sei. Auch damit gibt er – ohne dass er einen entsprechenden Transfer zieht oder sich ein Urteil erlaubte – einen allseits bekannten Sachverhalt wieder, den nicht zuletzt das aktuelle Judikat über die Berliner Richterbesoldung in aller Deutlichkeit und mit allen Konsequenzen insbesondere im Hinblick auf die qualitätssichernde Funktion der Besoldung aufzeigt, womit es neben der von der Europäischen Union gerügte Korruptionsanfälligkeit einen weiteren verfassungsrechtlich bedenklichen Zustand betrachtet (vgl. dort zunächst die Rn. 81 ff. und dann die Konkretisierung ab der Rn. 169). Nicht umsonst hat der Senat festgehalten, dass trotz der in Berlin in den 2010er Jahren vorgenommenen Absenkung der Einstellungsanforderungen die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht (mehr) erfüllt hat (Rn. 170). Es konnte seitdem keine Rede mehr davon sein, dass es dem Land gelungen wäre, durchgehend überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben (Rn. 173). In der Vergleichsgruppe der Angestellten mit juristischen Berufen in der Privatwirtschaft verdienten hingegen 2006 85 % beziehungsweise 2010 93 % mehr als ein Berufsanfänger im Bereich der Justiz. In 55 % der Fälle 2006 bzw. 65 % der Fälle 2010 lag das entsprechende Einkommen in der Privatwirtschaft auch über den Bezügen in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 (Rn. 174). Auch deshalb war der Senat 2020 unter Mitwirkung des damaligen BVR Huber zu dem Schluss gelangt, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen gewesen ist (Rn. 176).

Auch als Ergebnis der gerade referierten Entscheidung und ebenso mit der durch den ehemaligen BVR festgehaltenen Darlegung, dass die Richterbesoldung in Deutschland im europäischen Vergleich tatsächlich sehr niedrig sei, wird deutlich, dass das Problem des zu geringen Alimentationsniveaus nicht allein durch soziale, leistungslose Besoldungskomponenten gelöst werden könnte, da sie zwar zweifellos ebenfalls jenes Alimentationsniveau anheben. Allerdings spielen die sozialen Besoldungskomponenten hinsichtlich des Leistungsgrundsatzes aus Art. 33 Abs. 2 GG keine Rolle, der aber maßgeblich ist und also insbesondere durch die qualitätssichernde Funktion der Besoldung in seiner Beachtung gewährleistet werden muss – und zwar das nur umso mehr, als dass ein offensichtlich großer Teil des erst für den öffentlichen Dienst zu gewinnenden Nachwuchses zum Zeitpunkt der Bestallung mit einem Amt noch ledig und kinderlos ist. Auch deshalb kann die Erhaltung oder Zurückgewinnung der qualitätssichernden Funktion der Alimentation in Deutschland nur gelingen, wenn die leistungsbezogenen Besoldungsbestandteile erheblich angehoben werden, was die weitgehend alleinige Erhöhung leistungsloser sozialer Besoldungskomponenten nicht gewährleisten kann. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht im aktuellen Judikat letztlich - wie am Ende des letzten Absatzes gerade hervorgehoben - die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als nicht mehr amtsangemessen betrachtet. Denn in ihnen verwirklicht sich mittelbar das Leistungsprinzip (vgl. zuletzt nur BVerfGE 145, 304 <327 Rn. 70>; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html). Erweisen sich also die Grundgehaltssätze als verfassungsrechtlich zu gering, sollte sich darin eine Verletzung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 widerspiegeln, da sich nun in ihnen offensichtlich nicht mehr mittelbar das Leistungsprinzip hinreichend verwirklichen könnte. Fortsetzung folgt.
« Last Edit: 08.09.2024 13:40 von SwenTanortsch »

Pendler1

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Danke, Swen.

Ich habe mich da mal durchgekämpft😁

Da geht es zwar hauptsächlich um Richter, betrifft aber nach meiner Einschätzung das gesamte Beamtentum:

" dass das Problem des zu geringen Alimentationsniveaus nicht allein durch soziale, leistungslose Besoldungskomponenten gelöst werden könnte, da sie zwar zweifellos ebenfalls jenes Alimentationsniveau anheben. Allerdings spielen die sozialen Besoldungskomponenten hinsichtlich des Leistungsgrundsatzes aus Art. 33 Abs. 2 GG keine Rolle, der aber maßgeblich ist und also insbesondere durch die qualitätssichernde Funktion der Besoldung in seiner Beachtung gewährleistet werden muss – und zwar das nur umso mehr, als dass ein offensichtlich großer Teil des erst für den öffentlichen Dienst zu gewinnenden Nachwuchses zum Zeitpunkt der Bestallung mit einem Amt noch ledig und kinderlos ist. Auch deshalb kann die Erhaltung oder Zurückgewinnung der qualitätssichernden Funktion der Alimentation in Deutschland nur gelingen, wenn die leistungsbezogenen Besoldungsbestandteile erheblich angehoben werden, was die weitgehend alleinige Erhöhung leistungsloser sozialer Besoldungskomponenten nicht gewährleisten kann. ..."

Meine Rede und die Rede vieler Foristen hier.

Und dankenswerter Weise hat der ehemalige BVR auch das Wort "Bürokratiemonster" erwähnt.

Stehe ich doch nicht so alleine da😁😁

BVerfGBeliever

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Hi @Pendler1, danke für deinen Post!

Habe ich direkt mal in meiner Diskussion mit @MoinMoin und @cyrix42 im Angestellten-Thread zitiert..  :)

SwenTanortsch

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Gern geschehen, Pendler. Das Zitat gibt aber keine Aussage des ehemaligen BVR wieder - ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du das vermutest -, sondern meine Zusammenfassung der entsprechenden Interpretation seiner Aussagen.

Hier nun der zweite Teil zum ersten der beiden mittleren Ausführungen des ehemaligen BVRs.

4. Der geplante § 71 als verfassungskonforme Regelung?

Daraufhin nimmt der ehemalige BVR explizit Stellung zum geplanten § 71, den er für sich betrachtet – also auf Grundlage seiner vorausgesetzten Grundannahme, dass die vom Entwurf herangezogenen Daten stimmten – als verfassungskonform betrachtet, nachdem er zuvor erklärt hat, wie es dazu gekommen sei, dass der Senat in der Rn. 47 seines letzten Judikats den Besoldungsgesetzgeber in der gesellschaftlichen Verfasstheit der Bundesrepublik darauf hingewiesen habe, dass das Alleinverdienermodell als ggf. nicht mehr maßgebliches politisches Leitbild betrachtet werden könnte, was er – den entsprechenden Hinweis – im Zuge des sozialen Wandels als verfassungsrechtlich geboten betrachtet habe (dazu habe ich im Forum ja hinsichtlich der in den 2010er Jahre von Brandenburg und Rheinland-Pfalz vollzogenen Neubetrachtungen verschiedene Darlegungen ausgeführt und darin gezeigt, dass die mit den Neubetrachtungen von den beiden Besoldungsgesetzgebern vollzogenen Regelungen sich zu jener Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit als verfassungskonform gezeigt haben werden, vgl. bspw. nur die Nr. 5851 unter https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.msg345818.html#msg345818).

Darüber hinaus geht er hier aber nicht auf die maßgebliche Funktion der Alleinverdienerannahme als Kontrollmaßstab in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots ein, bei dem es sich also nicht um ein Abbild der Wirklichkeit oder das vom Bundesverfassungsgericht befürwortete Leitbild der Beamtenbesoldung handelt, sondern um eine Bezugsgröße, die eine spezifische Funktion bei der Bemessung der Untergrenze der Familienalimentation erfüllt, und zwar alimentationsrechtlich sowohl im Hinblick auf die dem Beamten in der untersten Besoldungsgruppe gewährte Alimentation als auch hinsichtlich des alimentativen Mehrbedarfs von kinderreichen Beamten. Der ehemalige BVR bildet also auch hier keinen Transfer und enthält sich entsprechend auch an dieser Stelle eines über die Leitbildbetrachtung hinausgehenden Urteils, obgleich er seine hier ausgeführte Betrachtung über weite Strecken am alimentativen Mehrbedarf entwickelt, was sachlich gut nachvollziehbar ist, da Betrachtungen zum alimentativen Mehrbedarf seit 1977 regelmäßig maßgebliche Judikationen mit sich gebracht haben, die in ihrem sachlichen Begründungsgehalt spätestens seit Mitte der 2000er Jahren auf die allgemeine Besoldungsrechtsprechung des Senats ausstrahlen, und obgleich die Betrachtung der Alleinverdienerannahme als weiterhin maßgeblicher Kontrollmaßstab insbesondere in dieser aktuellen Entscheidung 155, 77 <95 Rn. 37> dargelegt wird, und zwar hier in explizitem Verweis auf das aktuelle Judikat (vgl. unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html).

Dabei führte er auch – und zwar erneut im Kontext politisch starker Interessen nicht nur des nordrhein-westfälischen Besoldungsgesetzgebers ungeprüft – die von ihm entsprechend im Konjunktiv betrachteten Ausführungen von Landesregierungen und Besoldungsgesetzgebern weiterer Bundesländern aus, dass eine generelle Anhebung der Grundgehaltssätze ihrer Meinung nach fiskalisch nicht darstellbar wäre. Entsprechend geht er ebenfalls auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des Haushaltsgesetzgebers ein, dem dieser verfassungsrechtlich verpflichtet ist, und weist er dabei auch den Besoldungsgesetzgeber darauf hin, dass er jederzeit Einsparungen auch im Zuge der Besoldungsgesetzgebung im Rahmen des Neuverschuldungsverbots vornehmen dürfe, wobei der ehemalige BVR dabei als bekannt voraussetzen dürfte – denn so wird das Bundesverfassungsgericht auch zukünftig auf Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung urteilen müssen –, dass entsprechend vollzogene Einsparungen zur Haushaltskonsolidierung nicht allein nur die Gruppe der Beamten treffen könnten, da sie sich so als ein verfassungswidriges „Sonderopfer“ darstellen würden, sondern dass sie gleichheitsgerecht im Rahmen eines expliziten und entsprechend in der Begründung der Gesetzgebung ausgeführten Konsolidierungsrahmens zu vollziehen wären (vgl. dazu nur in der aktuellen Entscheidung in den Rn. 92 ff. und 177 ff.).

Entsprechend stellt er auch hier keinen Transfer her und enthält sich entsprechend dem Schluss, dass bislang seit Bestehen der Schuldenbremse kein Haushaltsgesetzgeber diesen Weg gegangen ist, da sich alle Parteien ausnahmslos sowohl der politischen Risiken – die entsprechenden Einsparungen dürften bei den von ihnen betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Individuen kaum auf allzu große Gegenliebe stoßen – als auch der verfassungsrechtlichen bewusst sein werden, die da letztere aus den verfassungsrechtlichen Forderungen resultieren, die der Art. 3 Abs. 1 GG mit sich bringt: Denn in Anbetracht des verfassungsrechtlichen Zwangs, Einsparungen zur Haushaltskonsolidierung gleichheitsgerecht gestalten zu müssen, werden sich sämtliche damit verbundene gesetzliche Regelungen zwangsläufig als reichlich komplex gestalten müssen. Entsprechend hebt der ehemalige BVR hier also ebenfalls nicht hervor, dass sich in diesem Unterlassen, entsprechende gleichheitsgerecht vollzogene Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung bzw. zur Verhinderung einer verfassungsrechtlich nicht erlaubten (zu hohen) Neuverschuldung vorzunehmen, eine politische Bequemlichkeit widerspiegelt, die ggf. populär ist (zumindest, solange sie nicht auffällt), die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen könnte, dass der Gesetzgeber zur Haushaltskonsolidierung genau über dieses verfassungsrechtliche Mittel verfügt, worauf er also hier nun vom ehemaligen BVR hingewiesen wird. Der ehemalige BVR zieht also nicht den offensichtlich auf der Hand liegenden Schluss, dass die von ihm genannten Ausführungen auch von Landesregierungen und Besoldungsgesetzgebern weiterer Bundesländern, wonach eine generelle Anhebung der Grundgehaltssätze ihrer Meinung nach fiskalisch nicht darstellbar wäre, als ausschließlich fiskalisches Argument weder hinreichten, um diese Anhebungen zu verhindern, sofern diese sich als verfassungsrechtlich notwendig zeigten, noch als alleinige Begründung ausreichten, da das Bemühen, Ausgaben zu sparen, nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden kann, soweit diese Kürzung nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient (vgl. in der aktuellen Entscheidung in der Rn. 95).

Im Anschluss hebt der ehemalige BVR den weiten Entscheidungsspielraum hervor, den der Besoldungsgesetzgeber auch hinsichtlich des Verhältnisses von Grundbesoldung und familienbezogenen Besoldungskomponenten habe, und stellt dieses Verhältnis deshalb in dessen Ermessen, um dabei hervorzuheben, dass die Verfassung lediglich fordere, dass die Besoldung amtsangemessen sei, womit er darauf anspielt, dass es hinsichtlich der gewährten Alimentation regelmäßig auf das Gehalt als Ganze ankommt (vgl. in der Rn. 73 der aktuellen Entscheidung). Dabei setzt er aber offensichtlich voraus, dass auch dem Besoldungsgesetzgeber bekannt ist, dass sich nicht zuletzt der kinderbezogene Bedarf einer Familie offensichtlich mindestens an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren habe und dass auch entsprechende Zuschläge insbesondere in ihrer Höhe also sachgerecht – und das heißt an der Realität, wie sie in der jeweiligen sozialen Wirklichkeit gegeben ist – zu begründen wären, so wie weiterhin hinsichtlich der Grundbesoldung die Forderungen des Leistungsgrundsatzes ebenfalls hinreichend vom Besoldungsgesetzgeber beachtet werden müssen. Nicht umsonst verwirklicht sich wie eben schon betont das Leistungsprinzip mittelbar im Grundgehalt.

Entsprechend hebt der ehemalige BVR im Anschluss – wie ich das gestern bereits ausgeführt habe – hervor, dass das Eingehen einer Ehe nicht zu einem Besoldungsnachteil führen dürfe, welcher sich nicht vor Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen ließe. Darüber hinaus fordere die Verfassung, dass die Entscheidung des Beamten für Kinder nicht zu einem Lebensstandardsverlust führen dürfe, wie das der Senat in der aktuellen Parallelentscheidung im ersten Leitsatz noch einmal als Folge des Alimentationsprinzips ausgeführt hat, wenn er für den alimentationsrechtlichen Mehrbedarf – und damit übertragen für die Alimentation als Ganze – hervorhebt: „Der Dienstherr ist aufgrund des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet, seinen Richtern und Beamten sowie ihren Familien einen amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Deshalb kann bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, die Anzahl der Kinder nicht ohne Bedeutung sein. Sind die Grundgehaltssätze so bemessen, dass sie zusammen mit den Familienzuschlägen bei zwei Kindern amtsangemessen sind, darf Richtern und Beamten nicht zugemutet werden, für den Unterhalt weiterer Kinder auf die familien-neutralen Bestandteile ihres Gehalts zurückzugreifen.“

Im Rahmen dessen, was ich jetzt kurz skizziert habe, sei es dem Gesetzgeber als Folge seines weiten Entscheidungsspielraums erlaubt, das Verhältnis von leistungsbezogenen und leistungslosen Besoldungskomponenten sachgerecht zu vollziehen. Entscheidend sei, ob am Ende die tatsächlich gewährte Alimentation amtsangemessen sei – damit spielt er erneut auf den Art. 33 Abs. 5 GG an – und sie dabei zugleich nicht – auch hier wiederholt er, ohne dass er die Verfassungsnormen explizit nennt, neben dem Art. 6 Abs. 1 GG gleichfalls Art. 3 Abs. 1 GG als maßgeblich auch vom Besoldungsgesetzgeber als zu beachten – die Ehe und Familie diskriminiere. Eine solche Diskriminierung wie auch eine Verletzung der amtsangemessenen Höhe der zu gewährenden Alimentation habe er jedoch bei den vorgeschlagenen Regelungen nicht erkennen können, wobei er hier offensichtlich weiterhin und hier erneut unausgesprochen voraussetzt, dass der Gesetzentwurf auf Basis der von ihm zugrunde gelegten – und vom BVR als sachgerecht vorausgesetzten – Daten zu dem Schluss kommt, dass die Parameter des bundesverfassungsgerichtlichen „Pflichtenhefts“ letztlich mit ggf. einer Ausnahme allesamt eingehalten wären und dass er auch hinsichtlich der Schuldenbremse von keine der möglichen, jedoch explizit zu begründenden Ausnahmeregelungen Gebrauch machen wolle. So verstanden sei nach Meinung des BVRs das Hauptproblem im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 71b die deutliche Bürokratiezunahme. Darüber hinaus sei der Gedanke, dass ausnahmsweise das Mindestabstandsgebot (im Sinne einer salvatorischen Klausel für atypische Sonderfälle) nicht gewahrt werde – und also in diesen vom Gesetzentwurf behaupteten wenigen Fällen ein Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag gewährt werden soll; diese Voraussetzung nennt er an dieser Stelle nicht noch einmal – verfassungsrechtlich per se nicht zu beanstanden, womit auch hier der zentrale Grundgedanke seiner Ausführungen zum Vorschein kommt, nämlich dass der BVR wie eingangs angekündigt die Daten des Gesetzentwurfs nicht prüfe, sondern sie als richtig voraussetze.

Dass er hingegen tatsächlich doch bereits eine solche Prüfung durchgeführt haben wird und also zum dem Schluss gekommen ist, dass von tausenden von Fällen auszugehen sei, die es in einer Einzelfallbetrachtung nach seiner Ansicht zu prüfen gelte, führt er hier ebenfalls nun nicht noch einmal aus, weil dann auch hier der oben dargelegte Transfer zu leisten wäre, der mit einem entsprechenden Urteil zu verbinden wäre und also zum dem Schluss kommen müsste, dass die vom § 71b geplanten Regelungen in der sozialen Wirklichkeit der nordrhein-westfälischen Gesellschaft sich nicht als salvatorische Klausel darstellen lassen und damit letztlich einen verfassungswidrigen Rechentrick darstellen, der also vom Besoldungsgesetzgeber nicht im Rahmen unserer Verfassung vollzogen werden darf, wie ich das oben als Folge der Ausführungen des ehemaligen BVR dargestellt habe.

Am Ende betrachtet er den allgemeinen soziologischen Befund, dass heute die Doppelverdienerfamilie als politisches Leitbild sachlich zu rechtfertigen sei, und führt als Folge des von ihm nicht genannten § 1356 BGB darüber hinaus aus, dass die Ausgestaltung der jeweiligen Berufstätigkeit rechtlich der freien Entscheidung beider Ehepartner unterstehe, ohne dass der ehemalige BVR jedoch auch hier – wie schon zuvor – auf die Bedeutung der Alleinverdienerannahme als Kontrollmaßstab in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots weiter eingeht. Auch diese letzten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts dürfte er folglich als bekannt voraussetzen. Zugleich enthebt ihn das von ihm auch hier nicht vollzogene Referat zur Bedeutung der Alleinverdienerannahme in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots ein weiteres Mal von der Folge einer Transferbildung in dem hier ebenfalls für den Besoldungsgesetzgeber politisch wichtigen Feld.

Auch hier überlässt er also das abschließende Urteil dem Zweiten Senat, wobei aus dem, was ich zuvor dargelegt habe, deutlich wird, dass auch der ehemalige BVR als Folge seiner Ausführungen kaum davon ausgehen dürfte, dass sich der geplante § 71b in der vom Entwurf vorgenommenen Form in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der nordrhein-westfälischen Gesellschaft verfassungsrechtlich rechtfertigen ließe – davon bleibt aber die politische Entscheidung für eine Betrachtung der Doppelverdienerfamilie als gesellschaftliches Leitbild unbenommen. Sie darf der Besoldungsgesetzgeber sicherlich so vollziehen, insbesondere, wenn es ihm auch unter diesem Leitbild gelingt, die Einhaltung des Mindestabstandsgebots unter dem Kontrollmechanismus der Alleinverdienerannahme zu garantieren, was hier allerdings wie gezeigt kaum der Fall sein kann. Nicht umsonst hebt der ehemalige BVR eingangs der jetzt gerade betrachteten Passage hervor, dass auf Grundlage der vom Gesetzentwurf behaupteten sozialen Wirklichkeit, in der nur wenige atypische Sonderfälle verfassungsrechtlich eine salavatorische Klausel erlaubten, sich der geplante § 71b als verfassungskonform darstellte, um zugleich - wie oben gezeigt - tatsächlich davon auszugehen, dass in der gegebenen sozialen Wirklichkeit der nordrhein-westfälischen Wirklichkeit mehrere tausend Antragssteller vorhanden sein müssten, von denen offensichtlich deutlich mehr als nur wenigen Einzelfällen ein entsprechender Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag zu gewähren sein dürfte, sodass die notwendige Voraussetzung für eine salvatorische Klausel entfiele, was die Verfassungswidrigkeit des geplanten § 71b zur Folge hätte. Fortsetzung folgt.
« Last Edit: 08.09.2024 15:30 von SwenTanortsch »

Reisinger850

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Ich hätte gedacht, der BVG Richter wäre da klarer auf unserer Seite. So liest es sich, als wäre alles okay. Zuschlagsorgien für ausgewählte Gruppen, Partnereinkommen, geringere Erhöhungen als beim Bürgergeld. Er schmiert der Politik Honig ums Maul :(

PolareuD

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Für mich stellt sich die Frage, warum er das Zahlenwerk nicht hinterfragt hat? Dann wäre das Ausmaß der Unteralimentation ersichtlich geworden und in der Folge wäre klar, dass nicht nur eine Minderheit von Beamten betroffen wäre.

Wie sieht das bei den Stellungnahmen der anderen Verbände aus? Ich hatte mir diese noch nicht angesehen, außer der des DRB NRW. Hier ist Fehlanzeige.

SwenTanortsch

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Der ehemalige BVR wägt, denke ich, Reisinger, materielle Güter gegeneinander ab, was das typische Verhalten von Verfassungsrechtlern ist, und achtet dabei im konkreten strittigen Fall peinlich genau darauf, sich auf keine Seite zu stellen, sich also im Nachhinein als ggf. befangen zu zeigen. Entsprechend ist m.E. mindestens dreierlei interessant:

1. Welche Darlegungen führt er für den ggf. sachlichen Gehalt des Entwurfs ins Feld und welche dagegen? Da er dabei insbesondere - wenn auch nur indirekt, da er sich eines abschließenden sachlichen Urteils i.d.R. zu enthalten versucht - den § 71b als offensichtlich verfassungwidrig betrachtet und darüber hinaus beträchtliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Struktur des 2022 neugeregelten Ortszuschlagswesens äußert, kritisiert er augenscheinlich deutlich die zentralen seit dem aktuellen Judikat aus dem Mai 2020 in Nordrhein-Westfalen vollzogenen bzw. derzeit sich im Vollzug befindlichen Neuregelungen.

2. Dabei ist m.E. nicht nur von Interesse, was er explizit sagt, sondern mindestens ebenso, was er - fast hätte ich gesagt: explizit - nicht sagt. Denn er referiert entsprechend über weite Strecken nur die vorliegende bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung oder setzt diese als bekannt voraus, sodass man sich neben seiner wiederkehrenden Würdigung des Gesetzentwurfs unter der Prämisse, dass die von ihm genannten Daten von ihm unbesehen als sachgerecht vorausgesetzt werden (obgleich er offensichtlich weiß, dass das nicht immer der Fall ist), seine - wie ich finde - so eindeutige wie weitreichende Kritik wiederkehrend selbst erschließen muss. Denn tatsächlich überwiegend in seiner Betrachtung deutlich die - zumeist nur aus der Betrachtung der von ihm zugrunde gelegten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu erschließende - sachlich Kritik.

3. Im Ergebnis zeigt sich nun also das Folgende: Wenn sich sowohl das bereits eingeführte Ortszuschlagswesen als auch die nun vorbereitete Regelung, das Partneinkommen zu betrachten, in der gewählten Struktur als verfassungswidrig herauskristallisieren sollte - was der ehemalige BVR für den letzten Fall offensichtlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so betrachtet, um es für den ersten Fall, der im Entwurf bereits keine Neuregelung mehr darstellt und deshalb dort kein Thema ist und den er deshalb nur kurz anreisst, recht deutlich werden zu lassen, dass auch er - also das 2022 neu eingeführte Ortszuschlagswesen - von seiner Struktur her kaum mit dem Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen zu vereinbaren sein sollte, dann hat der nordrhein-westfälische Besoldungsgesetzgeber augenscheinlich ein beträchtliches Problem.

Denn im Ergebnis hat er mit diesem und dem Gesetzgebungsverfahren aus 2022 die aktuelle bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung heute insoweit anerkannt, dass er seiner Gesetzgebung nun ein gehörig höheres Alimentationsniveau zugrunde legt, als das noch 2019 oder 2020 der Fall gewesen ist. Der nordrhein-westfälische Besoldungsgesetzgeber hat also zwischenzeitlich eine deutlich höhere Alimentationshöhe sachlich geregelt als noch in den gerade genannten Jahren - es wird ihm daraufhin nun entsprechend schwer fallen, zukünftig sachlich begründen zu wollen, dass diese Höhe doch nicht sachgerecht sei (indirekt versucht er das mit der Betrachtung des Partnereinkommens in gewisser Weise zu vollziehen; nur erkennt er eben ob des Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag dabei dennoch das nun noch einmal deutlich höhere Alimentationsniveau als 2022 an).

Wenn nun die beiden genannten sozialen Besoldungsbestandteile sich von ihrer gewählten Struktur her sachlich nicht rechtfertigen lassen - was offensichtlich der Fall ist und woran der ehemalige BVR bei genauem Lesen weitgehend kaum einen Zweifel lässt -, dann bleibt zukünftig für den Besoldungsgesetzgeber genau das Problem, nämlich das Niveau der Alimentationshöhe sachlich bereits anerkannt zu haben - zukünftig meint, im Nachklang an eine rechtskräftige Entscheidung. Es muss sich entsprechend zeigen, wie er danach ggf. weiterhin eine vor allem fiskalisch geprägte Besoldungsgesetzgebung vollziehen wollte, ohne damit nicht sachlich untätig zu bleiben bzw. nur so zu handeln, dass das einer Untätigkeit gleichkäme.

Ergo: Der ehemalige BVR ist zum Glück nicht auf der Seite der Beamten. Er hat hingegen nur aus einer offensichtlich neutralen Warte heraus Ausführungen getätigt, die sachlich recht weitgehende Schlüsse zulassen. Das gilt übrigens ebenso für den zweiten Teil seiner mittleren Ausführungen, die ich hier nun als Abschluss meiner Betrachtung anfüge:


2) Ausführungen ab Std. 1:32:56

Im weiteren der beiden mittleren Teile seiner Ausführungen nimmt der ehemalige BVR ab der Std. 1:32:56 ebenfalls Stellung zu einer erneuten Frage des Abgeordneten Witzel, der sich bei den anwesenden Sachverständigen unter anderem erkundigte, ob sie Gefahren und Tendenzen in der Strategie sehen würden, als Folge einer im Marktvergleich unterdurchschnittliche Besoldung die Einstellungsvoraussetzungen abzusenken, sodass man mit dem Besoldungssystem, auf das sich zubewegt werde, nicht mehr die besten Köpfe für den öffentlichen Dienst gewinnen würde (vgl. hier insgesamt ab Std. 1:18:17 und insbesondere ab 1:21.36).

a) Darlegungen des ehemalige BVR und seine Interpretation

Der ehemalige BVR folgt offensichtlich auch hier in seiner Antwort seiner Grundvoraussetzung, dass die vom Entwurf herangezogenen Daten stimmten, und führte zunächst aus, dass auf der zweiten Stufe des bundesverfassungsgerichtlichen „Pflichtenhefts“ geprüft werde, ob sich die Amtsangemessenheit der Alimentation, um ihre qualitätssichernde Funktion zu erfüllen, auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen erweise, die für vergleichbare oder auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden würden (vgl. die Rn. 89 des aktuellen Judikats). Entsprechend spiele diese Prüfung im Gesetzentwurf keine Rolle, weil jener auf der ersten Stufe der Prüfung bereits davon ausgegangen sei, dass keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation gegeben sei. Damit referiert der ehemalige BVR auch hier das, was der Gesetzentwurf ausführt, der nicht konkret in die Prüfung der zweiten Prüfungsstufe eingestiegen ist, sondern vielmehr zur zweiten Prüfungsstufe auf der Seite 91 ausschließlich hervorhebt: „Nach dem Ergebnis der ersten Prüfstufe wird keiner der fünf Parameter auf der ersten Prüfungsstufe erfüllt. Für die auf der zweiten Prüfungsstufe gebotene Gesamtabwägung sind keine weiteren Umstände ersichtlich, die auf eine Unangemessenheit der Bezüge hindeuten. Die Höhe der Alimentation ist damit amtsangemessen und verfassungskonform.“

Nachdem er sich also zuvor erneut eines Urteils enthoben hatte, weist er im Anschluss aber darauf hin, dass in der mündlichen Verhandlung über die nordrhein-westfälische Besoldung im Jahr 2015 (vgl. BVerfGE 140, 240; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/11/ls20151117_2bvl001909.html) ein entsprechender Vergleich vorbereitet worden sei, wobei sich dort im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm 100 nicht besetzte Richterstellen gezeigt hätten, die über längere Zeit nicht hätten besetzt werden können, was vermutlich mit der gesamten Attraktivität dieser Stellen zu tun gehabt habe. Der genannte Oberlandesgerichtsbezirk umfasst die Gerichtsbezirke Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn und Siegen, von denen einige strukturschwache Regionen oder Gebiete umfassen (vgl. zu den Gerichtsbezirken unter https://www.olg-hamm.nrw.de/aufgaben/gerichtsbezirk/index.php). Er habe zwar aus der Justiz gehört, dass die Problematik hier heute weitgehend behoben sei. Nichtsdestotrotz sei das schon ein Menetekel, das man nicht zuletzt hinsichtlich der Attraktivität der R-Besoldung im Hinterkopf haben sollte, wobei der ehemalige BVR hier implizit an seine vorherigen Aussagen anschließt, wie sie oben unter der Betrachtung der vergleichsweise sehr niedrigen Richterbesoldung in Deutschland referiert worden sind, ohne dass er auch hier explizite Zusammenhänge herstellte oder sich ein Urteil erlauben würde, das er also wie zumeist in seinen Darlegungen dem Zuhörer überlässt. Entsprechend hebt er im Anschluss hervor, dass die seiner Meinung nach offensichtlich kaum hinreichende Attraktivität der R-Besoldung nicht auf diese beschränkt bleibe, denn das gelte ebenso für die Verwaltung und den Verwaltungsdienst.

Darüber hinaus gebe es ein paar weitere Gesichtspunkte, die er nicht quantifizieren könne – damit hebt er auch hier hervor, dass er sich mit ihrer Darlegung eines Urteils enthalten wolle –, die aber gleichfalls bundesweite eine Rolle spielten, nämlich dass insbesondere im Hinblick auf die geregelten Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst Juristen nach einiger Zeit wiederkehrend aus der freien Wirtschaft in die Staatsanwaltschaft wechseln würden, obgleich sie hier eine deutlich geringere Alimentation gegenüber ihrem vormaligen Verdienst vorfänden. Hier offenbare sich ein gegenläufiger Gesichtspunkt, der zeige, dass Geld nicht alles sei, sondern dass es ebenso auch auf die Attraktivität, das Sozialpredige des Berufs und seine Wertschätzung ankomme.

Ebenso käme hinzu, dass Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Richter beschäftige, was möglicherweise für die soziale Wertschätzung und auch die Alimentation diffuse negative Konsequenzen habe. Zugleich könne nicht ausgeklammert werden, dass es heute ein Drittel weniger Jurastudenten gäbe als noch vor zehn Jahren, so wie es ebenfalls einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der Absolventen geben würde. Beides mache es aber nur umso wichtiger und umso dringender, dass man nicht nur durch die Senkung der Einstellungsvoraussetzungen, insbesondere der Examensnote, reagiere, sondern dass man vor allem die Dritte Gewalt und den Richterberuf attraktiv halte und attraktiver machte, als letzterer es im Moment sei.

b) Fazit

Nicht zuletzt mit diesen letzten, aber im Ganzen betrachtet mit seinen gesamten hier referierten Ausführungen beantwortete der ehemalige BVR die Abgeordnetenfrage umfassend, ob auch er Gefahren und Tendenzen in der Strategie sehen würde, als Folge einer im Marktvergleich unterdurchschnittliche Besoldung die Einstellungsvoraussetzungen abzusenken, sodass man mit dem Besoldungssystem, auf das sich zubewegt werde, nicht mehr die besten Köpfe für den öffentlichen Dienst gewinnen würde. Denn nachdem er zuvor bereits auf die im europäischen Vergleich sehr niedrige Richterbesoldung in Deutschland verwiesen hatte (vgl. oben) und nun darüber hinaus die seiner Meinung nach offensichtlich kaum hinreichende Attraktivität der R-Besoldung nicht auf diese beschränkt sehen wolle, sondern feststellt, dass eine kaum hinreichende Attraktivität der Besoldung ebenso für die Verwaltung und den Verwaltungsdienst gelte, betrachtet er es jetzt am von ihm hervorgehobenen Beispiel der Justiz als nur umso dringender, dass man nicht vor allem die Einstellungsvoraussetzungen absenkte, sondern dass man vielmehr in erster Linie zur Gewinnung qualifizierten Nachwuchses die Dritte Gewalt und den Richterberuf attraktiv halte und attraktiver machte, als letzterer es im Moment sei.

Damit aber hebt er insbesondere die wichtige Funktion einer amtsangemessenen Alimentation für die Gewinnung von qualifizierten Nachwuchs hervor, um ebenso weitere Faktoren zu nennen, nämlich explizit die Arbeitszeit, genauso wie allgemein die Attraktivität, das Sozialpredige des Berufs und seine Wertschätzung in der Gesellschaft, die im Blick zu behalten sein sollten, und zwar das nur umso mehr, als dass sich heute auch in der Justiz sowohl hinsichtlich der Studierendenzahlen als auch im Hinblick auf die Zahl der Absolventen ein zunehmendes Nachwuchsproblem offenbare.

Ohne dass er es also abschließend als ein Urteil explizierte, pflichtete er den offensichtlichen Sorgen des Abgeordneten im Kontext seiner gesamten Ausführungen augenscheinlich vollumfänglich bei. Denn nicht umsonst hatte er zuvor bereits – ohne sich auch hier ein abschließendes Urteil zu erlauben – implizit darauf verwiesen, dass die Anhebung vor allem von sozialen, leistungslosen Besoldungskomponenten offensichtlich nicht hinreichend sein könnte, um nicht zuletzt die Forderungen, wie sie sich aus dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, zu erfüllen (vgl. oben). Ebenso hatte er – auch das ohne ein entsprechend abschließendes Urteil, jedoch in der Sache argumentativ eindeutig – die geplanten Regelungen des Art. 71b, unabhängig davon, dass er das mit ihm einhergehende Antragswesen ebenfalls als „Bürokratiemonster“ betrachtet hat, offensichtlich als einen verfassungswidrigen Rechentrick betrachtet und seine gehörigen Zweifel anklingen lassen, dass das 2022 geregelte Ortszuschlagswesen in der Form, wie es sich heute zeigt, mit der Verfassung in Einklang zu bringen sein könnte (vgl. oben). Es liegt also auf der Hand, dass das Land Nordrhein-Westfalen nach Ansicht des ehemaligen BVRs mit dem Besoldungssystem, auf das es sich derzeit zubewegt, nicht mehr die besten Köpfe für den öffentlichen Dienst gewinnen können wird – das von ihm genannten Menetekel aus der Vergangenheit sollte dabei gleichfalls nicht aus dem Blick verloren gehen –, so wie man davon ausgehen muss, dass der ehemalige BVR aktuell davon ausgeht, dass auch heute schon die Attraktivität im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen gesteigert werden sollte. Denn ansonsten hätte er nicht die Verbesserungsvorschläge anklingen lassen, die er insbesondere in diesem zweiten der beiden mittleren Teile seine Ausführungen gemacht hat.

@ PolareuD

Die Antwort auf Deine Frage ergibt sich aus dem genannten nicht verrechtlichten Kodex genauso wie aus seinem für einen ehemaligen Verfassungsrichter zentralen Bemühen, unter allen Umständen in einer politisch dominierten Rechtsfrage die Neutralität zu wahren, sich also ggf. nicht im Nachhinein als befangen zu zeigen. Auch für aus dem Amt eines Richters am Bundesverfassungsgericht ausgeschiedene Beamte gilt darüber hinaus offensichtlich bis zu ihrem Lebensende das, was § 33 Abs. 2 BeamtStG regelt (https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__33.html):

"Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt."

Ich denke, dass man das Handeln als Sachverständiger in einem Anhörungsverfahren entsprechend so - jedenfalls spätestens dann, wenn eine Äußerung als politisch gewertet werden könnte - betrachten könnte. Ebenso bleibt zu beachten, was § 34 Abs. 1 hervorhebt, nämlich dass das Verhalten von Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die ihr Beruf erfordern. Darüber hinaus wird jeder Richter, auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, den § 39 DRiG weiterhin im Kopf behalten, vermute ich: "Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird."

Während der Anhörung fand ich insbesondere den Geschäftsführer des DRB NRW, Gerd Hamme, in seinen gesamten Ausführungen sehr klar. Das gilt auch für die von ihm formulierte kurze, aber präzise Stellungnahme, vgl. unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST18-1645.pdf
« Last Edit: 08.09.2024 19:02 von SwenTanortsch »

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...in der NRW-Anhörung wurde immer wieder hervorgehoben, das Kamin- und andere Hinterzimmer- oder Besoldungsgespräche das Fundament der Alimentationsfestsetzung (sowie der anderen Bedingungen im öffentlichen Dienst) bilden. Und mit dem in der Anhörung aufgeworfenem Vorschlag ist die Gewerkschaft zu einem Deal bereit: das Partnereinkommen einzubeziehen wird vollumfänglich akzeptiert, wenn NRW die derzeitige  bayrische Besoldungstabelle übernimmt...!    :o



Versuch

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Ich hätte gedacht, der BVG Richter wäre da klarer auf unserer Seite. So liest es sich, als wäre alles okay. Zuschlagsorgien für ausgewählte Gruppen, Partnereinkommen, geringere Erhöhungen als beim Bürgergeld. Er schmiert der Politik Honig ums Maul :(

Ich verstehe auch nicht, warum nicht Klartext gesprochen wird und eigentlich immer so, dass es mehrdeutig sein könnte oder nicht klar zu verstehen.
Auch deswegen hat die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Keiner will Verantwortung übernehmen.